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Wir schreiben das Jahr 1970. Genau genommen, den 6. Mai 1970. Vor ziemlich genau 50 Jahren präsentierte die in Lancaster, Pennsylvania ansässige Hamilton Watch Company im noblen New Yorker Four Seasons Restaurant der internationalen Presse Prototypen der ersten vollelektronischen Armbanduhr der Welt: den Pulsar Time Computer!

Bild 1: Der Prototyp
Die Pulsar war die erste Armbanduhr überhaupt, die vollkommen ohne bewegliche Teile auskam! Keine Zeiger, keine Zahnräder, keine Federn, ja nicht einmal die von den analogen Quarzuhren bekannten Stimmgabeln und Stellmotoren waren mehr nötig. Die erste LED-Uhr (light-emitting diode) war geboren und was die Damen und Herren Journalisten da zu sehen bekamen, glich einer Sensation!

Bild 2: Hamilton Pressekonferenz am 6.05.1970
Für die offensichtlich eilig einberufene Pressekonferenz der Amerikaner gab es zwei Gründe: zum Einen hatten sowohl der japanische Seiko-Konzern als auch die Schweizer Uhrenindustrie auf der Basler Uhrenmesse im April 1970 bereits ihre neuen „elektronischen Quarz Analog Uhren“ angekündigt und zum Anderen steckte Hamilton zu dieser Zeit in ernsthaften, finanziellen Schwierigkeiten. Millionenverluste durch Misswirtschaft, wenig konkurrenzfähige Produkte und rückläufige Umsätze in der Militärsparte zwangen das Unternehmen zum Handeln.
Das Management hoffte, mit der Vorstellung eines derart avantgardistischen Zeitmessers wie der Pulsar, den Nerv der Zeit zu treffen und die Verluste alsbald auszugleichen. Im Grunde hatte ja Seiko das Rennen um die erste Quarz-Armbanduhr-Vorstellung bereits 5 Monate zuvor für sich entschieden. Allerdings handelt es sich bei der im Dezember 1969 erscheinenden Seiko Astron um eine analoge Quarzuhr mit einem herkömmlichen Zifferblatt, Zeigern und Stundenindexen und kommerziell eher mäßigem Erfolg.

Bild 3: Seiko Astron, ca. 1969/70
„This will never put Mickey Mouse out of business“
Die Pulsar kam exakt zum richtigen Zeitpunkt und das Marketing von Hamilton war brillant. Parallel zur Pressekonferenz machte man in den Zeitungen mit ganzseitigen Anzeigen auf die Uhr aufmerksam, die Pulsar Prototypen wurden in Fernsehsendungen wie der „The Tonight Show“ von Johnny Carson oder in Hugh Downs‘ „The Today Show“ platziert.
Showmaster Johnny Carson hielt das bizarre Etwas in die Kamera, drückte augenscheinlich unmotiviert an den Knöpfen herum und warf den eigenartigen „Time Computer“ zum Entsetzen von Hamilton R&D Manager John Bergey kurzerhand über die Schulter in die Kulissen. Carsons anschließender Kommentar: „This will never put Mickey Mouse out of business“.
Die auf der Pressekonferenz an jenem denkwürdigen 6. Mai 1970 gezeigten Prototypen trugen noch das Hamilton Logo über dem Display.

Bild 4: Der „Time Computer“ und sein Entwicklungs-Team, oben links Leiter George Thiess
Die in Serie produzierten Uhren bekamen den Namen „Pulsar“. Dieser prangte unten rechts auf der Lünette. Die Bezeichnung „Pulsar“ ist übrigens ein Kunstwort, pulsating source of radio emission, („pulsierende Quelle von Radiofrequenzen“)
„Ein Pulsar ist ein schnell rotierender Neutronenstern. Die Symmetrieachse seines Magnetfelds weicht von der Rotationsachse ab, weshalb er Synchrotronstrahlung entlang der Dipolachse aussendet. Liegt die Erde im Strahlungsfeld, empfängt sie wie von einem Leuchtturm regelmäßig wiederkehrende Signale. Pulsare strahlen hauptsächlich im Radiofrequenzbereich, manchmal bis in den Röntgenbereich oder nur in diesem. Von den mehr als 1700 bekannten Quellen ließen sich nur bei einigen wenigen auch im sichtbaren Bereich Intensitätsschwankungen beobachten.
Pulsare werden mit der Buchstabenkombination PSR und ihren Himmelskoordinaten bezeichnet, z. B. PSR B0525+21.“ (Quelle: Wikipedia)

