
navitimer11
Themenstarter
Ich denke mal, dass sich jeder von uns schon mal in eine bestimmte Uhr verguckt und möglicherweise auch gekauft hat, obwohl die Rahmenbedingungen eigentlich sagen: „Lass es lieber sein“. Nicht immer muss dies aber zwangsläufig bittere Reue nach sich ziehen, wenn man im Vorfeld alle „für“ und „wieder“ sorgfältig abwägt.
Eine solche Kandidatin ist die Stührling Classique 645. Bevor ich aber zur Uhr selbst komme, möchte ich zunächst ein paar Worte über das Unternehmen „Stührling“ verlieren. Es sitzt in den USA (N.Y.) und streut von dort aus seine Ticker über den Globus. Händler habe ich hier in Deutschland bisher noch keine finden können, wenn man mal von der deutlich reduzierten Modellauswahl bei Amazon absieht. Die Vertriebskanäle hierzulande beschränken sich (neben ein paar wenigen „Online-Abzockern“) nach meinem Kenntnisstand auf einen allseits bekannten Shoppingsender (ebenfalls nur wenige Modelle) und Ebay. Auf der letztgenannten Verkaufsplattform residieren sämtliche Anbieter im Ausland. Wobei sich hinsichtlich der amerikanisch-stämmigen der Verdacht aufdrängt, alle den selben Ursprung zu haben: Stührling selbst. Denn der Händler, der meine Uhr in der Bucht eingestellt hat, adressiert nahezu identisch: 20th street, Brooklyn.
Lediglich die drei Zahlen davor weichen voneinander ab.
Eine Fake-Historie sucht man auf der einsprachigen Stührling-HP vergeblich. Vielmehr eine ehrliche und mutige Aussage darüber, dass man (so weit möglich) „Oberklasse-Feeling“ von werbeträchtigen Schweizer Nobelmarken gnadenlos abkupfert, um damit im unteren Preissegment zu wildern (natürlich etwas „freundlicher“ formuliert ). Was bei Stührling-Uhren jedoch keinesfalls platte „Hommagen“ bekannter Vorbilder bedeutet. Die diesbezügliche „Liebe zum Detail“ drückt sich vielmehr in allerlei kopiertem „look and feel“ um die Uhren herum aus. Angefangen vom Zusatz „Original“ im Zusammenhang mit dem eigenen Unternehmen, über ein „geflügeltes Logo“, Anhängeschildchen, eine Online-Registriermöglichkeit der erworbenen Uhr, gelbschwarze Boxen nach bekanntem „Vorbild“ (innen mit Haltevorrichtungen für und mit jede Menge Papierkram, z.B. eine Plastik-Service-Card im Umschlag) bis hin zum Poliertüchlein mit aufgedrucktem Stührling-Schriftzug. Und selbst der Firmenname an sich weckt starke Assoziationen. Alles Marketing-Maßnahmen, die nicht viel kosten, in Summe bei dieser Uhrenkategorie jedoch erst mal jede Menge hermachen. Für den europäischen Geschmack aber sicherlich recht plakativ. Über Qualität und Preiswürdigkeit der produzierten Ware ist damit natürlich noch nicht all zu viel gesagt.
Das Sortiment umfasst mechanische Uhren (ohne Werksangabe, vermutlich China) und Quarzer, durch die Bank mit ausgewiesenen Ronda-763-Werken, welche auf Anhieb durch den Hinweis „ Swiss Quarz“ auf dem ZB leicht zu erkennen sind. Trotz der anvisierten Zielgruppe kann man bei Stührling hierzulande nicht gerade von einem Schnäppchen sprechen. Hauptgrund: die hohen Einfuhr- und Versandkosten. Entweder versteckt im Kaufpreis enthalten oder transparent als recht happiger Zuschlag. Im Falle der Classique 645 sprechen wir über knapp 30,- €. Nicht gerade wenig für eine Dreizeiger-Designuhr mit Quarzantrieb. Wenn man beide Posten (Beschaffung und Kaufpreis) aufaddiert, erhält man hierfür auch schon ohne Weiteres eine über jeden Zweifel erhabene Seiko 5. Warum also habe ich aussgerechnet hier zugeschlagen ? Ausschlaggebend waren erst mal rein subjektive Gründe: Das – wie ich finde – superschöne ZB in Verbindung mit dem extrem flach wirkenden Edelstahlgehäuse. Eine Kombination, die für einen vergleichbar moderaten Kurs nur per Quarzwerk zu realisieren ist. Diese Erfahrung musste ich in der Vergangenheit leider selbst schon schmerzlich machen. (Eine Lacher/Laco mit Handaufzug zu diesem Preis bereitete nach zweimaligem Umtausch immer wieder Ärger, bis hin zur Kaufvertragswandlung) Die Auswahl an Uhren mit barocken Breguet-Stilelementen ist in dieser Bauform ohnehin schon mehr als „übersichtlich“.
