katzora
Themenstarter

Hallo Uhrforum!
Ich bin nicht der Erste, der hierzulande die Uhr vorstellt, aber wenn man die zahlreichen (und teils kontroversen Meinungen und) Reviews im WUS und anderswo liest, ist das Interesse am Ocean-Rover potenziell auch hier groß genug?!





Aber noch einmal einen Schritt zurück: Ich weiß nicht, ob es auch anderen von Euch so geht, aber für mich das „Uhrending“ mein „Lieblingshobby“. Und ich habe in der Tat Angst, dass mich irgendwann die horologische Leidenschaft wieder verlässt.

Aber der Wunsch nach dem Original bleibt bestehen … trotzdem kann ich mich zum Kauf einer Sub aus o.g. Gründen nicht durchringen … könnte/wollte ich dann plötzlich nicht mehr zu anderen Uhern aus meiner Sammlung wechseln? Was mache ich mit den vielen vollen Uhrenkästen? Und was passiert, wenn ich mich an der Sub sattgesehen habe? Ihr seht schon, eine schwierige Sache, das mit diesen Lieblingsuhren.


Umso aufgeregter war ich, als ich in den US-Foren auf die Ocean-Rover von Ginault (bis dahin noch nie vorher gehört, auch wenn die Mikromarke schon seit ein paar Jahren still und heimlich existiert) aufmerksam wurde. Allem Anschein nach entsprach die Uhr nicht nur in vielen Details klassischen Rolex-Modellen (vor allem die Gehäusemaße), sie wies auch Qualitätsmerkmale auf, die man generell so nicht von Steinhart & Co. kannte (und schon gar nicht von anderen Micro Brands, die ihre fernöstlichen Uhren auf Kickstarter etc. feilbieten). Zum Glück stand eine US-Reise an, sodass ich mir um den internationalen Versand & Co. keine Gedanken machen musste – Ginault reagierte auf meine Anfrage prompt und ich hielt das gute Stück bereits wenige Tage später in Texas in der Hand. Und tatsächlich: Die Ocean-Rover hält, was der Hype verspricht!


Apropos Hype: Ginault wird auf WUS & Co. extrem kontrovers diskutiert. Zum einen erschreckt viele der stolze >$1,000-Preis [dazu weiter unten noch eine Anmerkung], zum anderen beschweren sich offensichtliche Patrioten über die Aussage „Made in America“. Aus der Sicht der meisten kritischen Foristen kann es gar nicht sein, dass eine kleine, unbekannte Firma mit dubioser Website es schafft, eine „Manufakturuhr“ einfach mal eben so in den USA zu fertigen – und nicht wie bei Micro Brands üblich bei asiatischen (oder seltener Schweizer) Auftragsfertigern. Ehrlich gesagt kann ich die Aufregung nicht ganz nachvollziehen: Mir ist es in Anbetracht der tatsächlichen Qualität relativ egal, woher die Einzelteile stammen (das weiß man bei den allermeisten Markern-Herstellern ja auch nicht – in CH bzw. DE ist die Definition des Herkunftslandes ohnehin weitaus laxer) – und solange niemand das Gegenteil beweist, will ich Ginault gerne glauben, dass sie durch smarte Planung geschafft haben, was Anderen nicht gelungen ist. Ob die teils blumigen Produktbeschreibungen auf der Ginault-Website unbedingt die Wahrhaftigkeit der Ansagen unterstützen („Gold-Sand-Lume“, „Korundglas“ u.ä.), sei freilich dahingestellt … wer also Spaß an diversen Verschwörungstheorien hat, wird in den vielen Ginault-Threads auf US-Seiten mehr als fündig! Mehr Details erspare ich Euch und mir hier.