Bild 5: Schematische Darstellung eines Pulsars. Die Kugel in der Mitte stellt einen Neutronenstern dar, die Kurven die magnetischen Feldlinien und die seitlich abstehenden Lichtkegel die Richtung der ausgehenden Strahlung.
Der Name entstand, nachdem John Bergey einen Artikel über „pulsierende Sterne“ in einer Astronomischen Zeitschrift gelesen hatte. Bergey sah eine Parallele zwischen diesen Pulsaren, die Strahlung in extrem präzisen Intervallen emittierten und seiner Uhr, welche durch gebündelte Energie die Zeit anzeigt und das ebenfalls überaus präzise.
Die übliche Schwingfrequenz eines Uhrenquarzes beträgt 32768 (= 215) Hz. Normalerweise kann eine Akkuratesse von etwa +/- 60 Sekunden im Jahr erreicht werden. Das entspricht einer Gangabweichung von 0,00010 % pro Tag (!) Was heute im Zeitalter von GPS schon wieder als „ungenau“ gilt, war Anfang der 1970er Jahre eine absolute Sensation!
Hamilton’s Präsident Richard J. Blakinger und sein Chefentwickler, George Thiess, konnten bei ihrer Präsentation der Pulsar im Four Seasons den staunenden Presseleuten gerade mal drei, mehr oder weniger funktionstüchtige Prototypen des „Time Computers“ vorlegen. Insider gaben später an, dass immer nur ein Exemplar ans Licht kam, während bei den beiden anderen hinter einem Vorhang von Hamilton Mitarbeitern diskret die Batterie gewechselt wurde, weil sie nur für etwa 20 Minuten Strom liefern konnte.

Bild 6: Explosionszeichnung der Pulsar Prototype, links im Bild Hamilton-Präsident Blakinger
Das Elektronikmodul wurde von der „Electro Data Incorporation“ aus Garland, Texas produziert, die LED Displays stammten von „Litronix“, die Reedschalter von „HamlinUSA“ und die Firma „Corning Glass“ aus New York steuerte das rötliche Deckglas aus synthetischem Rubin bei.

Bild 7: Gehäuse-Entwurf von Ernest Trova
Die Gehäuse der Prototypen wurden vom 2009 verstorbenen US-amerikanischen Maler, Grafiker und Bildhauer Ernest Trova aus St. Louis entworfen, einem wichtigen Vertreter der Pop Art und des neuen Surrealismus in den USA.

Bild 8: Das Electro Data 44-IC
Der Pulsar-Prototyp hatte 44 verschiedene, integrierte Schaltkreise, 27 Leuchtdioden pro Ziffer und verfügte sogar über einen Kalender mit vorprogrammierten Monatslängen. Gespeist wurde die Elektronik des Vorserienmodells mit einer wiederaufladbaren 4,5 Volt Batterie. Allein diese füllte ca. 80 % des Gehäusevolumens!

Bild 9: Artikel im „Popular Science Magazine“, Ausgabe Juli 1970
Rolex oder Pulsar? Eine Gold Rolex kostet 150 Dollar weniger!
Knapp ein Jahr später war es dann soweit: Die Serienproduktion der Pulsar begann! Hamilton lieferte die ersten Exemplare des neuen, futuristischen Zeitmessers am 4. April 1971 an ausgewählte Konzessionäre aus. Die „New York Times“ sprach von einem „Space Age Computer für‘s Handgelenk“.
Die Sache hatte aber einen Haken: es gab zunächst nur eine auf 400 Exemplare limitierte Serie in 18 Karat Gold (inkl. dem Band) zum Stückpreis von stolzen 2100 US $. Zum Vergleich: ein mechanischer Omega Speedmaster Professional Chronograph kostete Anfang der 1970er Jahre etwa 200 US $.

