
jo3861
Themenstarter

Eigentlich wollte ich als nächste Uhrenvorstellung meine neue Grand Seiko zeigen. Das muss jetzt noch ein wenig warten, weil ein spontaner Kauf derzeit meine ganze Uhrenaufmerksamkeit hat: Eine Omega Speedmaster Broad Arrow.
Diese Speedmaster lassen mich einfach nicht los. Mit keiner Uhrenfamilie habe ich mich so viel beschäftigt. Kein Wunder: es gibt ja auch kaum eine in der Oberklasse, die so groß ist! Man muss schon von einer Speedmaster-Sippe sprechen oder einem Clan. Wiedereingestiegen in die „feinen Uhren“ war ich mit der klassischen Hesalit Speedmaster Professionell. Doch so monochrom, wie sie daherkommt, und ohne Datum konnte sie mich nicht dauerhaft fesseln, so dass ich sie gegen eine Speedmaster Racing 40mm austauschte. Im Blick gewesen war aber auch die „Broad Arrow“, die von 2015, „George Clooney's Choice“, wie Omega warb. Technisch erste Sahne, aber leider recht hoch bauend und zu wertvoll für den geplanten Einsatz als Daily Rocker. So blieb sie im Geschäft – und in meinem Kopf.

Einige Uhren später weckte eine Verkaufsanzeige im Marktplatz mein Interesse: das Vorläufermodell der aktuellen (teuren, dicken) Broad Arrow. Das ältere Modell wird schon seit ein paar Jahren, spätestens seit 2016, nicht mehr hergestellt. Die Uhr auf dem Markplatz hatte aber ein helles Zifferblatt und blaue Zeigern, was meinen Geschmack nicht ganz trifft. Ich suchte und fand jedoch eine schwarze Variante, neu, bei dem japanischen Händler, bei dem ich bereits meine Racing günstig gekauft hatte. Auch dieses Mal war das Angebot attraktiv und so bestellte ich sie recht spontan. Es dauerte nur wenige Tage, bis sie den weiten Weg von Tokio bis zu meinem Handgelenk zurückgelegt hatte.
Die Broad Arrow bilden eine Unterfamilie im Speedmaster-Clan. Auf meiner erinnert der rote 1957-Schriftzug an den Ursprung: die allererste Speedmaster aus eben diesem Jahr, die CK2915 mit dem Kaliber 321, besaß ebenfalls diese breite Zeigerform. Schon 1959 wurden bei der „First Omega in Space“ (FOIS) die Zeiger schmaler und blieben es bis heute. Die Broad Arrows wurden aber später von Omega wiederbelebt und mit verschiedenen Uhrwerken versehen:1861, 3303, 3313 und – aktuell – 9300.

Meine Broad Arrow mit dem Kaliber 3313 hat gegenüber der aktuellen mit dem Kaliber 9300 zwei Vorteile: Sie kosten nicht mal die Hälfte und sie ist drei Millimeter flacher: nur 13,5. Das macht sie fantastisch komfortabel am Arm, sie trägt sich so bequem wie eine Dreizeigeruhr. Was mich nach dem Auspacken begeisterte, waren die hochpolierten Indizes, die mir auf den Fotos gar nicht so aufgefallen waren. Und die feinen, kleinen Totalisatoren, die ganz anders wirken, als die der Racing-Variante. Die Uhr wirkt sehr edel.
Das gilt auch für das Uhrwerk, das Kaliber 3313. Es gilt als ganz feines Stück Uhrmacherkunst und geht zurück auf das Kal. 1185 von Frédéric Piguet aus den späten 1980ern, das in vielen Luxus-Chronos verbaut wurde. Mit höherem Takt (28.800 Halbschwingungen/h) und anderer Anordnung der Totalisatoren wurde es als Kal. 1285 exklusive für Omega gebaut und hieß dort 3301, bzw. schöner dekoriert, 3303. Das war so um die Jahrtausendwende. Fünf Jahre später rüstete Omega dann das Werk mit einer Co-Axial Hemmung aus und nannte es 3313. Es verfügt über eine freie Siliziumfeder und ist damit recht unempfindlich gegen Magnetismus. Zweimal besserte die Firma nach: Die „B“-Version gilt als weniger fehleranfällig und die „C“-Variante verfügte erstmals über die vollständig implementierte Co-Axial-Hemmung in drei Ebenen (wie das Dreizeiger-Kaliber 2500 „D“).

