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Themenstarter
tl;dr
Eine GMT ist auch dann ein Fake, wenn sie kein Fake ist. Sagt der Zoll.
Ich hatte Geburtstag. Und meine Frau, die aus mir unerfindlichen Gründen nicht ganz so begeistert über den Ankauf neuer Uhren ist, wie ich, hatte die feste Absicht, mir eine Freude zu machen. Sie wusste, dass ich noch keine GMT habe. Und ihr war bekannt (dafür hatte ich offenbar hinreichend Sorge getragen), dass es nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Japan schöne Uhren gibt. Mit dem für sie unbestreitbaren Vorteil (sie ist in Schwaben aufgewachsen), dass eine GMT von dort günstiger zu haben ist, als eine eidgenössischer Provinienz.
Meine Frau hat also die einschlägigen Angebote japanischer Händler gesichtet, alles ausgesiebt, was nicht mechanisch ist, ihr nicht gefällt, alle Uhren, die ich "so ähnlich ja schon habe" oder ihr für eine Uhr zu teuer erschien ("dafür bekommt man ja schon wirklich schönen Schmuck !"). Übrig blieb die tatsächlich wunderschöne Orientstar GMT ("Star Seeker") in weiß. Bestellt, bezahlt, versandt, rechtzeitig in Deutschland. Bis dahin alles wunderbar.
Ich durfte mit zum Zoll.
Dort nahm das Drama seinen Lauf.
Nachdem wir höflich auf uns aufmerksam gemacht hatten, schlurfte auch tatsächlich ein Zöllner heran. Nach leidvoller Erfahrung habe ich darauf gedrungen, alle, aber auch wirklich alle möglichen Unterlagen mitzunehmen. Inklusiver eidesstattlicher Versicherung, nicht nebenberuflich auch einen Uhrenimport zu betreiben, Führungszeugnis und Geburtsurkunde. Denn beim Zoll weiß man nie.
Dass sei schon mal gut, meinte der Zöllner und holte eine Schere zum Zwecke des Öffnens der Umverpackung. Die Uhr, aus sicherer Quelle, war offensichtlich echt. Eine echte Orientstar. Das steht auch recht deutlich auf dem Zifferblat. Und Orient macht auch nicht den Unsinn mit der Grenzbeschlagnahme wie Seiko, die ja so fürchterlich große Angst vor den allgegenwärtigen Seiko-Fakes haben. "Eine sehr schöne Uhr", meinte der Zöllner.
Er begab sich mit meiner Uhr in endmoränenhafter Geschwindigkeit zum PC. Den darf man nicht ansehen. Nicht mal in die Richtung. Wusste ich schon. Ich vermute ja, dass die Zöllner ziemlich bizarre pornographische Bildschirmschoner haben. Sorgfältig wurde der Inhalt des Zifferblattes in die Tastatur getippt. Nachdem ich eine ausliegende Autozeitschrift auswendig gelernt hatte, präsentierte die geballte Staatsmacht das Ergebnis:
Es bestehe der dringende Verdacht der illegalen Einfuhr markenrechtlich geschützter Ware. In mein inzwischen tiefgefrorenes Lächeln erfolgte auch gleich die messerscharf durchdachte Begründung: Auf der Uhr stehe GMT. Das sei geschützt.
Also schnell das Handy gezückt, die Seite des DPMA aufgerufen, Markenrecherche durchgeführt, Ergebnis: Ja, geschützte Wortmarke GMT vorhanden. Geschützt: Mülltonnen. Meine Frau war ja dabei und ich bin ein höflicher Mensch. Ich habe also nicht gesagt, dass dann, wenn er eine Uhr nicht von einer Mülltonne unterscheiden könne, er seinen und jeden anderen Beruf verfehlt habe. Nein, ich habe den hochdotierten Schützer des Rechts an der Grenze freundlich darauf hingewiesen, dass
a) die Marke "GMT" für Uhren nicht geschützt sei
b) ein Schutz auch fernliegend sei, da GMT als Gattungsbegriff für Uhren nicht schutzwürdig sei
c) dass sich dann Panerai, Seiko und Co. aber warm anziehen müssten, denn auf jedem zweiten Zifferblatt von Uhren mit zweiter Zeitzone lasse sich unschwer die Buchstabenfolge GMT ablesen
d) die Uhr auch in Deutschland erhältlich sei.