Bild 10: Serienreif: Pulsar P1 in 18 Karat Gold
Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft 1971 gingen die restlichen, intern „P1“ genannten Time Computer aus dem ersten Produktionszyklus an Upscale-Händler wie Tiffany‘s oder Neiman-Marcus. Angeblich waren alle 400 Stück schon weit vor Weihnachten vergriffen.
Technisch entsprach die P1 längst nicht mehr dem Prototypen von 1970. Durch Fortschritte bei der Entwicklung der Halbleiter-Technologie (CMOS-Technik) konnte ein verbessertes „25-IC“ Modul bereitgestellt werden, welches in der Serienuhr Verwendung fand. Das ursprüngliche 27-Dot Display wurde auf 7 Segmente je Ziffer reduziert und auf die Datumsfunktion wurde bei der P1 verzichtet. Die Batterie hielt inzwischen bis zu 6 Monaten durch!

Bild 11: Zeitungsmeldung zur Pulsar P1, 1971
Jeder wollte den Time Computer haben, kaum einer konnte ihn sich leisten! Für fast denselben Betrag bekam man auch eine Gold-Rolex! So kamen vorerst nur die Schönen und Reichen zu einer Hamilton Pulsar. Elvis Presley soll einer der ersten prominenten Pulsar-Besitzer gewesen sein.

Bild 12: Elvis Presley bei einem Bühnenauftritt um 1972
Ihm folgten weitere Celebrities aus dem Showbusiness und darüber hinaus. Rolling Stones Gitarrist Keith Richards hatte eine und Rock-Barde Elton John tat es ihm gleich. Die Box-Legende Joe Frazier trug Pulsar, genau wie Entertainer Sammy Davis Jr., Comedian Jerry Lewis oder der Schauspieler Jack Nicholson. Und sogar ins Weiße Haus schaffte es die fortschrittliche Digitaluhr: US-Präsident Gerald Ford war ebenfalls stolzer Besitzer einer Pulsar.

Bild 13: Box-Champion Joe Frazier

Bild 14: Elton John, britischer Sänger

Bild 15: US-Präsident Gerald Ford (1974-77)
Mein Name ist Pulsar. Hamilton Pulsar.
Auch Roger Moore ließ sich nicht lange bitten und so war die Uhr auch im 1973er James Bond Streifen „Live and Let Die“ am linken Handgelenk des Agenten seiner Majestät zu sehen. Der rechte Arm war wechselweise für die beiden Bond Girls „Solitaire“ (Jane Seymour) und „Miss Caruso“ (Madeline Smith) reserviert.

Bild 16: Roger Moore mit Bond-Girl und Pulsar P2 in „Live and Let Die“, 1973
Die Pulsar war übrigens nicht die erste futuristische Uhr von Hamilton. Bereits drei Jahre zuvor, 1967, besuchten der Regisseur Stanley Kubrick und der Science Fiction Autor Arthur Clarke die Hamilton Watch Company in Lancaster, PA um die Manufaktur um Mithilfe bei der Gestaltung von Uhren für den Film „2001: A Space Odyssey“ zu bitten, an dem sie gerade arbeiteten. Das Design dieser Uhren sollte in das neue Jahrhundert weisen.
Hamilton war einverstanden und es entstanden interessante Designstudien mehrerer Armband- und Tischuhren, natürlich mit prominent sichtbarem Hamilton-Logo.
Während die Armbanduhr mit ihrem übergroßen, rechteckigen und gebogenen Gehäuse mit einem konventionellen, runden Zifferblatt mit Zeigern und Zahlenindexen versehen war, kam die Tischuhr deutlich futuristischer daher. Sie hatte ein stromlinienförmiges, fast eiförmiges Gehäuse. Alle Anzeigen waren digital und die elliptische Konsole ließ einen unweigerlich an ein UFO denken.

Bild 17: Hamilton Tischuhr für den Film 2001: A Space Odyssey, 1967/68
„2001: A Space Odyssey“ kam 1968 in die Kinos und sprengte sofort alle Kassen! Die Hamilton Armbanduhren waren mehrfach an den Handgelenken der Astronauten zu sehen, während die Tischuhr dem Cutter zum Opfer fiel: sie erscheint im Film gar nicht! Am Ende hat sich das Ganze aber doch für Hamilton ausgezahlt: Das Space-Age Design der von Kubrick verschmähten Filmuhr nahm direkten Einfluss auf die Gestaltung der Pulsar!
Time Computer für alle!

