
JuelzHSV
Themenstarter
- Dabei seit
- 13.09.2019
- Beiträge
- 200
Werte Foristi,
heute möchte ich euch eine Uhr vorstellen, deren Vorstellung längst überfällig ist. Die Uhr, um die es geht, hätte es eigentlich schon früher verdient gehabt. Viel früher. Denn sie war meine erste.
Aber zurück zum Anfang.
Während meines Jurastudiums im Sommer 2014 entschloss ich mich - sehr zum Wohlgefallen meiner Eltern - dazu, in den kommenden Semesterferien, die Zeit, in der ich ausnahmsweise weder mit Hausarbeit schreiben, noch dem Ableisten der (regelmäßig unvergüteten) Pflichtpraktika beschäftigt war, zu nutzen, um mein erstes eigenes Geld zu verdienen. Einmal richtig malochen, auch wenn es nur ein Monat war. Hinsichtlich der Tätigkeit als solcher war ich nicht wählerisch, im Übrigen war die Auswahl an auf einen Monat begrenzten Vollzeittätigkeiten auch überschaubar. So bin ich damals über eine Zeitarbeitsfirma im Lager eines großen Outdoorbekleidungsgeschäfts im Nordosten Hamburgs gelandet, wo ich täglich von morgens bis Abends Retouren scannte und in den verschiedensten Regionen der überwältigend großen Lagerhalle einsortierte. Eine recht eintönige Tätigkeit, ja, aber ich hatte viele nette Kollegen, unter ihnen auch ein paar weitere Studenten, mit denen der Arbeitsalltag sehr angenehm verlief, wenngleich man natürlich unabhängig gearbeitet hat und nicht viel gequatscht wurde. Nach einiger Zeit hat mich mein Chef - freilich ohne einhergehende Gehaltserhöhung - zum "Vorarbeiter" befördert. Fortan durfte ich mehr organisatorische Aufgaben wahrnehmen, was mir sehr angenehm war und den Arbeitsalltag etwas vielseitiger gestaltete. So vergingen die Hamburger Herbsttage und es stellte sich mir die Frage, was ich mir von dem selbsterarbeiteten Geld gönnen sollte. Denn ich wollte mir etwas leisten. An sparen habe ich damals nicht gedacht, hatte ich doch das Glück, dass mir meine Eltern mein Studium und alles was dazugehört finanziert haben.
Aber was wollte ich mir leisten?
Ich würde mich als jemanden beschreiben, der - wie ich glaube auch die allermeisten hier in diesem Forum - die kleinen und feinen Dinge sehr zu schätzen weiß.
Das geht manchmal sogar so weit, dass ich neue Gebrauchsgegenstände so lange wie möglich nicht tragen/benutzen will, um sie nicht abzunutzen (völlig Irre, ich weiß). In jedem Fall behandle ich meine feineren Sachen sehr pfleglich.
Wenn ich schon so viel Geld in die Hand nehmen würde, dann sollte es etwas beständiges sein, etwas, was ich für den Rest meines Lebens haben würde. Recht schnell bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass eine mechanische Armbanduhr genau das, etwas besonderes, beständiges und vor allem etwas, was mich immer begleiten würde, zu sein vermochte. Ich begann also, mich etwas in das Thema der mechanischen Uhren einzulesen, allen voran mithilfe dieses tollen Forums.