Wer sich wie ich zu einem solchen Schritt durchringt, sollte keinesfalls die Tatsache ignorieren, dass die eingeräumte Garantie bzw. Gewährleistung ohne deutschen Hersteller-Stützpunkt mit adäquater Lagerhaltung natürlich nur noch theoretischer Natur sein kann. Denn die allerwenigsten dürften auf die Idee kommen, das Ding im Service-Fall tatsächlich in die USA zurück zu senden. Allein die Unkosten übersteigen schon den Wert eines kompletten Ronda-Werkes. Dann lieber das Innenleben vor Ort (notfalls kostenpflichtig) tauschen. Alle, die das nicht möchten, sind daher gut beraten, lieber die Finger davon lassen. Allerdings dürfte das Risiko eines technischen Defektes in der Praxis sehr gering ausfallen. Die Ausfallquote dieser Antriebe geht fast gegen Null und leicht beschaffbarer Ersatz ist auch nicht teuer.
So, nun aber zu den Fakten der Uhr.
Beginnen wir mit der langen, schmalen Aufbewahrungsbox. Neben allen diesbezüglich bereits beschriebenen Besonderheiten verdienen zwei Schlaufen an den Kopfenden besondere Erwähnung. Damit lässt sich jeweils eine Inlay-Hälfte anheben. Eine pfiffige Idee, denn gerade bei diesen Varianten versacken die enthaltenen Uhren oft so tief im Material, dass man gezwungen ist, das Ding komplett umzudrehen, damit der Inhalt in Ermangelung an Alternativen dann einfach „herausfällt“. Die simple Hebelkonstruktion von Stührling erleichtert das Herausnehmen ganz erheblich. Überhaupt wurde dem Thema Transport und Lagerung große Beachtung geschenkt. So wird der Classique 645 beispielsweise werkseitig ein Distanzstück mit auf den Weg gegeben, um die herausgezogene Krone (zwecks Batterieschonung bei Nichtbenutzung der Uhr) zu schützen. Schließe, Gehäuse und Glas sind fest mit einer transparenten Schutzfolie umwickelt, damit der Zeitmesser in absolut jungfräulichem Zustand seinen Besitzer erreicht.
Kommen wir zum wesentlichen: Die 645er gehört der Dresswatch-Zunft an und trifft am Markt auf vergleichbare Kontrahenten wie etwa ML oder FC. Als reine Dreizeigeruhr ohne jedwegen „Schnickschnack“ verzichtet sie sogar auf eine Datumsanzeige. Somit ist die Zielgruppe dieses Zeitmessers klar definiert. Stührling hat mit diesem Modell desingverliebte Uhrenfans im Auge, die eine langlebige, zeitlose Schönheit zu einem bezahlbaren Preis suchen. In wie weit hinsichtlich Optik dieses Ziel erreicht werden konnte, mag ein jeder für sich selbst entscheiden. Meinen Geschmack hat sie jedenfalls mehr als getroffen. Zumal ich hiermit das ersten mal eine Uhr erwerben konnte, die in „natura“ sogar noch deutlich besser aussieht, als auf den (ohnehin schon sehr gelungenen) Werksfotos. Entschieden habe ich mich für die Ausführung in Edelstahl ohne Vergoldungen.
