
timesquare
Themenstarter
Hallo hier bin ich.
Ich wurde vor kurzem ungefragt von meiner (Konzern-)Mutter ins Leben gesetzt um für sie Geld zu verdienen. Ich bin ein Klon und je mehr mich haben wollen, desto mehr werde ich mich vermehren und entsprechende Anerkennung bekommen. Wenn es nicht klappt, wird längerfristig kaum jemand Notiz von mir nehmen und ich werde wieder von der Bildfläche verschwinden. Sie hat es mir von Anfang an gesagt und mein Schicksal ist besiegelt.
Ich habe eine ganz interessante Familiengeschichte, deren Stammbaum bis ins Jahr 1881 zurückreicht und es waren auch einige dabei, die es zu etwas gebracht haben. Als gefühlt X-te, wie es so schön heißt „Reinterpretation“ meiner prominenten Ahnen und Urahnen habe ich es nicht leicht, mich auf diesem Platz der Eitelkeiten zu behaupten – gerade in dieser Zeit, wo die potentiellen Träger meist andere Sorgen haben. Unser Stammbaum ist weit verzweigt und unübersichtlich geworden. Interessiert mich auch nicht so. Hier mal ein Bild meines Urgroßvaters 6159-7000 von 1968 auf den wir alle so stolz sind
:
Quelle: http://www.2diveornot2dive.com/2019/08/30/seiko-6159-7000/
Seine direkten Nachfahren lasse ich hier einmal außen vor (z.B. SLA 025, 039). Sie wollen etwas Besseres sein und dürfen das meinetwegen auch. Sie haben auch eine ganz andere Herzfrequenz. Diese Fußstapfen sind mir zu groß. So bin ich vielleicht auch nur eine unbedeutende Interpretation der Interpretation der Geschichte. Zum Glück wurde ich nicht alleine geboren. Ich habe noch eine hübsche Zwillingsschwester mit denselben Genen – sie trägt im Gegensatz zu mir ein blaues Kleidchen und einen schwarzen Ring. Nun, ich bin ja auch ein Junge. Mir fehlt es noch etwas an Selbstbewusstsein und ich bin auf der Suche nach meiner Identität. Bei unseren Namen war unsere Mutter recht einfallslos. Ich heiße „SPB185J1“, mein Zwilling „SPB187J1“:
Quelle: https://www.seikowatches.com/de-de/products/prospex/lineup
Toll - wer soll sich das bloß merken? Und was ist mit „186“- uns trennt eine merkwürdige Lücke und meine Eltern halten sich da bedeckt...
Mein Käufer (Ich habe einen abgekriegt – yeah!) hat mich vorher in einem Werbespot gesehen, in dem ich „Steelmaster“ genannt wurde und hat diesen Spitznamen adaptiert – nun ja, auch nicht gerade originell aber irgendwie doch besser. Da erwacht ein Teil meiner männlichen Seele und so fühle ich meinem 20 Jahre älteren Bruder „Marinemaster“ sehr nah. Ich bewundere ihn und er ist mein großes Vorbild. Er hatte auch einen komischen Namen (SBDX001), aber immerhin steht sein richtiger Name noch auf dem Blatt und das 001 ist auch ziemlich cool. Aber auch diese Zeiten sind nach der 017 vorbei. Jetzt gibt es Keramik / Saphir, weil es trendy ist (SLA 021 und Konsorten) und leider haben sie die „Perle“ dann auch gleich einkassiert. Die Abenteurerlustigen der ganzen Sippe haben nun alle ein X als Familienwappen und Teil der corporate identity aufgedruckt bekommen und ich bin auch davon betroffen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Sehr froh bin ich, dass ich bei meinem großen Bruder wohnen darf. Er wohnt schon länger hier und konnte sich von Anfang an behaupten. Hier ein aktuelles Foto von ihm. Er hat schon einiges mitgemacht, ist aber noch gut in Schuss:
Es wäre jetzt unfair, mich mit meinem großen Bruder vergleichen zu wollen. Er ist ein ganz anderes Kaliber und hat auch deutlich mehr Speck auf den Rippen. Er bleibt unerreichbar für mich. Hier seht ihr uns einmal zusammen:
Zu meiner Freude wohnt auch noch meine Cousine hier. Sie ist auch noch recht jung, erst kürzlich eingezogen und sieht total gut aus. Sie hat auch einen schönen Namen bekommen und heißt „Twilight Blue“, in ihrem Pass steht aber auch nur SPB097J1. Hier mal ein Foto von der schönen Dame, die mit ihrem betörenden blau und den orangenen Akzenten gerne auf Sonnenuntergang am Meer und Romantik macht.
Auch sie hat noch einige Geschwister, die ich persönlich nicht kennen gelernt habe. Ich glaube ihr Bruder im schwarzen Anzug heißt SPB077J1. Leider wurde ihre Familie etwas verniedlicht als „Baby-Marinemaster“ oder „MM-200“ bezeichnet, was ihnen meiner Meinung nach gar nicht gerecht wird. Gewisse Ähnlichkeiten zu meinem großen Bruder sind zwar vorhanden - ja, er hat auch runde Punkte im Gesicht - aber mehr auch nicht. Wir sehen eben in den Dingen immer nur das, was wir sehen wollen. Entfernte Verwandte eben. Wir verstehen uns gut miteinander und stehen nicht in Konkurrenz. Dazu sind wir viel zu unterschiedlich. Die Familie muss schließlich zusammenhalten. Meinen Platz darin habe ich allerdings noch nicht ganz gefunden. Leider sind wir in unserem Haushalt nicht alleine und eine Vielzahl von Eisen unterschiedlichster Herkunft versammeln sich hier unter einem Dach. Haben wir nicht alle irgendwie einen Migrationshintergrund und sollten mit denselben Grundrechten ausgestattet sein?
So ist es schwer sich durchzusetzen, doch als Neuankömmling habe ich momentan ganz gute Karten. Doch ich mache mir nichts vor, das kann sich schnell ändern, wie ich hier schon gelesen habe. Wie immer bei vielen Kindern gibt es manchmal Streit, wer nun mit nach draußen darf, doch insgesamt leben wir in friedlicher Ko-Existenz. Manchmal muss leider auch jemand gehen und findet ein neues Zuhause.