Von all den wunderbaren Vorstellungen, Bildern und Beschreibungen überwältigt, war es natürlich nicht leicht, sich sofort zurecht zu finden. Ich wusste grob: Es sollte klassisch sein, vielseitig, langlebig und zeitlos. Es sollte in jedem Fall auch eine neue Uhr werden, Vintage war mir damals noch zu unsicher und ich fand den Gedanken schön, dass die Uhr zusammen mit mir altert. Bald bin ich auf Nomos und Stowa gestoßen, von denen mich die Tangente und die Antea KS sehr begeistert haben. Das versilberte Zifferblatt, die temperaturgebläuten Zeiger, einfach der Wahnsinn. Dann noch das Ritual des Handaufzugs, die besondere Verbindung zwischen Uhr und Träger. Beide dazu aus traditionsreichen Häusern (Stowa ja sogar noch "mehr" als Nomos). Der Entscheidungsprozess viel mir sehr schwer. Letztlich hat dann die Tangente gewonnen, das Zifferblatt fand ich einfach noch schöner proportioniert und die Handwerkskunst, die sich hinter dem Manufakturkaliber Alpha verbarg hat mich wahnsinnig fasziniert. Das war mir dann auch die paar hundert Euro mehr wert, dafür hatte ich ja gearbeitet. Ich wollte sie damals eigentlich mit Glasboden haben, um das schöne Werk auch jederzeit betrachten zu können. Das aber hätte das Budget dann doch gesprengt und ich wusste, dass man den Glasboden auch noch später einmal nachrüsten würde können. Heute bin ich mit der Entscheidung (die mir dadurch auch ein bisschen abgenommen wurde) sehr zufrieden.
So habe ich die Uhr kurz vor meinem Geburtstag beim Konzi, unweit von meinem Studienort, nach telefonischer Rücksprache anprobiert und war sofort hin und weg. Die Uhr schmiegte sich einfach nur so an das Handgelenk und hatte für mich die perfekte Größe. Mir wurde dann kurzerhand noch ein kleiner Barzahlungsrabatt zugesagt, also ab zum Automaten und Geld ziehen.
Es war dann schon ein komisches Gefühl, so viel Bargeld auf einmal auf den Tisch zu legen, aber ich weiß noch, wie ich mit einem riesigen Grinsen aus dem Laden raus und nach Hause gefahren bin. Die Dame vom Konzi hatte netterweise meinen wenige Tage entfernten Geburtstag als Kaufdatum in die Papiere eintragen lassen. Das war für mich das Tüpfelchen auf dem i.
So trug ich sie fortan in der Uni und in meiner Freizeit, zuckte jedes Mal zusammen, wenn ich sie gegen die viel zu knapp bemessenen Sitzgelegenheiten des Audimax stieß (das Saphirglas trug keinen Kratzer davon) und hatte meine Freude mit ihr.
Irgendwann ist es aber passiert. Sie ist stehen geblieben. Einfach so. Ich war mir sicher, dass ich sie wenige Stunden zuvor noch voll aufgezogen habe, zog die Krone, drückte sie wieder hinein und die Uhr lief wieder. Erleichterung. Dann blieb sie wieder stehen. Irgendetwas konnte nicht stimmen. Ich redete mir ein, das sei bestimmt eine einmalige Sache, oder zumindest von kurzer Dauer, würde sich aber schon wieder "einrenken". Ich wollte sie ungern wieder hergeben. Aber es renkte sich nicht wieder ein. Sie lief bei allmorgendlichem Aufzug immer für ein paar Tage, dann blieb sie plötzlich wieder stehen. Eine Uhr, die dann und wann stehen bleibt, erfüllt ihren grundlegenden Zweck leider überhaupt nicht, auch wenn sie - sofern sie denn lief - dies höchst präzise tat. Ohne damals eine Zeitwaage besessen zu haben, würde ich behaupten, maximal 2-3 Sekunden Vorlauf am Tag. Ich nahm mir vor, sie nun also doch einzuschicken, genügend Zeit hatte ich ja.
Das habe ich aber nie getan. Ich verviel gewissermaßen in "alte Muster" und beließ das Schätzchen, wenn sie schon nicht funktioniert, großteils in der Box, da könne sie sich ja schließlich auch nicht abnutzen (oh man...). Es vergingen tatsächlich Jahre(!) in denen ich sie höchstens alle paar Monate einmal aus der Box holte und sie dann wieder 1-2 Tage strahlend trug, als sie stehen blieb dies aber wieder resignierend zur Kenntnis nahm. Aus der Gewährleistung war ich längst raus, das war mir auch bewusst, ich hatte mir in der Zeit aber auch keine neue Uhr gekauft und habe das Hobby ziemlich aus den Augen verloren.
