
Mr.Pink
Themenstarter
Einen schönen 4. Advent allerseits und hallo in die Runde!
Nachdem ich meinen Einstand gleichzeitig mit der Abgrenzung meiner Uhrensammlung nach oben in Form der Rolex GMT-Master II "Rootbeer" gegeben habe, stellte ich Euch vergangenes Jahr die uhrgewordene Nüchternheit in Form der reduzierten Nomos Tetra vor.
In dieser Vorstellung wird es wieder etwas aufgeregter. Ach, was sage ich? Es wird bunt, knallbunt, exotisch, exzentrisch. Geradezu elektrisierend! Ein Feuerwerk, wie Silvester und schweizer Nationalfeiertag zusammen und in der Uhrengemeinde mindestens so kontrovers diskutiert, wie die Frage, ob Brot anstelle von Böllern und Raketen nicht die vernünftigere Investition wäre.
Müsste ich das Modell, das Gegenstand dieser Vorstellung ist, in einem Wort beschreiben, es wäre dieses: "Spalter". Die populäre Volksfront unter den Uhren.
Die Uhr der Wissenschaft
Aber halt. Bevor wir uns im Kleinklein der horologischen Grabenkämpfe verlieren, möchte ich den Versuch wagen etwas versöhnlichere Töne anzuschlagen. Es ist schließlich Weihnachtszeit und Vorurteile oder schlechte erste Eindrücke sollen ja dadurch gemildert werden, einen Blick hinter die Fassade zu werfen. Ich möchte meinen der lohnt sich hier und kann ganz aufschlussreich sein.
Wir schreiben das Jahr 1956. Australien richtet in Melbourne als erstes Land der südlichen Hemisphäre die olympischen Sommerspiele aus, in der Antarktis wird die Amundsen-Scott-Südpolstation gegründet, auf der Dartmouth Conference wird der Begriff der künstlichen Intelligenz geprägt und Rolex lanciert die Oyster Perpetual Milgauss. Einmal mehr adressiert Hans Wilsdorf, Gründer der Marke Rolex, die Bedürfnisse der Zeit. Diesmal geht es nicht daraum eine Uhr zu bauen, die es schadlos übersteht am Handgelenk getragen den Ärmelkanal zu durchschwimmen, den Mount Everest zu besteigen oder als interkontintentaler Pilot stets die richtige Uhrzeit der aktuellen Zeitzone ablesen zu können. Nein, diesmal geht es um ganz andere Rahmenbedingungen, als etwa den Elementen selbst zu trotzen. Widerstände wenig greif- oder fühlbarer Natur. Die Fortschritte in Wissenschaft und Technik hatten Arbeitsumgebungen mit sich gebracht, in denen sich Forscher und Ingenieure starken eletromagnetischen Feldern ausgesetzt sahen. Diese wiederum beeinträchtigten die einwandfreie Funktion und Ganggenauigkeit bis dato üblicher Uhrwerke. Russisch Roulette beim Ablesen der Uhr? Für einen Naturwissenschaftler ein geradezu unerträglicher Zustand.
Die Lösung des Problems war nicht gänzlich neu und in der Theorie nicht von Wilsdorf oder einem seiner Mitarbeiter selbst erdacht. Vielmehr hatte IWC bereits 1948 herausgefunden, dass ein Weicheisenschild um das Uhrwerk die elektromagnetischen Einflüsse signifikant mindert und eine solche Konstruktion in der legendären Mark XI zur Anwendung gebracht. Davon inspiriert packt Rolex die Werke der Milgauss bis heute in die sprichwörtliche Watte. Bis zur gegenwärtigen Referenz erreicht man mittels einem lediglich von einer Bohrung für die Welle unterbrochenem Weicheisenkäfig die namensgebende Magnetfeldresistenz von 1000 Gauss (mille = tausend; Gauss = Einheit der magn. Flussdichte) und mehr. Die uhrgewordene Matrjoschka.
Bild 1: "doppelter Boden"; Quelle: bobswatches.com
Blieben die inneren Werte über die Jahre vergleichbar, wechselte das äussere Erscheinungsbild über die Jahre, wie das kaum einer andere Rolexmodellreihe. Da gab es feste, wie auch drehbare Lünetten mit verschiedenen Beschriftungen. Es gab Stabindizes, wie auch kreisförmige und dreieckige. Strukturierte, matte und sonnengeschliffene Zifferblätter wurden hervorgebracht. Stunden- und Minutenzeiger sah man in Mercedes-, Obélisque- (gerader) und Dauphine-Form. Und, für viele heute das Erkennungszeichen der Milgauss, der blizförmige Sekundenzeiger, welcher zwischenzeitlich einmal schnurgerade und nur mit rotem Dreieck an der Spitze versehen wurde.
