Spitfire73
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Wann ist ein Mann ein Mann? Diese Frage knödelte Herbert Grönemeyer 1984 ins Mikrofon und lieferte dazu einige Strophen an wenig sachdienlichen Hinweisen. Weshalb sich Orientierungsuchende jener Epoche heute schon für Männer halten, wenn sie sich ein schreiendes Kleinkind in einem unwürdigen Tragetuch über den Bierbauchansatz binden oder mit Hipsterbärten und krankenkassenfinanzierten Tattoos bei einem Gebinde Craft Beer auf urbanen Bordsteinen sitzend, die „Street Credibility“ der volkstümlichen Gangsta-Rapper-Hitparade nachspielen. Soweit so falsch.
Echtes Mannsein erfordert den entschlossenen Gang dorthin, wo echtes Angstpipi in mittelstrahlverdächtiger Qualität von sich gegeben wird. Und das an Orten, wo kein Platz ist für asthmatisch dahinröchelnde Alltagsinvalide, die ihre Männlichkeit irgendwo zwischen Bürostühlen und der kindersitzbelegten Rückbank eines lohnsteueroptimierten, kreuzbrav dahindieselnden Konsenskombis eingebüßt haben. Nicht umsonst umgibt sich gerade eine auffällig breite Schicht unsportlicher Uhrenträger mittleren Alters mit dem Mythos der Taucheruhr. Da stehen dann dünnbeinige Bierbauch-Recken mit Angst vor knietiefem Wasser (die nichtsdestotrotz unterhalb einem tiefseetauglichen Diver mit Heliumventil keine Kompromisse eingehen würden) im Flachwasserbereich des örtlichen Badetümpels und halten an dürren Handgelenken befestigte Zeitmesser vorsichtig ins brackige Nass wenn sie sich kurz unbeobachtet fühlen. Andere Vertreter dieser Zunft eilen gar mit zigtausendmeter dichten Extremdivern an die Urlaubsstrände der Welt um spektakuläre Schnorchelgänge in Tiefen zu absolvieren, für die Zweitklässlern das Seepferdchen-Abzeichen verliehen wird.
All jene sind gut beraten, weiterhin in Flip Flops auf Forststraßen Bergzuwandern, auf knatternden Altherren-Mopeds von einem Bierausschank zum nächsten zu tuckern oder Mikado mit GS-geprüften Sicherheitsstäbchen zu spielen. Der wahre Mann geht dagegen Tauchen denn die Vorteile liegen auf der Hand: ziemlich viel kompliziert aussehendes technisches Zeugs, das es nicht im nächsten Baumarkt gibt, der gegenüber Beobachtern erbrachte Anscheinsbeweis körperlicher Fitness, figurbetonte enge Anzüge ohne in Gummifetischismusverdacht zu geraten und gratis dazu der verwegene Hauch absolut reale Lebensgefahren meistern zu müssen, mit denen Altersgenossen weder beim Nasenhaartrimmen, beim Prostataabtasten durch den Urologen oder bei der Notoperation eines Männerschnupfens in einer Hausarztpraxis in Berührung kommen.
Da sich der uhrenaffine Laie dabei regelmäßig völlig falsche Vorstellungen vom extremen Anforderungsprofil an einen Midlifecrisis-Taucher in lebensfeindlicher Umgebung macht, ist es Ziel dieses tatsachenbasierten Berichts einen echten Tauchgang mit der Sinn U1 in einem hochgefährlichen österreichischen Bergsee anhand ungeschönter Fakten schonungslos und nüchtern nachzuzeichnen. Um unbedarfte Nachahmer vom sicheren Selbstmord abzuhalten, habe ich den Namen des Sees und naher Orte bewusst verschwiegen.
