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Uhrensammer R
Gast
Machen wir uns mal nichts vor liebe Uhrenfreunde, wenn bei einer Vorstellung die Worte Rolex, Omega, oder Breitling auftauchen, dann hat der Beitrag nach einer Stunde 500 Aufrufe.
Nicht mal wir Altuhrenliebhaber sind da ganz frei von, uns von den obigen Nobelmarken dauernd zu Entzückungsausrufen hinreißen zu lassen.
Gut bei uns kommen noch Enicar und Co. dazu, hier und da auch mal ein besonders schönes Stück aus ganz ferner Vergangenheit, aber Citizen??
Ist Citizen nicht auch einer dieser späten „Emporkömmlinge“ aus den fernen Japan, der nichts weiter als ein Sargnagel für die europäische Uhrenindustrie in den siebziger/achtziger Jahre war???
Ganz so einfach sollten wir uns das nicht machen, finde ich.
Ich möchte ja nicht nachfragen, wer von den Usern im Forum nicht irgendwann in seinem Uhrenleben schon mal eine Seiko, oder Citizen besessen hat.
Meine Vermutung liegt so bei 98% aller, die hier heute schreiben und sogar teilweise (und sehr zu Unrecht) die Nase bei den Namen rümpfen.
An Hand der folgenden Uhr mag ich da mal eine Lanze brechen für ne olle Citizen.

Die Uhr ist seit Ende der Siebziger Jahre in meinen Händen. Ich habe sie von meiner ersten Reise nach Fernost Souvenir mitgebracht.
Man mag mir das zwar nicht glauben (und ich lese schon die empörten Zuschriften der Rolex Fans), aber damals erfreuten sich Uhren aus Fernost durchaus eines sehr guten Rufes.
Mancher, der sich eine Rolex durchaus leisten konnte, griff ganz bewusst zu einer Fernostuhr, die damals als sehr fortschrittlich und innovativ galten.
Das Citzen immer ein wenig im Schatten der Marke Seiko stand, soll allerdings kein Grund sein, sich nicht mal mit ihr zu befassen.
Warum die Leute gar nicht so falsch lagen, werde ich gleich noch erklären.
In der Tat kann man eine ganze Menge mit dieser Uhr ihr anfangen.
Sie ist fast so etwas wie eine Toolwatch, würde man heute wohl sagen
Da ist zunächst natürlich die Komplikation des Chronographen, die, wie uns allen bekannt ist, für die zeitliche Erfassung eines bestimmten Ablaufes genutzt werden kann.
Da das Werk über einen 12 Stundenzähler verfügt, ist hier sogar die Anzeige einer zweite Zeitzone möglich, wenn man die Stoppuhr einfach um 12.00 startet und ständig mitlaufen lässt.
Man kann dann am Aufenthaltsort die Ortszeit einfach über die Zeigerverstellung von Stunde und Minute vornehmen und hat auf dem Stopper immer noch die GMT-1 von daheim.
Das geht natürlich auch anders herum, wenn man die Geduld hat, zur vollen Stunde den Chrono so zu starten, dass die zweite Ortszeit so viele Stunden versetzt gestartet wird, wie die Zeitverschiebung beträgt.
Weiterhin erkennt man auf der Rehaut eine Tachymeter Scala.

Mit ihr, auch das wissen wir, kann man z.B. die gefahrene Geschwindigkeit eines Autos messen, wenn man die Zeit für die Durchfahrt einer festgesetzten Referenzstrecke (z.B. 1km) stoppt.
Die Lünette der Uhr ist in beiden Richtungen drehbar. Die Minuteneinteilung ist nicht, wie bei einer Taucheruhr mit der des Zifferblattes identisch, sondern als Count down Zähler ausgelegt.
Will ich an einen Termin in, sagen wir 20 Minuten erinnert werden, drehe ich also die Lünette mit der Zahl 20 auf die aktuelle Position des Minutenzeigers und kann dann meinen Termin am Punkt mit der Bezeichnung „N“ ablesen.
Sieht man genauer hin, so erkennt man, dass neben diesem „N“ auch die Bezeichnungen „E“, „S“ und „W“ bei 3, 6, und 9 Uhr zu erkennen sind, wie auf einem Kompass.
Und in der Tat kann man damit die Himmelsrichtungen bestimmen.
Dreht man die Lünette so, dass die Bezeichnung „S“ genau mittig zwischen dem Stand des Stundenzeigers und der 12 steht und richtet dann die Uhr mit dem Stundenzeiger zum aktuellen Sonnenstand hin, kann man leicht die Himmelsrichtungen an der Lünette bestimmen.
Siehe auf dem Link etwas weiter unten unter „Sonnenkompass“
Google-Ergebnis für http://altpfadfinder1.bplaced.net/Altpfadfinder/Pfadfinder/sonnenkompass.gif
Was nun aber das Kaliber 8110a und damit die Uhr zur Delikatesse für alle Liebhaber macht, ist der Flyback-Mechanismus des Chronos.

