
El Primero_TS
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Le Locle ... Wiege der Schweizer Uhrenindustrie und UNESCO Weltkulturerbe ... an den westlichen Ausläufern des Jurabogens gelegen, begibt sich doch selten ein Ostschweizer in diese Gegend. Dabei bietet diese neben ihrer landschaftlichen Vielfalt, auch ein grosses kulturelles und handwerkliches Erbe.

Le Locle
In erster Linie ist es natürlich das Uhrmacherhandwerk, welches sich in den Tälern östlich der ,Grand Traversée du Jura Suisse‘ im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte.
Viele der berühmtesten Schweizer Uhren-Marken sind hier angesiedelt. Die Namen zergehen Uhren-Liebhabern wie feinste Chocolat noir auf der Zunge: Audemars Piguet, Blancpain, Girard-Perregaux, Jaeger-LeCoultre, Jaquet Droz, Piaget, Tag Heuer, Ulysse Nardin, Greubel Forsay und ...
Chronoart lädt ein ...

Dienstag, 22. Oktober … in St. Gallen treffen sich in den frühen Morgenstunden zwanzig Freunde der Haute Horlogerie, um gemeinsam die nach Vacheron Constantin zweitälteste industrielle Uhrenmanufaktur der Schweiz zu besichtigen.
Mit dem wohl exklusivsten VIP-Bus der Schweiz starten wir die lange Reise in die westliche Hemisphäre der Confederation Helvetica. Während wir auf der langen Fahrt viel Zeit haben, um die verschiedenen Zenith Uhren an unseren Handgelenken zu begutachten, werden wir von Herr Calan und Frau Erismann par excellence mit Getränken und kleinen Snacks verköstigt. Nach etwas mehr als drei Stunden erreichen wir La Chaux-de-Fonds. Hier beginnt das Silicon Valley der Schweizer Uhrenindustrie.
Die schachbrettartige Anordnung der Architektur hat einen besonderen Grund: Licht. Es ist das wichtigste Gut der Uhrmacher. Breite Strassen mit grossen Fenstern, denn im Neunzehnten Jahrhundert gab es in der Schweiz noch keine elektrischen Lichtquellen, prägen das Stadtbild.
Öl- und Karbidlampen waren damals die Lichtspender an den Arbeitsplätzen und die wichtigste Lichtquelle ... die Sonne. Gearbeitet wurde deshalb während der Tagesstunden, denn das Licht der Öllampen war nicht sehr effizient. Die Elektrifizierung der Schweiz begann erst um 1880.
So fahren wir weiter Richtung Le Locle, vorbei an den Gebäuden der Firmen Eberhard & Co, Tag Heuer, Greubel Forsay, Jaquet Droz, Cartier und Breitling.
Wie stark die Schweizer Uhrenindustrie heute aufgestellt ist, zeigt die Tatsache, dass weltweit nur etwa drei Prozent aller Uhren aus der Schweiz kommen, aber sie machen mehr als die Hälfte des Gewinns der weltweiten Uhrenindustrie aus.
Kurz vor 12 Uhr erreichen wir unser Ziel … die Manufaktur der Firma Zenith.

Renovierte Gebäude von Zenith
Sie ist ein geschichtsträchtiges Symbol dieser Stadt und mit ihren 18’000 Quadratmetern das grösste Industrieareal in Le Locle. Seit August 2011 laufen in mehreren Etappen die Renovierungsarbeiten. Allein die Restaurierung der 400 Fenster mit Dreifachverglasung war eine enorm aufwendige und kostenintensive Angelegenheit, denn es sollten nicht einfach nur neue Fenster eingesetzt werden, sondern der Firma und dem Architekten war es wichtig, den historischen Charme dieser Gebäude, an denen die grossen unterteilten Fenster einen wesentlichen Anteil haben, zu erhalten.
Am Haupteingang eine goldene Tafel mit dem Namen Georges Favre-Jacot.

Wer war dieser Mann?