Die U1 gehört seit 2005 zum Taucheruhrenprogramm von Sinn und wurde aufgrund ihres Erfolgs seither zu einer kleinen Modellfamilie im Portfolio ausgebaut. Seit ihrer Vorstellung polarisiert sie mit ihrem eigenständigen und nicht von ungefähr an Lego-Klötzchen erinnerndem Design. Man mag diese Gestaltung oder eben nicht. Ich mochte sie nicht. Mein realer Erstkontakt mit der Taucheruhr erfolgte daher erst einige Jahre später und ironischerweise hoch über den Wolken am Handgelenk meines Sitznachbarn im Flugzeug. Und es war ein echtes Aha-Erlebnis, das mich schwer beeindruckt zurücklassen sollte. Instrumentell gezeichnet, klar ablesbar, sehr präsent am Handgelenk, eigenwillig, charakterstark aber trotz allem ganz unverkennbar eine Sinn. Der positive Eindruck dieser Begegnung hatte Folgen und so besitze ich trotz anhaltender Skepsis und Unverständnis gegenüber einigen Detaillösungen seit 2015 und damit seit nunmehr viereinhalb Jahren das hier vorgestellte Exemplar. Zeit für eine Vorstellung und ein Zwischenfazit.
Es ist Sonntag früh und nicht nur dem Morgen graut. Mein Kumpel und Tauchbuddy holt mich ab. Wir beladen seinen VW Bus und stoppen beim Verlassen meiner Einfahrt noch kurz als ich im Seitenspiegel bemerke, dass uns meine Frau hinterherläuft. Natürlich. Die treue Seele ist von Sorge um mich erfüllt, will Abschied nehmen, mir danken für die vielen Ehejahre, die ich ihr opferte, die Kinder die ich ihr schenkte. Ich lasse die Fensterscheibe herunter und strecke ihr huldvoll meine abgewinkelte Hand entgegen um ihr die Möglichkeit zu einem vielleicht letzten Handkuss zu geben. Überraschenderweise reicht sie mir aber nur ein Antragsformular für eine Risikolebensversicherung auf meinen Namen samt Kugelschreiber durchs Fenster während sie in der anderen Hand einen Katalog über kostspielige Kreuzfahrten für Singles hält. „100.000 Euro ohne Gesundheitsprüfung für nur 2,81 Euro Beitrag!“ ruft sie völlig außer Atem herein. Mein Freund wendet sich in sein Lenkrad hineingrinsend ab während ich ebenso irritiert wie verärgert unterschreibe und ihr dann den Papierkram hinausreiche. „Woher hat sie das nur?“ frage ich meinen Kumpel beim Schließen des Fensters. Er weicht meinem Blick auffällig aus und ich bemerke feine Schweißperlen auf seiner Stirn. „Hast Du mir vielleicht etwas dazu zu sagen?“ bohre ich nach. Schließlich gesteht er betreten: „Vielleicht haben unsere Frauen telefoniert. Ich musste das Gleiche schon gestern unterschreiben.“ Wir sehen uns betreten an. Bleierne Stille legt sich über den Innenraum, in den nur das hilflose Nageln des Betrugsdiesels dringt. Und dann sind wir weg.
Ein unentschlossener Wettergott kann sich an diesem Sonntagvormittag nicht zwischen Starkregenschauern und dichter Bewölkung entscheiden. Aber das hält uns wenigstens die autobahnverstopfenden Tagesausflügler vom Hals. So aquaplanen und schlittern wir auf der Autobahn zügig Garmisch-Partenkirchen entgegen, überqueren alsbald die Grenze zu Tirol und umrunden die Zugspitze. Wir tauchen ein in einen düsteren Gebirgslandstrich, deren Dörfer zu betreten uns die Alten warnten. Lage über Meereshöhe und genetische Übereinstimmung der Bevölkerung in den abgeschiedenen Orten wären gleichermaßen auffällig hoch, die Leute entsprechend seltsam. Die Nahrung dürftig, das Bier dünn, Gebräuche und Riten animalisch.
