G
Gast001
Gast
Manche von Euch wissen ja vielleicht schon, dass ich Alltagsuhren besonders mag. Ich weiß, ich weiß - eigentlich sind alle Uhren Alltagsuhren, aber manche sind es eben doch mehr als andere. Oder tragt Ihr Eure Rolex beim Holzhacken? Die Omega, wenn Ihr an der Elektrik rumbastelt? Oder die Patek beim Ölwechsel Eures Veteranen-Porsche? Ihr versteht, was ich meine, ja?
Nun, da wir festgestellt haben, dass es Uhren gibt, die im täglichen Leben etwas mehr aushalten müssen als andere, können wir ebenfalls festhalten, dass nur wenige von ihnen überleben. Zum einen, weil sie billiger sind. So billig, dass sich eine Reparatur nicht lohnt, wenn sie entzwei gehen. Zweitens ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie entzwei gehen, auch viel größer als bei ihren wertvolleren Brüdern und Schwestern, denn sie kommen an den Arm, wenn's zur Sache geht und ihre vornehmen Kameraden lieber in der Box bleiben. Es kümmert sie nicht, und ihre Eigentümer ebensowenig, dafür - für den wüsten Alltag - wurden sie schließlich gemacht. Stimmt's?
Ich gebe zu, auch ich liebe meine Omegas und meine ollen Chronographen und auch den gelegentlichen Siebzigerjahre-Irren, der meinen Weg kreuzt. Aber mein Herz gehört den Underdogs des Uhrniversums, den Helden der Arbeiterklasse, jenen Brot und Butter-Uhren, meist mit Stiftankerwerken, lautstark, mit fröhlichen Gesichtern, in verchromten oder vergoldeten Gehäusern, angestoßen, durchgerubbelt, verkratzt, verbeult ... aber fröhlich weitertickend mit einem unbezähmbaren Willen, ein ehrliches Leben zu leben. Wenn eine von ihnen es zu mir schafft, dann habe ich einfach die Pflicht, sie aufzunehmen und alles für ihren Erhalt zu tun, und Euch, meinen Uhrenfreunden, von ihr zu erzählen.
Um so mehr, wenn es eine so hübsche und so seltene Uhr wie diese hier ist:
"Ist doch nichts Besonderes", höre ich dich sagen. "Verchromt, kissenförmiges Gehäuse, leicht gewölbtes Glas, blaues Zifferblatt, Wochentags-Datumsanzeige ... um 1970 ... na und? Wird ein ETA 2788 oder 2789 drinstecken, oder vielleicht ein FHF 908/909. Millionen von den ETAs sind gebaut worden, sicher zehntausende von den FHFs. Gute, haltbare Werke, gibt's noch viele davon. Lass dir was Besseres einfallen, um mich zu beeindrucken."
"Moment. Nicht so schnell bitte. Dies hier ..."
"... ist eine 'Heldin der Arbeit'. Habe ich das nicht erwähnt?"
"Und"
"Hast du schon jemals von einem Baumgartner BFG 158 gehört?"
"Was soll das sein? Kling irgendwie nach Stiftanker."
"Richtig. Aber dies ist eines der weniger bekannten Erzeugnisse der Firma Baumgartner Frères in Grenchen."
"Hast du das Day-Date bemerkt?"
"Na klar. Und?"
"Ich werde dir ein wenig über das BFG 158 erzählen. Es war eines von nur drei Automatik-Kalibern der Firma Baumgartner, zu ihrer Zeit einer der größten Rohwerkehersteller der Schweiz (mit vier Fabriken in der Schweiz und einer weiteren in Italien). Mit 20 Millionen Werken waren sie 1974 der größte Hersteller von Roskopf-Werken in der ganzen Welt.
"Sie konzentrierten sich stets auf die Fabrikation von Roskopf-Werken. Das Schweizer Uhrenstatut schrieb Firmen seit den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts vor, entweder Stiftanker- oder Steinankerwerke zu bauen, aber nicht beides. Die Mehrzahl der Firmen hatte sich damals natürlich auf die Fertigung von Steinankerwerken konzentriert, bei denen die Marge als höher galt. Einige aber beschlossen, den Markt für billige Uhrwerke zu bearbeiten, in dem die Margen zwar geringer, die Stückzahlen dafür aber um so größer waren. Und weniger Wettbewerb gab es auch - die meisten Schweizer Uhrenhersteller verachteten die 'billigen' Stiftanker.