Hier sind wir 3 in friedlicher Eintracht und halten zusammen
:
Ich möchte euch noch eine kleine Geschichte erzählen, die mein neuer Besitzer mir erzählt hat. Nein, „Besitzer“ ist die falsche Bezeichnung – was können wir denn überhaupt „besitzen“, außer vielleicht einen Stuhl? Alles ist vergänglich und bei manchem Flipper landest Du schon im Marktplatz, bevor Du überhaupt eine Chance hattest. Ich will schon mir selbst gehören, egal was das Schicksal mit mir auch vorgesehen hat. Von daher ist es mir genehmer für meinen Vormund die Bezeichnung Träger zu wählen. Er hat zwar das Aufenthaltsbestimmungsrecht, doch meine ursprüngliche Bestimmung ergibt sich aus der Tatsache, dass ich von ihm getragen werde und er mich ausführen „darf“. Dafür bin ich nun einmal konstruiert. Das fühlt sich besser an. Ihr merkt schon, ich nehme Einfluss auf die Deutungszusammenhänge und bestimme so meinen Wert auch mit.
Ein Leben in der Box wäre übrigens nichts für mich und mit Samthandschuhen will ich auch nicht angefasst werden. Zum Glück gehört mein Träger nicht zu den PTM´s mit ihrer overprotection, die sich gleich in die Hose machen, wenn ich mir mal eins auf die Hörner kriege. Diese sanft anmutende Zuwendung ist nur am Anfang ganz nett – mit zunehmendem Alter wird es dann in der Öffentlichkeit peinlich. Zudem sind die langfristigen Folgen meist unschön: Unselbständigkeit, Unsicherheit, Ängstlichkeit oder andere Anpassungsstörungen machen einem dann zu schaffen. Immer schön locker bleiben.
Zurück zum Thema. In einem Showroom für meine erweiterte Gegenwartsfamilie (frz. boutique), sah mein Träger kürzlich meine schon vorgestellte Cousine. Sie war dort das letzte Exemplar ihrer Art und hat ihn spontan erobert. Manchmal wundert es mich schon, wie leicht die Kerle zu verführen sind. Dort (engl. shopping) begutachtete er auch einen entfernten Cousin von mir, der auch noch nicht so lange auf diesem Planeten weilt. Er kommt zwar aus einer anderen Familienlinie (mit Balken statt Kreisen im Gesicht) und zwischen den beiden Urgroßvätern (Ich habe gehört er heißt 6217-8000, Spitzname 62MAS) brennt bis heut ein Streit in der Familie, wem nun mehr Ruhm und Ehre gebührt. Er heißt SPB143J1 und war der hier:
Quelle: Modellübersicht | Prospex | Kollektionen | Seiko Watch Corporation
Er konnte meinen Träger aber irgendwie nicht überzeugen, da er sich zuvor in meine Schwester verliebt hatte. Glück gehabt, denn sonst wäre wohl kein Platz mehr für mich gewesen. Manchmal denke ich darüber nach, wie es wohl dann gekommen und was aus mir geworden wäre. Aber der Reihe nach.
Ich komme ursprünglich aus dem Land der aufgehenden Sonne (vielleicht kommt daher auf meinem Sekundenzeiger der rote Punkt?) und wurde dann nach Europa geschickt, um dort mein Glück zu versuchen. Es ging weiter nach Deutschland, wo ich mich dann für kurze Zeit in einem Sammellager wiederfand. Einige meiner Brüder und Schwestern waren bereits auf Tournee und wurden der Öffentlichkeit vorgestellt. Das übliche shooting, "bla bla" und von allen Seiten begrabbelt werden. Das ist nicht so mein Ding und ich war daher ganz froh, dass ich nach der langen Reise noch etwas in der Box schlummern konnte. Wie mir erzählt wurde, haben sie sich in einem bekannten Fachforum in den News die Kritiker auf sie gestürzt und sich die Finger wund geschrieben. Der Reiz des Neuen. Dabei stand meine blaue Schwester zunächst ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit, später auch mein großer Bruder. Ich irgendwie nur so am Rande. Die Leute da kommen immer schnell vom Thema ab. Bis ins kleinste Detail wurde hier analysiert, beurteilt und diskutiert - die Expertenmeinungen gehen natürlich auch hier auseinander. Immerhin wurde auch mein Träger so auf mich aufmerksam.
Wer es nachlesen will: hier
Folgen wir einmal der philosophischen Annahme, dass ja das Erkannte bereits durch den Erkenntnisakt verändert wird, wird die ganze Sache schon etwas „unscharf“. Nehmen wir noch die analytische Erkenntnis der Projektion hinzu, wird mir möglicherweise auch noch etwas übergestülpt, was mehr mit der Person des Betrachters und weniger mit mir zu tun hat. Also Vorsicht! Das hilft mir nicht wirklich auf der Suche nach mir Selbst.
Aber wer bin ich nun eigentlich?
Identität (von mittellateinisch identitas, Abstraktum zu lateinisch īdem ‚derselbe') ist die Gesamtheit der Eigentümlichkeiten, die eine Entität, einen Gegenstand oder ein Objekt kennzeichnen und als Individuum von anderen unterscheiden (Quelle: Wikipedia)
Ich habe mich daher ein wenig mit Psychologie beschäftigt und möchte mich dieser Frage über die sog. „5 Säulen der Identität“ nach dem Konzept von Hilarian Petzold annähern, das er für die integrative Therapie entwickelt hat. Diese Säulen bauen, stützen und tragen die Identität eines Menschen (oder eben nicht ...):
Quelle
Ich werde mich jetzt also aufrichtig einer kritischen Selbstanalyse stellen. Am meisten belügen wir uns ja immer noch selbst. Ich werde mir daher auf einer Skala von 1-10 jeweils die entsprechenden Punkte geben (also maximal 50) und dann weiß ich, wie hoch mein Wohlbefinden und meine Zufriedenheit ist. Die Spielregeln gehen allerdings so, dass ich als Vergleichswerte nur Artgenossen in der Klasse von 1-1,5 K zulasse. Ich liege in meinem äußerlich zugewiesenen Wert in der Mitte. Alles andere wäre nicht fair.
