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Jens59*
Themenstarter
Hier möchte ich euch eine – eigentlich recht unspektakuläre- Uhr aus den 50er/60ern vorstellen und zeigen.
Eine für die damalige Zeit recht große Uhr mit ca.38mm, einem dreiteiligen Gehäuse. Boden und Gehäuse scheinen aus Edelstahl zu sein, die Lünette mit Glas ist vergoldet.
Das Glas selber hat einen starken Gelbstich, daher vermute ich mal ein altes Zelluloidglas.Auf einem Bild habe ich das Glas mal entfernt um den Unterschied darzustellen.
Beim Werk handelt es sich „leider“ um ein Stiftankerwerk von Baumgartner, Typ34 welches lauthals vor sich hin tickt. Hier die Bilder- sorry- ich bekomme sie mal wieder nicht gedreht.....




Normalerweise bin ich überhaupt kein Freund von Stiftankerwerken,aber in diesem besonderen Fall bin ich froh, diese Uhr kurz vor Weihnachten bei ebay gefunden zu haben.
Das Auffällige an der Uhr ist eigentlich der Schriftzug in der unteren Hälfte des ZB und die damit zusammenhängende Geschichte.
Als Vintagesammler versucht man zuerst einmal Informationen zu finden, aber weder im Lexikon der deutschen Uhrenindustrie, auf Mikrolisk, , oder weiteren Quellen läßt sich etwas zu „Uhren Weiss“ finden, was eigentlich bedauerlich ist, da ab Mitte der 50er bis Anfang der 60er Zeit der Name von Leon Weiss regelmäßig in den Schlagzeilen von Spiegel/ „Die Zeit“ zu lesen war.
Auf dem Bild ist die Uhr zu sehen und Leon Weiss, den Namensgeber der Uhren Weiss KG. Dieser schaffte es 1959 auf das Titelblatt des Spiegels (37/1959).

Wenn man den Berichten glaubt, waren die damaligen Tageszeitungen ebenfalls voll von Artikeln und Schlagzeilen zu Leon Weiss.
Deutsche Uhrenhersteller wie Junghans, Kienzle oder Mauthe haben Liefersperren an Weiss verhängt.
RW (Rodi und Wienenberger) als Hersteller der Uhrenbänder Fix-o-Flex sind ausführlich gerichtlich gegen Leon Weiss vorgegangen um ihre Preisbindung durchzusetzen. Zusätzlich hagelte es zahlreiche einstweilige Verfügungen von Herstellern und anderen Uhrenhändlern gegen Leon Weiss.
Dieses spektakuläre Vorgehen unterstreicht im Übrigen auch die Wichtigkeit der deutschen Uhrenindustrie der 50er und 60er Jahre.
Es gibt wie gesagt zahlreiche Artikel zu Leon Weiss. Alleine im Archiv des Spiegels finden sich 13 teilweise sehr ausführliche Berichte zwischen 1958 und 1964. Auch in der „Die Zeit“ Ausgabe 35/1964 finden sich ein aufschlußreicher Artikel.
Wer Zeit hat, dem würde ich die Titelgeschichte des Spiegels (Ausgabe 37/1959)ans Herz legen. Dort finden sich auch zahreiche Informationen und Hintergründe der deutschen Uhrenwirtschaft in den 50er Jahren. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42623117.html
Wem das jetzt zuviel ist:
Eine Zusammenfassung zur Uhren Weiss KG und Leon Weiss habe ich aus dem Spiegel Archiv (spiegel.de) Ausgabe 36/1964:
Der Ungar Leon Weiss kam erst 1951 nach Westdeutschland Er war staatenlos und wurde zunächst noch als Displaced Person von der Uno-Flüchtlingshilfe betreut.
Jahrelang verhökerte er als motorisierter Klinkenputzer ein buntes Warensortiment, bis er sich im Februar 1955 in einem Uhrenladen in der Frankfurter Töngesgasse seßhaft machte.
Damit begann das Weiß-Wunder. Der Neuling verkaufte, preisgebundene Markenartikel zu Discount-Preisen, und prompt deckten ihn Hersteller und Konkurrenten mit Einstweiligen Verfügungen und Prozessen ein. Es waren schließlich mehr als vierzig.
