Neues Leben für eine KUNDO-Magnetpendeluhr (EM1000)

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Der Stromer

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Da fragte ein Besitzer einer KUNDO Magnetpendeluhr an, ob ich ihm helfen könnte. Hm, na ja, ich bin ja fast immer bereit zu Helfen. Also warum nicht?

Meine Frage: Was für ein Problem hat denn Ihre Uhr? Antwort: Wenn ich das Pendel anstoße, dann läuft die Uhr kurze Zeit und bleibt dann stehen. Batterie habe ich schon ersetzt. Was kann ich noch machen?
Nach der 2. Mail war klar, die Spule will nicht so, wie die Uhr wohl will:wand:.

Der Bekannte hat dann die Spule ausgebaut und mit zugeschickt. Hier nun das Ergebnis:

Wie man auf den Bildern sehen kann, sind einige Stellen vom Grünspan angegriffen.

20230201-Gruenspan-1.jpg

20230201-Gruenspan-2.jpg

Was ist nun eigentlich "Grünspan"? Es gibt 2 Arten von "Kupferrost", die sich kaum unterscheiden. Hier mal ein Zitat aus den Netz:

Echter Grünspan entsteht durch Korrosion auf Objekten aus Kupfer oder Messing, weshalb von Grünspan auch nur Kupfer- und Messinggegenstände betroffen sind. Die wissenschaftliche Bezeichnung Kupfer(III)-acetat bzw. Kupferacetat ist deshalb sehr zutreffend.

Zitat Ende.

Der "harmlose" Grünspan ist der, der sich unter dem Einfluss unserer Atmosphäre auf Kupferdächern und so bildet. Das ist "Edelrost" und hat eine andere Chemische Zusammensetzung.

Also Kupfer(III)-acetat ist der Übeltäter! denn die Spule ist ja mit Kupferlackdraht 0,07 mm gewickelt. Aber wie kommt der Grünspan da in die Spule rein? Nach meiner Erfahrung liegt das an der Herstellung der Lötstellen in der Spule. Wie Jedermann ja weiß, benötigt man beim Löten mit Lötzinn ein Flußmittel, dass eine metallische Verbindung zweier Werkstoffe ermöglicht - sonst "kalte Lötstelle" und Unterbrechung. Und eben ein Bestandteil dieser früher verwendeten Flußmittel ist am Grünspan schuld! Denn als Entfettungsmittel wurde Säure eingesetzt. Und das gerade an schon blanken Stellen am Kupferdraht! Diese Säure arbeitet nun wie ein Amtsschimmel: Langsam, aber ständig! Und so kommt es, wie es kommen muss: Nach Jahrzehnten - wirklich Jahrzehnten - ist dann der Draht (oder die Drähte) an der betroffenen Stelle zerfressen. Und nun das ganz Fiese: Dieser Kupferrost ist manchmal elektrisch leitend! Nähmlich bei hoher Luftfeuchtigkeit. Dann arbeitet die Spule zeitweis noch wie sie es soll. Wird die Luft trockner, wird auch der Widerstand der zerfressenen Stelle höher und höher, bis eben eine Unterbrechung den Stromfluss verhindert.

Da bleibt dann nur ein Weg: Spule neu wickeln. Denn diese Spulen gibt es natürlich nicht mehr. Aus diesem Grund habe ich mir vor einigen Jahren eine Trafowickelmaschine zugelegt und diese so modifiziert, dass sie dünne Drähte wickeln kann. Denn der CUL, der gewickelt werden muss, hat einen Durchmesser von 0,063 mm. Ein menschliches Haar ist in der Regel zwischen 0,05 und 0,08 mm im Durchmesser.

Zur Spule selbst:
Kieninger & Obergfell war die erste Firma in Deutschland, die einen Magnetpemdelantrieb mit einem Transistor als Schalter 1953 auf den Markt brachte.

Zur Erinnerung: Der Transistor wurde erst 1948 von den Bell-Laboratories in USA entwickelt und vorgestellt. 5 Jahre später schon eine kommerzielle Anwendung in der Uhrenindustrie im Nachkriegsdeutschland!

Das Werk bekam den Namen EM1000 - ElektroMagnetisch 1000 Tage - da eine Batterie LR14, 1,5 Volt eben dieses Werk mindestens 1000 Tage betreiben konnte.
Hier mal die Schaltung, die IN der Spule realisiert ist:

Schaltung-1-Transistor.jpg

Im Spulengehäuse hat man schon damals alle Bauteile, die zur Funktion dieses Antriebes notwendig sind, untergebracht: 1 Widerstand, 1 Transistor und zwei Spulen.

1254-Bauteile.jpg

Der Transistor MUSS ein Germanium PNP - Transistor sein. Der Widerstand hat um die 5 k Ohm, er ist parallel zur Arbeitsspule geschaltet und dient zur Dämpfung, da die Schaltung zum Schwingen neigt.

Die unterste Wicklung ist die Sensorspule. 5000 Windungen CUL 0,063mm, darüber die Arbeitsspule mit 3600 Windungen auch 0,063 CUL. Das ganze steckt in einem verbördelten Messinggehäuse (die alten Varianten haben noch verschraubte Gehäuse, so bis ca. 1956). Die Kunst ist jetzt, das Gehäuse so zu öffnen, dass es nicht unbrauchbar wir. Aber das habe ich schon gelernt, wie das geht:klatsch:.

