
Moonshiner
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Mein Kampf gegen die Waage: Weishi MTG-1900 vs Seiko SNZH53K1
Eine etwas andere Uhrenvorstellung.
Vorgeschichte (kann durchaus übersprungen werden):
Nach einer Ausbildung in einem technischen Beruf, einem vierjährigen Einsatz bei der Fernmelde-Truppe von Ypsilon-Reisen („Wir buchen – Sie fluchen!“), mittlerweile knapp dreißig Jahren als Service Engineer im Außendienst und einiger Zeit amateurhaftem Schrauben an einem ziemlich alten Auto kann ich wohl behaupten, dass ich, was technische Problemlösungen, angeht nicht ganz unbeleckt bin.
Trotz der gesammelten Schraubererfahrung bin ich aber nicht so überheblich, mich als Crack in allen Bereichen bezeichnen zu wollen, tatsächlich habe ich von der Funktionsweise mechanischer Uhren nämlich nicht die geringste Ahnung. Um das zu ändern habe ich mir in der Bucht das im Callwey Verlag erschienene und von Klaus Menny geschriebene Buch „Die Funktion der Uhr“ geschossen. In dem Buch wird zunächst anhand einer Großuhr die Funktionsweise von Uhren erklärt – sicher ist die dort beschriebene eher grobe Technik etwas anderes als die filigrane einer Armbanduhr, aber um einem – Wie heißt das auf Neudeutsch so schön? – Noob einen Einstieg zu bieten, erscheint es mir als gar nicht so übel.
Ungefähr zeitgleich mit dem Buch fand auch eine Zeitwaage ihren Weg zu mir. Es ist eine preiswerte chinesische Weishi MTG-1900, mit der ich das Gangverhalten meiner Uhren kontrollieren und meine ersten Schritte beim Einregulieren einer extra dafür angeschafften Uhr überwachen wollte ohne auf die dabei erzielten Ergebnisse ewig warten zu müssen.
Fehlt also nur noch eine Uhr, die die Rolle als Opferanode spielen soll.
Da der Lottogewinn mit schöner Regelmäßigkeit ausbleibt und das Risiko besteht, dass die Uhr bei meinen Trial & Error Versuchen ex geht, wird dafür keine meiner vergleichsweise teuren Schweizer eingesetzt, sondern eine Neuanschaffung. Grundbedingungen für diese Neuanschaffung gab es selbstverständlich auch:
Die Uhr…
… ist dann die optische Anleihen an der Blancpain Fifty Fathoms nehmende Seiko „Glossy Five“ geworden. Die optische Nähe zur Blancpain beschert der Seiko häufig das zweifelhafte Schicksal, in eine „Fifty-Five Fathoms“ verwandelt zu werden, aber darum soll es hier nicht gehen.
Konkret wurde es die SNZH53K1 mit blauem und Sonnenschliff versehenen Zifferblatt und der blauen Lunette, die ich hier im Marktplatz fand. Genauer gesagt fand die Uhr mich, ein freundlicher Member antwortete auf mein Gesuch und überließ mir die Seiko zu einem akzeptablen Preis und der Versicherung, dass ihn kein zu starkes emotionales Verhältnis mit der Uhr verbindet und er mich nicht killt, wenn ich selbiges mit „seiner“ Uhr mache.
Die Seiko wurde laut Seriennummer und der deutsch-englischen Wochentagsscheibe im September 2013 für den deutschsprachigen Markt hergestellt, sie kam „nackig“ zu mir, also ohne Box und Papiere, dafür aber mit allen Bandgliedern, den üblichen Gebrauchsspuren und ein paar Kratzern in Gehäuse und Glas.
