
Spitfire73
Themenstarter
Da ich öfters zum Thema gefragt werde, habe ich mal versucht eine bebilderte Anleitung für Neulinge und Greenhorns zu erstellen, die sowas selbst mal angehen wollen. Ich bin natürlich kein Uhrmacher sondern nur engagierter Laie. Alles von mir benutzte Werkzeug und Verbrauchsmaterial ist über die üblichen Plattformen frei käuflich und kostet kein Vermögen. Meine Vorgehensweise erhebt keinerlei Anspruch auf perfekte handwerkliche Richtigkeit aber sie funktioniert für mich prima weshalb ich sie hier mit Neulingen und Anfängern teile und sie ist wirklich für jeden mit minimalem handwerklichen Geschick, Interesse an der Materie und der Bereitschaft, etwas Geld in Werkzeug zu investieren, sehr einfach selbst umsetzbar.
1. Fangen wir einfach an. Ausgangslage ist ein Miyota 8210 in einer nagelneuen Citizen NJ0100-71L. Eine technisch einfache aber wunderschöne Uhr für wenig Geld. Das Werk ist kerngesund, bemerkenswert lagenstabil mit Amplituden über alle Lagen von ca. 270 bis 320 Grad und läuft am Arm mit ca, -3 Sek/24h. Eigentlich ab Werk ein Spitzenwert für eine Uhr dieser Preisklasse. Da mir persönlich aber +10 Sek lieber sind als -3 Sek habe ich beschlossen, das Werk leicht ins Plus zu regulieren. Mein Werkzeug wird ein Schraubendreher, Abklebematerial, Öffnungswerkzeug, etwas Dichtungsfett und eine einfache Zeitwaage sein. Wer keine Zeitwaage hat, der kann auch mit modernen Apps gute Ergebnisse erzielen wie mir schon oft berichtet wurde. Eigene Erfahrungen dazu habe ich nicht.
Wichtig: die Uhr sollte 80-100% voll aufgezogen sein wenn ihr sie regulieren wollt. Also Handaufzug 30-40 Umdrehungen nicht vergessen damit die angezeigten Werte auch verlässlich die Realität wiedergeben.
2. Um das Gehäuse beim Öffnen und Schließen nicht zu beschädigen verwende ich etwas Abklebeband aus dem Modellbaubereich. Tesafilm oder Ähnliches tut es aber ganz genauso. Das Stahlband demontiere ich nicht denn nach meiner Erfahrung fängt man sich beim Bandwechsel mehr Kratzer ein als einem lieb ist. Es reicht völlig, nur den Federsteg an der Schließe zu entnehmen um die Bandhälften zu öffnen. Da beim Regulieren die Bandhälften nach oben klappen, habe ich an beiden Seiten Klebeband angebracht um unschöne Spuren zu vermeiden wenn Bandglieder aneinander reiben. Auf das Deckglas lege ich zum Schutz noch eine Folie.
3. Mit einem passenden Gehäuseöffner wird nun der Boden geöffnet. Ich verwende dazu den gezeigten Gummiring (bekommt man als Set auf Ebay bzw Amazon). So werden keinerlei Spuren am Gehäuse hinterlassen.
Bei mir liegt noch ein Brillenputztuch zwischen Uhr und Halterung:
Wichtig ist, sich vor dem Öffnen die genaue Position der Beschriftungen zu einem Fixpunkt wie zB der Krone zu merken (am besten vorher ein schnelles Foto mit dem Smartphone machen) damit man später weiß, wie weit man den Boden wieder verschrauben muss.
In meinem Fall merke ich mir nun, dass im verschlossenen Zustand das "Co." vom Schriftzug "Citizen Watch Co." knapp mit der Krone abschließt. So weit werde ich hinterher den Boden auch wieder zudrehen. Auf den halben Millimeter kommt es aber nicht an damit die Uhr auch später wieder dicht ist.
4. Der Boden ist geöffnet und gibt den Blick auf das Werk frei. Es ist keine Schönheit aber ein zuverlässiger und erstaunlich ganggenauer Traktor.
5. Es ist wichtig, sich vor dem Regulieren klar zu machen, welchen Rücker man in welche Richtung betätigen muss. Ich habe es mal ins Bild geschrieben. Finger weg vom Abfallhebel denn die Auswirkungen auf den Gang sind sehr hoch und man braucht ihn wirklich nur, wenn der Abfallfehler größer ist (ich persönlich korrigiere ihn falls >0,7). Was wir brauchen ist der andere Hebel, also der Rücker. Auf seiner gegenüberliegenden Seite sehen wir Markierungen mit "+" und "-", die uns sagen, ob die Uhr schneller oder langsamer wird wenn wir den Hebel in die eine oder andere Richtung bewegen. Bei der Gelegenheit empfehle ich auch gleich ein Foto von der Positon der Rücker vor Regulierung zu machen um hinterher einen Anhaltspunkt dafür zu haben, was man wie verrückt hat.