Aber ach, die Argumentation war umsonst. Denn "GMT", so der Hüter von Ordnung und Moral (jedenfalls außerhalb seines Bildschirmhintergrundes) sei Bestandteil der von Rolex geschützten Marke "GMT-Master". Jetzt kenne ich die Rolex GMT-Master und das Bollwerk gegen Fakeimporte möglicherweise nicht. Gemeinsam haben die Orientstar und die Rolex, dass beide Uhren aus Stahl sind. Damit erschöpfen sich die Verwechslungsmöglichkeiten aber schon.
Egal, meint der Bekämpfer des Branntwein- und Zigarettenschmuggels. Das müsse gründlichst überprüft werden. Die Uhr bleibe da. Und es sei eine wirklich schöne Uhr. Denn auf seinem Bildschirm sei nun mal "GMT" gelb hinterlegt als Teil der geschützten Marke GMT-Master.
Wahrscheinlich ist die Uhr jetzt beim Kollegen, der Rolex vertritt und sich wundert, was er denn jetzt mit einer Orientstar anfangen soll. Ich habe fürsorglich schon mal der Vernichtung widersprochen. Und Rolex angeschrieben, dass ich dankbar wäre, wenn die meinen Geburtstag retten und rasch die Uhr freigeben könnten. Aber vermutlich spricht Rolex nicht mit mir, weil ich deren Produkte nicht nach dort zum Service gebe.
Ich werde wohl Schwierigkeiten haben, meiner Frau den nächsten Rolex-Kauf zu erklären. Die ist jetzt der Meinung, dass Rolex ihr das Geburtstagsgeschenk für ihren Mann hinterrücks entzogen hat, um freudestrahlend mit der Dampfwalze drüber zu fahren. Ich habe den kurz aufblitzenden Gedanken, dass doch eher der Zöllner die wirklich schöne Uhr umschnallt für mich behalten. Er ist auch sicher falsch. Wahrscheinlicher ist, dies kann gar nicht genug klargestellt werden, dass der Zöllner die strikte Anweisung bekommen hat, bei jedem auch fernliegenden Verdacht einer Markenrechtsverletzung rigoros einzuschreiten und ja nicht, unter keinen Umständen, ein derartiges Machwerk wie eine gefälschte Rolex nach Deutschland zu lassen.
Ich werde weiter berichten. Mein Geburtstag ist jedenfalls rum. Vielleicht bekomme ich die Uhr ja zum nächsten.
Eine GMT ist auch dann ein Fake, wenn sie kein Fake ist. Sagt der Zoll.
Ich hatte Geburtstag. Und meine Frau, die aus mir unerfindlichen Gründen nicht ganz so begeistert über den Ankauf neuer Uhren ist, wie ich, hatte die feste Absicht, mir eine Freude zu machen. Sie wusste, dass ich noch keine GMT habe. Und ihr war bekannt (dafür hatte ich offenbar hinreichend Sorge getragen), dass es nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Japan schöne Uhren gibt. Mit dem für sie unbestreitbaren Vorteil (sie ist in Schwaben aufgewachsen), dass eine GMT von dort günstiger zu haben ist, als eine eidgenössischer Provinienz.
Meine Frau hat also die einschlägigen Angebote japanischer Händler gesichtet, alles ausgesiebt, was nicht mechanisch ist, ihr nicht gefällt, alle Uhren, die ich "so ähnlich ja schon habe" oder ihr für eine Uhr zu teuer erschien ("dafür bekommt man ja schon wirklich schönen Schmuck !"). Übrig blieb die tatsächlich wunderschöne Orientstar GMT ("Star Seeker") in weiß. Bestellt, bezahlt, versandt, rechtzeitig in Deutschland. Bis dahin alles wunderbar.
Ich durfte mit zum Zoll.
Dort nahm das Drama seinen Lauf.
Nachdem wir höflich auf uns aufmerksam gemacht hatten, schlurfte auch tatsächlich ein Zöllner heran. Nach leidvoller Erfahrung habe ich darauf gedrungen, alle, aber auch wirklich alle möglichen Unterlagen mitzunehmen. Inklusiver eidesstattlicher Versicherung, nicht nebenberuflich auch einen Uhrenimport zu betreiben, Führungszeugnis und Geburtsurkunde. Denn beim Zoll weiß man nie.
Dass sei schon mal gut, meinte der Zöllner und holte eine Schere zum Zwecke des Öffnens der Umverpackung. Die Uhr, aus sicherer Quelle, war offensichtlich echt. Eine echte Orientstar. Das steht auch recht deutlich auf dem Zifferblat. Und Orient macht auch nicht den Unsinn mit der Grenzbeschlagnahme wie Seiko, die ja so fürchterlich große Angst vor den allgegenwärtigen Seiko-Fakes haben. "Eine sehr schöne Uhr", meinte der Zöllner.