Gehäuse:
Material: satiniertes und poliertes Edelstahl
Glas: Hardlex® (gehärtetes Mineralglas)
Gehäuseboden: verschraubter Sichtboden, Hardlex® (gehärtetes Mineralglas)
Abmessungen: Ø 42.00 mm, Höhe: 14.00 mm, Bandanstoßbreite: 22.00 mm, Länge (über die Hörner gemessen): 48.00 mm
Wasserdichtigkeit: wasserdicht bis zu einem Druck von 10 bar (100 m)
Eigenschaften: außen liegende Taucherlunette aus Stahl mit Plexiglas Inlay, einseitig drehbar; signierte Aufzugskrone bei 3 Uhr
Zifferblatt und Zeiger:
Farbe: Blau mit Sonnenschliff, polierte Zeiger
Stundenskala: aufgesetzte Indices, poliert und mit LumiBrite® belegt, aufgedruckte Minuterie
Tages- und Datumsanzeige bei 3 Uhr
Zeiger: polierte Zeiger, mit LumiBrite® belegt
Uhrwerk und Funktionen:
Kaliber: Seiko 7S36C, mechanisches Uhrwerk mit Automatikaufzug, Frequenz von 21.600 Halbschwingungen pro Stunde bei einer Gangreserve von ca. 41 Stunden, 23 Lagersteine
Funktion: Stunden, Minuten, Sekunden, Tag und Datum
Armband:
Material: satiniertes und poliertes Edelstahl
Farbe: Silber
Schließe: signierte Sicherheitsfaltschließe aus Edelstahl mit Sicherungsbügel
Bild 10
Trial & Error – los geht’s:
Möglicherweise werden die Fachleute und erfahrenen Hobby-Uhrmacher ob meiner Vorgehensweise nah an einen Nervenzusammenbruch kommen oder wenigstens die Hände über dem Kopf zusammen schlagen, mir aber erscheint es gar nicht so abwegig, denn ich will ja erst einmal wissen: Was passiert wenn?
Bevor die Seiko zum ersten Mal auf die Waage kommt, wird sie zunächst ordentlich durchgeschüttelt und anschließend 72 Stunden am Stück getragen. Das soll gewährleisten, dass die Uhr, die ja nicht per Hand aufgezogen werden kann, vollständig aufgezogen ist.
Eingangsmessung:
Ohne irgendwelche weiteren Maßnahmen kommt die Seiko jetzt auf die Waage.
In Position „Krone rechts“ ergibt sich folgendes Bild:
Rate: 0 sec/d
Amplitude: 208°
Beat Error: 3.9 ms
„Krone links“:
Rate: –6 sec/d
Amplitude: 199°
Beat Error: 4.7 ms
„Krone unten“:
Rate: –24 sec/d
Amplitude: 195°
Beat Error: 4.8 ms
„Krone oben“:
Rate: +9.0 sec/d
Amplitude: 206°
Beat Error: 4.3 ms
„Zifferblatt oben“:
Rate: 0 sec/d
Amplitude: 226°
Beat Error: 4.4 ms
„Zifferblatt unten“.
Rate: +19 sec/d
Amplitude: 204°
Beat Error: 4.8 ms
Bild 11
Meiner amateurhaften Meinung nach sind das für ein 7S36C Uhrwerk gar nicht mal so schlechte Werte. In der Praxis, das heißt getragen liegt die mittlere Gangabweichung bei mir bei etwa –4 Sekunden am Tag – das kenne ich sowohl von Seikos 7S36 als auch von den 4R35/36 Uhrwerken deutlich schlechter. Helfen wird’s der Glossy Five letztendlich aber nicht, hier wird auf jeden Fall justiert.
Nachdem die Startwerte jetzt fixiert sind, heißt es: „Botz eraf, Señor!“
Also den Boden abgeschraubt und munter an den Rückern herumgeschoben.
Zuvor aber noch zwei Anmerkungen: Seiko-Freunde, gelernte Uhrmacher und ambitionierte Uhrenbastler sollten an dieser Stelle besser den Faden verlassen und nicht mehr weiterlesen und weil es sonst zu lange dauert, werden nur noch die Messwerte für „Zifferblatt oben“ schriftlich erfasst.
Um einmal zu sehen, was passiert und wie stark sich meine Aktionen auswirken, schiebe ich den Rücker erst einmal nicht zaghaft in die entsprechenden Richtungen. Da der Rücker ziemlich weit in Richtung „Plus“ steht, stelle ich ihn einfach mal in die Mittelposition. Das Ergebnis zeigt sich mehr als deutlich auf dem Display der Weishi, während die Amplitude und der Abfallfehler annähernd gleich bleiben, verändern sich die Gangwerte radikal: Waren es vor meinem Eingriff noch 0 sec/d sind es jetzt –216 sec/d – klar ist somit, dass hier gilt: „Wenig Weg macht viele Meilen“.