Bild 18: Pulsar P2 Steel, 1972
Es sollte noch ein weiteres Jahr dauern, bis auch das „gemeine Fußvolk“ auf die elektronische Innovation aus Lancaster hoffen durfte. Im August 1972 startete Hamilton die Produktion und die fortan P2 genannte Pulsar kam zum Preis von 275.- US $ für das Edelstahlmodell in den Handel. Wer ein wenig auf Promi machen wollte, konnte die P2 auch in einer vergoldeten Version für 375 US $ erwerben. Verkaufsstart war, wie schon ein Jahr zuvor bei der P1, rechtzeitig vor Weihnachten.

Bild 19: Ein spannender Vergleich der Gehäuseformen: P1 (links) P2 (rechts)
Gegenüber der ersten Version wurde das Gehäuse der P2 etwas mehr abgerundet, um die Uhr noch futuristischer aussehen zu lassen. Auch war die „Volks-Pulsar“ technisch nun nochmals „ausgereifter“. Die Batteriekapazität konnte von 6 auf 12 Monate verdoppelt werden - Hamilton setzte dafür einfach zwei der Knopfzellen ein. Die 12 Monate erreichte man allerdings nur, wenn die Uhrzeit nicht mehr als durchschnittlich 25 mal am Tag abgelesen wurde.
Wenn man den (einzigen) Drücker auf der rechten Gehäuseseite einmal bediente, wurde die Uhrzeit für genau 1,25 Sekunden angezeigt. Wurde der Knopf nach dem Drücken gehalten, sah man die Sekunden verstreichen.
Das war aber auch so ziemlich genau alles, was die Uhr konnte. Wie weiter oben schon erwähnt, war ursprünglich eine Datumsfunktion geplant, diese entfiel jedoch auch bei der zweiten Generation. Erst in späteren Versionen stand ein Datum zur Verfügung. Besonders stolz war man bei Hamilton darauf, dass das Innenleben einer P2 aus lediglich 18 elektronischen Bauteilen bestand - inklusive der Batterien. Dabei kam die Uhr ohne ein einziges mechanisches, sprich: bewegliches Teil aus!

Bild 20: Pulsar Werbung im amerikanischen Playboy, ca. 1973
Im Falle eines Defekts wurde das gesamte Elektronikmodul getauscht. Hamilton gewährte eine dreijährige Garantie auf die Pulsar.
Etwas trickreich war das Setting der Uhrzeit. Dies erfolgte mittels eines kleinen Magneten, der in der Schließe des Armbandes steckte. Auf dem Bodendeckel der P2 waren zwei Markierungen. „HR“ für die Stunden und „MIN“ für die Minuten. Wurde der Magnet an das entsprechende Feld gehalten, änderten sich die Stunden bzw. Minuten. Dieses umständliche Prozedere sollte aber bei den späteren Modellen entfallen, denn nach einem technischen Update erhielt die Pulsar einen weiteren Drücker, der als Stellknopf diente. Die Magnete waren nun in die Drücker integriert.
Ein weiteres Feature wurde ab 1974 eingeführt: das „Auto Command System“. Wird der Arm mit der Pulsar am Handgelenk durch ein schnelle Drehung bewegt, leuchtet das Display für 1,25 Sekunden auf. In einer winzigen, versiegelten Glasröhre befindet sich ein Tröpfchen Quecksilber. Durch die Armbewegung stellt das Quecksilber einen elektrischen Kontakt zwischen zwei Metalldrähten am Ende der Röhre her.
Quellverzeichnis, Teil 1:
Bild 1 printerest.de, Bild 2 oldpulsars.com, Bild 3 hodinkee.com, Bild 4 oldpulsars.com, Bild 5 Wikipedia, Bild 6 oldpulsars.com, Bild 7 oldpulsars.com, Bild 8 oldpulsars.com, Bild 9 decodesystems.com, Bild 10 trendhunter.com, Bild 11 reddit.com, Bild 12 Matt Ashton Wallpapers 2018, Bild 13 alainchauvelaccordeurdepianos.fr, Bild 14 alainchauvelaccordeurdepianos.fr, Bild 15 hodinkee.com, Bild 16 stuff.tv, Bild 17 hodinkee.com, Bild 18 watchonista.com, Bild 19 de.watchpro.com, Bild 20 crononautix.com