Gehäuse:
Streng genommen ist es eigentlich gar nicht vorhanden. Viel eher müsste man von einer Kombination aus Lünette und Gehäuseboden sprechen. Denn am Rand ist sie gerade mal 3 mm hoch. Bei absolut planer Verglasung. Der Durchmesser beträgt 38 mm, die Stege nehmen Bänder mit einer Breite von 2 cm auf. Maße, welche sehr dicht an der Kategorie „Unisex“ vorbeischrabbeln. Was den eigentlich für Herren konzipierten Stührling-Hingucker durchaus für Damen interessant macht. Ohne deswegen zu klein zu wirken, denn die „Lünette“ ist am Rand recht schmal, was dem ZB viel Freiraum einräumt. Die Unterseite wölbt sie sich minimal zum sehr hübsch gravierten Deckel hin. Beim Tragen bleibt dieser Bereich ohnehin komplett unsichtbar, da das Handgelenk des Trägers diese äußerst geringe Konvexität komplett kaschiert. Hierin liegt das Geheimnis, wie in einen solchen Flachmann überhaupt ein Werk untergebracht werden kann. Immer wieder ertappe ich mich selbst beim ständigen an- und Ablegen der Uhr. Dieser Effekt macht einfach ungeheuren Spaß. Die Vorteile der Quarz-Technologie liegen eben nicht nur in einer hohen Ganggenauigkeit. Sie eröffnet auch im Gehäusebau viele kreative Gestaltungsmöglichkeiten. 3 ATM Wasserfestigkeit genügen zum Händewaschen.
Glas:
Stührling ist einer der maßgeblichen Mitentwickler von Krysterna-Glas. Seit Anfang 2000 produziert liegt der ursprüngliche Einsatzbereich eigentlich bei sehr teuren High-End-Brillen. Hier wird es im Uhrenbau eingesetzt und soll die Vorteile von Mineralglas (höhere Bruchsicherheit) mit denen von Saphirglas (gesteigerte Kratzfestigkeit) miteinander verbinden. Was es in der Praxis auch tut. Aber eben eben nicht nur dies. Auch die im Umkehrschluss jeweils daraus entstehenden Nachteile der Glasvarianten werden kumuliert. Im Resultat bedeutet das: Eine höhere Kratzfestigkeit als bei gewöhnlichem Mineralglas, eine deutlich geringere als bei Saphir. Vergleichbar also mit „Hardlex“ von Seiko, einem Mineralglas mit zusätzlicher Härtung. Es ist absolut sauber eingepasst und weist auch ohne entsprechende Beschichtung (zumindest ist hiervon nirgends die Rede) oder bläulichen Schimmer überraschend wenig Spiegelungen auf. Eine Eigenschaft, die vermutlich dem Hauptanwendungsbereich von Krysterna geschuldet ist.
Krone:
Sehr klein und fummelig. Gott sei Dank muss man diese bei Quarzern nur selten betätigen. Wenigstens rastet sie sehr sauber mit einem satten Druckpunkt ein.
Zifferblatt:
Neben dem Gehäuse das absolute Highlight. Der warme Silberton passt perfekt zum hochglanzpolierten, puristischen Gehäuse. Herrliches Guilloche mit eingearbeiteten, erhabenen Signet-Trägeren. Der etwas tiefer gelegte Stundenring mit Streifschliff und Randbenoppung beherrbergt penibel und sorgsam aufgesetzte, schwarze „Römer“ (weder geprägt, noch aufgedruckt). Ein Arbeitsaufwand, der maschinell kaum zu bewerkstelligen sein dürfte und daher aufgrund des relativ geringen Marktpreises der Classique 645 (außereuropäische) Handarbeit schließen lässt. Ergänzt wird dieses Szenario durch eine Sekunderie ohne Zierschliff mit schwarzen Index-Punkten und gleichermaßen vorhandener Randbenoppung. Für diese überaus gelungene Performance kann das Urteil nur lauten: Daumen hoch !!
Zeiger:
Pomme-Zeiger im Breguet-Stil. Aber nicht 1:1 kopiert. Die Kreise verjüngen sich nicht und anstelle der sonst üblichen Bläuung folgt die Farbe dem konsequenten Konzept aller übrigen Gestaltungselemente: ausschließlich schwarz. Bis auf einen minimalen kleinen Abstand reichen der Minuten- und der Sekundenzeiger bis an die Sekunden-Indexe heran. So soll es sein.
Armband:
Geprägtes Lederband in Kroko-Optik. Ungefüttert, dafür aber sehr sauber verarbeitet: Alle Schlaufen sind ohne Klebstoffrückstände geklebt und zusätzlich auffällig sauber vernäht. Das Oberleder des Bandes ist an den Kanten eingeschlagen (also nicht nur einfach abgeschnitten) und endet versteckt unterhalb des – ebenfalls absolut gleichmäßig vernähten – Unterleders.