Zurück zum eigentlichen Objekt der Begierde: Der Lieferumfang ist sehr solide – die schmucke braune Kunstleder-Box mit Ginault-Logo macht einen guten Eindruck und die Dreingabe des Schraubendrehers für das Band finde ich sehr angenehm. Besonders toll ist freilich die beiliegende Bestätigung, dass die Ocean-Rover bzw. das Werk „Calibre 7275“ (ein 2824-2-Klon) zuvor über sechs Wochen in sechs Lagen reguliert wurde – das perfekte Gangverhalten auf COSC-Niveau (+2 sec/d) bestätigen viele WUS-Foristen aus der Tragepraxis, mir ist zumindest in den ersten Tagen auch bei meiner Uhr nichts negativ aufgefallen, ich bin aber auch kein Funkuhrenabgleichfetischist … angeblich ist das Werk übrigens gegenüber einem Standard-2824-2 qualitativ mit hochwertigeren Zahnrädern („GC31“-Legierung?) etc. ausgestattet – die Spirale stammt übrigens nicht aus den USA, sondern wohl von Nivarox. Das US-Werk übertrifft zudem die Standard-Kraftreserve um ganze 5 Stunden Gangautonomie.

Bevor man die Uhr zum ersten Mal aus der schmucken – innen edel crémfarbenen – Box heraus manövriert (um selbige zunächst von zahlreichen Schutzfolien zu befreien), fällt einem sofort das Ziffernblatt ins Auge: Super sattes hochglänzendes Emailschwarz mit perfekt gesetzten und polierten „Maxi“-Indizes wird durch die sandfarbene Lume (Ginault nennt selbige „Goldsand“) farblich ergänzt. Dazu macht die „goldige“ Lume im Vergleich mit dem matten, gelblichen „Old Radium“ anderer Uhren einen deutlich frischeren Eindruck und unterstützt mit den subtilen Reflexen die spiegelnde Strahlkraft des Ziffernblatts.

Auch die Zeiger sind allesamt perfekt poliert – bis auf die Sekunde, selbige setzt mit dem Kaminrot einen tollen Kontrast zum Rest. Ginault verzichtet (was mir persönlich übrigens gut gefällt) nicht auf ähnlich viel Text wie bei den aktuellen Rolex-Tauchern – man bedient sich auch inhaltlich eindeutig am Vorbild und findet ebenso reißerische Worthülsen wie das große Vorbild aus Genf. Zum Glück ist auch die Druckqualität sehr gut – selbiges gilt freilich auch für das ebenfalls gedruckte Logomotiv (die stilisierte Blüte). Klar, der ein oder andere wird verächtlich auf die Tudor-Rose verweisen, aber auch gerade deshalb finde ich das Ginault-Logo passend. Apropos Inspiration: Der Hersteller verweist auf seiner Webseite eindeutig auf die „Designeinflüsse“ – man kann also zumindest nicht unterstellen, dass Interessenten dies verheimlicht wird.
In Sachen Nachtsichtbarkeit macht sich o.g. „Goldsand“ übrigens sehr gut – Ginault verweist auf ähnliche Leuchtkraft wie C3-Lume – im Selbsttest auf dem Nachttisch hielt die Ocean-Rover über 10 Stunden durch, was ich recht solide finde. In den ersten paar Minuten nach einem Sonnenbad glüht das Ziffernblatt in beeindruckend giftigem Grün (auf meinem Foto sieht es fast blau aus – sorry).

Ginault nannte es zunächst Korundglas – ganz im Stil des Goldsands: Über dem Ziffernblatt thront der gewölbte kristallklare Saphir (Infos über eine Entspiegelung habe ich keine gefunden – aber da ist wohl auch keine) in Anlehnung an die klassischen Plexis. Das Glas schaut übrigens fast 1 mm über die Lünette heraus, ist dort aber sauber rund abgeschliffen - es bleibt also kein Hemd o.ä. hängen.