Firmen wie Baumgartner, Brac, EB, Oris, Rego-Lapanouse und Ronda fabrizierten nun also Stiftankerwerke sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Verkauf an Uhrenhersteller. Einige von ihnen gaben sich große Mühe, den Stiftankerwerken ihr "billiges" Image zu nehmen. Oris z.B. stellte unter Beweis, dass Stiftanker nicht notwendigerweise ungenauen Gang bedeutete, als sie regelmäßig Uhren bei der COSC zertifizieren ließ und 1956 sogar ein Bulletin de Marche vom Observatorium in Neuchatel erlangte. Zornig beauftragten daraufhin die Schweizer Steinanker-Hersteller die Technische Fachschule in Le Sentier mit der Erstellung einer Versuchsreihe mit Steinankerwerken und Oris-Produkten. Das Ergebnis dieser Versuchsreihe war so peinlich, dass man Oris verbot, damit Werbung zu machen.
Baumgartner arbeitete ebenfalls hart an der Image-Verbesserung seiner Werke. Im Jahre 1950 brachten sie das erste Stiftanker-Automatikwerk auf den Markt (cal. 92 'Bovimatic', mit Pendelautomat), gefolgt vom cal. 1582 mit beidseitig aufziehendem Rotorantrieb nach Buren-Patent. Dieses Werk gab es mit 1, 7, 17, 21 und 25 Steinen."
Quelle: Heinz Hampel, Automatic-Armbanduhren aus der Schweiz, Callwey-Verlag, München, 1992
"Anders als in den Stiftankerwerken anderer Hersteller aber hatte in diesen hier jeder einzelne Stein eine Funktion - reine 'Zählsteine' gibt es nicht. In der 25-steinigen Version ist sogar das Federhaus steingelagert, an dem übrigens die Zeigerreibung sitzt. Und obwohl die Schweizer Steinanker-Hersteller nichts unversucht ließen, um zu verhindern, dass Stiftanker-Hersteller Zugang zu Stoßsicherungen bekamen - so schlossen sie Verträge mit Ausschließlichkeitsklauseln mit dem Hersteller der Incabloc-Stoßsicherung ab - entwickelten diese kurzerhand eigene Systeme gleicher Leistungsfähigkeit. Baumgartner stattete sein Kaliber 92 mit der Kif-Stoßsicherung aus, und das Kaliber 158 erhielt eine nach dem System Novodiac."
Damit stellt sich das 158, mal abgesehen von der Stiftanker-Hemmung, als durchaus ordentliches Werk dar, meinst du nicht auch?"
"Hm. Und was hat es mit dem Kalender auf sich?"
"Gut, dass du fragst. Das 1582 gab es mit Datumsanzeige. Nach einigen Jahren wurde es in einigen Details überarbeitet zum 158 31/7, und konnte nun bspw. auch für Digitaluhren eingesetzt werden. Und es war nun möglich, eine Day-Date-Anzeige zu realisieren. Und während das 1582 und 158 31/7 mit Datumsanzeige relativ einfach zu finden sind, ist das Werk mit Wochentagsanzeige ziemlich selten."
"Ich verstehe. Immerhin waren diese Werke dann also von ordentlicher Qualität. Und was macht sie zu etwas Besonderem?"
"Die Tatsache, dass sie auch für 'bessere' Markenuhren eingekauft wurden. Ich habe zum Beispiel schon BWCs mit ihnen gesehen."
"Tatsächlich?"
"Ja. Abgesehen vom Eigenbedarf - Baumgartner baute auch Fertiguhren, teilweise im Auftrag, aber durchaus auch unter eigenen Marken - war einer der größten Baumgartner-Kunden die Firma Sicura. Hier hat ein englischer Uhrenfreund eine ihrer Taucheruhren wieder in Schuss gebracht. Da kannst du gut den Werksaufbau erkennen."
"Sicura ... wie Sicura-Breitling?"
"Genau. Man könnte sagen, das Geld für die Rettung der traditionsreichen Firma Breitling stammte aus dem Verkauf von Baumgartner-Uhrwerken. Drollig, nicht?"
"Aber deine Uhr ist keine Sicura, oder?"