Schließe:
Einfache Edelstahl-Dornschließe mit graviertem Stührling-Logo. Alles andere wäre bei diesem filigranen Ührchen auch unpassend.
Werk:
Ein so zuverlässiges wie anspruchsloses schweizer Ronda 763. Erfreulicherweise sind die hierauf montierten Zeiger meiner Uhr treffsicherer justiert als bei sehr vielen anderen Quarzern: Alle Indexpunkte werden getroffen, nicht etwa die Zwischenräume. Leider alles andere als selbstverständlich, wie unzählige Beispiele unterschiedlichster Hersteller beweisen. Allerdings möchte ich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das grundsätzlich bei allen Classique 645 so ist. Vermutlich reine Glücksache. Deshalb sollte der Gang zum Uhrmacher ggf. schon beim Kauf mit einkalkuliert werden. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob bei dieser Uhr ein Werk zur Ansteuerung eines zentralen Sekundenzeigers überhaupt erforderlich ist. Die Reduzierung auf zwei Zeiger brächte in meinen Augen sicherlich keine Nachteile.
Tragekomfort:
Bedingt durch die Bauweise, das geringe Gewicht und das recht ordentliche Armband: Sensationell !!
Farbvarianten:
Stührling Original -645.01 Classique 645
Fazit:
Der Weg zu einer Stührling Classique 645 ist steinig und sehr nebenkostenintensiv. Wer auf eine Datumsanzeige verzichten kann, sich an einer fummeligen Krone nicht stört und Quarzwerke nicht kategorisch ablehnt, findet in der Stührling eine zeitlos-elegante Armbanduhr in durchweg guter bis sehr guter, stellenweise sogar überragender Qualität, die sich hinter vergleichbaren Europäerinnen nicht zu verstecken braucht. Durch ihr erfrischend anderes Auftreten hebt sie sich von der Masse ab und nimmt dadurch eine Art „klassenlose Sonderstellung“ ein. Persönlich gewünscht hätte ich mir allerdings trotz Krysterna doch eher das gute alte und bestens bewährte Saphirglas. Der Fairness halber sei aber angemerkt: So etwas sucht man im Quarzuhren-Bereich in dieser Preisklasse bei fast allen Herstellern vergeblich.
Eine solche Kandidatin ist die Stührling Classique 645. Bevor ich aber zur Uhr selbst komme, möchte ich zunächst ein paar Worte über das Unternehmen „Stührling“ verlieren. Es sitzt in den USA (N.Y.) und streut von dort aus seine Ticker über den Globus. Händler habe ich hier in Deutschland bisher noch keine finden können, wenn man mal von der deutlich reduzierten Modellauswahl bei Amazon absieht. Die Vertriebskanäle hierzulande beschränken sich (neben ein paar wenigen „Online-Abzockern“) nach meinem Kenntnisstand auf einen allseits bekannten Shoppingsender (ebenfalls nur wenige Modelle) und Ebay. Auf der letztgenannten Verkaufsplattform residieren sämtliche Anbieter im Ausland. Wobei sich hinsichtlich der amerikanisch-stämmigen der Verdacht aufdrängt, alle den selben Ursprung zu haben: Stührling selbst. Denn der Händler, der meine Uhr in der Bucht eingestellt hat, adressiert nahezu identisch: 20th street, Brooklyn.
Lediglich die drei Zahlen davor weichen voneinander ab.