Bild 1: Der Prototyp
Die Pulsar war die erste Armbanduhr überhaupt, die vollkommen ohne bewegliche Teile auskam! Keine Zeiger, keine Zahnräder, keine Federn, ja nicht einmal die von den analogen Quarzuhren bekannten Stimmgabeln und Stellmotoren waren mehr nötig. Die erste LED-Uhr (light-emitting diode) war geboren und was die Damen und Herren Journalisten da zu sehen bekamen, glich einer Sensation!

Bild 2: Hamilton Pressekonferenz am 6.05.1970
Für die offensichtlich eilig einberufene Pressekonferenz der Amerikaner gab es zwei Gründe: zum Einen hatten sowohl der japanische Seiko-Konzern als auch die Schweizer Uhrenindustrie auf der Basler Uhrenmesse im April 1970 bereits ihre neuen „elektronischen Quarz Analog Uhren“ angekündigt und zum Anderen steckte Hamilton zu dieser Zeit in ernsthaften, finanziellen Schwierigkeiten. Millionenverluste durch Misswirtschaft, wenig konkurrenzfähige Produkte und rückläufige Umsätze in der Militärsparte zwangen das Unternehmen zum Handeln.
Das Management hoffte, mit der Vorstellung eines derart avantgardistischen Zeitmessers wie der Pulsar, den Nerv der Zeit zu treffen und die Verluste alsbald auszugleichen. Im Grunde hatte ja Seiko das Rennen um die erste Quarz-Armbanduhr-Vorstellung bereits 5 Monate zuvor für sich entschieden. Allerdings handelt es sich bei der im Dezember 1969 erscheinenden Seiko Astron um eine analoge Quarzuhr mit einem herkömmlichen Zifferblatt, Zeigern und Stundenindexen und kommerziell eher mäßigem Erfolg.

Bild 3: Seiko Astron, ca. 1969/70
„This will never put Mickey Mouse out of business“
Die Pulsar kam exakt zum richtigen Zeitpunkt und das Marketing von Hamilton war brillant. Parallel zur Pressekonferenz machte man in den Zeitungen mit ganzseitigen Anzeigen auf die Uhr aufmerksam, die Pulsar Prototypen wurden in Fernsehsendungen wie der „The Tonight Show“ von Johnny Carson oder in Hugh Downs‘ „The Today Show“ platziert.
Showmaster Johnny Carson hielt das bizarre Etwas in die Kamera, drückte augenscheinlich unmotiviert an den Knöpfen herum und warf den eigenartigen „Time Computer“ zum Entsetzen von Hamilton R&D Manager John Bergey kurzerhand über die Schulter in die Kulissen. Carsons anschließender Kommentar: „This will never put Mickey Mouse out of business“.
Die auf der Pressekonferenz an jenem denkwürdigen 6. Mai 1970 gezeigten Prototypen trugen noch das Hamilton Logo über dem Display.

Bild 4: Der „Time Computer“ und sein Entwicklungs-Team, oben links Leiter George Thiess
Die in Serie produzierten Uhren bekamen den Namen „Pulsar“. Dieser prangte unten rechts auf der Lünette. Die Bezeichnung „Pulsar“ ist übrigens ein Kunstwort, pulsating source of radio emission, („pulsierende Quelle von Radiofrequenzen“)
„Ein Pulsar ist ein schnell rotierender Neutronenstern. Die Symmetrieachse seines Magnetfelds weicht von der Rotationsachse ab, weshalb er Synchrotronstrahlung entlang der Dipolachse aussendet. Liegt die Erde im Strahlungsfeld, empfängt sie wie von einem Leuchtturm regelmäßig wiederkehrende Signale. Pulsare strahlen hauptsächlich im Radiofrequenzbereich, manchmal bis in den Röntgenbereich oder nur in diesem. Von den mehr als 1700 bekannten Quellen ließen sich nur bei einigen wenigen auch im sichtbaren Bereich Intensitätsschwankungen beobachten.
Pulsare werden mit der Buchstabenkombination PSR und ihren Himmelskoordinaten bezeichnet, z. B. PSR B0525+21.“ (Quelle: Wikipedia)