Weiß genoß die Publicity. Er verschenkte Junghans-Uhren im Wert von 4000 Mark, nachdem ihm ein Gericht den Verkauf unter Preis verboten hatte.
Weiss schickte Kompanien von Testkäufern durch die Lande, die Preissünden auch beim eingesessenen Uhrenhandel aufdeckten. Auf Pressekonferenzen und in großflächigen, mit seinem Bild geschmückten Inseraten zog Weiß gegen die Preisbinder zu Felde und feierte sich als "Pionier des neuen Preissystems, Kämpfer gegen die hohen Gewinnspannen, Anfechter der Preiskartelle, Prozeßgegner weltbekannter Firmen".
Der kleine, agile Mann, der nie akzentfrei Deutsch sprechen lernte, hatte es oft schwer, die über ihn verhängten Liefersperren zu umgehen und sich Markenfabrikate zu verschaffen. Als sein eigener Einkäufer erschloß er sich die abenteuerlichsten Bezugsquellen; häufig steuerte er seinen Mercedes 190 über die Grenze zu belgischen oder schweizerischen Kontaktleuten.
Weiß wurde schnell groß. 1961 besaß er bereits 26 Filialen in 18 westdeutschen Großstädten, alle mit Weiß -Publicity dekoriert, und machte 25 Millionen Mark Umsatz. Er hatte mit Frau und zwei Töchtern eine herrschaftliche Sechszimmerwohnung in Frankfurts großbürgerlich-renommierter Klettenbergstraße bezogen - und stieg auf einen Cadillac um.
Aber seine Firma geriet in eine Finanzklemme. Die 60 000 Mark Eigenkapital der Uhren-Weiß KG mußten dringlich aufgestockt werden.
Rudolf Münemann sprang in die Bresche. Der Münchner damals: "Das ist eigentlich die erste Firma, die in Deutschland das Prinzip des Discount -Hauses in großem Umfang praktiziert. Das interessierte mich."
Münemann hielt "die Leute auch für fachlich außerordentlich tüchtig".
Fortan gab es die Uhren-Weiß AG, und sie machte zunächst weiter gute Geschäfte. 1962 sprang der Umsatz auf 35 Millionen Mark, zehn Prozent Dividende wurden ausgeschüttet. Es entstanden eine Uhren-Weiß Benelux N. V. und eine Uhren-Weiß GmbH Wien. 75 Filialen trugen schließlich den Namen Weiß.
Aber im vergangenen Jahr stockte der Aufschwung. Der Umsatz stieg nur noch um zwei Millionen Mark, die Dividende mußte ausfallen. Es zeigte sich, daß die Weiß-Masche für die nun erreichte Unternehmensgröße zu klein gestrickt war.
Rudolf Münemann versuchte seinem Kompagnon klarzumachen, daß gute Beziehungen zu den Markenfirmen notwendig seien, wenn die Versorgung des großen Filialnetzes funktionieren sollte. Auch könne eine Aktiengesellschaft nicht ständig "aus dem Koffer finanziert" werden.
Weiß jedoch wollte "Preispionier" bleiben und fuhr fort, das gewandelte Unternehmen mit den Hau-Ruck -Methoden seiner Frühzeit zu managen. So machte er beispielsweise Münemann zwei Stunden vor der Bekanntgabe des Jahresabschlusses 1962 mit seiner Absicht bekannt, künftig auch Barrengold billig zu verkaufen. Diesen Einbruch in ein geheiligtes Reservat der Banken wollte Weiß sogleich der Presse verkünden, und Münemann konnte ihn nur mit Mühe davon abhalten.
Einen Tag bevor Rudolf Münemann in diesem Jahr auf Italien-Urlaub ging, bootete er sein lästig gewordenes Genie aus. Dabei brauchte er nicht einmal tief in die Tasche zu greifen. Obwohl sich Münemann und Weiß über die finanzielle Scheidungsregelung bislang ausschwiegen, ist unwahrscheinlich, daß Weiß für sein Ausscheiden noch einen nennenswerten Preis hat fordern können.
