
Spitfire73
Themenstarter

Wer an einem lauen Sommerabend zu vorgerückter Stunde barfuß mit einem Glas Rotwein auf die Terrasse tritt und plötzlich tausende Sterne sieht, tut dies entweder in einer besonders klaren Nacht oder hat den tagsüber montierten Querbalken in Kopfhöhe vergessen.
Im schmerzfreien ersten Fall erfaßt das menschliche Auge über dreitausend Sterne, von denen sich der Großteil entlang des breiten, hellen Bands unserer Heimatgalaxie befinden, welche das Firmament überspannt. Im zweiten Fall erblickt der Wiederbelebte lediglich einen Sanitäter, der eine schwellungshemmende Kompresse auflegt.

Es lohnt sich, im Angesicht eines grandiosen Kosmos für einen kurzen Moment zur Ruhe zu kommen, das Glas gelassen zum Mund zu führen, dem Zusammenspiel fein komponierter Aromen nachzuschmecken und sich die Zeit zu nehmen, dem eigenen Blick bewußt über die mit funkelnden Sternen übersäte Hemisphäre Freigang zu gewähren. Wer sich darauf einläßt, erlebt mitunter das spirituelle Geschenk, erdende Bescheidenheit und Demut beim Blick auf die Erhabenheit des Universums zu empfinden. Und angesichts des kosmischen Rahmens die bisweilen wohltuende Zurückführung des eigenen Egos auf die Buchsbaumgröße seiner tatsächlichen Bedeutung.
Da es dem Uhrenfreund gemeinhin schwer fällt, über einen längeren Zeitraum jegliche Gedanken an Zeitmesser zu unterdrücken, drängt sich dem Betrachter früher oder später die Analogie zum Uhrenkosmos förmlich auf. Auch das Uhrenangebot spannt sich schließlich schier unendlich weit, die Auswahl ist ebenso Legion wie die sprichwörtliche Zahl der Sterne am Himmel und fast jeder von uns dürfte, seinem persönlichen Gusto entsprechend, eigene beständige Favoriten als leuchtende Fixsterne am individuell bestückten Uhrenhimmel benennen können.
Um im Bild zu bleiben, bedeutete meine Anmeldung hier im Forum im Grunde nichts anderes, als eine Art persönliches Hubble-Teleskop ins eigene Uhren-All zu schießen. Unbekannte Marken und Modelle stellten sich fortan unter der Linse scharf. Andere entpuppten sich, aus der Sternwarte eines Fachforums heraus betrachtet, plötzlich als unwirtliche Orte. Manche leuchteten kurz und verheißungsvoll auf und verglühten bei Kontakt in einer Supernova. Oder zeigten sich beim Näherkommen als Himmelsphänomen mit Lichteffekten aber durchsetzt von kleinen schwarzen Löchern. Das betraf zuletzt meine Erfahrung mit einer Grand Seiko, die mich aufgrund diverser Verarbeitungsmängel im Detail wieder meine Teleskope, Astrografen und Antennen verstärkt auf den von Schweizer Herstellern beheimateten Teil des Sternenhimmels ausrichten ließ. Dorthin, wo sich über all die Jahre vier Fixsterne beständig am Firmament halten konnten und für deren Erreichen es sich letztlich lohnte, mein privates Raumfahrtprogramm zu betreiben. Das war nicht immer so und ergab sich erst nach einem längeren Zeitraum der Himmelsbeobachtung, dem Verfolgen des Laufs diverser Markengestirne, der Beschäftigung mit den kosmischen und komischen Gesetzen von Urteil, Vorurteil, Fehlurteil, Historie, Technik, Verarbeitung und Qualität. So finden sich meine Fixsterne nun eingebettet in den Sternbildern Breitling (Navitimer), Omega (Speedmaster) und in Gestalt von Submariner und Daytona erstrahlen die letzten beiden im Sternbild der Krone.
Auch wenn es dauerte, habe ich über die vergangenen Jahre die reizvollsten Ziele meines persönlichen Uhrenhimmels einen nach dem anderen erreicht. Das auslösende Moment zur Reise zu diesem verbliebenen Fixstern verdanke ich ausgerechnet meiner Hausbank, die mir im Sommer mit allergrößtem Bedauern mitteilte, meinen Habenzins unter die Wahrnehmungsgrenze absenken zu wollen; mir stattdessen aber natürlich ein ganz besonders unglaublich attraktives Angebot für einen hauseigenen Fonds unterbreiten würde.
Nach kurzer Bedenkzeit übermittelte ich der Bank mein allergrößtes Bedauern in Bezug auf meine Entscheidung, das Geld abziehen zu wollen, da mir ein ganz besonders unglaublich attraktives Angebot für eine hausfremde Uhr unterbreitet worden sei. So schichtete ich wenige Tage später unter Hinzuziehung eines lokalen Grauhändlers einen Teil der Mittel formwandelnd von Buchgeld in Edelstahl um. Zum Kaufvorgang gibt es mit Ausnahme einer kleinen Anekdote erfreulich wenig zu berichten. Einem angenehmen Telefonat folgte der obligatorische Abholtermin im Ladengeschäft. Der Inhaber und ich traten uns mit den gleichen Uhren am Handgelenk entgegen. Während ich etwas zu früh mit einer Tudor Black Bay am Stahlband den Laden betrat, begrüßte mich der Inhaber mit einer ebensolchen am Vintage-Lederband und in irrtümlicher Erwartung eines ausländischen Kunden obendrein noch in englischer Sprache. Ich konterte mit einem Fingerzeig auf sein Handgelenk und der grammatikalisch ausgefeilten Erwiderung: "You know what good is." Eine knappe Viertelstunde später hatte ein Einkaufserlebnis recht nah an meiner persönlichen Vorstellung vom idealen Uhrenkauf sein positives Ende gefunden.