Eine Fake-Historie sucht man auf der einsprachigen Stührling-HP vergeblich. Vielmehr eine ehrliche und mutige Aussage darüber, dass man (so weit möglich) „Oberklasse-Feeling“ von werbeträchtigen Schweizer Nobelmarken gnadenlos abkupfert, um damit im unteren Preissegment zu wildern (natürlich etwas „freundlicher“ formuliert ). Was bei Stührling-Uhren jedoch keinesfalls platte „Hommagen“ bekannter Vorbilder bedeutet. Die diesbezügliche „Liebe zum Detail“ drückt sich vielmehr in allerlei kopiertem „look and feel“ um die Uhren herum aus. Angefangen vom Zusatz „Original“ im Zusammenhang mit dem eigenen Unternehmen, über ein „geflügeltes Logo“, Anhängeschildchen, eine Online-Registriermöglichkeit der erworbenen Uhr, gelbschwarze Boxen nach bekanntem „Vorbild“ (innen mit Haltevorrichtungen für und mit jede Menge Papierkram, z.B. eine Plastik-Service-Card im Umschlag) bis hin zum Poliertüchlein mit aufgedrucktem Stührling-Schriftzug. Und selbst der Firmenname an sich weckt starke Assoziationen. Alles Marketing-Maßnahmen, die nicht viel kosten, in Summe bei dieser Uhrenkategorie jedoch erst mal jede Menge hermachen. Für den europäischen Geschmack aber sicherlich recht plakativ. Über Qualität und Preiswürdigkeit der produzierten Ware ist damit natürlich noch nicht all zu viel gesagt.
Das Sortiment umfasst mechanische Uhren (ohne Werksangabe, vermutlich China) und Quarzer, durch die Bank mit ausgewiesenen Ronda-763-Werken, welche auf Anhieb durch den Hinweis „ Swiss Quarz“ auf dem ZB leicht zu erkennen sind. Trotz der anvisierten Zielgruppe kann man bei Stührling hierzulande nicht gerade von einem Schnäppchen sprechen. Hauptgrund: die hohen Einfuhr- und Versandkosten. Entweder versteckt im Kaufpreis enthalten oder transparent als recht happiger Zuschlag. Im Falle der Classique 645 sprechen wir über knapp 30,- €. Nicht gerade wenig für eine Dreizeiger-Designuhr mit Quarzantrieb. Wenn man beide Posten (Beschaffung und Kaufpreis) aufaddiert, erhält man hierfür auch schon ohne Weiteres eine über jeden Zweifel erhabene Seiko 5. Warum also habe ich aussgerechnet hier zugeschlagen ? Ausschlaggebend waren erst mal rein subjektive Gründe: Das – wie ich finde – superschöne ZB in Verbindung mit dem extrem flach wirkenden Edelstahlgehäuse. Eine Kombination, die für einen vergleichbar moderaten Kurs nur per Quarzwerk zu realisieren ist. Diese Erfahrung musste ich in der Vergangenheit leider selbst schon schmerzlich machen. (Eine Lacher/Laco mit Handaufzug zu diesem Preis bereitete nach zweimaligem Umtausch immer wieder Ärger, bis hin zur Kaufvertragswandlung) Die Auswahl an Uhren mit barocken Breguet-Stilelementen ist in dieser Bauform ohnehin schon mehr als „übersichtlich“.
Wer sich wie ich zu einem solchen Schritt durchringt, sollte keinesfalls die Tatsache ignorieren, dass die eingeräumte Garantie bzw. Gewährleistung ohne deutschen Hersteller-Stützpunkt mit adäquater Lagerhaltung natürlich nur noch theoretischer Natur sein kann. Denn die allerwenigsten dürften auf die Idee kommen, das Ding im Service-Fall tatsächlich in die USA zurück zu senden. Allein die Unkosten übersteigen schon den Wert eines kompletten Ronda-Werkes. Dann lieber das Innenleben vor Ort (notfalls kostenpflichtig) tauschen. Alle, die das nicht möchten, sind daher gut beraten, lieber die Finger davon lassen. Allerdings dürfte das Risiko eines technischen Defektes in der Praxis sehr gering ausfallen. Die Ausfallquote dieser Antriebe geht fast gegen Null und leicht beschaffbarer Ersatz ist auch nicht teuer.
So, nun aber zu den Fakten der Uhr.
Beginnen wir mit der langen, schmalen Aufbewahrungsbox. Neben allen diesbezüglich bereits beschriebenen Besonderheiten verdienen zwei Schlaufen an den Kopfenden besondere Erwähnung. Damit lässt sich jeweils eine Inlay-Hälfte anheben. Eine pfiffige Idee, denn gerade bei diesen Varianten versacken die enthaltenen Uhren oft so tief im Material, dass man gezwungen ist, das Ding komplett umzudrehen, damit der Inhalt in Ermangelung an Alternativen dann einfach „herausfällt“. Die simple Hebelkonstruktion von Stührling erleichtert das Herausnehmen ganz erheblich. Überhaupt wurde dem Thema Transport und Lagerung große Beachtung geschenkt. So wird der Classique 645 beispielsweise werkseitig ein Distanzstück mit auf den Weg gegeben, um die herausgezogene Krone (zwecks Batterieschonung bei Nichtbenutzung der Uhr) zu schützen. Schließe, Gehäuse und Glas sind fest mit einer transparenten Schutzfolie umwickelt, damit der Zeitmesser in absolut jungfräulichem Zustand seinen Besitzer erreicht.