Bild 5: Schematische Darstellung eines Pulsars. Die Kugel in der Mitte stellt einen Neutronenstern dar, die Kurven die magnetischen Feldlinien und die seitlich abstehenden Lichtkegel die Richtung der ausgehenden Strahlung.
Der Name entstand, nachdem John Bergey einen Artikel über „pulsierende Sterne“ in einer Astronomischen Zeitschrift gelesen hatte. Bergey sah eine Parallele zwischen diesen Pulsaren, die Strahlung in extrem präzisen Intervallen emittierten und seiner Uhr, welche durch gebündelte Energie die Zeit anzeigt und das ebenfalls überaus präzise.
Die übliche Schwingfrequenz eines Uhrenquarzes beträgt 32768 (= 215) Hz. Normalerweise kann eine Akkuratesse von etwa +/- 60 Sekunden im Jahr erreicht werden. Das entspricht einer Gangabweichung von 0,00010 % pro Tag (!) Was heute im Zeitalter von GPS schon wieder als „ungenau“ gilt, war Anfang der 1970er Jahre eine absolute Sensation!
Hamilton’s Präsident Richard J. Blakinger und sein Chefentwickler, George Thiess, konnten bei ihrer Präsentation der Pulsar im Four Seasons den staunenden Presseleuten gerade mal drei, mehr oder weniger funktionstüchtige Prototypen des „Time Computers“ vorlegen. Insider gaben später an, dass immer nur ein Exemplar ans Licht kam, während bei den beiden anderen hinter einem Vorhang von Hamilton Mitarbeitern diskret die Batterie gewechselt wurde, weil sie nur für etwa 20 Minuten Strom liefern konnte.

Bild 6: Explosionszeichnung der Pulsar Prototype, links im Bild Hamilton-Präsident Blakinger
Das Elektronikmodul wurde von der „Electro Data Incorporation“ aus Garland, Texas produziert, die LED Displays stammten von „Litronix“, die Reedschalter von „HamlinUSA“ und die Firma „Corning Glass“ aus New York steuerte das rötliche Deckglas aus synthetischem Rubin bei.

Bild 7: Gehäuse-Entwurf von Ernest Trova
Die Gehäuse der Prototypen wurden vom 2009 verstorbenen US-amerikanischen Maler, Grafiker und Bildhauer Ernest Trova aus St. Louis entworfen, einem wichtigen Vertreter der Pop Art und des neuen Surrealismus in den USA.

Bild 8: Das Electro Data 44-IC
Der Pulsar-Prototyp hatte 44 verschiedene, integrierte Schaltkreise, 27 Leuchtdioden pro Ziffer und verfügte sogar über einen Kalender mit vorprogrammierten Monatslängen. Gespeist wurde die Elektronik des Vorserienmodells mit einer wiederaufladbaren 4,5 Volt Batterie. Allein diese füllte ca. 80 % des Gehäusevolumens!

Bild 9: Artikel im „Popular Science Magazine“, Ausgabe Juli 1970
Rolex oder Pulsar? Eine Gold Rolex kostet 150 Dollar weniger!
Knapp ein Jahr später war es dann soweit: Die Serienproduktion der Pulsar begann! Hamilton lieferte die ersten Exemplare des neuen, futuristischen Zeitmessers am 4. April 1971 an ausgewählte Konzessionäre aus. Die „New York Times“ sprach von einem „Space Age Computer für‘s Handgelenk“.
Die Sache hatte aber einen Haken: es gab zunächst nur eine auf 400 Exemplare limitierte Serie in 18 Karat Gold (inkl. dem Band) zum Stückpreis von stolzen 2100 US $. Zum Vergleich: ein mechanischer Omega Speedmaster Professional Chronograph kostete Anfang der 1970er Jahre etwa 200 US $.