Das gut verarbeitete und enorm wasserdichte Gehäuse lässt seinen Betrachter nicht im Unklaren darüber, dass es 44mm im Durchmesser misst. Erfreulich ist dazu die vergleichsweise geringe Höhe von 14,3mm und ein Gewicht (ohne Band) von 113g, die zusammen wirksam einer Kopflastigkeit vorbeugen während die kurzen Hörner dem Tragekomfort spürbar zugute kommen. Auch die Krone auf 4 Uhr unterstützt dieses Ziel und hinterlässt beim Verschrauben immer noch den gleichen vertrauenserweckenden Eindruck exakter und präziser Gewindepassungen wie frisch nach Auslieferung. Die Dichtigkeit der ganzen Konstruktion lasse ich jährlich testen und bislang stets mit positivem Befund. In die in rot und schwarz feinskalierte Lünette ist ein trapezförmiges Leuchtmassefeld eingelassen. Sie ist mit 60 Klicks einseitig drehbar und ausreichend griffig um auch mit Tauchhandschuhen präzise bedient werden zu können. Eine konstruktive Besonderheit der Lünette stellt ihre Unverlierbarkeit dar. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lösungen ist sie durch seitliche Schrauben gesichert und damit gegen Abspringen nach Stoßeinwirkung weitestgehend geschützt. Beim Gehäusematerial hat sich Sinn den von ThyssenKrupp Marine Systems gefertigten Stahl für die Außenhüllen der deutschen U-Boot Klasse 212 gesichert. Dieser Stahl weist eine erhöhte Seewasserbeständigkeit sowie die höchste amagnetische Güte frei von jedem Restmagnetismus auf. Bereits untegimentiert weist dieser Stahl gegenüber der üblichen Härte von 316L Edelstahl (ca. 220 HV) eine über 50% höhere Härte von ca. 340 HV auf. Nach dem Kolsterisieren (in der Terminologie von Sinn als „Tegimentierung“ bezeichnet) erreicht Sinns U-Boot Stahl dann einen Härtegrad von ca. 1.300 HV. Neben der recht exotischen Herkunft aus dem militärischen U-Boot-Bau bietet das Material vor und nach seiner Härtung also einen echten und nachvollziehbaren Mehrwert für den Träger. Da in der Grundausführung nur die Lünette tegimentiert ist, entschied ich mich bei der Bestellung den Aufpreis für ein volltegimentiertes Gehäuse in Kauf zu nehmen. Es sollte sich als die richtige Entscheidung erweisen denn das perlgestrahlte Gehäuse und die Schließe sind dank der Oberflächenhärtung nach wie vor in einem so gut wie makellosen Zustand. Dabei überstand besonders die Schließe bereits den Kontakt zu einer Ankerkette vor Rhodos ebenso wie diverse unangenehme Begegnungen mit Tauchequipment oder Gegenständen des gnadenlosen Büroalltags. Im Erstauslieferungszustand hatte ich die Uhr am schwarzen Silikonband bestellt. Nach einiger Zeit setzte sich bei mir jedoch die Überzeugung durch, dass die roten Elemente des Zeigerspiels und Zifferblatts besonders gut zum roten Silikonband harmonieren und den ohnehin ausdrucksstarken Charakter des Modells zusätzlich betonen würden. Diese Einschätzung entpuppte sich als zutreffend. Auch qualitativ bin ich mit dem dicken Band sehr zufrieden. Ebenso wie mit der gut verarbeiteten Faltschließe, die über eine verlässliche und vertrauenserweckende ausklappbare Tauchverlängerung aber leider keine zusätzliche Feinverstellung verfügt.

Zurecht kritisch thematisiert wird immer wieder die allgemeine Verarbeitungshandschrift des Herstellers. Dazu zählen Farbunterschiede im Material, die Verwendung bedruckter Zifferblätter, Zeiger die bisweilen wie in den Farbtopf getunkt wirken oder an den Flanken ausfransen, teils ausbaufähige Lume oder unnötig anfällige äußere Entspiegelungsschichten. Sehr vieles bei Sinn atmet noch das Produktfinish der Branche auf dem Stand von vor 10 oder 15 Jahren. Seither hat sich bei vergleichbaren Herstellern viel getan und die Qualitätsanmutung der Komponenten ist branchenweit spürbar gestiegen. Bei Sinn dagegen besteht in manchen Bereichen dagegen echter Nachholbedarf. Es wäre unredlich, diesen Umstand in ein Feature umdeuten und als gewollten „Erkennungswert“ schönreden zu wollen. Allem wirtschaftlichen Erfolg zum Trotz hat Sinn hier für meine Begriffe eine Reihe unerledigter Hausaufgaben angehäuft, die früher oder später abzuarbeiten sein werden. Fairerweise muss aber darauf hingewiesen werden, dass auch die "alte" Sinn Verarbeitungsqualität zu den angeblich goldenen Zeiten des "schnellen Helmut" nichts wirklich Berühmtes war.