Bilder 2, 3 & 4: Eine bewegte Vergangenheit; Quelle: phillips.com
Vielleicht auch wegen dieser scheinbar erfolglosen Suche nach der eigenen Identität und Nische im Produktportfolio, wurde die Milgauss im Jahr 1988 zwischenzeitlich eingestellt. 2007 feierte sie ihr Comeback und bleibt ihrer Experimentierfreude treu. Blitzzeiger, mitunter bunte Farbspiele und, als absolutes Alleinstellungsmerkmal, ein grün eingefärbtes Saphirglas. Das gibt es so kein zweites Mal. Entgegen aller anderer Rolexmodelle, findet sich auf den grünen Saphirgläsern keine via Laser eingravierte Krone auf 6 Uhr.
Manch einer sagt, die Milgauss sei die Rolex für Nicht-Rolexträger.
Meine Gedanken
Ob Euch, und insbesondere den Kritikern der Milgauss, mein bescheidener Versuch einen Kurzabriss dieses Modells zu geben, die Uhr etwas gewogener gemacht hat, weiss ich nicht. Ich mag Euch aber gerne noch erzählen, was sie für mich so reizvoll macht. Dem ein oder anderen mag sie einer in die Jahre gekommenen Dragqueen mit zu viel Speck auf den Hüften gleichen. Etwas mopsig, nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit und gekleidet in allen Farben des Regenbogens. Zu laut, zu schrill, unter allen Umständen im Mittelpunkt stehen wollend.
Bild 5: Kurvige Hüften und viel Farbe im Gesicht; Quelle: Mr.Pink
Für mich ist sie jedoch die Versinnbildlichung technischen Fortschritts, eine Metapher darauf neue Wege zu gehen und unkonventionellen Ideen eine Chance zu geben. Die Speedy ist die Uhr der bemannten Raumfahrt, die Explorer das horologische Utensil für die Erkundung der menschenfeindlichsten Orte dieser Erde und die Milgauss der Begleiter für Wissenschaft und technologischem Pioniergeist. Ich bin weder Physiker, Ingenieur noch bin ich im forschenden Betrieb tätig, habe aber einen naturwissenschaftlichen Hintergrund und arbeite schon immer bei forschungs- und entwicklungsstarken Unternehmen in prägenden Industrien. Ich werde kein Tiefseetaucher mehr, man hat mich nicht für die nächste Mondlang auserwählt (Begründung noch ausstehend!) und niemand mit halbwegs gesundem Menschenverstand würde mir den Steuerknüppel eines Fluggerätes in die Hand drücken, aber im Bereich meiner Expertiese leiste ich vielleicht einen kleinen Beitrag dazu, dass die Menschheit ein bisschen weiter kommt. Das muss ja wohl als Rechtfertigung zum Tragen dieser Uhr genügen!
Naja und sie funkelt so schön. An mein Handgelenk passt sie auch perfekt. Achso und das Blau, ja das Blau ist der Hammer. Fast so krass, wie der das Zifferblatt umhüllende grüne Schein des Saphirglases. Hab ich eigentlich schon diesen irrsinnig coolen orangenen Blitzzeiger erwähnt?
In Ordnung, ich reiß mich schon zusammen.
Vielleicht habe ich Euch ja die Milgauss etwas näher bringen können und Ihr habt nun auch etwas für eines der zahlreichen spannenden Details dieser Uhr übrig. Zum Glück ist eben nicht alles schwarz oder weiss. Einheitsbrei wäre doch irgendwie langweilig, nicht?
Vielen Dank für Eure Zeit und das Lesen dieser Vorstellung!
Vorweihnachtliche Grüße
Markus
Technische Daten
Material - Edelstahl (Rolex "Oystersteel")
Durchmesser - 40mm
Lünette - Edelstahl; glatt, poliert, feststehend
Werk - Kaliber 3131, 48h Gangreserve,
Wasserdichtheit - 100m
Band - Edelstahl; Oyster dreireihig mit polierten Mittelgliedern und Oysterclasp-Schliesse mit Easylink-Verlängerung
Zifferblatt - Sonnenschliff in "elektrisierendem" Z-Blue; Weissgoldindizes mit Chromalight gefüllt; orangefarbener, blizförmiger Sekundenzeiger
Uhrglas - nicht entspiegelt; kratzfestes Saphirglas in grün





Nachdem ich meinen Einstand gleichzeitig mit der Abgrenzung meiner Uhrensammlung nach oben in Form der Rolex GMT-Master II "Rootbeer" gegeben habe, stellte ich Euch vergangenes Jahr die uhrgewordene Nüchternheit in Form der reduzierten Nomos Tetra vor.