Um das Ziffernblatt herum befindet sich die klassische bedruckte Alulünette mit einer passend zur Ziffernblatt-Lume gefärbten Perle auf 12 Uhr – angeblich entsprechen Größe und Aufbau dem Original, sodass man bei Bedarf wohl auch auf „Aftermarket“-16610-Teile zurückgreifen kann (auf WUS gibt es schon die ersten Mods zu sehen). Die Lünetten-Zähne sind übrigens auch perfekt gefertigt – seitlich gebürstet und oben auf Hochglanz poliert. Bei der Lünette handelt es sich wohl um eine „Push-Down“-Variante, die sich allerdings auch ohne Druck angenehm gegen den Uhrzeigersinn drehen lässt und dabei sauber rastet. Das Spiel ist minimal – trotz besagter „Drucktechnik“.

Das Hauptgehäuse aus 316L-Stahl (und nicht 904L) selbst basiert ebenso wie die 40-mm-Lünette anscheinend 1:1 auf klassischen Submariner-Abmessungen (vor dem aktuell dicken Keramik-Sub-Gehäuse) – gleiches gilt für das Finishing: Die Seiten sind makellos poliert, während die schlanken Hörner diagonal gebürstet sind. Auch fantastisch: Der schmale polierte Übergang zwischen der gebürsteten Front und den Seiten.

Die wuchtige, (sauber) verschraubte Krone ist für mich eines der Ocean-Rover-Highlights mit der toll polierten Ginault-Blüte. Geschützt wird selbige durch schmale „Crownguards“. Auf der Rückseite geht es kronentypisch recht langweilig zu – auf den ersten Ocean-Rover-Modellen war noch ein wenig Text (u.a. „Made in America“) im Kreis zu lesen wie bei den allerersten Subs – bei meiner Version ist lediglich auf dem Schraubdeckel noch Ginault und die Serien- oder Artikelnummer (?) eingraviert. Potenziell musste der Hersteller nach den „Made-in-America“-Protesten dies ändern. Freilich passt mein Bergeon-Werkzeug (No. 5) perfekt auf den Schraubdeckel – geöffnet habe ich die Uhr trotzdem nicht, deshalb müsst Ihr auf Werksbilder verzichten … das möge man mir verzeihen. Schließlich will ich nicht riskieren, dass das auf 300 m getestete (?) Gehäuse am Ende nicht mehr „ganz dicht“ ist, auch wenn ich ehrlich gesagt in den Pool oder das Meer ohnehin immer nur meine Orient Mako mitnehme …


Bleibt noch das Band – und selbiges ist ebenfalls ein kontroverses Highlight: Das Vorbild war nämlich nicht das (aus meiner ketzerischen Sicht) etwas klapprige (aber angenehme) klassische Band mit „Blechfaltschließe“, sondern die aktuelle Version der 116610-Subs mit dem famosen „Glide-Lock“-Mechanismus. Leider ist die Schließe nicht signiert, was aber freilich der Funktionalität in keinster Weise Abbruch tut. Die Anstöße am Gehäuse sind absolut perfekt gemacht – und die einzelnen Glieder schmiegen sich an das Handgelenk.

Und mein Fazit nach ein paar Tagen: Tatsächlich fühlt sich die Ginault Ocean-Rover 181070GSLN extrem wertig an – in Sachen Optik und Haptik kann es der US-Taucher aus meiner Sicht fraglos mit vielen mittelpreisigen Uhren aus der Schweiz bzw. Deutschland ohne weiteres aufnehmen. Designtechnisch ist die Uhr ein gelungenes Sammelsurium diverser Submariner-Varianten – die coolen „Milsub“-Zeiger treffen auf ein Ziffernblatt, dass an die letzten 16610-Versionen angelehnt ist, das schlanke Klassik-Gehäuse hängt an einem modernen Band. Garniert wird das Ganze mit einem roten Sekundezeiger (à la YM), den sich Rolex bei der Sub wohl nie getraut hat, der aber bei vielen Moddern sehr beliebt ist.
Der Tragekomfort (kein Wunder) ist für mich über jeden Zweifel erhaben – schlussendlich ist die Ocean-Rover sehr nah am Original, das seit Jahrzehnten perfektioniert wird. Mit 40 mm ist die Uhr zudem an meinem 17-cm-Handgelenk sehr angenehm zu tragen – auch wenn ich mich bspw. an die 2 mm größeren Steinharts gewöhnt habe, empfinde ich das kleinere, schlanke Gehäuse (bspw. auch im Vergleich zur Black Bay) als perfekt – zumal die Uhr sicherlich nicht „zu unmännlich“ ist mit ~48 mm Länge von Hornspitze zu Hornspitze.
Auf der Suche nach der perfekten Sub-Hommage bin ich mit der Ginault-Uhr potenziell am Ziel angekommen – jeder weitere Schritt wäre wohl schon eine Rolex-Replica. Mir ist klar, dass vielen Kronenfans die Ocean-Rover schon viel zu nahe am Original dran ist, aber für die mindestens ebenso zahlreichen Hommage-Fans dürfte die Uhr zumindest eine fantastische Alternative zu Steinhart, Davosa, Squale etc. sein.