Als Erstes also das Gehäuse öffnen. Dann den alten Kupferdraht vom Kern runterschneiden (Abwickeln geht nicht). Den Kern auf die Wickelmaschine und los gehts. Erst die Sensorspule, die Anschlüsse herstellen, dann die Arbeitsspule, Anschlüsse Herstellen und die Bauteile wieder verdrahten. Dann Test der neuen Spule



Test der neuen Spulen. Pro Schaltzyklus ca. 180 µA, im Mittel also ca 50 - 80 µA - bringt eine Lebensdauer einer LR14 von über 4 Jahren.

und zum Abschluß das Gehäuse wieder anbringen.

3882 Arbeitsspule 2 Tr Extern.jpg

Habe fertig! :klatsch:

Jetzt läuft die KUNDO wieder und sicherlich auch länger, denn ich verwende Lötzinn OHNE säurehaltige Flussmittel!:winken:
 

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Klasse Beitrag Rolf-Dieter und Du wirst Deinem Nick-Name klar gerecht :super:
 
  • Neues Leben für eine KUNDO-Magnetpendeluhr (EM1000) Beitrag #3
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Sehr schön, wie du mit Kenntnis und Liebe zur Sache die Probleme löst. Chapeau!
 
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Steven Rogers Capt

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Toller, lehrreicher Bericht. Gibt es Fotos vom wickeln der Spule bzw. der Wickelmaschine?
Hab neulich in einem yt Video was gesehen was eine solche sein könnte, mit Zähler glaube ich für die Wicklungen.
 
  • Neues Leben für eine KUNDO-Magnetpendeluhr (EM1000) Beitrag #7
sirtaifun

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Wahnsinn!
Ich lupfe virtuell meinen Hut :super:
 
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Der Stromer

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Vielen Dank für den Zuspruch. :klatsch:

Hier nun ein paar Bilder der Version 2.2

Das Maschinchen soll keinen Schönheitswettbewerb gewinnen! :motz:

IMG_1265.jpg
Die Spule dient hier nur zur Demonstration. Gewickelt ist schon alles, jetzt wird noch verdrahtet und ab ins Gehäuse.

Daher das eher "Rustikale" Aussehen und das nich vorhandene Gehäuse.
Veränderungen zur Vers. 2.0 sind hauptsächlich der Einbau einer Stabilisierungsschaltung für die Motorsteuerung. Diese bietet nun die Möglichkeit, stufenlos die Drehzahl zu verstellen und der Drahtstärke an zu passen (max. Drehzahl am Wickel 680 Umdrehungen), mehr "verträgt" der Mikro, der das Ganze steuert, nicht und verzählt sich. Das könnte man sicher noch ändern, ich bin aber der Meinung, schneller muss nicht. Bin ja Rentner 8-) !
Weiter wurden die Endschalter für die Wickelbreite auf Gewindestangen geführt und erlauben nun eine Anpassung an den Spulenkörper, ohne sich die Finger verrencken zu müssen. Ist jetzt für einen Grobmotoriker wie mich viel besser zum Einstellen!
Zwei Taster ermöglichen es, den Drahtleger auch zwischendurch nach rechts oder links zu verfahren.

Auch die Drahtführung wurde geändert: das Rädergewirr wurde durch Messingröhrchen - zwei neben einander für Doppelspulen - ersetzt und auch für die Drahtabnahme hatte ich eine bessere Idee: Der Draht wird jetzt von der Haspel "über Kopf" abgezogen. Das geht viel besser und natürlich kann die Haspel nicht mehr wie bei Version 2.0 Nachlaufen und für Drahtverwirrung sorgen.

1266-Aufnahme.jpg
Links oben die Motorsteuerung, auch Rückwärts ist jetzt möglich! Und in der Mitte der "Drahtleger" aus den Messingröhrchen. Es ist möglich, zwei Wicklungen auf einen Spulenkörper in einem Arbeitgang zu wickeln.

Für sehr breite Spulenkörper gibt es nun eine Spitzenführung. Habe ich aber erst 2 x eingesetzt.

Ach, und noch etwas:
Die Soll-Drahtstärke wird eingegeben (Fernbedienung) und steuert über einen Schrittmotor den Abstand der Windungen.
Die Soll-Windungszahl wird ebenfalls mit der Fernbedienung eingestellt und bei erreichen wird der Wickelantrieb sanft angehalten.

Mit einem Schalter wird der Wickelvorgang ein- oder ausgeschaltet, er kann auch mittendrin unterbrochen werden, um z.B. Korreckturen vornehmen zu können.

1267-Antrieb.jpg
Das Display mit den wichtigsten Daten. Drahtstärke und Windungszahl.
 
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Danke für den Nachschlag. Faszinierend was manche können! :super:
 
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Der Stromer

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Na ja, wie geschrieben. Die Maschine eigentlich ist ja nicht auf meinem Mi... Äh, Werktisch gewachsen. Der Hans Borngräber wars. Ich habe sie ja nur angepasst und es hat funktioniert!
 
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Danke für's zeigen, super Gerät!
 
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Mein lieber Rolf-Dieter,
leider bin ich aus Zeitmangel schon länger nicht mehr in diesem Faden gewesen und konnte soeben feststellen, daß Du immer noch Deine faszinierenden und lehrreichen Berichte schreibst. Ich hoffe, daß das auch so bleibt!
Allerdings kann ich mit den "elektrischen" Berichten meistens nicht so viel anfangen. Bin halt diesbzgl. nicht so bewandert. Da kann ich eher bei den "mechanischen" Berichten viel nachvollziehen.
Übrigens funktioniert meine Dir bekannte Jahresuhr immer noch hervorragend!
Liebe Grüße und bleib gesund.
Stephan
 
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