In dieser Vorstellung wird es wieder etwas aufgeregter. Ach, was sage ich? Es wird bunt, knallbunt, exotisch, exzentrisch. Geradezu elektrisierend! Ein Feuerwerk, wie Silvester und schweizer Nationalfeiertag zusammen und in der Uhrengemeinde mindestens so kontrovers diskutiert, wie die Frage, ob Brot anstelle von Böllern und Raketen nicht die vernünftigere Investition wäre.
Müsste ich das Modell, das Gegenstand dieser Vorstellung ist, in einem Wort beschreiben, es wäre dieses: "Spalter". Die populäre Volksfront unter den Uhren.
Die Uhr der Wissenschaft
Aber halt. Bevor wir uns im Kleinklein der horologischen Grabenkämpfe verlieren, möchte ich den Versuch wagen etwas versöhnlichere Töne anzuschlagen. Es ist schließlich Weihnachtszeit und Vorurteile oder schlechte erste Eindrücke sollen ja dadurch gemildert werden, einen Blick hinter die Fassade zu werfen. Ich möchte meinen der lohnt sich hier und kann ganz aufschlussreich sein.
Wir schreiben das Jahr 1956. Australien richtet in Melbourne als erstes Land der südlichen Hemisphäre die olympischen Sommerspiele aus, in der Antarktis wird die Amundsen-Scott-Südpolstation gegründet, auf der Dartmouth Conference wird der Begriff der künstlichen Intelligenz geprägt und Rolex lanciert die Oyster Perpetual Milgauss. Einmal mehr adressiert Hans Wilsdorf, Gründer der Marke Rolex, die Bedürfnisse der Zeit. Diesmal geht es nicht daraum eine Uhr zu bauen, die es schadlos übersteht am Handgelenk getragen den Ärmelkanal zu durchschwimmen, den Mount Everest zu besteigen oder als interkontintentaler Pilot stets die richtige Uhrzeit der aktuellen Zeitzone ablesen zu können. Nein, diesmal geht es um ganz andere Rahmenbedingungen, als etwa den Elementen selbst zu trotzen. Widerstände wenig greif- oder fühlbarer Natur. Die Fortschritte in Wissenschaft und Technik hatten Arbeitsumgebungen mit sich gebracht, in denen sich Forscher und Ingenieure starken eletromagnetischen Feldern ausgesetzt sahen. Diese wiederum beeinträchtigten die einwandfreie Funktion und Ganggenauigkeit bis dato üblicher Uhrwerke. Russisch Roulette beim Ablesen der Uhr? Für einen Naturwissenschaftler ein geradezu unerträglicher Zustand.
Die Lösung des Problems war nicht gänzlich neu und in der Theorie nicht von Wilsdorf oder einem seiner Mitarbeiter selbst erdacht. Vielmehr hatte IWC bereits 1948 herausgefunden, dass ein Weicheisenschild um das Uhrwerk die elektromagnetischen Einflüsse signifikant mindert und eine solche Konstruktion in der legendären Mark XI zur Anwendung gebracht. Davon inspiriert packt Rolex die Werke der Milgauss bis heute in die sprichwörtliche Watte. Bis zur gegenwärtigen Referenz erreicht man mittels einem lediglich von einer Bohrung für die Welle unterbrochenem Weicheisenkäfig die namensgebende Magnetfeldresistenz von 1000 Gauss (mille = tausend; Gauss = Einheit der magn. Flussdichte) und mehr. Die uhrgewordene Matrjoschka.

Bild 1: "doppelter Boden"; Quelle: bobswatches.com
Blieben die inneren Werte über die Jahre vergleichbar, wechselte das äussere Erscheinungsbild über die Jahre, wie das kaum einer andere Rolexmodellreihe. Da gab es feste, wie auch drehbare Lünetten mit verschiedenen Beschriftungen. Es gab Stabindizes, wie auch kreisförmige und dreieckige. Strukturierte, matte und sonnengeschliffene Zifferblätter wurden hervorgebracht. Stunden- und Minutenzeiger sah man in Mercedes-, Obélisque- (gerader) und Dauphine-Form. Und, für viele heute das Erkennungszeichen der Milgauss, der blizförmige Sekundenzeiger, welcher zwischenzeitlich einmal schnurgerade und nur mit rotem Dreieck an der Spitze versehen wurde.