Unter der sperrigen Bezeichnung "Cosmograph Daytona" brachte Rolex erstmals 1963 diesen Chronographen auf den Markt. Bereits damals schon befand sich die Tachymeterskala nicht auf dem Zifferblatt sondern auf der Stahllünette. Die markentypisch behutsame Fortentwicklung der Modellreihe in den Jahren 1970 und 1988 gingen mit Änderungen wie verschraubten Drückern und der Verwendung eines Automatikkalibers einher. Mit dem Kaliber 4130 hatte Rolex im Jahr 2000 endlich sein eigenes Automatikchronographenkaliber vorgestellt und das bis dahin in stark modifizierter Form verwendete Zenith 400 "El Primero" durch ein reinrassiges Manufakturkaliber abgelöst. Die moderne Auslegung des beidseitig aufziehenden Werks mit Schaltrad wird auch heute noch höchsten Ansprüchen gerecht. Besondere Merkmale des über Microstella-Schrauben regulierten Kalibers 4130 sind Unruhbrücke, Parachrom-Breguetspirale und eine beachtliche, wochenendtaugliche Gangreserve von 72 Stunden. Eine vertikale Friktionskupplung zeichnet für den ruckfreien, gleichmäßigen Anlauf des zentralen Stoppsekundenzeigers verantwortlich. Die Totalisatoren bei 3 und 9 sind in Relation zur waagrechten Mittelachse des Zifferblatts um etwa 1 mm nach oben verschoben. Ein Umstand, der Fälschern das Handwerk nicht unbedingt erleichtern dürfte.
Was ich am Hersteller besonders schätze, ist die unaufgeregte, zurückhaltende Firmenpolitik, die sich nicht marktschreierisch gebärdet oder zwanghaft in jeder Mode verzettelt. Andere Marken mögen in kürzeren Abständen echtes wie vermeintlich Innovatives hervorbringen. Rolex geht seinen eigenen Weg und läßt seine Produkte nicht erst beim Kunden reifen sondern behält den Fokus unbeirrt auf Robustheit, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und hochwertiger Detailqualität. Das Ganze verpackt in zeitlos gültigem, evolutionär fortentwickelndem Design. Das kann man als langweilig abtun. Meine Vorstellung von der perfekten Uhr trifft das aber ziemlich exakt.
Entsprechend dieser Philosophie hält meine Begeisterung über die Daytona auch ein halbes Jahr später unvermindert an. Die tadellose Verarbeitung aller Komponenten dokumentiert sich selbst unter dem kritisch prüfenden Blick durch Lupe und Kamera in jedem Detail. Wer an dieser Stelle einwendet, das sei in der Preisklasse schließlich selbstverständlich und damit keiner Erwähnung bedürftig, äußerst braves Wunschdenken aber verkennt leider die Realität. Tatsächlich drängt sich bisweilen der Verdacht auf, auch namhafte Schweizer Hersteller verstehen unter dem Begriff "Qualitätssicherung" lediglich eine besonders geprüfte Überstromschutzeinrichtung im Kühlschrank der Betriebskantine.