Eine für die damalige Zeit recht große Uhr mit ca.38mm, einem dreiteiligen Gehäuse. Boden und Gehäuse scheinen aus Edelstahl zu sein, die Lünette mit Glas ist vergoldet.
Das Glas selber hat einen starken Gelbstich, daher vermute ich mal ein altes Zelluloidglas.Auf einem Bild habe ich das Glas mal entfernt um den Unterschied darzustellen.
Beim Werk handelt es sich „leider“ um ein Stiftankerwerk von Baumgartner, Typ34 welches lauthals vor sich hin tickt. Hier die Bilder- sorry- ich bekomme sie mal wieder nicht gedreht.....




Normalerweise bin ich überhaupt kein Freund von Stiftankerwerken,aber in diesem besonderen Fall bin ich froh, diese Uhr kurz vor Weihnachten bei ebay gefunden zu haben.
Das Auffällige an der Uhr ist eigentlich der Schriftzug in der unteren Hälfte des ZB und die damit zusammenhängende Geschichte.
Als Vintagesammler versucht man zuerst einmal Informationen zu finden, aber weder im Lexikon der deutschen Uhrenindustrie, auf Mikrolisk, , oder weiteren Quellen läßt sich etwas zu „Uhren Weiss“ finden, was eigentlich bedauerlich ist, da ab Mitte der 50er bis Anfang der 60er Zeit der Name von Leon Weiss regelmäßig in den Schlagzeilen von Spiegel/ „Die Zeit“ zu lesen war.
Auf dem Bild ist die Uhr zu sehen und Leon Weiss, den Namensgeber der Uhren Weiss KG. Dieser schaffte es 1959 auf das Titelblatt des Spiegels (37/1959).

Wenn man den Berichten glaubt, waren die damaligen Tageszeitungen ebenfalls voll von Artikeln und Schlagzeilen zu Leon Weiss.
Deutsche Uhrenhersteller wie Junghans, Kienzle oder Mauthe haben Liefersperren an Weiss verhängt.
RW (Rodi und Wienenberger) als Hersteller der Uhrenbänder Fix-o-Flex sind ausführlich gerichtlich gegen Leon Weiss vorgegangen um ihre Preisbindung durchzusetzen. Zusätzlich hagelte es zahlreiche einstweilige Verfügungen von Herstellern und anderen Uhrenhändlern gegen Leon Weiss.
Dieses spektakuläre Vorgehen unterstreicht im Übrigen auch die Wichtigkeit der deutschen Uhrenindustrie der 50er und 60er Jahre.
Es gibt wie gesagt zahlreiche Artikel zu Leon Weiss. Alleine im Archiv des Spiegels finden sich 13 teilweise sehr ausführliche Berichte zwischen 1958 und 1964. Auch in der „Die Zeit“ Ausgabe 35/1964 finden sich ein aufschlußreicher Artikel.
Wer Zeit hat, dem würde ich die Titelgeschichte des Spiegels (Ausgabe 37/1959)ans Herz legen. Dort finden sich auch zahreiche Informationen und Hintergründe der deutschen Uhrenwirtschaft in den 50er Jahren. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42623117.html
Wem das jetzt zuviel ist:
Eine Zusammenfassung zur Uhren Weiss KG und Leon Weiss habe ich aus dem Spiegel Archiv (spiegel.de) Ausgabe 36/1964:
Der Ungar Leon Weiss kam erst 1951 nach Westdeutschland Er war staatenlos und wurde zunächst noch als Displaced Person von der Uno-Flüchtlingshilfe betreut.
Jahrelang verhökerte er als motorisierter Klinkenputzer ein buntes Warensortiment, bis er sich im Februar 1955 in einem Uhrenladen in der Frankfurter Töngesgasse seßhaft machte.
Damit begann das Weiß-Wunder. Der Neuling verkaufte, preisgebundene Markenartikel zu Discount-Preisen, und prompt deckten ihn Hersteller und Konkurrenten mit Einstweiligen Verfügungen und Prozessen ein. Es waren schließlich mehr als vierzig.