Bilder 2, 3 & 4: Eine bewegte Vergangenheit; Quelle: phillips.com
Vielleicht auch wegen dieser scheinbar erfolglosen Suche nach der eigenen Identität und Nische im Produktportfolio, wurde die Milgauss im Jahr 1988 zwischenzeitlich eingestellt. 2007 feierte sie ihr Comeback und bleibt ihrer Experimentierfreude treu. Blitzzeiger, mitunter bunte Farbspiele und, als absolutes Alleinstellungsmerkmal, ein grün eingefärbtes Saphirglas. Das gibt es so kein zweites Mal. Entgegen aller anderer Rolexmodelle, findet sich auf den grünen Saphirgläsern keine via Laser eingravierte Krone auf 6 Uhr.
Manch einer sagt, die Milgauss sei die Rolex für Nicht-Rolexträger.
Meine Gedanken
Ob Euch, und insbesondere den Kritikern der Milgauss, mein bescheidener Versuch einen Kurzabriss dieses Modells zu geben, die Uhr etwas gewogener gemacht hat, weiss ich nicht. Ich mag Euch aber gerne noch erzählen, was sie für mich so reizvoll macht. Dem ein oder anderen mag sie einer in die Jahre gekommenen Dragqueen mit zu viel Speck auf den Hüften gleichen. Etwas mopsig, nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit und gekleidet in allen Farben des Regenbogens. Zu laut, zu schrill, unter allen Umständen im Mittelpunkt stehen wollend.
Bild 5: Kurvige Hüften und viel Farbe im Gesicht; Quelle: Mr.Pink
Für mich ist sie jedoch die Versinnbildlichung technischen Fortschritts, eine Metapher darauf neue Wege zu gehen und unkonventionellen Ideen eine Chance zu geben. Die Speedy ist die Uhr der bemannten Raumfahrt, die Explorer das horologische Utensil für die Erkundung der menschenfeindlichsten Orte dieser Erde und die Milgauss der Begleiter für Wissenschaft und technologischem Pioniergeist. Ich bin weder Physiker, Ingenieur noch bin ich im forschenden Betrieb tätig, habe aber einen naturwissenschaftlichen Hintergrund und arbeite schon immer bei forschungs- und entwicklungsstarken Unternehmen in prägenden Industrien. Ich werde kein Tiefseetaucher mehr, man hat mich nicht für die nächste Mondlang auserwählt (Begründung noch ausstehend!) und niemand mit halbwegs gesundem Menschenverstand würde mir den Steuerknüppel eines Fluggerätes in die Hand drücken, aber im Bereich meiner Expertiese leiste ich vielleicht einen kleinen Beitrag dazu, dass die Menschheit ein bisschen weiter kommt. Das muss ja wohl als Rechtfertigung zum Tragen dieser Uhr genügen!
Naja und sie funkelt so schön. An mein Handgelenk passt sie auch perfekt. Achso und das Blau, ja das Blau ist der Hammer. Fast so krass, wie der das Zifferblatt umhüllende grüne Schein des Saphirglases. Hab ich eigentlich schon diesen irrsinnig coolen orangenen Blitzzeiger erwähnt?
In Ordnung, ich reiß mich schon zusammen.
Vielleicht habe ich Euch ja die Milgauss etwas näher bringen können und Ihr habt nun auch etwas für eines der zahlreichen spannenden Details dieser Uhr übrig. Zum Glück ist eben nicht alles schwarz oder weiss. Einheitsbrei wäre doch irgendwie langweilig, nicht?
Vielen Dank für Eure Zeit und das Lesen dieser Vorstellung!
Vorweihnachtliche Grüße
Markus
Technische Daten
Material - Edelstahl (Rolex "Oystersteel")
Durchmesser - 40mm
Lünette - Edelstahl; glatt, poliert, feststehend
Werk - Kaliber 3131, 48h Gangreserve,
Wasserdichtheit - 100m
Band - Edelstahl; Oyster dreireihig mit polierten Mittelgliedern und Oysterclasp-Schliesse mit Easylink-Verlängerung
Zifferblatt - Sonnenschliff in "elektrisierendem" Z-Blue; Weissgoldindizes mit Chromalight gefüllt; orangefarbener, blizförmiger Sekundenzeiger
Uhrglas - nicht entspiegelt; kratzfestes Saphirglas in grün





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