Kommen wir zum wesentlichen: Die 645er gehört der Dresswatch-Zunft an und trifft am Markt auf vergleichbare Kontrahenten wie etwa ML oder FC. Als reine Dreizeigeruhr ohne jedwegen „Schnickschnack“ verzichtet sie sogar auf eine Datumsanzeige. Somit ist die Zielgruppe dieses Zeitmessers klar definiert. Stührling hat mit diesem Modell desingverliebte Uhrenfans im Auge, die eine langlebige, zeitlose Schönheit zu einem bezahlbaren Preis suchen. In wie weit hinsichtlich Optik dieses Ziel erreicht werden konnte, mag ein jeder für sich selbst entscheiden. Meinen Geschmack hat sie jedenfalls mehr als getroffen. Zumal ich hiermit das ersten mal eine Uhr erwerben konnte, die in „natura“ sogar noch deutlich besser aussieht, als auf den (ohnehin schon sehr gelungenen) Werksfotos. Entschieden habe ich mich für die Ausführung in Edelstahl ohne Vergoldungen.
Gehäuse:
Streng genommen ist es eigentlich gar nicht vorhanden. Viel eher müsste man von einer Kombination aus Lünette und Gehäuseboden sprechen. Denn am Rand ist sie gerade mal 3 mm hoch. Bei absolut planer Verglasung. Der Durchmesser beträgt 38 mm, die Stege nehmen Bänder mit einer Breite von 2 cm auf. Maße, welche sehr dicht an der Kategorie „Unisex“ vorbeischrabbeln. Was den eigentlich für Herren konzipierten Stührling-Hingucker durchaus für Damen interessant macht. Ohne deswegen zu klein zu wirken, denn die „Lünette“ ist am Rand recht schmal, was dem ZB viel Freiraum einräumt. Die Unterseite wölbt sie sich minimal zum sehr hübsch gravierten Deckel hin. Beim Tragen bleibt dieser Bereich ohnehin komplett unsichtbar, da das Handgelenk des Trägers diese äußerst geringe Konvexität komplett kaschiert. Hierin liegt das Geheimnis, wie in einen solchen Flachmann überhaupt ein Werk untergebracht werden kann. Immer wieder ertappe ich mich selbst beim ständigen an- und Ablegen der Uhr. Dieser Effekt macht einfach ungeheuren Spaß. Die Vorteile der Quarz-Technologie liegen eben nicht nur in einer hohen Ganggenauigkeit. Sie eröffnet auch im Gehäusebau viele kreative Gestaltungsmöglichkeiten. 3 ATM Wasserfestigkeit genügen zum Händewaschen.
Glas:
Stührling ist einer der maßgeblichen Mitentwickler von Krysterna-Glas. Seit Anfang 2000 produziert liegt der ursprüngliche Einsatzbereich eigentlich bei sehr teuren High-End-Brillen. Hier wird es im Uhrenbau eingesetzt und soll die Vorteile von Mineralglas (höhere Bruchsicherheit) mit denen von Saphirglas (gesteigerte Kratzfestigkeit) miteinander verbinden. Was es in der Praxis auch tut. Aber eben eben nicht nur dies. Auch die im Umkehrschluss jeweils daraus entstehenden Nachteile der Glasvarianten werden kumuliert. Im Resultat bedeutet das: Eine höhere Kratzfestigkeit als bei gewöhnlichem Mineralglas, eine deutlich geringere als bei Saphir. Vergleichbar also mit „Hardlex“ von Seiko, einem Mineralglas mit zusätzlicher Härtung. Es ist absolut sauber eingepasst und weist auch ohne entsprechende Beschichtung (zumindest ist hiervon nirgends die Rede) oder bläulichen Schimmer überraschend wenig Spiegelungen auf. Eine Eigenschaft, die vermutlich dem Hauptanwendungsbereich von Krysterna geschuldet ist.