Irgendwann, es gab keinen besonderen Anlass, kam mir der Gedanke, mir noch eine Uhr zu kaufen. Diesmal etwas sportliches mit Stahlband, also ab ins UF (damals noch kein Mitglied) und auf die Suche gemacht. Es wurde eine Seiko "Sea Urchin" (heute einer meiner liebsten Hersteller), die ich irgendwann wieder habe ziehen lassen. Ab dann aber hatte mich das Fieber richtig gepackt, so dass ich mich (natürlich) irgendwann auch hier angemeldet habe. Mir war klar, dass die Tangente einen Uhrmacher sehen muss, aber das Geld habe ich dann lieber erstmal in andere Uhren gesteckt (die Tangente war ja schon bei mir). So kamen einige und gingen ein paar. Zwischendurch, ganz selten Mal , habe ich die Tangente wieder einmal angelegt, die ein paar Tage super lief, dann wieder urplötzlich stehen blieb. Ich liebte sie, aber konnte sie nie richtig genießen und unbeschwert tragen, da ich immer mit dem nächsten Stehenbleiben der Uhr rechnete. So fristete sie weiter ein Dasein in der Box. Vor ein paar Monaten habe ich mir dann gesagt: "Es reicht, du hast so viele schöne Uhren und die Tangente, deine erste, trägst du gar nicht mehr, dafür ist sie zu Schade". Ich hatte - ich mag es kaum aussprechen - sogar kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, sie zu verkaufen. Auf dem Höhepunkt meines Vintagetrips erschien sie mir auf einmal zu modern. Ich habe es (Gott sei Dank) nicht getan, ich glaube das hätte ich bitter bereut. Stattdessen habe ich mir - diesmal wirklich - fest vorgenommen, sie das nächste Mal, wenn etwas Geld übrig ist, dass ich sonst gegebenenfalls in eine neue Uhr gesteckt hätte, zum Uhrmacher zu geben.
Da ich sie wieder ein knappes Jahr nicht am Arm hatte, wollte ich das Ganze, bevor ich sie letztlich wegen dieses Defekts zur Revision gebe, noch ein letztes Mal überprüfen. Ich wollte sie tragen, und zwar so lange, bis sie wieder stehen bleibt. Ich brauchte Gewissheit.
Wie soll ich sagen, der Rest ist Geschichte. Ich weiß nicht, was es war, aber sie ist mir bis heute nicht wieder stehengeblieben. Und ich habe sie viel getragen, viel mehr als jemals zuvor. Zuvor blieb sie immer nach 2-3 Tagen stehen. Ich hatte sie zunächst eine Woche durchgehend am Arm (das war vorher nie möglich!). Dann kurz gewechselt. Dann wieder die Nomos. Nichts. Tja und so tickt sie heute, wie die letzten Tage auch, wieder an meinem Arm und das mit einer derzeitigen Gangabweichung von +3 Sek. am Tag. Ich trage sie nun nach Jahren endlich wieder mit sehr viel und diesmal auch langanhaltender Freude. Eine Revision erscheint mir derzeit sehr weit weg. Aber eins ist klar: Sollte sich die Geschichte wiederholen, dann kommt sie zum Uhrmacher - sofort.
Hier noch ein paar technische Daten, entliehen von der Nomos Website:
GEHÄUSE: Edelstahl, dreiteilig
Stahlboden
GLAS: Saphirglas
AUFZUG: Handaufzug
Durchmesser: 35,0 mm
Höhe: 6,2 mm
WASSERDICHTHEIT: 3 atm (spritzwassergeschützt)
ZIFFERBLATT: Galvanisiert, weiß versilbert
ZEIGER: Stahl, temperaturgebläut
BAND: Horween Genuine Shell Cordovan schwarz
Bandanstoß: 18 mm
WERK: Alpha Handaufzug
WERKHÖHE: 2,6 mm
DURCHMESSER: 10 ½ Linien (23,3 mm)
GANGRESERVE: Ca. 43 Stunden
RUBINE: 17
Und natürlich ein paar Fotos der Guten










und hier noch der obligatorische Wristshot

Vielen Dank fürs Lesen, ich weiß, es war viel Text, aber ich freue mich über jeden, der dabei geblieben ist (oder sich auch nur kurz die Fotos angeschaut hat
)
Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende!