Apropos: Ein Blick auf die Ginault-Webseite lohnt sich – denn dort sind noch zwei weitere Ocean-Rover-Varianten zu finden. Eine klassische Version mit weißer Lume, kleinen Indizes und Datumslupe. Und eine Version mit Datum (aber ohne Lupe – à la Sea Dweller), Gold-Sand-Lume und ebenfalls kleine Indizes. Irgendwo habe ich auch von einer möglichen „LV“-Version gelesen, die eventuell demnächst noch kommt.
Jetzt noch ein Hinweis in eigener Sache: Anfang 2017 konnte man Ocean-Rover-Uhren zum halben Preis erstehen – wenn man im Gegenzug verspricht, die Uhr „im Internet“ anderen Uhrenfreunden vorzustellen. Trotzdem habe ich freilich über $600 für das Modell 181070GSLN selbst bezahlt – meine Meinung ist von dem Discount in keiner Weise beeinflusst – ich hätte wohl auch den vollen Preis bezahlt … aber ganz wohl wäre mir nicht gewesen. Dabei geht es mir weniger um das Preis-Leistungsverhältnis, das ich auch beim doppelten Preis noch angemessen finde (wenn Ginault nicht bei den Features schummelt). Mein Problem wäre dann eher die Tatsache, dass man nicht weiß, ob eine Mini-Firma wie Ginault bspw. das Garantieversprechen überhaupt einlösen könnte. Ersatzteiltechnisch sollte es zu keinen großen Problemen kommen – zumindest wenn in den Ocean-Rover-Uhren tatsächlich ein 2814-2-Klon tickt und andere Lünetteneinlagen passen etc.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich finde meine Ocean-Rover toll – Hommage hin oder her. Die Uhr ist klasse fabriziert und das Werk einwandfrei reguliert. Wo gibt es denn sonst sowas für diesen Preis? Aktuell verlässt die Gute zumindest mein Handgelenk nicht!

Danke fürs Interesse,
Frank
Und hier die technischen Details im Überblick (Herstellerangaben):
OCEAN-ROVER 181070GSLN
- Uhrwerk: Ginault Caliber 7275 (ETA 2824-2-Clone), Gangreserve min. 38 Stunden (mein Werk ~43 Stunden) – in sechs Lagen sechs Wochen lang reguliert
- Gehäuse: 316L Edelstahl, “Casing Reference #1800”, 40mm Durchmesser, 120-Klicks-Lünette [einseitig] mit Alueinlage, 300 m (ISO 6425 Taucheruhr)
- Glas: Korund, gewölbt (Saphirglas – wohl ohne AR), 30,4 mm Durchmesser
- Band: (Bracelet Reference #94530G), Anstoßbreite 20 mm, Edelstahl 316L, „Glide-Lock“-inspirierte (…) Faltschließe (18 mm)
- Gesamtgewicht: 143 g (Uhr und Stahlband)
- „Hand Built in America“ – Gehäuse, Werk, Band …
... und zwei habe ich noch:



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