1. Körper und Gesundheit
In diese Rubrik gehören für mich die Aspekte Verarbeitung, Funktionalität und Ergonomie. Hier kommen meine hard facts:
Das klingt doch erst einmal nicht schlecht, oder?
Meine Verarbeitungsqualität lässt aus meiner Sicht nichts zu wünschen übrig. Wirklich alles sauber, präzise und TOP. Selbst die Lünette rastet sauber auf der „12“, da habe wohl Glück gehabt. Sie rastet knackig. Absolutes highlight ist mein case - darauf bin ich wirklich stolz.
Es ist an meinem großen Bruder MM300 orientiert, mit sehr schönen Flanken und Hörnchen, ohne durch die geringere Bauhöhe so voluminös und kopflastig zu sein. Der Schliff ist sauber und an keiner Stelle scharfkantig. Anstöße gut eingepasst – sie sitzen knackig. Mein Tragekomfort ist ausgesprochen angenehm. Ich bin super ablesbar, so die ganz große Leuchte in der Dunkelheit bin ich allerdings nicht. Meine Lume kann weder mit meiner Cousine noch mit dem großen Bruder mithalten, aber immer noch auf gutem Niveau. Es sieht aus, als ob sie die Lume mir nicht aufgetragen, sondern vorgefertigte Plastikteilchen auf die Indizies geklebt wurden. Alles sehr präzise, doch das sieht von ganz nah nicht so hochwertig aus, wenn ich mal einen Kosmetikspiegel verwende. Hier mal ein nightshot von mir:
Meine Tragevorrichtung ist massiv macht einen soliden, wertigen Eindruck. Etwas schäme ich mich nur für meine Schließe. Sie fällt in der Qualität deutlich ab, wirkt blechern und „klapprig“ und ist dazu noch mit einer fummeligen und etwas lächerlichen Verlängerung ausgestattet. Braucht kein Mensch. Das geht mit wenig Aufwand deutlich besser, liebe Mutti!
Meine Widerstandfähigkeit ist gegeben. Ich fühle mich solide, Feuchtigkeit kann mir nichts anhaben und kann auch etwas wegstecken. Nur mit meiner Lünette muss ich da wohl etwas aufpassen. Irgendetwas findet man immer, doch das ist meckern auf ganz hohem Niveau.
9 Punkte!
2. Soziale Beziehungen
Ich bin sportlich, kann tauchen und mache auch sonst zu eigentlich jeder Gelegenheit eine gute Figur. Ich kann auch elegant. Bin mehr so der Generalist. Ich werde wahrgenommen, komme eigentlich ganz gut rüber und trete keinem auf die Füße. Eine gute Balance aus etwas bling und farblich dezenter Zurückhaltung lässt mich bei ausgeprägter Präsenz nicht zu aufdringlich erscheinen. Ich habe eine gefällige Größe, mache nicht „auf dicke Hose“, sehe aber auch nicht „billig“ aus. In meiner Großfamilie falle ich etwas aus der Reihe und fühle mich daher nicht ganz zugehörig. Ich vermute ich werde nicht gleich als derjenige erkannt, der ich bin (wer auch immer das ist…) und die Leute können mich nicht ganz eindeutig zuordnen. Ein Forumskollege meines Trägers, der hier nicht genannt werden möchte (eigentlich ein versierter Kenner), antwortete nach einem ersten Bild, ob ich vielleicht ein „MOD“ sei - er meint er hätte mich irgendwo schon einmal gesehen…
Meine Schwester macht da eher auf mainstream. Ich bin da eher schon etwas eigen und leide nicht unter Gefallsucht. Ich bin kein Spalter aber den unter vor allem in manischen Phasen (s.u.) der horologischen Spezies berühmt-berüchtigten Will-Haben-Reflex löse ich jetzt auch nicht bei jedem aus.
Anmerkung:
Betroffene Personen leben dann phasenweise in einem intensiven, aber unbegründeten Hochgefühl, begleitet von übermäßig guter Laune, das weit über dem normalen Durchschnitt liegt. Sie neigen dann u.A. zu einer gesteigerten Libido und unkontrollierten Geldausgaben. Sie überschätzen dabei leider die eigenen finanziellen Mittel oft beträchtlich. Von einer Manie Betroffene haben typischerweise keinerlei Problemeinsicht; sie „fühlen sich blendend“. Nach einer manischen Episode sie allerdings häufig von Schuld- und Schamgefühlen überwältigt und versuchen, was sie während der Manie getan haben, wieder rückgängig zu machen (siehe auch: Marktplatz).
7 Punkte!
3. Arbeit und Leistung
Mein Herz ist das Kaliber 6R35 mit automatischem Aufzug, 24 Steinen, Kalenderfunktion (Datum) und Sekundenstopp. Es ist eine Weiterentwicklung des 6R15, hat eine stattliche Gangreserve von 70 Stunden und schwingt lustig mit 21,600 Schlägen pro Stunde. Klingt nicht schlecht, ist aber nun keine Offenbarung und eher guter Durchschnitt. Schön geht auch anders und so ist es gut, dass mir ein Sichtboden erspart blieb. Ich will ehrlich sein. Hauptsache es schlägt zuverlässig. Wir werden sehen. Eine erste Messung ergab einen Nachgang von ca. 8 Sekunden pro Tag, also eine leichte Bradykardie, die zu Schwindel und Atemnot führen kann. Meine Eltern nehmen es hier nicht so genau und geben sich mit einem großzügigen Rahmen von minus 15 bis plus 25 zufrieden. Nicht der Hit, aber läuft schon. Das gibt bei mir 1 Punkt Abzug. Ein Foto spare ich mir.
7 Punkte!
4. Finanzielle Sicherheit
Das ist hier ja so eine Sache, daher halte ich mich kurz….
Ein „Schnapper“ war ich nicht gerade. Mein Träger hat zwar etwas Rabatt bekommen, doch wird er sich wohl auf Verluste einstellen müssen, wenn er mich nicht mehr haben will. Pech gehabt. Das ist der Preis dafür, wenn man früh am Start sein will. Nun habe ich auch keine Limitierung und von daher wird sich das wohl einpendeln. Das Risiko für meinen Träger scheint mir überschaubar. So eine wie ich geht eigentlich immer weg. Ich komme aus gutem Hause und lasse im Zweifel nichts anbrennen.