Foto Zenith
1843 in Le Locle geboren, war er bereits im Alter von 16 Jahren einer der begabtesten Uhrmacher der Region. Er entstammte einer Uhrmacherfamilie und hatte somit die Begabung für dieses faszinierende Handwerk von seinem Vater in die Wiege gelegt bekommen. Mit zwanzig Jahren heiratete er Louise-Philippine Jacot-Descombes, eine gelernte Uhrmacherin.
Georges Favre-Jacot war aber nicht nur ein hervorragender Uhrmacher, er war auch ein Visionär mit einem überaus ambitioniertem Ziel: Seine Uhren sollten die präzisesten und zuverlässigsten Zeitmesser der Welt werden.
Ihm war bewusst, dass er seine Vision nur verwirklichen konnte, wenn es ihm gelang die Fertigung seiner Uhren in einer einzigen Manufaktur zu konzentrieren. So konnten alle Handwerksarbeiten, welche für die Herstellung einer Uhr notwendig waren, wechselseitig aufeinander abgestimmt werden. Der Fertigungsprozess liesse sich effizienter planen und koordinieren und auf Abweichungen und Fehler im Prozess konnte viel schneller reagiert werden.
Doch wie sollte Georges Favre-Jacot dies umsetzen.
Zur damaligen Zeit war die gesamte Uhrenherstellung ein Flickenteppich, verstreut in den vielen kleinen Handwerksstätten des Jura. Viele Teile der Uhren wurden von unabhängig arbeitenden Handwerkern und Bauern in Heimarbeit gefertigt. Zu fixen Terminen wurden die fertigen Teile dann abgeholt und zu den Ateliers der Uhrmacher in La Chaux-de-Fonds, Le Locle, St. Imier und Tramelan gebracht. Fehlerkorrekturen und Änderungen am Fertigungsprozess waren kaum möglich und wenn, dann nur über lange Zeiträume.
Im Jahr 1864 nahm Favre-Jacot einen grossen Plan in Angriff und liess ein erstes grosses Gebäude errichten, welches ein Jahr später fertig gestellt wurde. Inzwischen hatte er viele der im Umland von Le Locle wohnenden ‚Hologers‘ für seine Fabrik gewinnen können. Einige von ihnen hatte er selbst ausgebildet. Er gab ihnen ein festes Anstellungsverhältnis und somit finanzielle Sicherheit. Für die vielen einfachen Arbeiten fanden sich schnell junge Männer und Frauen aus den Bauernfamilien. Für sie bot sich die Chance einer sicheren Lohnarbeit und bei entsprechendem Talent und Willen, eine Ausbildung zum Hologer, was mit einem sozialem Aufstieg verbunden war.
Der Manufaktur gab er den Namen ,Fabrique des Billades’. Das war von ihm ein sehr positiver Zug, dass er die Fabrik nicht mit seinem Namen schmückte, sondern sie nach dem Namen des Stadtteils von Le Locle benannte, wo er sie errichten liess.
Im Laufe der Zeit erweiterte er die Manufaktur und es entstand ein weitläufiger Gebäudekomplex.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Georges Favre-Jacot gerade mal sein dreiundzwanzigstes Lebensjahr vollendet und seine Vision einer Uhrenfabrik, in der alle Gewerke, welche für die Herstellung von Uhren gebraucht wurden, unter einem Dach vereint sind, verwirklicht.
Mit dieser Konzentration an Wissen und Fähigkeiten in seiner Manufaktur, war es ihm möglich geworden, den gesamten Entwicklungs- und Herstellungsprozess zu koordinieren und damit in allen Abläufen zu beherrschen. Dabei war sein ganzer Ehrgeiz auf Präzision und Zuverlässigkeit fokussiert. Um diese beiden Kriterien auf ein immer höheres Qualitätsniveau zu heben, entwickelte er ein Konzept zur Automatisierung verschiedener Fertigungsschritte.
Georges Favre-Jacot hatte in der Schweiz eine Revolution in der Fertigung von Uhren angestossen. Der unternehmerische Erfolg sollte ihm Recht geben.
Ab 1870 begann Georges Favre-Jacot verschiedene Länder zu bereisen, um seine Uhren verstärkt international zu vermarkten. Frankreich, England und die USA wurden vorerst seine wichtigsten Märkte.
Keine zehn Jahre später folgte die erste schwere Krise der Schweizer Uhrenhersteller.
Der Umsatz im damaligen grössten Absatzmarkt, den USA, brach innert zehn Jahren um 75 Prozent ein. Betrug der Absatz 1872 noch 18 Millionen Franken, so sank er bis 1882 auf ca. 4 Millionen Franken.
Einhundert Jahre vor der Quarzkrise wäre die Schweizer Uhrenproduktion fast vom Markt verschwunden.
Der Grund dafür: Die USA hatten als erstes Land der Welt die Herstellung von Uhren industrialisiert. Die Fertigungs- und Arbeitsmethoden wurden einer solchen Optimierung unterzogen, dass die amerikanische Uhrenindustrie in der Lage war, riesige Stückzahlen in einer gleichbleibend hohen Qualität und zu solch günstigen Preisen zu fertigen, dass die Europäer mit ihren traditionellen Herstellungsmethoden dem nichts entgegensetzen konnten.
Die Amerikaner stellten so präzise Teile her, dass zum einen die Qualität den europäischen Herstellern weit überlegen war und auf Grund der Einführung von Standards und einer Normierung der Teile, diese untereinander austauschbar waren.
Die Herstellungskosten wurden damit so günstig, dass die Uhren der Schweizer Hersteller mit ihren hohen Preisen und der schwankenden Qualität als Ladenhüter in den Geschäften liegen blieben.
Georges Favre-Jacot war durch seine, den Amerikanern annähernd gleichwertigen Fertigungsprozesse, in einem geringeren Masse als der Rest der damaligen Schweizer Uhrenhersteller dieser Krise ausgesetzt. Seine Verluste hielten sich in Grenzen.
Von da an begannen viele Schweizer Uhrenhersteller ihre Produktion in Fabriken zu konzentrieren und die Arbeitsmethoden der neuen industriellen Entwicklung anzupassen.
Nach 1890 begann Favre-Jacot sich weitere Märkte zu erschliessen. Dies erreichte er durch eine systematische Analyse der jeweiligen Marktsituation vor Ort. So gelang es ihm potenzielle Vertriebs- und Absatzmöglichkeiten zu eruieren.
Das war ansatzweise schon moderne Markforschung, deren Grundlagen er sich von den Amerikanern abschaute.
Im Jahr 1896 wurde die ,Fabrique des Billades‘ in eine Gesellschaft umgewandelt. Unter dem Namen ,Georges Favre-Jacot & Cie‘ produzierte und vertrieb er jetzt seine Zeitmesser. Um diese Zeit wurden auch zum ersten Mal Uhren unter dem Namen Zenith hergestellt.
Neben seinen hochpräzisen Taschenuhren, wurde die Produktpalette zum Ende des 19. Jahrhunderts um Bordchronometer, Tischuhren und Präzisionspendeluhren erweitert. 1905 kamen Marinechronometer dazu.
Mit seinem ersten Taschen-Chronographen, den er im Jahr 1899 auf den Markt brachte, gewann er ein Jahr später bei der Pariser Weltausstellung seine erste Goldmedaille.