"Nein. Sie ist eine 'Concerta', eine Marke der Transglobe AG in Basel. Durch und durch eine Schweizer-Uhr also."
"Lass mal sehen. Oha, ist die schwer."
"Ja, stolze 98 Gramm, mit Band."
"Ist das ein Stahlgehäuse?"
"Nein. Verchromtes Messing. Aber hübsch gemacht. Kaum Abrieb, obwohl ... an den Kanten wird's schon etwas fadenscheinig. Aber der Schliff ist original erhalten."
"Hat also noch nicht sooo viel Leben abgekriegt, wie?"
"Ich glaube schon. Da ist ein Riss im Glas, auf sieben Uhr, und diese Stelle auf dem Zifferblatt zwischen der Neun und der Zeigeröffnung ist vielleicht ein Schönheitspflästerchen. Ich habe 'vorher'-Bilder des Uhrenfreundes gesehen, der sie mir verkauft hat - glaub mir, sie hat gelebt."
"Na gut. Also eine gebrauchte Uhr mit seltenem Werk. Von der Art gibt's doch da draußen Millionen? Ich versteh immer noch nicht, was an dieser so besonders ist."
"Habe ich schon erwähnt, wie genau sie geht?"
"Soll heißen?"
"Minus zwei, vielleicht drei Sekunden Minus pro Tag. Nicht ganz das, was ein Oris-Stiftanker-Chronometer schafft, aber gut genug. Ganz sicher gut genug für eine Vintage-Uhr. Ein Beispiel für günstige Schweizer Qualität."
"Da hast du Recht. Waren schon andere Zeiten, damals."
"So ist es. Auf diese Art Uhren könnte die Schweiz mit Fug und Recht stolz sein. Unglücklicherweise werden sie heute nicht mehr gerne daran erinnert, wie gut sie einmal darin waren, billige Uhrwerke herzustellen."
"Tja, heute ist Marge eben alles. Ach übrigens - was wurde eigentlich aus Baumgartner? Gibt es die Firma noch?"
"Nein. Sie machten 1982 zu. Billige Quarzwerke hatten ihr Marktsegment im Sturm erobert. Billiger, genauer, man musste sich noch nichtmal ums Aufziehen kümmern..."
"Wie schade. Aber ist es nicht drollig, dass die Swatch-Group gerade jetzt wieder mit der Fertigung billiger mechanischer Werke beginnt?"
"In der Tat. Naja, dann ist dieses Denkmal billiger Schweizer Uhrenbaukunst vielleicht doch gar nicht so unerwünscht."
"Wie auch immer - jedenfalls vielen Dank für diesen Exkurs in diesen Winkel der Schweizer Uhrengeschichte."
"Gern geschehen. Danke fürs Zuhören."
Nun, da wir festgestellt haben, dass es Uhren gibt, die im täglichen Leben etwas mehr aushalten müssen als andere, können wir ebenfalls festhalten, dass nur wenige von ihnen überleben. Zum einen, weil sie billiger sind. So billig, dass sich eine Reparatur nicht lohnt, wenn sie entzwei gehen. Zweitens ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie entzwei gehen, auch viel größer als bei ihren wertvolleren Brüdern und Schwestern, denn sie kommen an den Arm, wenn's zur Sache geht und ihre vornehmen Kameraden lieber in der Box bleiben. Es kümmert sie nicht, und ihre Eigentümer ebensowenig, dafür - für den wüsten Alltag - wurden sie schließlich gemacht. Stimmt's?
Ich gebe zu, auch ich liebe meine Omegas und meine ollen Chronographen und auch den gelegentlichen Siebzigerjahre-Irren, der meinen Weg kreuzt. Aber mein Herz gehört den Underdogs des Uhrniversums, den Helden der Arbeiterklasse, jenen Brot und Butter-Uhren, meist mit Stiftankerwerken, lautstark, mit fröhlichen Gesichtern, in verchromten oder vergoldeten Gehäusern, angestoßen, durchgerubbelt, verkratzt, verbeult ... aber fröhlich weitertickend mit einem unbezähmbaren Willen, ein ehrliches Leben zu leben. Wenn eine von ihnen es zu mir schafft, dann habe ich einfach die Pflicht, sie aufzunehmen und alles für ihren Erhalt zu tun, und Euch, meinen Uhrenfreunden, von ihr zu erzählen.
Um so mehr, wenn es eine so hübsche und so seltene Uhr wie diese hier ist:

