1967 nahm das CEH erstmals mit Prototypen von Quarzarmbanduhren am Wettbewerb des Observatoriums von Neuchâtel teil. Das CEH-Laboratorium war 1962 als Gemeinschaftsprojekt einer Reihe von Herstellern gegründet worden. Die ersten Prototypen von Quarzzeitmessern, die von ihnen bei den Chronometerprüfungen angemeldet wurden, belegten den ersten, zweiten und dritten Platz und signalisierten, dass die Schweizer an der Quarzzeitmessung ernsthaft interessiert waren.
Das Wettrennen hatte begonnen.
Die Schweizer hatten deutlich gemacht, dass sie Quarzarmbanduhren so bald wie möglich vermarkten wollten, aber auch Seiko hatte kommerzielle Ziele. Die Entwicklungsarbeit wurde in der Schweiz und in Japan mit voller Intensität betrieben; die Unternehmen in beiden Ländern setzten alles daran, um die Ersten auf dem Markt zu werden.
Der erste Quarzverkauf
Seiko gewann das Rennen und verkaufte die erste Quarzarmbanduhr unter dem Namen Astron am Weihnachtstag 1969; es war ein historischer Tag, der die Welt der Uhrmacherei für immer veränderte. Der Quarzoszillator der Astron hatte eine Frequenz von 8.192 Oszillationen pro Sekunde (Hz), und es wurde angegeben, dass die Uhr auf 5 Sekunden pro Tag genau ging. Sie wurde in einer limitierten Auflage von nur 100 Stück hergestellt und kostete 450.000 Yen – was damals ungefähr dem Preis eines Automobils der Marke Toyota Corolla gleichkam.
Vier Monate nach dem Verkauf der ersten Astron, zur Zeit der Baseler Messe in der Schweiz, gaben einige Schweizer Unternehmen erstmals die Einführung von Quarzarmbanduhren bekannt. Sie verwendeten das vom CEH entwickelte Kaliber Beta 21. Nach Seikos historischer Einführung trieb der Wettbewerb die Entwicklung der Quarzuhren mit unverminderter Geschwindigkeit voran, und bald sollte Seiko die Führung in der Zeitmessung übernehmen. Das Unternehmen brachte in rascher Folge eine Reihe von Modellen heraus und war Ende 1970 wieder bahnbrechend, als es die erste Quarzarmbanduhr der Welt vorstellte, die einen CMOS IC als elektronisches Gehirn hatte.
In den ersten schweizerischen Prototypen von Quarzarmbanduhren wurde ein einziger IC benutzt, der aus etwa 110 Teilen bestand und alle elektronischen Funktionen der Uhr steuerte. Seikos Astron hatte eine Hybridschaltung – eine Kombination von Schaltkreisen auf einem einzigen Substrat. Diese Ergebnisse in der Technologie der integrierten Schaltkreise waren für Seikos schnellen Aufstieg entscheidend, und bald gelangen dem Unternehmen weitere Fortschritte in seiner bahnbrechenden Entwicklungsarbeit. Zunächst
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wollte Daini Seikosha Quarzuhren ohne integrierte Schaltkreise bauen, weil Schaltkreise „ganz schön zu schaffen machen können“. Masatoshi Tohyama, der später Daini Seikoshas Direktor wurde, suchte nach einem Weg, eine Quarzuhr ohne IC zu bauen, aber eine einzige Zufallsbegegnung änderte seine Meinung, hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf Seikos Zukunft und führte zum Einbau eines ICs in Seikos zweiter Quarzarmbanduhr.
Dr. Tohyama erklärt: „Ein Schweizer Physiker namens Dr. Hoerni verließ die amerikanische Firma Fairchild, um mit einem Kollegen einen eigenen Kleinbetrieb, die Intersil Corporation, aufzumachen. Dr. Hoerni hatte bei einem der Erfinder des Transistors, dem Nobelpreisträger Dr. Shockley, studiert. Dr. Hoerni war ein Pionier der Halbleiterindustrie und der Erfinder der Planartechnik, die die Grundlage der heutigen Mikrochip-Technologie darstellt. Diese beiden Gründer von Intersil entwickelten die MOS- und später die CMOS-Technologie.
Im April 1967, nach einem Meeting bei Fujitsu in Japan, wurde Dr. Hoerni mit Daini Seikoshas Entwicklungsteam bekannt gemacht. Er schlug vor, für Uhren mit CMOS ICs Frequenzteiler zu benutzen. „Das wäre genau das Richtige“, dachte Herr Tohyama, als er diese Bemerkung hörte. Zunächst schlug Dr. Hoerni einen 6-Volt-Chip vor, und so ergab sich die Frage, ob die benötigte Spannung von 6 Volt auf 1,3 Volt herabgesetzt werden kann. Integrierte Schaltkreise lassen sich grob in zwei Arten unterteilen, bipolare und CMOS ICs. Bipolare ICs arbeiten sehr schnell, brauchen aber viel Strom. Umgekehrt sind die MOS ICs und die weiter entwickelten CMOS ICs langsamer, brauchen aber weniger Strom. Außerdem sind sie besser zur Miniaturisierung geeignet. Dr. Tohyama entschied sich für die CMOS-Lösung.
Daini Seikosha nahm Dr. Hoernis Vorschlag im Januar 1969 an, und die Entwicklungsarbeit begann. Sie war im Mai 1970 abgeschlossen. Der Vertrag zwischen Daini Seikosha und Intersil hatte festgelegt, dass der CMOS IC eine Eingangsfrequenz von 16 kHz haben sollte, eine Spannungsquelle von höchstens 1,3 V, einen Stromverbrauch von höchstens 7,5 Mikrowatt; die Chipgröße war auf 4×4×1,4 mm festgesetzt, und die Vorlaufszeit für die Entwicklung sollte 15 Monate betragen. Man einigte sich auf Entwicklungskosten in Höhe von $190.000.
Während Seikosha und Intersil den ersten, für eine Uhr geeigneten CMOS IC entwickelten, hatten die Schweizer die bipolaren ICs ihrer ersten Quarzuhren in die Werke des Kalibers Beta 21 eingebaut, aber diese ICs hatten einen sehr hohen Stromverbrauch.
Dr. Tohyama erinnert sich an die Entwicklung des ersten CMOS ICs, den Seiko benutzte. „Das schwerste Problem war, wie erwartet, die Herabsetzung der erforderlichen Eingangsspannung. Dr. Hoerni investierte 75% seiner Arbeitszeit in diese Angelegenheit.“ Dieser CMOS IC wurde zuerst in der Seiko 36SQC benutzt, die Ende 1970 herausgebracht wurde. Bei der Intersil- Produktion gab es jedoch Probleme mit dem Prozentsatz der brauchbaren Chips pro Los, und Seiko traf die schwerwiegende Entscheidung, alle ICs selbst herzustellen. Diese dramatische Änderung der Unternehmenspolitik
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war für die Zukunft von großer Wichtigkeit und stärkte die Autarkie des Unternehmens. Das bedeutete auch, dass das Unternehmen nicht mehr von fremden Zulieferbetrieben abhängig war, um seinen Bedarf an CMOS ICs zu decken.
Zwanzig Jahre später war Seiko Epson zu einem der weltweit größten Hersteller von CMOS-Chips geworden, und Japan war jetzt der bedeutendste Hersteller von elektronischen Zeitmessern.