6. Auf der Zeitwaage sieht es vor der Regulierung so aus. Stört Euch hier nicht am hohen angezeigten Abfallfehler. Das ist ein Anzeigefehler, verursacht in dem Moment von Störfaktoren wie ihr an den beiden eng beeinanderliegenden Punktlinien erkennen könnt. Der Abfall ist tatsächlich irgendwo um 0,1-0,3. Also absolut im grünen Bereich.
Nachdem ich vorsichtig mit einem feinen Schraubendreher (am besten legt man ihn beim Schieben sanft auf den Werkhaltering oder das Gehäuse auf um die Abrutschgefahr in die Unruh zu minimieren denn das wäre fatal) den Rücker in Richtung auf die Rotorschraube also Richtung "+" auf der dem Rücker gegenüberliegenden Seite verschoben habe, sieht es nun so aus:
Das ist für mich in Ordnung. Ich habe die Uhr sehr grob gesagt in dieser Lage etwa 13 Sekunden schneller gemacht. Das wird sich am Arm nun mit dem gewünschten leichten Plus zeigen. Meistens muss man mehrfach hin- und zurückschieben bis man das gewünschte Ergebnis erreicht hat denn man muss zunächst ein Gefühl dafür entwickeln, wie stark sich die Bewegung des Rückers auf den Gang auswirkt. Meine Faustformel für einfache Seiko, Orient, Citizen/Miyota oder Vostokkaliber lautet: wenn ihr die Bewegung des Rückers sehen konntet, war es schon zu viel. Da hat man sofort +30/40 Sekunden Auswirkung. Also lieber einmal stärker ins Plus und dann zweimal leicht zurück ins Minus um zB von +40 auf +10 zu landen.
7. Nach der Regulierung selbst kommt nun auch noch die Dichtung dran. Mit der Schraubendreherspitze (besser wäre ein Zahnstocher um die Dichtung nicht zu beschädigen) heble ich sie vorsichtig aus ihrer Vertiefung und behandle sich mit etwas Fett. Die Dichtung dankt es durch längere Haltbarkeit und ausgezeichnete Dichtwirkung:
8. Nun lege ich die Dichtung vorsichtig in ihre Position und drücke sie dort leicht an. Achtet darauf, dass keine Schmutz/Staubpartikel dran haften. Da sie frisch eingefettet ist, bleibt sie auch leicht in ihrer Position kleben. Nun kann der Boden zunächst mit den Fingern handfest zugedreht werden. Den Rest erledigt man dann mit dem Werkzeug. Darauf achten, dass man die vor dem Öffnen gemerkte Positon der Deckelgravuren zur Krone beim Verschließen wieder erreicht. Man muss es aber nicht auf die exakte Gradzahl genau erreichen. Sagt jedenfalls mein Uhrmacher. Alle meine Uhren waren nach der Regulierung durch mich hinterher auch wieder dicht wenn sie es vor der Öffnung schon waren. Wer auf Nummer sicher gehen will, bringt die Uhr aber hinterher für ein paar Euro zum Abdrücken. Ich mache das auch hin und wieder aber noch jede hat den Test problemlos bestanden weshalb ich mir die Übung bei billigeren Uhren mittlerweile spare.
9. Ein finaler Test auf der Zeitwaage mit verschraubtem Boden verrät, dass aus dem leichten Minus tatsächlich und wie gewünscht ein leichtes Plus werden wird. Mit geschlossenem Boden zeigt die Zeitwaage nun auch den zutreffenden Abfall von 0,2 in dieser Lage an.
10. Damit bleibt nur noch über den Federsteg in die Schließe zurückzubauen, das Band zu schließen, das Abklebematerial zu entfernen und sich vom beschädigungsfreien Zustand der Uhr zu überzeugen:
Ich hoffe, ihr könnt ein paar Tipps mitnehmen wenn ihr Lust bekommen habt, selbst mal ein Kaliber nachzuregulieren. Es ist kein Hexenwerk wenn man vernünftiges Werkzeug benutzt und kann auch von engagierten Laien gemeistert werden. Wie beim hier gezeigten Miyota von Citizen funktioniert die Regulierung auch bei den meisten einfachen japanischen und russischen Werke über den Rücker. Also egal ob Vostok 2414, 2415, 2416, Miyota 8203, 8210, 9015 oder Seiko 7S26/36, 4R35/36, NH35/36, 6R15, 6R35 usw. Bei den meisten gängigen ETA Werken und höherwertigen japanischen Werken wie zB dem 8L35 wird dagegen sehr feinfühlig und präzise über eine Exzenterschraube reguliert. Das macht es auch für Anfänger bedeutend leichter.