Auch das Gangergebnis überzeugt. Mit einer verlässlichen Abweichung von +0,5 Sek/24h gehört die Daytona zu meinen genauesten Uhren überhaupt. Offengestanden hatte ich zu Beginn noch eine Datumskomplikation vermisst. Nach längerer Besitzzeit hat sich allerdings die Erkenntnis verfestigt, dass der Hersteller gut daran getan hat, in das vom Durchmesser her relativ kompakte Ziffernblatt nicht auch noch ein Datumsfenster hineinzuzwängen sondern das von einer breiten Tachymeterlünette umrahmte Blatt von der harmonischen Anordnung der Totalisatoren beherrschen zu lassen. Der ausgezeichnete Tragekomfort erklärt sich durch das angenehm dimensionierte, flache Gehäuse in Tateinheit mit dem verschraubten Band und dessen Sicherheitsfaltschließe samt cleverem Easylinkmechanismus. Im Alltag sammelt das für einen dressigen Chrnographen mit 10 bar mehr als ausreichend wasserdicht ausgelegte Gehäuse und die intensive und langanhaltende Leuchtwirkung des blauen Chromalight-Leuchtmittels weitere Pluspunkte.










Die wunderbare ironische Filmkomödie "Ritter aus Leidenschaft" legt einem unvergessenen Heath Ledger einen fast schon poetischen Satz in den Mund: "Ein Mann kann seine Sterne neu ordnen." Von der grundsätzlichen Richtigkeit dieser Aussage bin ich (nicht nur bei zerstreuten Mercedes-Händlern) bis heute zutiefst überzeugt. Weshalb ich auch weiterhin meinen ganz persönlichen Sternenhimmel aufmerksam beobachten werde, der Geburt neuer Sterne beiwohnen möchte um vielleicht irgendwann wieder einen neuen Fixstern verheißungsvoll aufblitzen zu sehen.
Die Schlußeinstellung dieser Vorstellung schwenkt in die Totale und betrachtet den Protagonisten, von der feierlichen Stimmung des sternbesetzten Nachthimmels pathetisch ergriffen, von schräg oben auf seiner Terrasse stehend. Caspar David Friedrich würde spätestens jetzt Leinwand und Ölfarbe auspacken. Dann tritt der Hauptdarsteller einen Schritt zurück, hält erschrocken inne und blickt, an der nackten Fußsohle ein seltsames Gefühl verspürend, an seinem Weinglas vorbei nach unten, wo eine beachtlich große Nacktschnecke an der Unterseite des linken Fußes mit dem Geräusch eines schlecht gestimmten Furzkissens ihr Molluskendasein durch übermäßige Kompression ebenso schlagartig wie unappetitlich beendete.
Während die Kamera langsam vom Hauptdarsteller wegzoomt, zerstört ein beachtlich kraftvoller Fluch in bayerischer Mundart den würdevollen, spirituell andächtigen Moment. Eine immer kleiner werdende Gestalt humpelt über die Terrasse wütend davon. Der kundige Beobachter bemerkt am Handgelenk einen wild herumfuchtelnden chromalightblauen Schimmer, der langsam mit dem Dunkel der Nacht eins wird.
Vielen Dank fürs Reinschauen!
Gruß
Helmut
Technische Daten:
Modell: Rolex Oyster Perpetual Cosmograph Daytona, Referenz 116520
Gehäuse: Oystergehäuse mit verschraubter Triplock-Krone, verschraubte Drücker, Edelstahl 904L, Chromalight, Armband mit Oysterlock-Sicherheitsfaltschließe und Easylink-Verlängerung
Durchmesser: 40mm, Höhe: 12,4mm, Wadi 10 ATM (100 Meter), Saphirglas
Werk: Automatik, Kaliber 4130, 44 Steine, 28.800 A/h, COSC Chronometer, Gangreserve 72 Std
kleine Sekunde auf der 6-Uhr-Position, 30-Minuten-Totalisator auf der 3-Uhr-Position, 12-Stunden-Totalisator auf der 9-Uhr-Position
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