Weiß genoß die Publicity. Er verschenkte Junghans-Uhren im Wert von 4000 Mark, nachdem ihm ein Gericht den Verkauf unter Preis verboten hatte.
Weiss schickte Kompanien von Testkäufern durch die Lande, die Preissünden auch beim eingesessenen Uhrenhandel aufdeckten. Auf Pressekonferenzen und in großflächigen, mit seinem Bild geschmückten Inseraten zog Weiß gegen die Preisbinder zu Felde und feierte sich als "Pionier des neuen Preissystems, Kämpfer gegen die hohen Gewinnspannen, Anfechter der Preiskartelle, Prozeßgegner weltbekannter Firmen".
Der kleine, agile Mann, der nie akzentfrei Deutsch sprechen lernte, hatte es oft schwer, die über ihn verhängten Liefersperren zu umgehen und sich Markenfabrikate zu verschaffen. Als sein eigener Einkäufer erschloß er sich die abenteuerlichsten Bezugsquellen; häufig steuerte er seinen Mercedes 190 über die Grenze zu belgischen oder schweizerischen Kontaktleuten.
Weiß wurde schnell groß. 1961 besaß er bereits 26 Filialen in 18 westdeutschen Großstädten, alle mit Weiß -Publicity dekoriert, und machte 25 Millionen Mark Umsatz. Er hatte mit Frau und zwei Töchtern eine herrschaftliche Sechszimmerwohnung in Frankfurts großbürgerlich-renommierter Klettenbergstraße bezogen - und stieg auf einen Cadillac um.
Aber seine Firma geriet in eine Finanzklemme. Die 60 000 Mark Eigenkapital der Uhren-Weiß KG mußten dringlich aufgestockt werden.
Rudolf Münemann sprang in die Bresche. Der Münchner damals: "Das ist eigentlich die erste Firma, die in Deutschland das Prinzip des Discount -Hauses in großem Umfang praktiziert. Das interessierte mich."
Münemann hielt "die Leute auch für fachlich außerordentlich tüchtig".
Fortan gab es die Uhren-Weiß AG, und sie machte zunächst weiter gute Geschäfte. 1962 sprang der Umsatz auf 35 Millionen Mark, zehn Prozent Dividende wurden ausgeschüttet. Es entstanden eine Uhren-Weiß Benelux N. V. und eine Uhren-Weiß GmbH Wien. 75 Filialen trugen schließlich den Namen Weiß.
Aber im vergangenen Jahr stockte der Aufschwung. Der Umsatz stieg nur noch um zwei Millionen Mark, die Dividende mußte ausfallen. Es zeigte sich, daß die Weiß-Masche für die nun erreichte Unternehmensgröße zu klein gestrickt war.
Rudolf Münemann versuchte seinem Kompagnon klarzumachen, daß gute Beziehungen zu den Markenfirmen notwendig seien, wenn die Versorgung des großen Filialnetzes funktionieren sollte. Auch könne eine Aktiengesellschaft nicht ständig "aus dem Koffer finanziert" werden.
Weiß jedoch wollte "Preispionier" bleiben und fuhr fort, das gewandelte Unternehmen mit den Hau-Ruck -Methoden seiner Frühzeit zu managen. So machte er beispielsweise Münemann zwei Stunden vor der Bekanntgabe des Jahresabschlusses 1962 mit seiner Absicht bekannt, künftig auch Barrengold billig zu verkaufen. Diesen Einbruch in ein geheiligtes Reservat der Banken wollte Weiß sogleich der Presse verkünden, und Münemann konnte ihn nur mit Mühe davon abhalten.
Einen Tag bevor Rudolf Münemann in diesem Jahr auf Italien-Urlaub ging, bootete er sein lästig gewordenes Genie aus. Dabei brauchte er nicht einmal tief in die Tasche zu greifen. Obwohl sich Münemann und Weiß über die finanzielle Scheidungsregelung bislang ausschwiegen, ist unwahrscheinlich, daß Weiß für sein Ausscheiden noch einen nennenswerten Preis hat fordern können.