Gruß
Helmut
1. Fangen wir einfach an. Ausgangslage ist ein Miyota 8210 in einer nagelneuen Citizen NJ0100-71L. Eine technisch einfache aber wunderschöne Uhr für wenig Geld. Das Werk ist kerngesund, bemerkenswert lagenstabil mit Amplituden über alle Lagen von ca. 270 bis 320 Grad und läuft am Arm mit ca, -3 Sek/24h. Eigentlich ab Werk ein Spitzenwert für eine Uhr dieser Preisklasse. Da mir persönlich aber +10 Sek lieber sind als -3 Sek habe ich beschlossen, das Werk leicht ins Plus zu regulieren. Mein Werkzeug wird ein Schraubendreher, Abklebematerial, Öffnungswerkzeug, etwas Dichtungsfett und eine einfache Zeitwaage sein. Wer keine Zeitwaage hat, der kann auch mit modernen Apps gute Ergebnisse erzielen wie mir schon oft berichtet wurde. Eigene Erfahrungen dazu habe ich nicht.
Wichtig: die Uhr sollte 80-100% voll aufgezogen sein wenn ihr sie regulieren wollt. Also Handaufzug 30-40 Umdrehungen nicht vergessen damit die angezeigten Werte auch verlässlich die Realität wiedergeben.
2. Um das Gehäuse beim Öffnen und Schließen nicht zu beschädigen verwende ich etwas Abklebeband aus dem Modellbaubereich. Tesafilm oder Ähnliches tut es aber ganz genauso. Das Stahlband demontiere ich nicht denn nach meiner Erfahrung fängt man sich beim Bandwechsel mehr Kratzer ein als einem lieb ist. Es reicht völlig, nur den Federsteg an der Schließe zu entnehmen um die Bandhälften zu öffnen. Da beim Regulieren die Bandhälften nach oben klappen, habe ich an beiden Seiten Klebeband angebracht um unschöne Spuren zu vermeiden wenn Bandglieder aneinander reiben. Auf das Deckglas lege ich zum Schutz noch eine Folie.
3. Mit einem passenden Gehäuseöffner wird nun der Boden geöffnet. Ich verwende dazu den gezeigten Gummiring (bekommt man als Set auf Ebay bzw Amazon). So werden keinerlei Spuren am Gehäuse hinterlassen.
Bei mir liegt noch ein Brillenputztuch zwischen Uhr und Halterung:
Wichtig ist, sich vor dem Öffnen die genaue Position der Beschriftungen zu einem Fixpunkt wie zB der Krone zu merken (am besten vorher ein schnelles Foto mit dem Smartphone machen) damit man später weiß, wie weit man den Boden wieder verschrauben muss.
In meinem Fall merke ich mir nun, dass im verschlossenen Zustand das "Co." vom Schriftzug "Citizen Watch Co." knapp mit der Krone abschließt. So weit werde ich hinterher den Boden auch wieder zudrehen. Auf den halben Millimeter kommt es aber nicht an damit die Uhr auch später wieder dicht ist.
4. Der Boden ist geöffnet und gibt den Blick auf das Werk frei. Es ist keine Schönheit aber ein zuverlässiger und erstaunlich ganggenauer Traktor.
5. Es ist wichtig, sich vor dem Regulieren klar zu machen, welchen Rücker man in welche Richtung betätigen muss. Ich habe es mal ins Bild geschrieben. Finger weg vom Abfallhebel denn die Auswirkungen auf den Gang sind sehr hoch und man braucht ihn wirklich nur, wenn der Abfallfehler größer ist (ich persönlich korrigiere ihn falls >0,7). Was wir brauchen ist der andere Hebel, also der Rücker. Auf seiner gegenüberliegenden Seite sehen wir Markierungen mit "+" und "-", die uns sagen, ob die Uhr schneller oder langsamer wird wenn wir den Hebel in die eine oder andere Richtung bewegen. Bei der Gelegenheit empfehle ich auch gleich ein Foto von der Positon der Rücker vor Regulierung zu machen um hinterher einen Anhaltspunkt dafür zu haben, was man wie verrückt hat.