Wer also den Retro-Chrono mit diesem Kaliber kaufen will, schaue tunlichst, ob er mit mit Release „C“ aus- oder nachgerüstet wurde. Letzteres macht Omega bei Revisionen der „B“-Variante wohl regelmäßig. Die Kaliber 3301/3303/3313 haben von dem Piguet-Vorläufer sowohl eine Säulenradschaltung, ala auch eine vertikale Kupplung geerbt. Erstes sorgt für einen präzisen, „knackigen“ Druckpunkt beim Starten und Stoppen, letzteres für einen verschleissarmen Lauf des Chronos; sogar Dauerbetrieb ist damit vertretbar. Zudem ruckt der Sekundenzeiger des Chronos nicht beim Starten. Das schaffen gut konstruierte horizontale Kupplungen allerdings fast genauso gut, wie meine Speedy Racing beweist.
Als deren Kaliber 3330 im Jahr 2012 herauskam, waren viele Uhrenkenner verwirrt. War das ein Nachfolger des 3313? Oder gar wieder ein auf ein ETA geflanschter Chrono wie beim Omega-Kaliber 1140? Und warum löste Omega überhaupt das hoch geachtete 3313 ab? Zu dieser Zeit bauten die Bieler drei integrierte Chronographenwerke: das 3313, das 3330 und das nagelneue Flaggschiff 9300. Vermutlich, so die damaligen Spekulationen in den Uhrenforen, war das 3330, das auf dem ETA Valjoux 7753 basiert, billiger in der Herstellung. Vielleicht, so andere Stimmen, sei das 3330 auch robuster als das „feine“ und sehr komprimierte 3313. Jedenfalls straffte Omega die Produktion und alle Chronos in kleineren Gehäusen oder nicht in preislicher Toplage erhalten seither das 3330. Mir ist keine Uhr im aktuellen Katalog bekannt, die noch mit dem 3313 ausgerüstet wird.

Das 3330 von 2012 ist ein exzellentes Kaliber, etwas „gröber“ und vermutlich robuster als das 3313, ebenfalls mit Säulenradschaltung, allerdings „nur“ mit horizontaler Chrono-Einkupplung. Im direkten Vergleich ist der Druckpunkt des Chrono-Startknopfes beim 3330 sogar noch ein klein wenig angenehmer, allerdings läuft der Sekundenzeiger gefühlt nicht so gleichmäßig wie beim 3313. Im Vergleich zur Speedy Pro mit dem alten 1861 Kaliber ruckt er aber beim Starten nur selten – beim 3313 passiert das natürlich überhaupt nicht.
Meine beiden Speedmaster sind höchst unterschiedlich. Die Racing (Vorstellung) ist kompakter vom Durchmesser und noch mehr von Horn zu Horn, allerdings fast 2mm höher. Von der Chronographen-Funktionalität ist die Racing besser, denn die großen Totalisatoren werden von den schmalen Stabzeigern kaum verdeckt; sie bleiben stets perfekt ablesbar. Der Preis dafür ist, dass sie den Stundenindex der Uhr anschneiden, was nicht jedem gefällt. Bei der Broad Arrow verdecken dagegen die dicken Zeiger die winzigen Totis schon oft.
Es sind eben zwei Uhren mit unterschiedlichem Charakter. Die Racing trifft vom Design und der Technik ihr Thema genau, die Broad Arrow kann durch ihre Eleganz, das Funkeln der Indizes und Zeigern schon als Sportdresser mit Chrono-Funktion durchgehen (wenn man sie sich an schwarzem Leder vorstellt, erst recht). Es ist eine Edel- und weniger eine Sportuhr. Das spiegelte sich auch in den ehemaligen Listenpreisen wieder: über 5500 Euro für die Broad Arrow gegenüber 4000 Euro für die Racing.

Wie alle Omegas, die ich bisher hatte, wächst auch diese regelrecht ans Handgelenk, was dem günstigen Schwerpunkt und dem superkomfortablen Omega-Stahlband mit der maßvoll breiten Schließe geschuldet ist. Gelegentlich findet man diese Broad Arrow noch als New Old Stock (NOS) und sie ist vermutlich jeden Euro – und mehr – wert. Die Zeit wird es weisen …

Technische Daten:
- Durchmesser Gehäuse: 42mm, Horn-zu-Horn: 48mm, Höhe: 13,5mm Gewicht mit komplettem Band: ca. 175g
- Material des Gehäuses: Edelstahl, Saphirglas beidseitig entspiegelt, Sichtboden, Tachymeter-Lünette
- Band: Stahl mit Sicherheitsfaltschließe, nur zwei Verstellpositionen per Federsteg, keine Schnellverstellung, Breite des Bandanstoßes: 20mm
- Wasserdichtigkeit: 10 bar (100 m), Krone und Drücker nicht verschraubt
- Kaliber des Werkes: 3313 (Datum, Chronograph, Automatikaufzug unidirektional, Handaufzug möglich, als Chronometer zertifiziert nach COSC), Sekundenstopp, Datum-Schnellverstellung
- Gangreserve: 52 Stunden
- Leuchtmasse auf den Stunden- und Minutenzeiger und über den Stundenindizes
- Gangabweichung bei mir nach Neuinbetriebnahme: ca. +4sec/d
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