Meine Behandlungskosten sollten sich auch im Rahmen halten. Etwas beunruhigt hat mich dabei das Gerücht, dass bei größeren Krankheiten möglicherweise gleich eine Herztransplantation vorgenommen wird. Eine Ikone werde ich wohl nicht werden (das sehe ich ganz nüchtern) - aber wer weiß, wie es später einmal aussieht. Viele hätten sich das ja früher auch nicht einmal selbst vorstellen können und bei manchen wundert es mich, ehrlich gesagt auch. So darf ich zumindest noch davon träumen….
7 Punkte!
5. Werte und Sinn
Die Frage nach dem äußeren SINN erübrigt sich – mich braucht heutzutage kein Mensch mehr, um die meiner Gattung zugedachte Funktion zu erfüllen. Aber vielleicht wirke ich ja auf meine Träger irgendwie sinnstiftend – irgendeinen Grund muss es ja geben, dass in mein Dasein investiert wurde. Die intrinsischen Motive meiner potentiellen Käufer sind mir leider nicht direkt zugänglich. Was soll ich ihnen wohl wirklich geben? Eine Frage, über die man wirklich einmal nachdenken könnte…
Vielleicht übe ich ja eine gewisse Magie und Anziehung aus, wer weiß? Wer würde mir widersprechen, dass ich auf eure Emotionen großen Einfluss habe? Manchmal genügt bereits eine kleine Schramme und ihr seid völlig aus dem Häuschen….
Also reduziert mich bitte nicht auf ein kleines, lebloses Stück Materie! In diesen Bereich fallen für mich daher auch die schwierigen Aspekte des Designs und der Ästhetik. Hier können alle mitreden. Meine Selbst-Betrachtungen sind daher nur eine als eine vorläufige, höchst subjektive Annäherung zu verstehen. Die Dinge sind einfach viel zu komplex.
Wenn ich mich so im Spiegel betrachte, finde ich in der Gesamtschau meine Proportionen recht stimmig. Das Verhältnis von Höhe und Länge passt perfekt. Das sagt auch mein Träger mit einem HGU von gut 18cm.
Insgesamt würde ich mich so beschreiben, dass ich ziemlich clean rüberkomme – das übt nachhaltig eine gewisse Faszination aus. Die weißen dots harmonieren mit dem weißen Datum und bilden zusammen mit dem Stahl des Gehäuses und der Lünette sowie dem Zifferblatt schon auf den ersten Blick klare Kontraste. Auch der rehaut ist stählern und klar konturiert. Das gibt mir einen industrial touch. Blick man ich mich hinein habe ich auch eine gewisse Tiefe.
Es entsteht eine Mischung aus toolwatch und dress-diver. Zum Sportler oder Taucher sehe ich mich allerdings von meiner Erscheinung her nicht prädestiniert. Es geht mehr in die Richtung casual - lässig und leger. Die im Detail von einigen kritisierte Nähe meiner dots zur flach gehaltenen Minuterie führt zu einer optischen Weitung – der Zifferblattraum wird damit etwas auseinandergezogen und wirkt dadurch größer. Mit gemessenen 30mm bin ich hier mit meinem Bruder (MM300) auf Augenhöhe.
Das Zifferblatt selbst ist nicht einfach nur schwarz sondern mattes anthrazit und verleiht mir damit eine gewisse Eleganz und Tiefe. Es entsteht eine gewisse Spannung zu den funkelnden Reflexionen meiner Zeiger, den Lumeeinfassungen und der Fase des Glases. Meine Beschriftung ist dezent und harmonisch positioniert. Mein einziger Farbtupfer ist ein roter Punkt auf dem Sekundenzeiger. Dieser wird so zu einem Blickfang für das Auge.
Schwer tat ich mich zunächst mit dem kleinen Balken neben dem Datum. Da er auf der Minuterie liegt, wird die Symmetrie des Zifferblatts aufgehoben und es „zieht“ etwas nach rechts. Das hat mich zunächst zwar immer wieder irritiert, setzt allerdings einen interessanten Akzent, den ich jetzt irgendwie auch nicht mehr missen möchte. Über die fehlende Einrahmung des Datums bin hingegen froh – sie wirkte auf mich immer etwas antiquiert und so ist es zeitgemäßer für mich und Ausdruck der Moderne.
Der "Fehler" liegt aus meiner Sicht in den müßigen Vergleichen zu meinen nahen und entfernten Angehörigen und den daraus resultierenden ungerechtfertigten Ansprüchen an mich. Denen kann und will ich gar nicht entsprechen.
Ich wirke vermutlich eher kühl und abgeklärt, bin nicht so der „emotionale Typ“, wie etwa meine liebe Cousine.
Ich habe meinen Träger einmal befragt. Er hat mich mit einem Duft (Noir Anthracite von Tom Ford) verglichen, um meinen Charakter zu beschreiben. Er kam dabei zu folgenden Assoziationen: Dominanz von Stahl und Anthrazit, retrofuturistisch, etwas unnahbar und distanziert, dennoch anziehend, kühl, stark, maskulin, einen Hauch Dekadenz, staubiger Graphit…
Musikalisch erinnere ich ihn an Depeche Mode – etwas extravagant aber absolut massentauglich.
Es ist immer schwer, selbst zu beurteilen, wie andere einen wohl finden. Entscheidet selbst, ich komme schon damit klar.
9 Punkte!
Das macht insgesamt 39 von 50 Punkten - das sind immerhin 78% aller möglichen „Wohlfühl-Punkte“!
Damit kann ich gut leben und ich bin zufrieden. Kein Grund zum Abheben aber genug, um mir wichtige Tragezeit zu ergattern und etwas herumzukommen. Ich will ja schließlich noch was erleben! Meine Identität habe ich ein Stück weit gefunden – und fühle mich eigentlich ziemlich „cool“…
Soll sich doch jeder selbst ein Bild machen. Ist mir doch egal….