Der Chrono wird über den Drücker bei 2 normal gestartet und auf Wunsch mit dem gleichen Drücker auch gestoppt, um so eine verstrichene Zeitspanne abzulesen.
Die Nullstellung des Sekundenzeigers erfolgt dann über den Drücker bei der 4.
Über diesen Drücker können, bei laufendem Chrono und ohne die Anzeige zu stoppen, aber auch alle Chronoanzeigen augenblicklich auf Null gestellt und sofort neu gestartet werden.
Wenn man nun mal nachschaut, wer sonst noch Flayback- Kaliber so hergestellt und verbaut hat, dann ist man schnell bei der Creme del a Creme der Branche, allerdings findet man sie noch seltener in der Verbindung mit einem automatischen Aufzug.
Jedenfalls glaube ich nicht, dass man eine Hanhardt, IWC, Blancpain, Heuer, Lange, oder Panerei für den Preis einer Citizen erwerben kann.
Gut, höre ich Euch nun sagen, so was hat Seiko aber auch.
Stimmt!!
Nur leider steht da nirgends „Walter Wolf“ drauf.
Jetzt kommen wir also zur letzten Besonderheit der Uhr.
Das Label, oder besser, die Männer hinter dem Label.
Heute ist es ja normal, dass große Automobilhersteller „eigene“ Uhren verkaufen. Denken wir nur mal schnell an Ferrari, Bentley, Porsche und Konsorten.
Aber Walter Wolf war nie ein großer Automobilhersteller. Doch der Mann ist interessant genug, um ein wenig mehr über ihn zu erfahren.
Walter Wolf Racing
Die älteren unter uns werden sich ganz sicher noch an den Rennstall der siebziger Jahre erinnern.

Herr Wolf, ist gebürtiger Österreicher mit deutschen Wurzeln. (Für die mitlesenden Frauen: „Nur“ väterlicherseits)
In jungen Jahren ausgewandert nach Kanada, tauchte sein Name erstmalig bei den olympischen Winterspielen 1960 in Innsbruck in den Schlagzeilen auf.
Er war Mitglied der kanadischen skialpinen Abfahrtsequipe.
Ob er mal mit unserem Willy Bogner einen Jagertee getrunken hat, ist leider nicht überliefert.
Offensichtlich interessierte es sich ohnehin mehr für die Kohle, die er besser im Ölgeschäft verdienen konnte.
Das er ausgerechnet in den Jahren der Ölkrise in den siebziger Jahren reich wurde, soll an seinen ausgezeichneten Verbindungen zu den Repräsentanten der arabischen Golfstaaten, aber auch zu amerikanischen Geheimdiensten gelegen haben.
Wie auch immer, er war reicht und suchte nach einem Spielzeug, das er dann auch, wie soll es anders sein, in einem Rennstall fand.

Lasst uns mal auf die siebziger Jahre zurückblicken.
Nein, ich werde jetzt nicht politisch, denn bei meiner Uhr geht es ja um eine „Rennuhr“.
Also, 1970 wurde der Österreicher Jochen Rindt postum zum Formel I Weltmeister ernannt.
Das Jahrzehnt war für die Formel I kein gutes.
Männer wie Pedro Rodriges, Roger Williamson, Francois Cevert, oder Ronnie Peterson starben auf der Rennstrecke.
Und wer kennt nicht die schrecklichen Bilder von Laudas fatalen Crash 1976 auf dem Nürburgring?
Die, die überlebten, wurden fast zu Legenden des Motorsportes.
Rennfahrer wie Jackie Stewart, Emerson Fittipaldi, Niki Lauda, James Hunt und Jodie Schekter prägen die Formel I Szene in diesem Jahrzehnt.
Zufällig war der britische Adlige und Rennbegeisterte Alexander Fermor- Hesketh, gerade mit seinem Rennstall am straucheln und auch Frank Williams schien die Kohle auszugehen.
Das gab unserem Walter Wolf die Gelegenheit, sich aus Hesketh und Wiliams einen, besser, seinen Rennstall aufzubauen.