Ich versuche also, den Rücker wieder annähernd in die Ausgangsstellung zurück zu bringen. Das klappt erstaunlich gut, schon im zweiten Versuch bin ich da:
Rate: 0 sec/d
Amplitude: 225°
Beat Error: 4.4 ms
… aber im Bereich der Unruh ist ja noch so ein Rückerhebel, korrekt heißt er wohl Spiralklötzchenträger, mit ihm kann man den Abfallfehler einstellen.
Die Justage hier ist etwas problematischer, in den diversen Foren wird dem Amateur deutlich davon abgeraten hier rumzufummeln.
Da die Seiko aber ohnehin als Opfer vorgesehen ist und meine Bastelei nicht unbedingt überleben muss, gehe ich auch hier mutig ans Werk. Der Spiralklötzchenträger hat leider keine Markierungen, von daher wird es am Ende wohl schwieriger, die Grundposition wieder zu finden. Trotzdem bekommt er von mir zunächst einmal einen leichten Schubs nach links, also gegen den Uhrzeigersinn. Leider fällt dieser Schubs etwas kräftiger aus als gewollt, nicht tragisch, aber ich will beim nächsten Versuch vorsichtiger sein. Die Weishi zeigt jetzt schlechtere Gangwerte, die Amplitude bleibt gleich, die tägliche Abweichung verändert sich auf –28 Sekunden, das war aber zu erwarten, und der Abfallfehler springt auf 8.6 Millisekunden. Ergo: Falsche Richtung und zu kräftig.
In den nächsten drei Versuchen geht’s rechts rum, vorsichtiger diesmal mit den Ergebnissen 4.8 ms, 2.6 ms und 0.9 ms.
Danach musste ich noch ein paarmal an den Rücker um die Gangwerte auf ein erträgliches Maß zu bringen.
Das Ende vom Lied:
Nachdem die Dichtung neu eingefettet, der Boden wieder aufgeschraubt und das Band montiert war ergaben sich folgende Werte:
„Krone rechts“:
Rate: +17 sec/d
Amplitude: 220°
Beat Error: 0.9 ms
„Krone links“:
Rate: +2 sec/d
Amplitude: 228°
Beat Error: 1.3 ms
„Krone unten“:
Rate: +14 sec/d
Amplitude: 231°
Beat Error: 1.3 ms
„Krone oben“:
Rate: +21 sec/d
Amplitude: 207°
Beat Error: 1.1 ms
„Zifferblatt oben“:
Rate: +1 sec/d
Amplitude: 239°
Beat Error: 1.0 ms
„Zifferblatt unten“.
Rate: +6 sec/d
Amplitude: 231°
Beat Error: 1.1 ms
Fazit:
Mein Versuch hat die Seiko nicht gekillt.
Er hat aber teilweise deutliche Änderungen der Gangwerte und eine Reduzierung des Abfallfehlers gebracht und auch wenn das Einregulieren ziemlich aufwändig ist, zumindest, wenn man so laienhaft durchführt wie ich es getan habe, so hat es doch auch Spaß gemacht. Ob sich die Gangwerte im Alltag durch meinen Eingriff zum Guten oder zum Schlechten geändert haben und ob ich mich irgendwann einmal an die Regulierung meiner teureren Schweizer Uhren wage, wird die Zeit zeigen. Die für dieses Experiment mißbrauchte Opferanode muss jetzt noch ihre Alltagsleistung erweisen, welches Schicksal sie dann ereilen wird, weiß ich noch nicht…
Post Scriptum:
Ich hoffe, dass sich niemand durch den Titel dieser Vorstellung irregeführt vorkommt, weil er die Beschreibung einer neuen Diät erwartet hat…
Eine etwas andere Uhrenvorstellung.