(Anmerkung zum Schluss: Unbegründete Rückschlüsse auf das Seelenleben des Autors zu ziehen sind in diesem öffentlichen Rahmen leider nicht zulässig)
Ich wurde vor kurzem ungefragt von meiner (Konzern-)Mutter ins Leben gesetzt um für sie Geld zu verdienen. Ich bin ein Klon und je mehr mich haben wollen, desto mehr werde ich mich vermehren und entsprechende Anerkennung bekommen. Wenn es nicht klappt, wird längerfristig kaum jemand Notiz von mir nehmen und ich werde wieder von der Bildfläche verschwinden. Sie hat es mir von Anfang an gesagt und mein Schicksal ist besiegelt.
Ich habe eine ganz interessante Familiengeschichte, deren Stammbaum bis ins Jahr 1881 zurückreicht und es waren auch einige dabei, die es zu etwas gebracht haben. Als gefühlt X-te, wie es so schön heißt „Reinterpretation“ meiner prominenten Ahnen und Urahnen habe ich es nicht leicht, mich auf diesem Platz der Eitelkeiten zu behaupten – gerade in dieser Zeit, wo die potentiellen Träger meist andere Sorgen haben. Unser Stammbaum ist weit verzweigt und unübersichtlich geworden. Interessiert mich auch nicht so. Hier mal ein Bild meines Urgroßvaters 6159-7000 von 1968 auf den wir alle so stolz sind

Quelle: http://www.2diveornot2dive.com/2019/08/30/seiko-6159-7000/
Seine direkten Nachfahren lasse ich hier einmal außen vor (z.B. SLA 025, 039). Sie wollen etwas Besseres sein und dürfen das meinetwegen auch. Sie haben auch eine ganz andere Herzfrequenz. Diese Fußstapfen sind mir zu groß. So bin ich vielleicht auch nur eine unbedeutende Interpretation der Interpretation der Geschichte. Zum Glück wurde ich nicht alleine geboren. Ich habe noch eine hübsche Zwillingsschwester mit denselben Genen – sie trägt im Gegensatz zu mir ein blaues Kleidchen und einen schwarzen Ring. Nun, ich bin ja auch ein Junge. Mir fehlt es noch etwas an Selbstbewusstsein und ich bin auf der Suche nach meiner Identität. Bei unseren Namen war unsere Mutter recht einfallslos. Ich heiße „SPB185J1“, mein Zwilling „SPB187J1“:
Quelle: https://www.seikowatches.com/de-de/products/prospex/lineup
Toll - wer soll sich das bloß merken? Und was ist mit „186“- uns trennt eine merkwürdige Lücke und meine Eltern halten sich da bedeckt...
Mein Käufer (Ich habe einen abgekriegt – yeah!) hat mich vorher in einem Werbespot gesehen, in dem ich „Steelmaster“ genannt wurde und hat diesen Spitznamen adaptiert – nun ja, auch nicht gerade originell aber irgendwie doch besser. Da erwacht ein Teil meiner männlichen Seele und so fühle ich meinem 20 Jahre älteren Bruder „Marinemaster“ sehr nah. Ich bewundere ihn und er ist mein großes Vorbild. Er hatte auch einen komischen Namen (SBDX001), aber immerhin steht sein richtiger Name noch auf dem Blatt und das 001 ist auch ziemlich cool. Aber auch diese Zeiten sind nach der 017 vorbei. Jetzt gibt es Keramik / Saphir, weil es trendy ist (SLA 021 und Konsorten) und leider haben sie die „Perle“ dann auch gleich einkassiert. Die Abenteurerlustigen der ganzen Sippe haben nun alle ein X als Familienwappen und Teil der corporate identity aufgedruckt bekommen und ich bin auch davon betroffen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Sehr froh bin ich, dass ich bei meinem großen Bruder wohnen darf. Er wohnt schon länger hier und konnte sich von Anfang an behaupten. Hier ein aktuelles Foto von ihm. Er hat schon einiges mitgemacht, ist aber noch gut in Schuss:
Es wäre jetzt unfair, mich mit meinem großen Bruder vergleichen zu wollen. Er ist ein ganz anderes Kaliber und hat auch deutlich mehr Speck auf den Rippen. Er bleibt unerreichbar für mich. Hier seht ihr uns einmal zusammen:
Zu meiner Freude wohnt auch noch meine Cousine hier. Sie ist auch noch recht jung, erst kürzlich eingezogen und sieht total gut aus. Sie hat auch einen schönen Namen bekommen und heißt „Twilight Blue“, in ihrem Pass steht aber auch nur SPB097J1. Hier mal ein Foto von der schönen Dame, die mit ihrem betörenden blau und den orangenen Akzenten gerne auf Sonnenuntergang am Meer und Romantik macht.
Auch sie hat noch einige Geschwister, die ich persönlich nicht kennen gelernt habe. Ich glaube ihr Bruder im schwarzen Anzug heißt SPB077J1. Leider wurde ihre Familie etwas verniedlicht als „Baby-Marinemaster“ oder „MM-200“ bezeichnet, was ihnen meiner Meinung nach gar nicht gerecht wird. Gewisse Ähnlichkeiten zu meinem großen Bruder sind zwar vorhanden - ja, er hat auch runde Punkte im Gesicht - aber mehr auch nicht. Wir sehen eben in den Dingen immer nur das, was wir sehen wollen. Entfernte Verwandte eben. Wir verstehen uns gut miteinander und stehen nicht in Konkurrenz. Dazu sind wir viel zu unterschiedlich. Die Familie muss schließlich zusammenhalten. Meinen Platz darin habe ich allerdings noch nicht ganz gefunden. Leider sind wir in unserem Haushalt nicht alleine und eine Vielzahl von Eisen unterschiedlichster Herkunft versammeln sich hier unter einem Dach. Haben wir nicht alle irgendwie einen Migrationshintergrund und sollten mit denselben Grundrechten ausgestattet sein?
So ist es schwer sich durchzusetzen, doch als Neuankömmling habe ich momentan ganz gute Karten. Doch ich mache mir nichts vor, das kann sich schnell ändern, wie ich hier schon gelesen habe. Wie immer bei vielen Kindern gibt es manchmal Streit, wer nun mit nach draußen darf, doch insgesamt leben wir in friedlicher Ko-Existenz. Manchmal muss leider auch jemand gehen und findet ein neues Zuhause.