"Ist doch nichts Besonderes", höre ich dich sagen. "Verchromt, kissenförmiges Gehäuse, leicht gewölbtes Glas, blaues Zifferblatt, Wochentags-Datumsanzeige ... um 1970 ... na und? Wird ein ETA 2788 oder 2789 drinstecken, oder vielleicht ein FHF 908/909. Millionen von den ETAs sind gebaut worden, sicher zehntausende von den FHFs. Gute, haltbare Werke, gibt's noch viele davon. Lass dir was Besseres einfallen, um mich zu beeindrucken."






"Moment. Nicht so schnell bitte. Dies hier ..."

"... ist eine 'Heldin der Arbeit'. Habe ich das nicht erwähnt?"
"Und"
"Hast du schon jemals von einem Baumgartner BFG 158 gehört?"
"Was soll das sein? Kling irgendwie nach Stiftanker."
"Richtig. Aber dies ist eines der weniger bekannten Erzeugnisse der Firma Baumgartner Frères in Grenchen."

"Hast du das Day-Date bemerkt?"

"Na klar. Und?"
"Ich werde dir ein wenig über das BFG 158 erzählen. Es war eines von nur drei Automatik-Kalibern der Firma Baumgartner, zu ihrer Zeit einer der größten Rohwerkehersteller der Schweiz (mit vier Fabriken in der Schweiz und einer weiteren in Italien). Mit 20 Millionen Werken waren sie 1974 der größte Hersteller von Roskopf-Werken in der ganzen Welt.
"Sie konzentrierten sich stets auf die Fabrikation von Roskopf-Werken. Das Schweizer Uhrenstatut schrieb Firmen seit den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts vor, entweder Stiftanker- oder Steinankerwerke zu bauen, aber nicht beides. Die Mehrzahl der Firmen hatte sich damals natürlich auf die Fertigung von Steinankerwerken konzentriert, bei denen die Marge als höher galt. Einige aber beschlossen, den Markt für billige Uhrwerke zu bearbeiten, in dem die Margen zwar geringer, die Stückzahlen dafür aber um so größer waren. Und weniger Wettbewerb gab es auch - die meisten Schweizer Uhrenhersteller verachteten die 'billigen' Stiftanker.
Firmen wie Baumgartner, Brac, EB, Oris, Rego-Lapanouse und Ronda fabrizierten nun also Stiftankerwerke sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Verkauf an Uhrenhersteller. Einige von ihnen gaben sich große Mühe, den Stiftankerwerken ihr "billiges" Image zu nehmen. Oris z.B. stellte unter Beweis, dass Stiftanker nicht notwendigerweise ungenauen Gang bedeutete, als sie regelmäßig Uhren bei der COSC zertifizieren ließ und 1956 sogar ein Bulletin de Marche vom Observatorium in Neuchatel erlangte. Zornig beauftragten daraufhin die Schweizer Steinanker-Hersteller die Technische Fachschule in Le Sentier mit der Erstellung einer Versuchsreihe mit Steinankerwerken und Oris-Produkten. Das Ergebnis dieser Versuchsreihe war so peinlich, dass man Oris verbot, damit Werbung zu machen.
Baumgartner arbeitete ebenfalls hart an der Image-Verbesserung seiner Werke. Im Jahre 1950 brachten sie das erste Stiftanker-Automatikwerk auf den Markt (cal. 92 'Bovimatic', mit Pendelautomat), gefolgt vom cal. 1582 mit beidseitig aufziehendem Rotorantrieb nach Buren-Patent. Dieses Werk gab es mit 1, 7, 17, 21 und 25 Steinen."

Quelle: Heinz Hampel, Automatic-Armbanduhren aus der Schweiz, Callwey-Verlag, München, 1992
"Anders als in den Stiftankerwerken anderer Hersteller aber hatte in diesen hier jeder einzelne Stein eine Funktion - reine 'Zählsteine' gibt es nicht. In der 25-steinigen Version ist sogar das Federhaus steingelagert, an dem übrigens die Zeigerreibung sitzt. Und obwohl die Schweizer Steinanker-Hersteller nichts unversucht ließen, um zu verhindern, dass Stiftanker-Hersteller Zugang zu Stoßsicherungen bekamen - so schlossen sie Verträge mit Ausschließlichkeitsklauseln mit dem Hersteller der Incabloc-Stoßsicherung ab - entwickelten diese kurzerhand eigene Systeme gleicher Leistungsfähigkeit. Baumgartner stattete sein Kaliber 92 mit der Kif-Stoßsicherung aus, und das Kaliber 158 erhielt eine nach dem System Novodiac."
Damit stellt sich das 158, mal abgesehen von der Stiftanker-Hemmung, als durchaus ordentliches Werk dar, meinst du nicht auch?"
"Hm. Und was hat es mit dem Kalender auf sich?"
"Gut, dass du fragst. Das 1582 gab es mit Datumsanzeige. Nach einigen Jahren wurde es in einigen Details überarbeitet zum 158 31/7, und konnte nun bspw. auch für Digitaluhren eingesetzt werden. Und es war nun möglich, eine Day-Date-Anzeige zu realisieren. Und während das 1582 und 158 31/7 mit Datumsanzeige relativ einfach zu finden sind, ist das Werk mit Wochentagsanzeige ziemlich selten."