Krone:
Sehr klein und fummelig. Gott sei Dank muss man diese bei Quarzern nur selten betätigen. Wenigstens rastet sie sehr sauber mit einem satten Druckpunkt ein.
Zifferblatt:
Neben dem Gehäuse das absolute Highlight. Der warme Silberton passt perfekt zum hochglanzpolierten, puristischen Gehäuse. Herrliches Guilloche mit eingearbeiteten, erhabenen Signet-Trägeren. Der etwas tiefer gelegte Stundenring mit Streifschliff und Randbenoppung beherrbergt penibel und sorgsam aufgesetzte, schwarze „Römer“ (weder geprägt, noch aufgedruckt). Ein Arbeitsaufwand, der maschinell kaum zu bewerkstelligen sein dürfte und daher aufgrund des relativ geringen Marktpreises der Classique 645 (außereuropäische) Handarbeit schließen lässt. Ergänzt wird dieses Szenario durch eine Sekunderie ohne Zierschliff mit schwarzen Index-Punkten und gleichermaßen vorhandener Randbenoppung. Für diese überaus gelungene Performance kann das Urteil nur lauten: Daumen hoch !!

Zeiger:
Pomme-Zeiger im Breguet-Stil. Aber nicht 1:1 kopiert. Die Kreise verjüngen sich nicht und anstelle der sonst üblichen Bläuung folgt die Farbe dem konsequenten Konzept aller übrigen Gestaltungselemente: ausschließlich schwarz. Bis auf einen minimalen kleinen Abstand reichen der Minuten- und der Sekundenzeiger bis an die Sekunden-Indexe heran. So soll es sein.
Armband:
Geprägtes Lederband in Kroko-Optik. Ungefüttert, dafür aber sehr sauber verarbeitet: Alle Schlaufen sind ohne Klebstoffrückstände geklebt und zusätzlich auffällig sauber vernäht. Das Oberleder des Bandes ist an den Kanten eingeschlagen (also nicht nur einfach abgeschnitten) und endet versteckt unterhalb des – ebenfalls absolut gleichmäßig vernähten – Unterleders.
Schließe:
Einfache Edelstahl-Dornschließe mit graviertem Stührling-Logo. Alles andere wäre bei diesem filigranen Ührchen auch unpassend.
Werk:
Ein so zuverlässiges wie anspruchsloses schweizer Ronda 763. Erfreulicherweise sind die hierauf montierten Zeiger meiner Uhr treffsicherer justiert als bei sehr vielen anderen Quarzern: Alle Indexpunkte werden getroffen, nicht etwa die Zwischenräume. Leider alles andere als selbstverständlich, wie unzählige Beispiele unterschiedlichster Hersteller beweisen. Allerdings möchte ich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das grundsätzlich bei allen Classique 645 so ist. Vermutlich reine Glücksache. Deshalb sollte der Gang zum Uhrmacher ggf. schon beim Kauf mit einkalkuliert werden. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob bei dieser Uhr ein Werk zur Ansteuerung eines zentralen Sekundenzeigers überhaupt erforderlich ist. Die Reduzierung auf zwei Zeiger brächte in meinen Augen sicherlich keine Nachteile.
Tragekomfort:
Bedingt durch die Bauweise, das geringe Gewicht und das recht ordentliche Armband: Sensationell !!
Farbvarianten:
Stührling Original -645.01 Classique 645
Fazit:
Der Weg zu einer Stührling Classique 645 ist steinig und sehr nebenkostenintensiv. Wer auf eine Datumsanzeige verzichten kann, sich an einer fummeligen Krone nicht stört und Quarzwerke nicht kategorisch ablehnt, findet in der Stührling eine zeitlos-elegante Armbanduhr in durchweg guter bis sehr guter, stellenweise sogar überragender Qualität, die sich hinter vergleichbaren Europäerinnen nicht zu verstecken braucht. Durch ihr erfrischend anderes Auftreten hebt sie sich von der Masse ab und nimmt dadurch eine Art „klassenlose Sonderstellung“ ein. Persönlich gewünscht hätte ich mir allerdings trotz Krysterna doch eher das gute alte und bestens bewährte Saphirglas. Der Fairness halber sei aber angemerkt: So etwas sucht man im Quarzuhren-Bereich in dieser Preisklasse bei fast allen Herstellern vergeblich.

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