Unser Ziel wird ein besonderer See sein. Über Jahrmillionen abgeschiedenes Relikt urzeitlicher Meere, von zurückweichenden Gletschern in ein zerfurchtes Tal geknetet und von tückischen Lebewesen bewohnt. Mittelalterliche Chroniken umliegender Klöster berichten von einem drachenähnlichen Wesen mit langem Hals, das aus der Tiefe steigt und Wanderer in die Fluten hinabzieht. In der Neuzeit verschwanden ganze Ausbildungsjahrgänge der österreichischen Marine spurlos im See. Irgendwann lockte das österreichische Bundesheer mit Fischkadavern den vermuteten Plesiosaurier in ein nördliches Eck und sprengte den bewaldeten Hang darüber, der daraufhin in den See rutschte und das Monster unter sich begrub. Gefunden hat man es freilich nie raunen sich die Alten noch heute an den Lagerfeuern zu. Zurück blieben nur bizarr geformte Baumformationen unter Wasser die sich, warnenden Zeigefingern gleich, nach oben recken.
Wir erreichen unser erstes Ziel, ein Dorf, das sich in sicherer Entfernung zum See ängstlich an die Hänge duckt. Selbst der Regen traut sich nicht über die Ortsgrenze sondern endet verschämt kurz davor. Wir parken vor dem örtlichen Cafe und bestellen zwei Espressi während uns ein auffällig zufällig erscheinender ortsansässiger Schreiner und Sargbauer freundlich willkommen heißt und dann mit einem Maßband taxiert. „Reine Routine“ beschwichtigt der anwesende Bürgermeister und bittet uns, die Telefonnummern der nächsten Angehörigen in eine Liste einzutragen. Wir fühlen uns willkommen und bestellen noch zwei Stück dampfenden Apfelkuchen vom Blech.
Bei der Rückkehr zum Fahrzeug ertappen wir einen Einheimischen, der mit seinen Fingern etwas auf die verschmutzte Heckscheibe des VW Busses malt.
Mein Kumpel packt ihn sofort am Kragen und zieht den vor Angst zitternden Tiroler zu sich heran: „Was haben wir denn da? `Bavares eunt domus´? Menschen, genannt Bavares gehen das Haus?“
Einheimischer: „Es soll heißen: Bayern geht nach Hause!“
Kumpel: „Heißt es aber nicht. Was ist lateinisch für Bayern? Na komm schon, komm schon.“
Einheimischer: „Bavarius“
Kumpel: „Deklinieren.“
Ich wende mich grinsend ab und studiere das Kartenmaterial, das einen verschlungenen Waldweg hinab zum Seeufer zeigt während die beiden neben mir lautstark übereinkommen, dass der Imperativ anzuwenden sei. Einige Minuten später brechen wir auf während hinter uns ein Tiroler seufzend beginnt, einhundertmal ´Bavari ite domum´ auf die umliegenden Hauswände zu malen.
Am vereinbarten Treffpunkt am Seeufer warten wir dann vergebens auf den für viel Geld gebuchten erfahrenen Tauch-Guide, der uns unter Wasser begleiten sollte. Wir erkundigen uns nach seinem Verbleib bei einem Einheimischen, der mit dem Zeigefinger wortlos auf drei verschiedene Stellen am Ufer weist. Als er meinen verständnislosen Blick bemerkt, fügt er schließlich erklärend hinzu: „Die Strömung. Nicht alle Körperteile wurden an der gleichen Stelle angespült.“ Mein Kumpel und ich sehen uns wortlos an. Dann blicken wir entschlossen hinaus auf die zwischen aquamarin und türkis changierende Oberfläche dieses Sees, der jedem von uns nur eine einzige Frage zu stellen scheint: kannst Du gegen mich bestehen? Wir reißen eine Familienpackung Hanuta auf und schießen ein Selfie.