Vorgeschichte (kann durchaus übersprungen werden):
Nach einer Ausbildung in einem technischen Beruf, einem vierjährigen Einsatz bei der Fernmelde-Truppe von Ypsilon-Reisen („Wir buchen – Sie fluchen!“), mittlerweile knapp dreißig Jahren als Service Engineer im Außendienst und einiger Zeit amateurhaftem Schrauben an einem ziemlich alten Auto kann ich wohl behaupten, dass ich, was technische Problemlösungen, angeht nicht ganz unbeleckt bin.
Trotz der gesammelten Schraubererfahrung bin ich aber nicht so überheblich, mich als Crack in allen Bereichen bezeichnen zu wollen, tatsächlich habe ich von der Funktionsweise mechanischer Uhren nämlich nicht die geringste Ahnung. Um das zu ändern habe ich mir in der Bucht das im Callwey Verlag erschienene und von Klaus Menny geschriebene Buch „Die Funktion der Uhr“ geschossen. In dem Buch wird zunächst anhand einer Großuhr die Funktionsweise von Uhren erklärt – sicher ist die dort beschriebene eher grobe Technik etwas anderes als die filigrane einer Armbanduhr, aber um einem – Wie heißt das auf Neudeutsch so schön? – Noob einen Einstieg zu bieten, erscheint es mir als gar nicht so übel.
Ungefähr zeitgleich mit dem Buch fand auch eine Zeitwaage ihren Weg zu mir. Es ist eine preiswerte chinesische Weishi MTG-1900, mit der ich das Gangverhalten meiner Uhren kontrollieren und meine ersten Schritte beim Einregulieren einer extra dafür angeschafften Uhr überwachen wollte ohne auf die dabei erzielten Ergebnisse ewig warten zu müssen.
Fehlt also nur noch eine Uhr, die die Rolle als Opferanode spielen soll.
Da der Lottogewinn mit schöner Regelmäßigkeit ausbleibt und das Risiko besteht, dass die Uhr bei meinen Trial & Error Versuchen ex geht, wird dafür keine meiner vergleichsweise teuren Schweizer eingesetzt, sondern eine Neuanschaffung. Grundbedingungen für diese Neuanschaffung gab es selbstverständlich auch:
- günstig bis billig, also eher im zweistelligen als im dreistelligen Preisbereich
- funktionierendes mechanisches Uhrwerk, gerne auch mit schlechten Gangwerten
- optischer Zustand insgesamt egal, allerdings sollte sie nicht aussehen, als ob sie mal von einem LKW überrollt worden wäre
Die Uhr…
… ist dann die optische Anleihen an der Blancpain Fifty Fathoms nehmende Seiko „Glossy Five“ geworden. Die optische Nähe zur Blancpain beschert der Seiko häufig das zweifelhafte Schicksal, in eine „Fifty-Five Fathoms“ verwandelt zu werden, aber darum soll es hier nicht gehen.
Konkret wurde es die SNZH53K1 mit blauem und Sonnenschliff versehenen Zifferblatt und der blauen Lunette, die ich hier im Marktplatz fand. Genauer gesagt fand die Uhr mich, ein freundlicher Member antwortete auf mein Gesuch und überließ mir die Seiko zu einem akzeptablen Preis und der Versicherung, dass ihn kein zu starkes emotionales Verhältnis mit der Uhr verbindet und er mich nicht killt, wenn ich selbiges mit „seiner“ Uhr mache.
Die Seiko wurde laut Seriennummer und der deutsch-englischen Wochentagsscheibe im September 2013 für den deutschsprachigen Markt hergestellt, sie kam „nackig“ zu mir, also ohne Box und Papiere, dafür aber mit allen Bandgliedern, den üblichen Gebrauchsspuren und ein paar Kratzern in Gehäuse und Glas.