Uhren von Zenith aus den Jahren 1900 bis 1930
Bis heute hat die Firma Zenith 2333 Auszeichnungen erhalten, soviel wie keine andere Uhrenmarke.
James Favre, seine Neffe, hatte die Marke mittlerweile in Südamerika, Russland, Indien, China und Japan etabliert.
Es kam das Jahr 1911 und Georges Favre-Jacot zog sich aus dem operativen Geschäft und der Führung seines Unternehmens zurück. Mit der Umwandlung der Manufaktur in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen ,Fabrique de montres Zénith SA‘ übergab er die Leitung des Unternehmens an seinen Neffen.
Oberhalb der Zenith Werke liess Georges Favre-Jacot 1911 eine Villa errichten, damit er sein Lebenswerk immer im Blick hatte.
Für die Planung und Ausführung der Arbeiten engagierte er den Architekten Charles-Edouard Jeanneret, der unter seinem Künstlernamen ‚Le Corbusier’ ab 1920 weltweite Bekanntheit erreichte.
Am 19. Mai 1917 starb Georges Favre-Jacot in seiner Heimatstadt Le Locle.
Im Foyer des Hauptgebäudes begrüsst uns Patrick, der viel Charme und Esprit versprüht und uns völlig unprätentiös seine Art des ‚savoir vivre‘ zelebriert.
Da das Mittag vom Gourmet Catering noch auf sich warten lies, holt Patrick uns den Prototyp des neuen Defy Double Tourbillon zur Ansicht. Ein technisches Meisterwerk.