Er begab sich mit meiner Uhr in endmoränenhafter Geschwindigkeit zum PC. Den darf man nicht ansehen. Nicht mal in die Richtung. Wusste ich schon. Ich vermute ja, dass die Zöllner ziemlich bizarre pornographische Bildschirmschoner haben. Sorgfältig wurde der Inhalt des Zifferblattes in die Tastatur getippt. Nachdem ich eine ausliegende Autozeitschrift auswendig gelernt hatte, präsentierte die geballte Staatsmacht das Ergebnis:
Es bestehe der dringende Verdacht der illegalen Einfuhr markenrechtlich geschützter Ware. In mein inzwischen tiefgefrorenes Lächeln erfolgte auch gleich die messerscharf durchdachte Begründung: Auf der Uhr stehe GMT. Das sei geschützt.
Also schnell das Handy gezückt, die Seite des DPMA aufgerufen, Markenrecherche durchgeführt, Ergebnis: Ja, geschützte Wortmarke GMT vorhanden. Geschützt: Mülltonnen. Meine Frau war ja dabei und ich bin ein höflicher Mensch. Ich habe also nicht gesagt, dass dann, wenn er eine Uhr nicht von einer Mülltonne unterscheiden könne, er seinen und jeden anderen Beruf verfehlt habe. Nein, ich habe den hochdotierten Schützer des Rechts an der Grenze freundlich darauf hingewiesen, dass
a) die Marke "GMT" für Uhren nicht geschützt sei
b) ein Schutz auch fernliegend sei, da GMT als Gattungsbegriff für Uhren nicht schutzwürdig sei
c) dass sich dann Panerai, Seiko und Co. aber warm anziehen müssten, denn auf jedem zweiten Zifferblatt von Uhren mit zweiter Zeitzone lasse sich unschwer die Buchstabenfolge GMT ablesen
d) die Uhr auch in Deutschland erhältlich sei.
Aber ach, die Argumentation war umsonst. Denn "GMT", so der Hüter von Ordnung und Moral (jedenfalls außerhalb seines Bildschirmhintergrundes) sei Bestandteil der von Rolex geschützten Marke "GMT-Master". Jetzt kenne ich die Rolex GMT-Master und das Bollwerk gegen Fakeimporte möglicherweise nicht. Gemeinsam haben die Orientstar und die Rolex, dass beide Uhren aus Stahl sind. Damit erschöpfen sich die Verwechslungsmöglichkeiten aber schon.
Egal, meint der Bekämpfer des Branntwein- und Zigarettenschmuggels. Das müsse gründlichst überprüft werden. Die Uhr bleibe da. Und es sei eine wirklich schöne Uhr. Denn auf seinem Bildschirm sei nun mal "GMT" gelb hinterlegt als Teil der geschützten Marke GMT-Master.
Wahrscheinlich ist die Uhr jetzt beim Kollegen, der Rolex vertritt und sich wundert, was er denn jetzt mit einer Orientstar anfangen soll. Ich habe fürsorglich schon mal der Vernichtung widersprochen. Und Rolex angeschrieben, dass ich dankbar wäre, wenn die meinen Geburtstag retten und rasch die Uhr freigeben könnten. Aber vermutlich spricht Rolex nicht mit mir, weil ich deren Produkte nicht nach dort zum Service gebe.
Ich werde wohl Schwierigkeiten haben, meiner Frau den nächsten Rolex-Kauf zu erklären. Die ist jetzt der Meinung, dass Rolex ihr das Geburtstagsgeschenk für ihren Mann hinterrücks entzogen hat, um freudestrahlend mit der Dampfwalze drüber zu fahren. Ich habe den kurz aufblitzenden Gedanken, dass doch eher der Zöllner die wirklich schöne Uhr umschnallt für mich behalten. Er ist auch sicher falsch. Wahrscheinlicher ist, dies kann gar nicht genug klargestellt werden, dass der Zöllner die strikte Anweisung bekommen hat, bei jedem auch fernliegenden Verdacht einer Markenrechtsverletzung rigoros einzuschreiten und ja nicht, unter keinen Umständen, ein derartiges Machwerk wie eine gefälschte Rolex nach Deutschland zu lassen.
Ich werde weiter berichten. Mein Geburtstag ist jedenfalls rum. Vielleicht bekomme ich die Uhr ja zum nächsten.
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