"Ich verstehe. Immerhin waren diese Werke dann also von ordentlicher Qualität. Und was macht sie zu etwas Besonderem?"
"Die Tatsache, dass sie auch für 'bessere' Markenuhren eingekauft wurden. Ich habe zum Beispiel schon BWCs mit ihnen gesehen."
"Tatsächlich?"
"Ja. Abgesehen vom Eigenbedarf - Baumgartner baute auch Fertiguhren, teilweise im Auftrag, aber durchaus auch unter eigenen Marken - war einer der größten Baumgartner-Kunden die Firma Sicura. Hier hat ein englischer Uhrenfreund eine ihrer Taucheruhren wieder in Schuss gebracht. Da kannst du gut den Werksaufbau erkennen."
"Sicura ... wie Sicura-Breitling?"
"Genau. Man könnte sagen, das Geld für die Rettung der traditionsreichen Firma Breitling stammte aus dem Verkauf von Baumgartner-Uhrwerken. Drollig, nicht?"
"Aber deine Uhr ist keine Sicura, oder?"
"Nein. Sie ist eine 'Concerta', eine Marke der Transglobe AG in Basel. Durch und durch eine Schweizer-Uhr also."

"Lass mal sehen. Oha, ist die schwer."


"Ja, stolze 98 Gramm, mit Band."

"Ist das ein Stahlgehäuse?"
"Nein. Verchromtes Messing. Aber hübsch gemacht. Kaum Abrieb, obwohl ... an den Kanten wird's schon etwas fadenscheinig. Aber der Schliff ist original erhalten."

"Hat also noch nicht sooo viel Leben abgekriegt, wie?"
"Ich glaube schon. Da ist ein Riss im Glas, auf sieben Uhr, und diese Stelle auf dem Zifferblatt zwischen der Neun und der Zeigeröffnung ist vielleicht ein Schönheitspflästerchen. Ich habe 'vorher'-Bilder des Uhrenfreundes gesehen, der sie mir verkauft hat - glaub mir, sie hat gelebt."

"Na gut. Also eine gebrauchte Uhr mit seltenem Werk. Von der Art gibt's doch da draußen Millionen? Ich versteh immer noch nicht, was an dieser so besonders ist."
"Habe ich schon erwähnt, wie genau sie geht?"
"Soll heißen?"
"Minus zwei, vielleicht drei Sekunden Minus pro Tag. Nicht ganz das, was ein Oris-Stiftanker-Chronometer schafft, aber gut genug. Ganz sicher gut genug für eine Vintage-Uhr. Ein Beispiel für günstige Schweizer Qualität."
"Da hast du Recht. Waren schon andere Zeiten, damals."
"So ist es. Auf diese Art Uhren könnte die Schweiz mit Fug und Recht stolz sein. Unglücklicherweise werden sie heute nicht mehr gerne daran erinnert, wie gut sie einmal darin waren, billige Uhrwerke herzustellen."
"Tja, heute ist Marge eben alles. Ach übrigens - was wurde eigentlich aus Baumgartner? Gibt es die Firma noch?"
"Nein. Sie machten 1982 zu. Billige Quarzwerke hatten ihr Marktsegment im Sturm erobert. Billiger, genauer, man musste sich noch nichtmal ums Aufziehen kümmern..."
"Wie schade. Aber ist es nicht drollig, dass die Swatch-Group gerade jetzt wieder mit der Fertigung billiger mechanischer Werke beginnt?"
"In der Tat. Naja, dann ist dieses Denkmal billiger Schweizer Uhrenbaukunst vielleicht doch gar nicht so unerwünscht."

"Wie auch immer - jedenfalls vielen Dank für diesen Exkurs in diesen Winkel der Schweizer Uhrengeschichte."
"Gern geschehen. Danke fürs Zuhören."
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