Das seine Autos schwarz lackiert wurden (wie ja auch das Gehäuse meiner Uhr schwarz ist, was in den siebziger Jahren durchaus etwas besonders war) und fast so aussahen wie die berühmten John- Players- Lotus ist ganz sicher ein Zufall.

Nur nebenbei: Walter- Wolf- Zigaretten kamen erst sehr viel später auf den Markt.
Also weiter zu den Fahrern:
Jody Scheckter,

Keke Rosberg,

James Hunt,

Arturo Merzario,

Jacky Ickx

und
Chris Amon

setzten sich, neben anderen, in das Cockpit eines W. Wolf Renners.
Die Herren Scheckter, Rosberg, Hunt, Lauda schafften es, zwar bei anderen Rennställen, sogar sich in die Liste der Formel I Weltmeister einzutragen.
Scheckter war 1979 der letzte Weltmeister für Ferrari, bevor Michael Schuhmacher das erneut auf einem Ferrari im Jahr 2000 gelang.
Der Name Rosberg ist uns ja heute noch geläufig, weil Vaters Sohn ja auch ganz gut fahren kann.
James Hunt, vielleicht der Letzte echte „Playboy“ seiner Zunft war erbitterter Gegner von Niki Lauda auf der Piste.
Ihre Duelle auf der Piste wurden ja vor nicht allzu langer Zeit in dem Film „Rush“ sehr realistisch aufgearbeitet.
„Hunt soff im Übermaß, rauchte im Übermaß und hatte Frauengeschichten im Über-Übermaß.“ Sagte Murray Walker, der mit ihm später das Formal I Geschehen für die BBC kommentierte.
Na, ja, fest steht, dass er mit nur 45 Jahren einem Herzinfarkt erlag.
Der kleine Arturo Merzario wird später dadurch berühmt, dass Niki Lauda am Nürburgring aus seinem brennenden Auto zerrte und ihm dadurch das Leben rettete.
Im Jahr 1974 schaffte das Walter Wolf- Team zwar auf den 4. Platz der WM- Wertung zu fahren, doch leider fehlte es an Kontinuität, so dass Herr Wolf seinen Rennstall kurzerhand 1979 an Emerson Fittipaldi verhökerte und damit sein Leben „entschleunigte“
Wer mehr über diesen Mann erfahren möchte, der kann sich über die unten aufgeführten Links gern selbst informieren.
Später hörte man lange nichts mehr von Herrn Wolf. In Österreich gab es dann mal einen Skandal um irgendwelche Rüstungsgeschäfte.
Nun ja, auch hier sollen die guten Beziehungen zu den Geheimdiensten der USA geholfen haben, Herrn Wolf allzu sehr zu schaden.
Man kann wohl sagen, dass Walter Wolf einer der letzten „Verrückten“ im Formel I Zirkus war.
Jene Typen, die ganz ohne Automobilwerk im Rücken, den Mut hatten sich ein Formel I Team zu „leisten“. Heute ist so was wohl undenkbar.
Anmerken möchte ich noch, dass vielleicht viele Besitzer eines Chronos mit Citizen- Kaliber 8110 a gar nicht wissen, welche Perle sie da besitzen. Wer nicht darauf aufmerksam gemacht wird, weiß vielleicht gar nicht, dass dieses Kaliber die so seltenen Flyback- Funktion hat.
Also, einfach mal versuchen.
Und noch etwas: Ich denke, so viele Walter Wolf Uhren werden nicht überlebt haben. Sicher viel weniger als zeitgenössische Uhren von Rolex, Breitling und Omega.
Das macht sie ganz sicher zu einer von den Uhren, die irgendwie wertvoll, aber ohne Wert ist.
Liebe Grüße
Roland
Google Übersetzer
Korruptionsaffäre: Austro-Kanadier Walter Wolf verhaftet - Slowenien - derStandard.at
Patria-Krimi: Walter Wolf in Kanada verhaftet - KURIER.at
"Heute" fand ihn: Ex-Formel-1-Chef Wolf weltweit gesucht | www.heute.at
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