Gehäuse:
Material: satiniertes und poliertes Edelstahl
Glas: Hardlex® (gehärtetes Mineralglas)
Gehäuseboden: verschraubter Sichtboden, Hardlex® (gehärtetes Mineralglas)
Abmessungen: Ø 42.00 mm, Höhe: 14.00 mm, Bandanstoßbreite: 22.00 mm, Länge (über die Hörner gemessen): 48.00 mm
Wasserdichtigkeit: wasserdicht bis zu einem Druck von 10 bar (100 m)
Eigenschaften: außen liegende Taucherlunette aus Stahl mit Plexiglas Inlay, einseitig drehbar; signierte Aufzugskrone bei 3 Uhr
Zifferblatt und Zeiger:
Farbe: Blau mit Sonnenschliff, polierte Zeiger
Stundenskala: aufgesetzte Indices, poliert und mit LumiBrite® belegt, aufgedruckte Minuterie
Tages- und Datumsanzeige bei 3 Uhr
Zeiger: polierte Zeiger, mit LumiBrite® belegt
Uhrwerk und Funktionen:
Kaliber: Seiko 7S36C, mechanisches Uhrwerk mit Automatikaufzug, Frequenz von 21.600 Halbschwingungen pro Stunde bei einer Gangreserve von ca. 41 Stunden, 23 Lagersteine
Funktion: Stunden, Minuten, Sekunden, Tag und Datum
Armband:
Material: satiniertes und poliertes Edelstahl
Farbe: Silber
Schließe: signierte Sicherheitsfaltschließe aus Edelstahl mit Sicherungsbügel
Trial & Error – los geht’s:
Möglicherweise werden die Fachleute und erfahrenen Hobby-Uhrmacher ob meiner Vorgehensweise nah an einen Nervenzusammenbruch kommen oder wenigstens die Hände über dem Kopf zusammen schlagen, mir aber erscheint es gar nicht so abwegig, denn ich will ja erst einmal wissen: Was passiert wenn?
Bevor die Seiko zum ersten Mal auf die Waage kommt, wird sie zunächst ordentlich durchgeschüttelt und anschließend 72 Stunden am Stück getragen. Das soll gewährleisten, dass die Uhr, die ja nicht per Hand aufgezogen werden kann, vollständig aufgezogen ist.
Eingangsmessung:
Ohne irgendwelche weiteren Maßnahmen kommt die Seiko jetzt auf die Waage.
In Position „Krone rechts“ ergibt sich folgendes Bild:
Rate: 0 sec/d
Amplitude: 208°
Beat Error: 3.9 ms
„Krone links“:
Rate: –6 sec/d
Amplitude: 199°
Beat Error: 4.7 ms
„Krone unten“:
Rate: –24 sec/d
Amplitude: 195°
Beat Error: 4.8 ms
„Krone oben“:
Rate: +9.0 sec/d
Amplitude: 206°
Beat Error: 4.3 ms
„Zifferblatt oben“:
Rate: 0 sec/d
Amplitude: 226°
Beat Error: 4.4 ms
„Zifferblatt unten“.
Rate: +19 sec/d
Amplitude: 204°
Beat Error: 4.8 ms
Meiner amateurhaften Meinung nach sind das für ein 7S36C Uhrwerk gar nicht mal so schlechte Werte. In der Praxis, das heißt getragen liegt die mittlere Gangabweichung bei mir bei etwa –4 Sekunden am Tag – das kenne ich sowohl von Seikos 7S36 als auch von den 4R35/36 Uhrwerken deutlich schlechter. Helfen wird’s der Glossy Five letztendlich aber nicht, hier wird auf jeden Fall justiert.
Nachdem die Startwerte jetzt fixiert sind, heißt es: „Botz eraf, Señor!“
Also den Boden abgeschraubt und munter an den Rückern herumgeschoben.
Zuvor aber noch zwei Anmerkungen: Seiko-Freunde, gelernte Uhrmacher und ambitionierte Uhrenbastler sollten an dieser Stelle besser den Faden verlassen und nicht mehr weiterlesen und weil es sonst zu lange dauert, werden nur noch die Messwerte für „Zifferblatt oben“ schriftlich erfasst.