Bild 10: Serienreif: Pulsar P1 in 18 Karat Gold
Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft 1971 gingen die restlichen, intern „P1“ genannten Time Computer aus dem ersten Produktionszyklus an Upscale-Händler wie Tiffany‘s oder Neiman-Marcus. Angeblich waren alle 400 Stück schon weit vor Weihnachten vergriffen.
Technisch entsprach die P1 längst nicht mehr dem Prototypen von 1970. Durch Fortschritte bei der Entwicklung der Halbleiter-Technologie (CMOS-Technik) konnte ein verbessertes „25-IC“ Modul bereitgestellt werden, welches in der Serienuhr Verwendung fand. Das ursprüngliche 27-Dot Display wurde auf 7 Segmente je Ziffer reduziert und auf die Datumsfunktion wurde bei der P1 verzichtet. Die Batterie hielt inzwischen bis zu 6 Monaten durch!

Bild 11: Zeitungsmeldung zur Pulsar P1, 1971
Jeder wollte den Time Computer haben, kaum einer konnte ihn sich leisten! Für fast denselben Betrag bekam man auch eine Gold-Rolex! So kamen vorerst nur die Schönen und Reichen zu einer Hamilton Pulsar. Elvis Presley soll einer der ersten prominenten Pulsar-Besitzer gewesen sein.

Bild 12: Elvis Presley bei einem Bühnenauftritt um 1972
Ihm folgten weitere Celebrities aus dem Showbusiness und darüber hinaus. Rolling Stones Gitarrist Keith Richards hatte eine und Rock-Barde Elton John tat es ihm gleich. Die Box-Legende Joe Frazier trug Pulsar, genau wie Entertainer Sammy Davis Jr., Comedian Jerry Lewis oder der Schauspieler Jack Nicholson. Und sogar ins Weiße Haus schaffte es die fortschrittliche Digitaluhr: US-Präsident Gerald Ford war ebenfalls stolzer Besitzer einer Pulsar.

Bild 13: Box-Champion Joe Frazier

Bild 14: Elton John, britischer Sänger

Bild 15: US-Präsident Gerald Ford (1974-77)
Mein Name ist Pulsar. Hamilton Pulsar.
Auch Roger Moore ließ sich nicht lange bitten und so war die Uhr auch im 1973er James Bond Streifen „Live and Let Die“ am linken Handgelenk des Agenten seiner Majestät zu sehen. Der rechte Arm war wechselweise für die beiden Bond Girls „Solitaire“ (Jane Seymour) und „Miss Caruso“ (Madeline Smith) reserviert.

Bild 16: Roger Moore mit Bond-Girl und Pulsar P2 in „Live and Let Die“, 1973
Die Pulsar war übrigens nicht die erste futuristische Uhr von Hamilton. Bereits drei Jahre zuvor, 1967, besuchten der Regisseur Stanley Kubrick und der Science Fiction Autor Arthur Clarke die Hamilton Watch Company in Lancaster, PA um die Manufaktur um Mithilfe bei der Gestaltung von Uhren für den Film „2001: A Space Odyssey“ zu bitten, an dem sie gerade arbeiteten. Das Design dieser Uhren sollte in das neue Jahrhundert weisen.
Hamilton war einverstanden und es entstanden interessante Designstudien mehrerer Armband- und Tischuhren, natürlich mit prominent sichtbarem Hamilton-Logo.
Während die Armbanduhr mit ihrem übergroßen, rechteckigen und gebogenen Gehäuse mit einem konventionellen, runden Zifferblatt mit Zeigern und Zahlenindexen versehen war, kam die Tischuhr deutlich futuristischer daher. Sie hatte ein stromlinienförmiges, fast eiförmiges Gehäuse. Alle Anzeigen waren digital und die elliptische Konsole ließ einen unweigerlich an ein UFO denken.

Bild 17: Hamilton Tischuhr für den Film 2001: A Space Odyssey, 1967/68
„2001: A Space Odyssey“ kam 1968 in die Kinos und sprengte sofort alle Kassen! Die Hamilton Armbanduhren waren mehrfach an den Handgelenken der Astronauten zu sehen, während die Tischuhr dem Cutter zum Opfer fiel: sie erscheint im Film gar nicht! Am Ende hat sich das Ganze aber doch für Hamilton ausgezahlt: Das Space-Age Design der von Kubrick verschmähten Filmuhr nahm direkten Einfluss auf die Gestaltung der Pulsar!
Time Computer für alle!