Hier sind wir 3 in friedlicher Eintracht und halten zusammen

Ich möchte euch noch eine kleine Geschichte erzählen, die mein neuer Besitzer mir erzählt hat. Nein, „Besitzer“ ist die falsche Bezeichnung – was können wir denn überhaupt „besitzen“, außer vielleicht einen Stuhl? Alles ist vergänglich und bei manchem Flipper landest Du schon im Marktplatz, bevor Du überhaupt eine Chance hattest. Ich will schon mir selbst gehören, egal was das Schicksal mit mir auch vorgesehen hat. Von daher ist es mir genehmer für meinen Vormund die Bezeichnung Träger zu wählen. Er hat zwar das Aufenthaltsbestimmungsrecht, doch meine ursprüngliche Bestimmung ergibt sich aus der Tatsache, dass ich von ihm getragen werde und er mich ausführen „darf“. Dafür bin ich nun einmal konstruiert. Das fühlt sich besser an. Ihr merkt schon, ich nehme Einfluss auf die Deutungszusammenhänge und bestimme so meinen Wert auch mit.
Ein Leben in der Box wäre übrigens nichts für mich und mit Samthandschuhen will ich auch nicht angefasst werden. Zum Glück gehört mein Träger nicht zu den PTM´s mit ihrer overprotection, die sich gleich in die Hose machen, wenn ich mir mal eins auf die Hörner kriege. Diese sanft anmutende Zuwendung ist nur am Anfang ganz nett – mit zunehmendem Alter wird es dann in der Öffentlichkeit peinlich. Zudem sind die langfristigen Folgen meist unschön: Unselbständigkeit, Unsicherheit, Ängstlichkeit oder andere Anpassungsstörungen machen einem dann zu schaffen. Immer schön locker bleiben.

Zurück zum Thema. In einem Showroom für meine erweiterte Gegenwartsfamilie (frz. boutique), sah mein Träger kürzlich meine schon vorgestellte Cousine. Sie war dort das letzte Exemplar ihrer Art und hat ihn spontan erobert. Manchmal wundert es mich schon, wie leicht die Kerle zu verführen sind. Dort (engl. shopping) begutachtete er auch einen entfernten Cousin von mir, der auch noch nicht so lange auf diesem Planeten weilt. Er kommt zwar aus einer anderen Familienlinie (mit Balken statt Kreisen im Gesicht) und zwischen den beiden Urgroßvätern (Ich habe gehört er heißt 6217-8000, Spitzname 62MAS) brennt bis heut ein Streit in der Familie, wem nun mehr Ruhm und Ehre gebührt. Er heißt SPB143J1 und war der hier:
Er konnte meinen Träger aber irgendwie nicht überzeugen, da er sich zuvor in meine Schwester verliebt hatte. Glück gehabt, denn sonst wäre wohl kein Platz mehr für mich gewesen. Manchmal denke ich darüber nach, wie es wohl dann gekommen und was aus mir geworden wäre. Aber der Reihe nach.
Ich komme ursprünglich aus dem Land der aufgehenden Sonne (vielleicht kommt daher auf meinem Sekundenzeiger der rote Punkt?) und wurde dann nach Europa geschickt, um dort mein Glück zu versuchen. Es ging weiter nach Deutschland, wo ich mich dann für kurze Zeit in einem Sammellager wiederfand. Einige meiner Brüder und Schwestern waren bereits auf Tournee und wurden der Öffentlichkeit vorgestellt. Das übliche shooting, "bla bla" und von allen Seiten begrabbelt werden. Das ist nicht so mein Ding und ich war daher ganz froh, dass ich nach der langen Reise noch etwas in der Box schlummern konnte. Wie mir erzählt wurde, haben sie sich in einem bekannten Fachforum in den News die Kritiker auf sie gestürzt und sich die Finger wund geschrieben. Der Reiz des Neuen. Dabei stand meine blaue Schwester zunächst ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit, später auch mein großer Bruder. Ich irgendwie nur so am Rande. Die Leute da kommen immer schnell vom Thema ab. Bis ins kleinste Detail wurde hier analysiert, beurteilt und diskutiert - die Expertenmeinungen gehen natürlich auch hier auseinander. Immerhin wurde auch mein Träger so auf mich aufmerksam.
Wer es nachlesen will: hier
Folgen wir einmal der philosophischen Annahme, dass ja das Erkannte bereits durch den Erkenntnisakt verändert wird, wird die ganze Sache schon etwas „unscharf“. Nehmen wir noch die analytische Erkenntnis der Projektion hinzu, wird mir möglicherweise auch noch etwas übergestülpt, was mehr mit der Person des Betrachters und weniger mit mir zu tun hat. Also Vorsicht! Das hilft mir nicht wirklich auf der Suche nach mir Selbst.
Aber wer bin ich nun eigentlich?
Identität (von mittellateinisch identitas, Abstraktum zu lateinisch īdem ‚derselbe') ist die Gesamtheit der Eigentümlichkeiten, die eine Entität, einen Gegenstand oder ein Objekt kennzeichnen und als Individuum von anderen unterscheiden (Quelle: Wikipedia)
Ich habe mich daher ein wenig mit Psychologie beschäftigt und möchte mich dieser Frage über die sog. „5 Säulen der Identität“ nach dem Konzept von Hilarian Petzold annähern, das er für die integrative Therapie entwickelt hat. Diese Säulen bauen, stützen und tragen die Identität eines Menschen (oder eben nicht ...):
Quelle
Ich werde mich jetzt also aufrichtig einer kritischen Selbstanalyse stellen. Am meisten belügen wir uns ja immer noch selbst. Ich werde mir daher auf einer Skala von 1-10 jeweils die entsprechenden Punkte geben (also maximal 50) und dann weiß ich, wie hoch mein Wohlbefinden und meine Zufriedenheit ist. Die Spielregeln gehen allerdings so, dass ich als Vergleichswerte nur Artgenossen in der Klasse von 1-1,5 K zulasse. Ich liege in meinem äußerlich zugewiesenen Wert in der Mitte. Alles andere wäre nicht fair.
1. Körper und Gesundheit
In diese Rubrik gehören für mich die Aspekte Verarbeitung, Funktionalität und Ergonomie. Hier kommen meine hard facts:
- Edelstahlgehäuse mit Super-Hard-Coating
- Durchmesser: 42mm
- Dicke: 12,5mm
- Länge: 48,8mm
- Gewicht: 186 g
- Bandanstoß: 20mm
- Einseitig drehbare Lünette
- Saphirglas, innen entspiegelt
- Verschraubte Krone
- Verschraubter Gehäuseboden
Das klingt doch erst einmal nicht schlecht, oder?