Viele Grüße
JuelzHSV
heute möchte ich euch eine Uhr vorstellen, deren Vorstellung längst überfällig ist. Die Uhr, um die es geht, hätte es eigentlich schon früher verdient gehabt. Viel früher. Denn sie war meine erste.
Aber zurück zum Anfang.
Während meines Jurastudiums im Sommer 2014 entschloss ich mich - sehr zum Wohlgefallen meiner Eltern - dazu, in den kommenden Semesterferien, die Zeit, in der ich ausnahmsweise weder mit Hausarbeit schreiben, noch dem Ableisten der (regelmäßig unvergüteten) Pflichtpraktika beschäftigt war, zu nutzen, um mein erstes eigenes Geld zu verdienen. Einmal richtig malochen, auch wenn es nur ein Monat war. Hinsichtlich der Tätigkeit als solcher war ich nicht wählerisch, im Übrigen war die Auswahl an auf einen Monat begrenzten Vollzeittätigkeiten auch überschaubar. So bin ich damals über eine Zeitarbeitsfirma im Lager eines großen Outdoorbekleidungsgeschäfts im Nordosten Hamburgs gelandet, wo ich täglich von morgens bis Abends Retouren scannte und in den verschiedensten Regionen der überwältigend großen Lagerhalle einsortierte. Eine recht eintönige Tätigkeit, ja, aber ich hatte viele nette Kollegen, unter ihnen auch ein paar weitere Studenten, mit denen der Arbeitsalltag sehr angenehm verlief, wenngleich man natürlich unabhängig gearbeitet hat und nicht viel gequatscht wurde. Nach einiger Zeit hat mich mein Chef - freilich ohne einhergehende Gehaltserhöhung - zum "Vorarbeiter" befördert. Fortan durfte ich mehr organisatorische Aufgaben wahrnehmen, was mir sehr angenehm war und den Arbeitsalltag etwas vielseitiger gestaltete. So vergingen die Hamburger Herbsttage und es stellte sich mir die Frage, was ich mir von dem selbsterarbeiteten Geld gönnen sollte. Denn ich wollte mir etwas leisten. An sparen habe ich damals nicht gedacht, hatte ich doch das Glück, dass mir meine Eltern mein Studium und alles was dazugehört finanziert haben.
Aber was wollte ich mir leisten?
Ich würde mich als jemanden beschreiben, der - wie ich glaube auch die allermeisten hier in diesem Forum - die kleinen und feinen Dinge sehr zu schätzen weiß.
Das geht manchmal sogar so weit, dass ich neue Gebrauchsgegenstände so lange wie möglich nicht tragen/benutzen will, um sie nicht abzunutzen (völlig Irre, ich weiß). In jedem Fall behandle ich meine feineren Sachen sehr pfleglich.
Wenn ich schon so viel Geld in die Hand nehmen würde, dann sollte es etwas beständiges sein, etwas, was ich für den Rest meines Lebens haben würde. Recht schnell bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass eine mechanische Armbanduhr genau das, etwas besonderes, beständiges und vor allem etwas, was mich immer begleiten würde, zu sein vermochte. Ich begann also, mich etwas in das Thema der mechanischen Uhren einzulesen, allen voran mithilfe dieses tollen Forums.
Von all den wunderbaren Vorstellungen, Bildern und Beschreibungen überwältigt, war es natürlich nicht leicht, sich sofort zurecht zu finden. Ich wusste grob: Es sollte klassisch sein, vielseitig, langlebig und zeitlos. Es sollte in jedem Fall auch eine neue Uhr werden, Vintage war mir damals noch zu unsicher und ich fand den Gedanken schön, dass die Uhr zusammen mit mir altert. Bald bin ich auf Nomos und Stowa gestoßen, von denen mich die Tangente und die Antea KS sehr begeistert haben. Das versilberte Zifferblatt, die temperaturgebläuten Zeiger, einfach der Wahnsinn. Dann noch das Ritual des Handaufzugs, die besondere Verbindung zwischen Uhr und Träger. Beide dazu aus traditionsreichen Häusern (Stowa ja sogar noch "mehr" als Nomos). Der Entscheidungsprozess viel mir sehr schwer. Letztlich hat dann die Tangente gewonnen, das Zifferblatt fand ich einfach noch schöner proportioniert und die Handwerkskunst, die sich hinter dem Manufakturkaliber Alpha verbarg hat mich wahnsinnig fasziniert. Das war mir dann auch die paar hundert Euro mehr wert, dafür hatte ich ja gearbeitet. Ich wollte sie damals eigentlich mit Glasboden haben, um das schöne Werk auch jederzeit betrachten zu können. Das aber hätte das Budget dann doch gesprengt und ich wusste, dass man den Glasboden auch noch später einmal nachrüsten würde können. Heute bin ich mit der Entscheidung (die mir dadurch auch ein bisschen abgenommen wurde) sehr zufrieden.