Auf dem Weg zurück zum Parkplatz stoßen wir auf einen alten Tauchlehrer mit einer Haut aus ockerfarbenem, wild zerfurchtem Leder, der sich nach einigem Feilschen bereiterklärt, uns für eine Flasche Almdudler in die wichtigsten Informationen über den See aus Tauchersicht einzuweihen. Sein Dialekt ist grenzwertig aber offenbar erwähnt er eine Einstiegszone, zwei Leinen, einige Plattformen in unterschiedlichen Tiefen und diverse Orientierungspunkte unter Wasser ehe er sich mit der Kräuterlimonade und einem Hanuta davonmacht.
Wir suchen einen geeigneten Liegeplatz, entladen das Auto und nehmen auf zwei Campingstühlen Platz. Benutztes Verbandsmaterial weht von links nach rechts durchs Bild wie Grasballen durch einen Italowestern von Sergio Leone. In einiger Entfernung laufen zwei Sanitäter mit einer Trage vorbei eilig zum Ufer hinab. Mit einem Gaskocher bereiten wir uns Pfefferminztee und während er zieht beobachten wir die beiden zurückkehrenden Helfer, die den leblosen Körper eines Tauchers, in den sich einige noch zappelnde Fische verbissen zu haben scheinen, in den Sankra wuchten. „Hammer.“ kommentiert mein Freund die Szene und deutet mit einem Debreziner-Würstchen in der Hand auf die grobstollige Bereifung des Sanitätsfahrzeugs. „Solche Reifen hätte ich auch gern.“. Ich pflichte ihm zustimmend bei: „Hammer.“ Und rühre in Ermangelung eines Löffels den Zucker in meinem Tee mit einer Debreziner um.
Einer der in der Schließe verbauten Federstege verursachte nach dem ersten Urlaub mit Seewasserkontakt überraschend kleine Rostflecken im tegimentierten Schließenkasten. Die Flecken waren mit einem Zahnstocher mühelos entfernbar. Da nur einer betroffen war, tippe ich auf einen Materialfehler. Der Federsteg wurde von mir reklamiert und durch Sinn umgehend und kostenlos ersetzt. Der neue Federsteg zeigte wie seine Kollegen fortan und bis heute keinerlei Rostentwicklung mehr.
Skeptisch stand ich auch der beidseitigen Entspiegelung des Deckglases gegenüber. Inbesondere in Bezug auf die Kratzempfindlichkeit der äußeren Entspiegelungsschicht. Unter südlicher Sonne stellte sich zudem heraus, dass verdampfende Salzwassertröpfchen auf dem heißen Uhrenglas kleine Flecken hinterlassen können die man mit normalen Reinigungsmethoden nicht vollständig wegbekam. Die Lösung bestand schließlich darin, mit etwas Zahnpaste auf dem Finger sanft das Uhrenglas zu bearbeiten. Die Flecken verschwanden und die Entspiegelungsschicht wird davon nicht in Mitleidenschaft gezogen. Ohnehin ist positiv zu vermerken, dass die Entspiegelungsschicht offensichtlich robust sein muss denn sie ist nach wie vor völlig unbeschädigt. In der Praxis führt die äußere Entspiegelung in vielen Lichtverhältnissen und Betrachtungswinkeln zu deutlich weniger Reflexionen und damit zu einer spürbar besseren Ablesbarkeit im Vergleich zu herkömmlichen, nur innen entspiegelten Gläsern was mir ganz besonders im Vergleich zu den Saphirgläsern billiger Fernost-Microbrands auffällt.