Bild 18: Pulsar P2 Steel, 1972
Es sollte noch ein weiteres Jahr dauern, bis auch das „gemeine Fußvolk“ auf die elektronische Innovation aus Lancaster hoffen durfte. Im August 1972 startete Hamilton die Produktion und die fortan P2 genannte Pulsar kam zum Preis von 275.- US $ für das Edelstahlmodell in den Handel. Wer ein wenig auf Promi machen wollte, konnte die P2 auch in einer vergoldeten Version für 375 US $ erwerben. Verkaufsstart war, wie schon ein Jahr zuvor bei der P1, rechtzeitig vor Weihnachten.

Bild 19: Ein spannender Vergleich der Gehäuseformen: P1 (links) P2 (rechts)
Gegenüber der ersten Version wurde das Gehäuse der P2 etwas mehr abgerundet, um die Uhr noch futuristischer aussehen zu lassen. Auch war die „Volks-Pulsar“ technisch nun nochmals „ausgereifter“. Die Batteriekapazität konnte von 6 auf 12 Monate verdoppelt werden - Hamilton setzte dafür einfach zwei der Knopfzellen ein. Die 12 Monate erreichte man allerdings nur, wenn die Uhrzeit nicht mehr als durchschnittlich 25 mal am Tag abgelesen wurde.
Wenn man den (einzigen) Drücker auf der rechten Gehäuseseite einmal bediente, wurde die Uhrzeit für genau 1,25 Sekunden angezeigt. Wurde der Knopf nach dem Drücken gehalten, sah man die Sekunden verstreichen.
Das war aber auch so ziemlich genau alles, was die Uhr konnte. Wie weiter oben schon erwähnt, war ursprünglich eine Datumsfunktion geplant, diese entfiel jedoch auch bei der zweiten Generation. Erst in späteren Versionen stand ein Datum zur Verfügung. Besonders stolz war man bei Hamilton darauf, dass das Innenleben einer P2 aus lediglich 18 elektronischen Bauteilen bestand - inklusive der Batterien. Dabei kam die Uhr ohne ein einziges mechanisches, sprich: bewegliches Teil aus!

Bild 20: Pulsar Werbung im amerikanischen Playboy, ca. 1973
Im Falle eines Defekts wurde das gesamte Elektronikmodul getauscht. Hamilton gewährte eine dreijährige Garantie auf die Pulsar.
Etwas trickreich war das Setting der Uhrzeit. Dies erfolgte mittels eines kleinen Magneten, der in der Schließe des Armbandes steckte. Auf dem Bodendeckel der P2 waren zwei Markierungen. „HR“ für die Stunden und „MIN“ für die Minuten. Wurde der Magnet an das entsprechende Feld gehalten, änderten sich die Stunden bzw. Minuten. Dieses umständliche Prozedere sollte aber bei den späteren Modellen entfallen, denn nach einem technischen Update erhielt die Pulsar einen weiteren Drücker, der als Stellknopf diente. Die Magnete waren nun in die Drücker integriert.
Ein weiteres Feature wurde ab 1974 eingeführt: das „Auto Command System“. Wird der Arm mit der Pulsar am Handgelenk durch ein schnelle Drehung bewegt, leuchtet das Display für 1,25 Sekunden auf. In einer winzigen, versiegelten Glasröhre befindet sich ein Tröpfchen Quecksilber. Durch die Armbewegung stellt das Quecksilber einen elektrischen Kontakt zwischen zwei Metalldrähten am Ende der Röhre her.
Quellverzeichnis, Teil 1:
Bild 1 printerest.de, Bild 2 oldpulsars.com, Bild 3 hodinkee.com, Bild 4 oldpulsars.com, Bild 5 Wikipedia, Bild 6 oldpulsars.com, Bild 7 oldpulsars.com, Bild 8 oldpulsars.com, Bild 9 decodesystems.com, Bild 10 trendhunter.com, Bild 11 reddit.com, Bild 12 Matt Ashton Wallpapers 2018, Bild 13 alainchauvelaccordeurdepianos.fr, Bild 14 alainchauvelaccordeurdepianos.fr, Bild 15 hodinkee.com, Bild 16 stuff.tv, Bild 17 hodinkee.com, Bild 18 watchonista.com, Bild 19 de.watchpro.com, Bild 20 crononautix.com
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