So habe ich die Uhr kurz vor meinem Geburtstag beim Konzi, unweit von meinem Studienort, nach telefonischer Rücksprache anprobiert und war sofort hin und weg. Die Uhr schmiegte sich einfach nur so an das Handgelenk und hatte für mich die perfekte Größe. Mir wurde dann kurzerhand noch ein kleiner Barzahlungsrabatt zugesagt, also ab zum Automaten und Geld ziehen.
Es war dann schon ein komisches Gefühl, so viel Bargeld auf einmal auf den Tisch zu legen, aber ich weiß noch, wie ich mit einem riesigen Grinsen aus dem Laden raus und nach Hause gefahren bin. Die Dame vom Konzi hatte netterweise meinen wenige Tage entfernten Geburtstag als Kaufdatum in die Papiere eintragen lassen. Das war für mich das Tüpfelchen auf dem i.
So trug ich sie fortan in der Uni und in meiner Freizeit, zuckte jedes Mal zusammen, wenn ich sie gegen die viel zu knapp bemessenen Sitzgelegenheiten des Audimax stieß (das Saphirglas trug keinen Kratzer davon) und hatte meine Freude mit ihr.
Irgendwann ist es aber passiert. Sie ist stehen geblieben. Einfach so. Ich war mir sicher, dass ich sie wenige Stunden zuvor noch voll aufgezogen habe, zog die Krone, drückte sie wieder hinein und die Uhr lief wieder. Erleichterung. Dann blieb sie wieder stehen. Irgendetwas konnte nicht stimmen. Ich redete mir ein, das sei bestimmt eine einmalige Sache, oder zumindest von kurzer Dauer, würde sich aber schon wieder "einrenken". Ich wollte sie ungern wieder hergeben. Aber es renkte sich nicht wieder ein. Sie lief bei allmorgendlichem Aufzug immer für ein paar Tage, dann blieb sie plötzlich wieder stehen. Eine Uhr, die dann und wann stehen bleibt, erfüllt ihren grundlegenden Zweck leider überhaupt nicht, auch wenn sie - sofern sie denn lief - dies höchst präzise tat. Ohne damals eine Zeitwaage besessen zu haben, würde ich behaupten, maximal 2-3 Sekunden Vorlauf am Tag. Ich nahm mir vor, sie nun also doch einzuschicken, genügend Zeit hatte ich ja.
Das habe ich aber nie getan. Ich verviel gewissermaßen in "alte Muster" und beließ das Schätzchen, wenn sie schon nicht funktioniert, großteils in der Box, da könne sie sich ja schließlich auch nicht abnutzen (oh man...). Es vergingen tatsächlich Jahre(!) in denen ich sie höchstens alle paar Monate einmal aus der Box holte und sie dann wieder 1-2 Tage strahlend trug, als sie stehen blieb dies aber wieder resignierend zur Kenntnis nahm. Aus der Gewährleistung war ich längst raus, das war mir auch bewusst, ich hatte mir in der Zeit aber auch keine neue Uhr gekauft und habe das Hobby ziemlich aus den Augen verloren.