Was mich von Beginn an störte war das knorpelige Drehgefühl der Lünette, die jedoch mit 60 normkonformen Klicks sicher rastet und exakt ausgerichtet ist. Die von mir wahrgenommene Knorpeligkeit liegt wohl an zahnkranzschonend leicht radial versetzten Rastkugel-Positionen. Ein haptischer Hochgenuss geht davon nicht aus. Weitere Kritik gibt es für die eher laue Lume der U1, die zwar langanhaltend aber unterdurchschnittlich leuchtstark ist. Mein letzter Kritikpunkt gilt den fehlenden Feinverstellmöglichkeiten der ansonsten sehr soliden und vertrauenerweckenden Schließe.
Die Gangwerte meines Exemplars sind seit Auslieferung nicht zu beanstanden. Dank Qualitätsstufe „top“ läuft das verbaute Sellita SW 200-1 von Lagen- und Temperaturunterschieden und dem Aufzugszustand weitgehend unbeeinflusst extrem genau mit etwa zwei Sekunden/24h im Plus. Unauffällig, hochpräzise und trotzdem voraussichtlich günstig bei Reparatur und Service. Das Werk passt damit perfekt zur Philosophie des Herstellers und des Modells, bei dem sich nicht irgendein Manufakturwerkhokuspokus effekthaschend in den Vordergrund drängt sondern das Werk im Hintergrund einer nüchtern instrumentellen Uhr bleibt aber nichtsdestoweniger höchsten Erwartungen an Zuverlässigkeit und Gangergebnis genügt. Blaumann statt Belstaff möchte man schmunzeln.
Nach ausgiebiger Stärkung bauen wir unsere Ausrüstung zusammen. Einige Kilo Blei verschwinden in den Taschen unserer Jackets. Der kalte See legt die Verwendung zweier erster Stufen an den Atemluftflaschen nahe. Mein Freund zwängt sich als Erster in seinen Neoprenanzug und stellt danach erst fest, noch einem natürlichen Bedürfnis im angrenzenden Wald folgen zu müssen. Von dort kommt er kurze Zeit später in Badehose und mit nacktem Oberkörper von einem Schwarm beißwütiger Insekten verfolgt, wild zappelnd und mit den Händen um sich schlagend zurückgerannt. Beim Wiedereinschälen in seinen Neoprenanzug unterbietet er seine bisherige Bestmarke um volle zwölf Sekunden. Ich hätte ihm natürlich dabei helfen können aber bin damit beschäftigt, den Vorgang mit einem zweiten Hanuta zwischen den Zähnen entspannt vom Campingstuhl aus mit der Zeitnahmefunktion des Tauchcomputers zu stoppen.
Schließlich schultern wir die bleibeschwerten Jackets samt Atemluftflaschen auf, ergänzen Tauchcomputer, Lampen, verpacken die beiden Gopro-Kameras in ihre Unterwassergehäuse, prüfen gegenseitig korrekten Sitz und Vollständigkeit der Ausrüstung, testen Verschlüsse und Schnallen, die Funktion der Atemregler und vieles mehr besonders umständlich und gründlich weil uns zwei junge Frauen dabei beobachten. Weshalb wir dabei auch noch die Luft anhalten und den Bauch einziehen müssen um in der Seitenansicht maximal durchtrainiert zu wirken. Kein leichtes Unterfangen in dieser Konstellation mit den Flossen in der Hand noch möglichst breitbeinig aber dabei nach außen hin lässig entspannt wirkend das steile Ufer hinabzuwatscheln.