Meine Verarbeitungsqualität lässt aus meiner Sicht nichts zu wünschen übrig. Wirklich alles sauber, präzise und TOP. Selbst die Lünette rastet sauber auf der „12“, da habe wohl Glück gehabt. Sie rastet knackig. Absolutes highlight ist mein case - darauf bin ich wirklich stolz.
Es ist an meinem großen Bruder MM300 orientiert, mit sehr schönen Flanken und Hörnchen, ohne durch die geringere Bauhöhe so voluminös und kopflastig zu sein. Der Schliff ist sauber und an keiner Stelle scharfkantig. Anstöße gut eingepasst – sie sitzen knackig. Mein Tragekomfort ist ausgesprochen angenehm. Ich bin super ablesbar, so die ganz große Leuchte in der Dunkelheit bin ich allerdings nicht. Meine Lume kann weder mit meiner Cousine noch mit dem großen Bruder mithalten, aber immer noch auf gutem Niveau. Es sieht aus, als ob sie die Lume mir nicht aufgetragen, sondern vorgefertigte Plastikteilchen auf die Indizies geklebt wurden. Alles sehr präzise, doch das sieht von ganz nah nicht so hochwertig aus, wenn ich mal einen Kosmetikspiegel verwende. Hier mal ein nightshot von mir:
Meine Tragevorrichtung ist massiv macht einen soliden, wertigen Eindruck. Etwas schäme ich mich nur für meine Schließe. Sie fällt in der Qualität deutlich ab, wirkt blechern und „klapprig“ und ist dazu noch mit einer fummeligen und etwas lächerlichen Verlängerung ausgestattet. Braucht kein Mensch. Das geht mit wenig Aufwand deutlich besser, liebe Mutti!
Meine Widerstandfähigkeit ist gegeben. Ich fühle mich solide, Feuchtigkeit kann mir nichts anhaben und kann auch etwas wegstecken. Nur mit meiner Lünette muss ich da wohl etwas aufpassen. Irgendetwas findet man immer, doch das ist meckern auf ganz hohem Niveau.
9 Punkte!
2. Soziale Beziehungen
Ich bin sportlich, kann tauchen und mache auch sonst zu eigentlich jeder Gelegenheit eine gute Figur. Ich kann auch elegant. Bin mehr so der Generalist. Ich werde wahrgenommen, komme eigentlich ganz gut rüber und trete keinem auf die Füße. Eine gute Balance aus etwas bling und farblich dezenter Zurückhaltung lässt mich bei ausgeprägter Präsenz nicht zu aufdringlich erscheinen. Ich habe eine gefällige Größe, mache nicht „auf dicke Hose“, sehe aber auch nicht „billig“ aus. In meiner Großfamilie falle ich etwas aus der Reihe und fühle mich daher nicht ganz zugehörig. Ich vermute ich werde nicht gleich als derjenige erkannt, der ich bin (wer auch immer das ist…) und die Leute können mich nicht ganz eindeutig zuordnen. Ein Forumskollege meines Trägers, der hier nicht genannt werden möchte (eigentlich ein versierter Kenner), antwortete nach einem ersten Bild, ob ich vielleicht ein „MOD“ sei - er meint er hätte mich irgendwo schon einmal gesehen…
Meine Schwester macht da eher auf mainstream. Ich bin da eher schon etwas eigen und leide nicht unter Gefallsucht. Ich bin kein Spalter aber den unter vor allem in manischen Phasen (s.u.) der horologischen Spezies berühmt-berüchtigten Will-Haben-Reflex löse ich jetzt auch nicht bei jedem aus.
Anmerkung:
Betroffene Personen leben dann phasenweise in einem intensiven, aber unbegründeten Hochgefühl, begleitet von übermäßig guter Laune, das weit über dem normalen Durchschnitt liegt. Sie neigen dann u.A. zu einer gesteigerten Libido und unkontrollierten Geldausgaben. Sie überschätzen dabei leider die eigenen finanziellen Mittel oft beträchtlich. Von einer Manie Betroffene haben typischerweise keinerlei Problemeinsicht; sie „fühlen sich blendend“. Nach einer manischen Episode sie allerdings häufig von Schuld- und Schamgefühlen überwältigt und versuchen, was sie während der Manie getan haben, wieder rückgängig zu machen (siehe auch: Marktplatz).
7 Punkte!
3. Arbeit und Leistung
Mein Herz ist das Kaliber 6R35 mit automatischem Aufzug, 24 Steinen, Kalenderfunktion (Datum) und Sekundenstopp. Es ist eine Weiterentwicklung des 6R15, hat eine stattliche Gangreserve von 70 Stunden und schwingt lustig mit 21,600 Schlägen pro Stunde. Klingt nicht schlecht, ist aber nun keine Offenbarung und eher guter Durchschnitt. Schön geht auch anders und so ist es gut, dass mir ein Sichtboden erspart blieb. Ich will ehrlich sein. Hauptsache es schlägt zuverlässig. Wir werden sehen. Eine erste Messung ergab einen Nachgang von ca. 8 Sekunden pro Tag, also eine leichte Bradykardie, die zu Schwindel und Atemnot führen kann. Meine Eltern nehmen es hier nicht so genau und geben sich mit einem großzügigen Rahmen von minus 15 bis plus 25 zufrieden. Nicht der Hit, aber läuft schon. Das gibt bei mir 1 Punkt Abzug. Ein Foto spare ich mir.
7 Punkte!
4. Finanzielle Sicherheit
Das ist hier ja so eine Sache, daher halte ich mich kurz….
Ein „Schnapper“ war ich nicht gerade. Mein Träger hat zwar etwas Rabatt bekommen, doch wird er sich wohl auf Verluste einstellen müssen, wenn er mich nicht mehr haben will. Pech gehabt. Das ist der Preis dafür, wenn man früh am Start sein will. Nun habe ich auch keine Limitierung und von daher wird sich das wohl einpendeln. Das Risiko für meinen Träger scheint mir überschaubar. So eine wie ich geht eigentlich immer weg. Ich komme aus gutem Hause und lasse im Zweifel nichts anbrennen.