Irgendwann, es gab keinen besonderen Anlass, kam mir der Gedanke, mir noch eine Uhr zu kaufen. Diesmal etwas sportliches mit Stahlband, also ab ins UF (damals noch kein Mitglied) und auf die Suche gemacht. Es wurde eine Seiko "Sea Urchin" (heute einer meiner liebsten Hersteller), die ich irgendwann wieder habe ziehen lassen. Ab dann aber hatte mich das Fieber richtig gepackt, so dass ich mich (natürlich) irgendwann auch hier angemeldet habe. Mir war klar, dass die Tangente einen Uhrmacher sehen muss, aber das Geld habe ich dann lieber erstmal in andere Uhren gesteckt (die Tangente war ja schon bei mir). So kamen einige und gingen ein paar. Zwischendurch, ganz selten Mal , habe ich die Tangente wieder einmal angelegt, die ein paar Tage super lief, dann wieder urplötzlich stehen blieb. Ich liebte sie, aber konnte sie nie richtig genießen und unbeschwert tragen, da ich immer mit dem nächsten Stehenbleiben der Uhr rechnete. So fristete sie weiter ein Dasein in der Box. Vor ein paar Monaten habe ich mir dann gesagt: "Es reicht, du hast so viele schöne Uhren und die Tangente, deine erste, trägst du gar nicht mehr, dafür ist sie zu Schade". Ich hatte - ich mag es kaum aussprechen - sogar kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, sie zu verkaufen. Auf dem Höhepunkt meines Vintagetrips erschien sie mir auf einmal zu modern. Ich habe es (Gott sei Dank) nicht getan, ich glaube das hätte ich bitter bereut. Stattdessen habe ich mir - diesmal wirklich - fest vorgenommen, sie das nächste Mal, wenn etwas Geld übrig ist, dass ich sonst gegebenenfalls in eine neue Uhr gesteckt hätte, zum Uhrmacher zu geben.
Da ich sie wieder ein knappes Jahr nicht am Arm hatte, wollte ich das Ganze, bevor ich sie letztlich wegen dieses Defekts zur Revision gebe, noch ein letztes Mal überprüfen. Ich wollte sie tragen, und zwar so lange, bis sie wieder stehen bleibt. Ich brauchte Gewissheit.
Wie soll ich sagen, der Rest ist Geschichte. Ich weiß nicht, was es war, aber sie ist mir bis heute nicht wieder stehengeblieben. Und ich habe sie viel getragen, viel mehr als jemals zuvor. Zuvor blieb sie immer nach 2-3 Tagen stehen. Ich hatte sie zunächst eine Woche durchgehend am Arm (das war vorher nie möglich!). Dann kurz gewechselt. Dann wieder die Nomos. Nichts. Tja und so tickt sie heute, wie die letzten Tage auch, wieder an meinem Arm und das mit einer derzeitigen Gangabweichung von +3 Sek. am Tag. Ich trage sie nun nach Jahren endlich wieder mit sehr viel und diesmal auch langanhaltender Freude. Eine Revision erscheint mir derzeit sehr weit weg. Aber eins ist klar: Sollte sich die Geschichte wiederholen, dann kommt sie zum Uhrmacher - sofort.
Hier noch ein paar technische Daten, entliehen von der Nomos Website:
GEHÄUSE: Edelstahl, dreiteilig
Stahlboden
GLAS: Saphirglas
AUFZUG: Handaufzug
Durchmesser: 35,0 mm
Höhe: 6,2 mm
WASSERDICHTHEIT: 3 atm (spritzwassergeschützt)
ZIFFERBLATT: Galvanisiert, weiß versilbert
ZEIGER: Stahl, temperaturgebläut
BAND: Horween Genuine Shell Cordovan schwarz
Bandanstoß: 18 mm
WERK: Alpha Handaufzug
WERKHÖHE: 2,6 mm
DURCHMESSER: 10 ½ Linien (23,3 mm)
GANGRESERVE: Ca. 43 Stunden
RUBINE: 17
Und natürlich ein paar Fotos der Guten











und hier noch der obligatorische Wristshot


Vielen Dank fürs Lesen, ich weiß, es war viel Text, aber ich freue mich über jeden, der dabei geblieben ist (oder sich auch nur kurz die Fotos angeschaut hat

Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende!
Viele Grüße
JuelzHSV