Am Uferweg erschrecken wir in unserem Aufzug ein Ehepaar mit Sohn, der uns interessiert mustert und dann den magischen Satz sagt, nach dem sich tausende mitteilungsbedürftige Diverkäufer mit Sendungsbewusstsein sehnsüchtigst verzehren: „Sie haben noch ihre Uhr dran.“ Natürlich hätte ich an dieser Stelle den etwa Zehnjährigen auf die Vorzüge hochfesten, seewasserbeständigen deutschen U-Boot-Stahls hinweisen können. Die Unverlierbarkeit des Drehrings, die enorme Wasserdichte und die Zertifizierung nach DNV GL, welche vormals Germanischer Lloyd Hamburg war, andeuten und langatmig auf die in Anlehnung an die europäischen Tauchgerätenormen geprüfte Druckfestigkeit von 100bar/1000m verweisen können. Es ist jedoch in der bayerischen Sprache möglich, all diese komplexen Argumentationsketten und Zusammenhänge in eine kindgerechte und nur drei Worte umfassende Antwort zu verdichten: „Basst scho, Bua.“
Der See beherbergt viele Grausamkeiten der österreichischen Unterwasserfauna. Besonders hervorzuheben ist der ortsansässige Bestand des gestreiften österreichischen Gebirgspiranhas, einem tückischen Rudeltier, das in Gruppen von drei bis acht Tieren Schwimmer wie Taucher anfällt und blitzschnell bis auf die Knochen abnagen kann und dessen bloße Existenz das österreichische Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus aus verständlichen Gründen beharrlich leugnet.
Ein Schwarm gestreifter österreichischer Gebirgspirhanhas versammelt sich zum Angriff
Eine kleine Population des weithin von der Wissenschaft und Öffentlichkeit ignorierten Karpatenalligators hat auch in diesem See seit der letzten Eiszeit ein Rückzugsgebiet gefunden. Die meist übel gelaunten Tiere erreichen in den Hochlagen der Alpen zwar nur etwa 120 – 160cm Körperlänge aber sind aufgrund ihrer gneis- bis granitfarbenen Färbung nur schwer zu entdecken. Zwei rasiermesserscharfe Zahnreihen und die typischen Drehreflexe, mit der sich die Tiere -wenn sie sich einmal in ihre Opfer verbissen haben- schnell um ihre eigene Achse bewegen, haben unachtsamen Wassersportlern in den Gebirgsseen der Alpenrepublik bereits viele Gliedmaßen, Genitalien, Nasen, Ohren, Häupter oder das Leben gekostet. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Im Urlaub kopflos zu sein kann in den alligatorverseuchten Gebirgsseen Österreichs auch eine wortwörtliche Bedeutung haben.
Ein ausgewachsenes Exemplar des in den Hochlagen zwischen der Ostschweiz, Tirol, dem Tatra-Gebirge bis hin nach Rumänien heimischen Karpatenalligators.
Eine weitere Besonderheit stellt der Bergfexzander dar, eine sehr aggressive Unterform des osteuropäischen Zanders, der am Grund des Sees auf seine Opfer lauert. Nicht zu unterschätzen sind darüber hinaus die Kärntner Gebirgsschleihe, die ebenfalls in Gruppen Hinterhalte legt, die tollwütige Gebirgsforelle, der neunpunktige Tiroler Würgewels, die allergische Reaktionen auslösende Steiermarkqualle und einige hochalpine Formen des Bergoktopusses, auf den wir jedoch an diesem Tag nicht treffen werden. Überfallartige Attacken sind dagegen das Erkennungszeichen des Weißen Alpinhais, einer besonders aggressiven und kaum erforschten Miniaturform des Weißen Haies aus der Gattung Megalodon Austriaci.
Das durch großzügige finanzielle Unterstützung durch den Bundesverband der Bestatter Österreichs neu errichtete Gebeinhaus am Seeufer dient der Aufbewahrung tagsüber angespülter Überreste von Wassersportlern und Touristen.
In der Nähe des neu errichteten Gebeinhauses, in dem die täglich eingesammelten sterblichen Überreste von Tauchern und Wassersportlern zwischengelagert werden, halten wir uns im knietiefen Wasser an den rutschigen Steinen am Ufer fest und streifen unsere Flossen über. Bevor wir unsere Masken aufsetzen prüfen wir die Wasseroberfläche in unserer unmittelbaren Nähe auf verräterische Haiflossen. Noch will sich keine zeigen und so blasen wir Luft in unsere Jackets und gleiten ins flache Wasser. Dort sortieren wir uns, wechseln von den Schnorcheln auf die Atemregler. Die Verständigung erfolgt von nun an nur noch über Handzeichen. Natürlich nur solange man in diesen gefährlichen Gewässern noch Hände hat. Mein Buddy zeigt mir sein Okay zum Abstieg. Auch ich bin bereit und erwidere die Geste. Fast gleichzeitig lassen wir Luft aus unseren Jackets und sinken hinab. In rascher Folge führen wir auf dem Weg nach unten den erforderlichen Druckausgleich durch und tarieren uns schließlich in viereinhalb Metern Tiefe knapp über dem ufernahen Grund aus von wo aus wir eine Leine entdecken, der wir zur ersten Plattform folgen.