Meine Behandlungskosten sollten sich auch im Rahmen halten. Etwas beunruhigt hat mich dabei das Gerücht, dass bei größeren Krankheiten möglicherweise gleich eine Herztransplantation vorgenommen wird. Eine Ikone werde ich wohl nicht werden (das sehe ich ganz nüchtern) - aber wer weiß, wie es später einmal aussieht. Viele hätten sich das ja früher auch nicht einmal selbst vorstellen können und bei manchen wundert es mich, ehrlich gesagt auch. So darf ich zumindest noch davon träumen….
7 Punkte!
5. Werte und Sinn
Die Frage nach dem äußeren SINN erübrigt sich – mich braucht heutzutage kein Mensch mehr, um die meiner Gattung zugedachte Funktion zu erfüllen. Aber vielleicht wirke ich ja auf meine Träger irgendwie sinnstiftend – irgendeinen Grund muss es ja geben, dass in mein Dasein investiert wurde. Die intrinsischen Motive meiner potentiellen Käufer sind mir leider nicht direkt zugänglich. Was soll ich ihnen wohl wirklich geben? Eine Frage, über die man wirklich einmal nachdenken könnte…
Vielleicht übe ich ja eine gewisse Magie und Anziehung aus, wer weiß? Wer würde mir widersprechen, dass ich auf eure Emotionen großen Einfluss habe? Manchmal genügt bereits eine kleine Schramme und ihr seid völlig aus dem Häuschen….
Also reduziert mich bitte nicht auf ein kleines, lebloses Stück Materie! In diesen Bereich fallen für mich daher auch die schwierigen Aspekte des Designs und der Ästhetik. Hier können alle mitreden. Meine Selbst-Betrachtungen sind daher nur eine als eine vorläufige, höchst subjektive Annäherung zu verstehen. Die Dinge sind einfach viel zu komplex.
Wenn ich mich so im Spiegel betrachte, finde ich in der Gesamtschau meine Proportionen recht stimmig. Das Verhältnis von Höhe und Länge passt perfekt. Das sagt auch mein Träger mit einem HGU von gut 18cm.
Insgesamt würde ich mich so beschreiben, dass ich ziemlich clean rüberkomme – das übt nachhaltig eine gewisse Faszination aus. Die weißen dots harmonieren mit dem weißen Datum und bilden zusammen mit dem Stahl des Gehäuses und der Lünette sowie dem Zifferblatt schon auf den ersten Blick klare Kontraste. Auch der rehaut ist stählern und klar konturiert. Das gibt mir einen industrial touch. Blick man ich mich hinein habe ich auch eine gewisse Tiefe.
Es entsteht eine Mischung aus toolwatch und dress-diver. Zum Sportler oder Taucher sehe ich mich allerdings von meiner Erscheinung her nicht prädestiniert. Es geht mehr in die Richtung casual - lässig und leger. Die im Detail von einigen kritisierte Nähe meiner dots zur flach gehaltenen Minuterie führt zu einer optischen Weitung – der Zifferblattraum wird damit etwas auseinandergezogen und wirkt dadurch größer. Mit gemessenen 30mm bin ich hier mit meinem Bruder (MM300) auf Augenhöhe.
Das Zifferblatt selbst ist nicht einfach nur schwarz sondern mattes anthrazit und verleiht mir damit eine gewisse Eleganz und Tiefe. Es entsteht eine gewisse Spannung zu den funkelnden Reflexionen meiner Zeiger, den Lumeeinfassungen und der Fase des Glases. Meine Beschriftung ist dezent und harmonisch positioniert. Mein einziger Farbtupfer ist ein roter Punkt auf dem Sekundenzeiger. Dieser wird so zu einem Blickfang für das Auge.
Schwer tat ich mich zunächst mit dem kleinen Balken neben dem Datum. Da er auf der Minuterie liegt, wird die Symmetrie des Zifferblatts aufgehoben und es „zieht“ etwas nach rechts. Das hat mich zunächst zwar immer wieder irritiert, setzt allerdings einen interessanten Akzent, den ich jetzt irgendwie auch nicht mehr missen möchte. Über die fehlende Einrahmung des Datums bin hingegen froh – sie wirkte auf mich immer etwas antiquiert und so ist es zeitgemäßer für mich und Ausdruck der Moderne.
Der "Fehler" liegt aus meiner Sicht in den müßigen Vergleichen zu meinen nahen und entfernten Angehörigen und den daraus resultierenden ungerechtfertigten Ansprüchen an mich. Denen kann und will ich gar nicht entsprechen.
Ich wirke vermutlich eher kühl und abgeklärt, bin nicht so der „emotionale Typ“, wie etwa meine liebe Cousine.
Ich habe meinen Träger einmal befragt. Er hat mich mit einem Duft (Noir Anthracite von Tom Ford) verglichen, um meinen Charakter zu beschreiben. Er kam dabei zu folgenden Assoziationen: Dominanz von Stahl und Anthrazit, retrofuturistisch, etwas unnahbar und distanziert, dennoch anziehend, kühl, stark, maskulin, einen Hauch Dekadenz, staubiger Graphit…
Musikalisch erinnere ich ihn an Depeche Mode – etwas extravagant aber absolut massentauglich.
Es ist immer schwer, selbst zu beurteilen, wie andere einen wohl finden. Entscheidet selbst, ich komme schon damit klar.
9 Punkte!
Das macht insgesamt 39 von 50 Punkten - das sind immerhin 78% aller möglichen „Wohlfühl-Punkte“!
Damit kann ich gut leben und ich bin zufrieden. Kein Grund zum Abheben aber genug, um mir wichtige Tragezeit zu ergattern und etwas herumzukommen. Ich will ja schließlich noch was erleben! Meine Identität habe ich ein Stück weit gefunden – und fühle mich eigentlich ziemlich „cool“…
Wer weiß, wer ich bin? Ich wandle und wandle mich.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Soll sich doch jeder selbst ein Bild machen. Ist mir doch egal….

(Anmerkung zum Schluss: Unbegründete Rückschlüsse auf das Seelenleben des Autors zu ziehen sind in diesem öffentlichen Rahmen leider nicht zulässig)
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