6. Auf der Zeitwaage sieht es vor der Regulierung so aus. Stört Euch hier nicht am hohen angezeigten Abfallfehler. Das ist ein Anzeigefehler, verursacht in dem Moment von Störfaktoren wie ihr an den beiden eng beeinanderliegenden Punktlinien erkennen könnt. Der Abfall ist tatsächlich irgendwo um 0,1-0,3. Also absolut im grünen Bereich.
Nachdem ich vorsichtig mit einem feinen Schraubendreher (am besten legt man ihn beim Schieben sanft auf den Werkhaltering oder das Gehäuse auf um die Abrutschgefahr in die Unruh zu minimieren denn das wäre fatal) den Rücker in Richtung auf die Rotorschraube also Richtung "+" auf der dem Rücker gegenüberliegenden Seite verschoben habe, sieht es nun so aus:
Das ist für mich in Ordnung. Ich habe die Uhr sehr grob gesagt in dieser Lage etwa 13 Sekunden schneller gemacht. Das wird sich am Arm nun mit dem gewünschten leichten Plus zeigen. Meistens muss man mehrfach hin- und zurückschieben bis man das gewünschte Ergebnis erreicht hat denn man muss zunächst ein Gefühl dafür entwickeln, wie stark sich die Bewegung des Rückers auf den Gang auswirkt. Meine Faustformel für einfache Seiko, Orient, Citizen/Miyota oder Vostokkaliber lautet: wenn ihr die Bewegung des Rückers sehen konntet, war es schon zu viel. Da hat man sofort +30/40 Sekunden Auswirkung. Also lieber einmal stärker ins Plus und dann zweimal leicht zurück ins Minus um zB von +40 auf +10 zu landen.
7. Nach der Regulierung selbst kommt nun auch noch die Dichtung dran. Mit der Schraubendreherspitze (besser wäre ein Zahnstocher um die Dichtung nicht zu beschädigen) heble ich sie vorsichtig aus ihrer Vertiefung und behandle sich mit etwas Fett. Die Dichtung dankt es durch längere Haltbarkeit und ausgezeichnete Dichtwirkung:
8. Nun lege ich die Dichtung vorsichtig in ihre Position und drücke sie dort leicht an. Achtet darauf, dass keine Schmutz/Staubpartikel dran haften. Da sie frisch eingefettet ist, bleibt sie auch leicht in ihrer Position kleben. Nun kann der Boden zunächst mit den Fingern handfest zugedreht werden. Den Rest erledigt man dann mit dem Werkzeug. Darauf achten, dass man die vor dem Öffnen gemerkte Positon der Deckelgravuren zur Krone beim Verschließen wieder erreicht. Man muss es aber nicht auf die exakte Gradzahl genau erreichen. Sagt jedenfalls mein Uhrmacher. Alle meine Uhren waren nach der Regulierung durch mich hinterher auch wieder dicht wenn sie es vor der Öffnung schon waren. Wer auf Nummer sicher gehen will, bringt die Uhr aber hinterher für ein paar Euro zum Abdrücken. Ich mache das auch hin und wieder aber noch jede hat den Test problemlos bestanden weshalb ich mir die Übung bei billigeren Uhren mittlerweile spare.
9. Ein finaler Test auf der Zeitwaage mit verschraubtem Boden verrät, dass aus dem leichten Minus tatsächlich und wie gewünscht ein leichtes Plus werden wird. Mit geschlossenem Boden zeigt die Zeitwaage nun auch den zutreffenden Abfall von 0,2 in dieser Lage an.
10. Damit bleibt nur noch über den Federsteg in die Schließe zurückzubauen, das Band zu schließen, das Abklebematerial zu entfernen und sich vom beschädigungsfreien Zustand der Uhr zu überzeugen:
Ich hoffe, ihr könnt ein paar Tipps mitnehmen wenn ihr Lust bekommen habt, selbst mal ein Kaliber nachzuregulieren. Es ist kein Hexenwerk wenn man vernünftiges Werkzeug benutzt und kann auch von engagierten Laien gemeistert werden. Wie beim hier gezeigten Miyota von Citizen funktioniert die Regulierung auch bei den meisten einfachen japanischen und russischen Werke über den Rücker. Also egal ob Vostok 2414, 2415, 2416, Miyota 8203, 8210, 9015 oder Seiko 7S26/36, 4R35/36, NH35/36, 6R15, 6R35 usw. Bei den meisten gängigen ETA Werken und höherwertigen japanischen Werken wie zB dem 8L35 wird dagegen sehr feinfühlig und präzise über eine Exzenterschraube reguliert. Das macht es auch für Anfänger bedeutend leichter.
Gruß
Helmut
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