Defy Double Tourbillon

Defy Double Tourbillon Foto Zenith
Der Tourbillon für die Uhr schlägt mit 36‘000 VpH, wobei der Käfig in 60 Sekunden eine komplette Drehung vollführt. Der zweite Tourbillon ist für den Chronographen und schlägt mit 360‘000 Halbschwingungen, was 50 Hz entspricht. In nur 5 Sekunden vollführt der Käfig des Tourbillons eine volle Umdrehung. Für diesen Double Tourbillon wurde das El Primero Kaliber 9020, welches aus 311 Bauteilen besteht, entwickelt.
Beim Beobachten des Chrongraphen-Zeigers, wie dieser in nur einer Sekunde einmal komplett das Zifferblatt umrundet, habe ich mich fast in der Zeit der Hundertstelsekunden verloren.

Die 46 mm sind doch recht gross für meine 18,7 cm Umfang.
Anfang November wird der Defy Double Tourbillon lanciert. Die Herstellung benötigt aber Zeit und so kann man ihn ab dem 4. November bestellen. In Platin wird er auf zehn Stück und im Carbongehäuse auf 50 Stück limitiert sein. Unser Gastgeber, Herr Calan, strahlt vor Freude, denn Zenith hat ihn als einen von zehn Geschäftspartnern ausgewählt. Bei Chronoart in St. Gallen wird es die Nummer 7 der Platin-Variante geben.
Und ich nehme an, den wird man nicht lang in seinem Geschäft bewundern können.
Mittlerweile ist der Catering-Service eingetroffen und das Essen serviert. Patrick und Veronique entschuldigen sich bei uns, dass Zenith immer noch kein eigenes Restaurant hat. Ganz bescheiden und in Demut verfallen, bittet uns Patrick, doch öfter Zenith Uhren zu kaufen, um den Traum eines eigenen Restaurants ihm und seinen Mitarbeitern zu erfüllen. Beim Kauf mehrerer Tourbillons liegt dann auch noch ein Michelin-Koch drin.
Wie kann man solch einen Wunsch ausschlagen …
Während wir die Uhren in den Vitrinen rund um die Empfangslobby begutachten, stehen plötzlich Frédéric Arnault, Julien Tornare, Stéphane Bianchi und Ricardo Guadeloupe mitten unter uns.
Stéphane Bianchi reicht mir seine Hand zum Gruss und dabei bleibt sein Blick für einen Moment auf meiner El Primero Classic Cars hängen. Sein Lächeln zeigt einen Hauch von Überraschung, was mir Patrick später indirekt bestätigt, denn diese Uhr sieht man in der Schweiz eher selten.
Pour être bref … on y va!
Willkommen in der Entwicklungsabteilung