Um einmal zu sehen, was passiert und wie stark sich meine Aktionen auswirken, schiebe ich den Rücker erst einmal nicht zaghaft in die entsprechenden Richtungen. Da der Rücker ziemlich weit in Richtung „Plus“ steht, stelle ich ihn einfach mal in die Mittelposition. Das Ergebnis zeigt sich mehr als deutlich auf dem Display der Weishi, während die Amplitude und der Abfallfehler annähernd gleich bleiben, verändern sich die Gangwerte radikal: Waren es vor meinem Eingriff noch 0 sec/d sind es jetzt –216 sec/d – klar ist somit, dass hier gilt: „Wenig Weg macht viele Meilen“.
Ich versuche also, den Rücker wieder annähernd in die Ausgangsstellung zurück zu bringen. Das klappt erstaunlich gut, schon im zweiten Versuch bin ich da:
Rate: 0 sec/d
Amplitude: 225°
Beat Error: 4.4 ms
… aber im Bereich der Unruh ist ja noch so ein Rückerhebel, korrekt heißt er wohl Spiralklötzchenträger, mit ihm kann man den Abfallfehler einstellen.
Die Justage hier ist etwas problematischer, in den diversen Foren wird dem Amateur deutlich davon abgeraten hier rumzufummeln.
Da die Seiko aber ohnehin als Opfer vorgesehen ist und meine Bastelei nicht unbedingt überleben muss, gehe ich auch hier mutig ans Werk. Der Spiralklötzchenträger hat leider keine Markierungen, von daher wird es am Ende wohl schwieriger, die Grundposition wieder zu finden. Trotzdem bekommt er von mir zunächst einmal einen leichten Schubs nach links, also gegen den Uhrzeigersinn. Leider fällt dieser Schubs etwas kräftiger aus als gewollt, nicht tragisch, aber ich will beim nächsten Versuch vorsichtiger sein. Die Weishi zeigt jetzt schlechtere Gangwerte, die Amplitude bleibt gleich, die tägliche Abweichung verändert sich auf –28 Sekunden, das war aber zu erwarten, und der Abfallfehler springt auf 8.6 Millisekunden. Ergo: Falsche Richtung und zu kräftig.
In den nächsten drei Versuchen geht’s rechts rum, vorsichtiger diesmal mit den Ergebnissen 4.8 ms, 2.6 ms und 0.9 ms.
Danach musste ich noch ein paarmal an den Rücker um die Gangwerte auf ein erträgliches Maß zu bringen.
Das Ende vom Lied:
Nachdem die Dichtung neu eingefettet, der Boden wieder aufgeschraubt und das Band montiert war ergaben sich folgende Werte:
„Krone rechts“:
Rate: +17 sec/d
Amplitude: 220°
Beat Error: 0.9 ms
„Krone links“:
Rate: +2 sec/d
Amplitude: 228°
Beat Error: 1.3 ms
„Krone unten“:
Rate: +14 sec/d
Amplitude: 231°
Beat Error: 1.3 ms
„Krone oben“:
Rate: +21 sec/d
Amplitude: 207°
Beat Error: 1.1 ms
„Zifferblatt oben“:
Rate: +1 sec/d
Amplitude: 239°
Beat Error: 1.0 ms
„Zifferblatt unten“.
Rate: +6 sec/d
Amplitude: 231°
Beat Error: 1.1 ms
Fazit:
Mein Versuch hat die Seiko nicht gekillt.
Er hat aber teilweise deutliche Änderungen der Gangwerte und eine Reduzierung des Abfallfehlers gebracht und auch wenn das Einregulieren ziemlich aufwändig ist, zumindest, wenn man so laienhaft durchführt wie ich es getan habe, so hat es doch auch Spaß gemacht. Ob sich die Gangwerte im Alltag durch meinen Eingriff zum Guten oder zum Schlechten geändert haben und ob ich mich irgendwann einmal an die Regulierung meiner teureren Schweizer Uhren wage, wird die Zeit zeigen. Die für dieses Experiment mißbrauchte Opferanode muss jetzt noch ihre Alltagsleistung erweisen, welches Schicksal sie dann ereilen wird, weiß ich noch nicht…
Post Scriptum:
Ich hoffe, dass sich niemand durch den Titel dieser Vorstellung irregeführt vorkommt, weil er die Beschreibung einer neuen Diät erwartet hat…