Dort angekommen lösen wir prompt das revierverteidigende Verhalten eines Gebirgshais aus. Das aggressive Männchen drängt sich sofort zwischen uns, bricht sich beim Biss in meinen linken Unterarm am tegimentierten Gehäuse meiner Sinn U1 einen Zahn aus und beißt schließlich wütend in meinen Handschuh ehe ihn mein Buddy ablenken kann und dafür selbst angefallen wird. Die Gopro, mit der ich alles festhalte, schnurrt an ihrem Retractor zurück als ich sie doch loslassen muss um im letzten Moment mit meinem Tauchermesser durch die ungeschützte Flanke des Haies zu fahren und dem Spuk ein blutiges Ende zu setzen.
Spektakuläres, der Wissenschaft völlig unbekanntes Filmmaterial. Nie zuvor konnte ein österreichischer Gebirgshai der Gattung Megalodon Austriaci in seinem natürlichen Lebensraum bei einem Angriff dokumentiert werden.
Das gibt auch meinem Tauchbuddy die Gelegenheit, sein Tauchermesser aus dem Oberschenkel-Holster zu ziehen und damit ein attackierendes Bergfexzanderweibchen auf Distanz zu halten. Ich kann ihm nicht helfen denn ein weiterer neugieriger Alpinhai hat sich zeitgleich von der anderen Seite kommend in den gelben Schlauch meiner alternativen Luftversorgung verbissen. In meiner Not stopfe ich ihm den gelben Atemregler ins Maul und betätige die Luftdusche worauf hin sich das gesamte Tier unter Hervortreten der Augen erst wie ein Luftballon aufbläht und dann schlagartig nach oben davonsaust um einige Meter über mir zu zerplatzen. In der Zwischenzeit hat mein Buddy die Zanderdame in die Flucht geschlagen. Er zeigt auf sein Tauchermesser und gibt mir eine rasche Abfolge von Handzeichen, die ich sofort übersetze: „Hammer. Diese Messerscheide aus glasfaserverstärktem Polyamid.“ Meine Finger formen ein Okay und wir machen uns aus dem reichlich aufgewirbelten Staub bzw. Sediment.
Tiefer hinab. Der Tauchcomputer zeigt 10, dann 15 und bald 20 Meter Tiefe. Wir kontrollieren unseren Atemluftvorrat an den Finimetern. Die Temperatur sinkt auf 8 Grad. Es wird kalt, dunkel und leer. Hin und wieder ragen einzelne Gesteinsbrocken aus dem flachen Seegrund empor wie Muffins auf dem Backblech meiner Frau. Auch die Konsistenz von Gestein und Backware scheint erstaunliche Parallelen aufzuweisen. Ich peile am Kompass eine gefühlte Ewigkeit einen westlichen Kurs an. Mein Buddy folgt mir. Dann steigen wir langsam auf. Wir durchqueren ein Trümmerfeld aus umgestürzten, bizarr in sich verkanteten Baumstämmen, Ästen und überdimensionalem Wurzelwerk.
Manche ragen paarweise wie die schlanken Säulen gotischer Kathedralen auf um sich über uns zu kreuzen und dann scheinbar im Nichts zu verlieren. An einem Baumstamm haben trauernde Angehörige ein Vorhängeschloss mit den Namen zweier Unglücklicher befestigt, die hier unten an dieser Stelle unzweifelhaft von den Bestien der Tiefe zerfleischt wurden. Respektvoll schweben wir daran vorbei und gedenken der Opfer.
Aufgrund der Limitierung der Anzahl von Bildern pro Beitrag folgt die Fortsetzung im nächsten Post...
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