Gedanken müssen fliessen wie ein Fluss durch die Weiten der Landschaft. Ist er zu schnell, gehen viele Eindrücke und Informationen verloren, ist er zu langsam, verliert er sich in der Zeit. Neue Ideen müssen reifen, ihre Umsetzung benötigt Zeit. Doch auch der kreativste Uhrmacher unterliegt dem Tempo des Marktes. Zenith ist es wichtig, das die Entwickler ihre Kreativität ausleben können und sich die Zeit nehmen können, diese in einem strukturierten Prozess zu einem perfekten Produkt umzusetzen.
Jean Claude Biver brachte es auf den Punkt: „Es geht bei Zenith um Kunst. Kunst ist ewig.“
Hier zeigt sich auch der Vorteil, dass man unter dem Dach eines solch finanziellen Riesen wie LVMH angesiedelt ist. Im ersten Halbjahr 2019 erwirtschaftete der Luxusgüter-Konzern über 25 Milliarden Euro Umsatz und 5,2 Milliarden Euro Gewinn. Am Umsatz hatten das Segment Uhren und Schmuck 2,2 Milliarden Euro Anteil. Der grösste Markt für die Uhrendivision des Konzerns ist China. Das Wachstum dort liegt nahe dem zweistelligen Bereich. Es ist auch der Handelsstreit zwischen China und den USA, der sich hier für die Europäer positiv auswirkt, denn China hat für europäische Luxusgüter die Einfuhrsteuern gesenkt, im Gegensatz dazu diese für amerikanische Waren erhöht. Unter der Regie von LVMH haben die vier Uhrenmarken Tag Heuer, Zenith, Hublot und Bulgari viel Freiraum in der Forschung und Entwicklung. Auf sich allein gestellt, wäre eine Marke wie Zenith kaum noch in der Lage, solche Budgets für die Entwicklung neuer Uhren zu stemmen.
Der Weg einer neuen Uhr von der Idee über die Planung und Entwicklung bis zur Herstellung ist ein langer Weg. Solche Projekte können Jahre in Anspruch nehmen ... und sie haben ihren Preis.
Eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Jahre ist die Defy Fusee Tourbillon, ein Uhrwerk mit Kette und Schnecke.

Fotos Zenith
Hier arbeitet das El Primero 4805 SK. Es besteht aus 807 Einzelteilen, wobei allein die Kette 575 Teile umfasst.
Auf meine Frage, wie man die 807 Bauteile so angeordnet bekommt, dass am Ende nicht eine Uhr mit riesigen Dimensionen das Handgelenk ziert, gibt mir der Ingenieur zur Antwort, das genau hier eine der grössten Herausforderungen liegt. Bis man die perfekte Abstimmung und Zusammensetzung gefunden hat, vergehen Monate. So nahm die Entwicklung und Herstellung der berühmten Grand Komplikation N° 1160 von Abraham Louis Breguet für Marie Antoinette ganze 44 Jahre in Anspruch.
Sowohl Marie Antoinette als auch A.L.Breguet waren zur Zeit der Fertigstellung bereits verstorben. So lang benötigt man heute natürlich nicht mehr, auch dank der CAD Programme.
Eine der innovativsten Entwicklungen der Marke Zenith ist das gyroskopische „Gravity Control“ Modul, welches die Ingenieure nach über fünf Jahren Forschung im legendären Tourbillon Academy Christoph Colomb beim Grand Prix d’Horlogerie de Genève 2011 präsentierten. Das dieser als Sieger bei den grossen Komplikationen den Grand Prix verliess, war absolut keine Überraschung.

Die Idee hinter diesem Modul war, dass man die schwerkraftbedingten Gangfehler einer Uhr eliminieren wollte. Doch in welcher Position gewährleisten Hemmung und Unruh einer Uhr die maximale Präzision, weisen sie unabhängig von der Bewegung und Position des Trägers eine gleichbleibende Ganggenauigkeit auf? Die Ingenieure fanden schliesslich die Lösung in der eigenen langen Uhrmachertradition der Manufaktur. Es waren die Marine-Chronographen von Zenith, welche in Anlehnung an die Lagerung von Schiffskompassen mit einer kardanischen Aufhängung versehen waren. Bei dieser Konstruktion wurde der Einfluss der Schwerkraft dadurch überwunden, weil sich die Unruh an dieser ausrichtet. Der Schwerpunkt des zu lagernden Objektes der kardanischen Aufhängung liegt unterhalb des Schnittpunktes der Drehachsen, so dass dieser die Neigung seiner Umgebung nicht mit macht. Man kam also zu der Erkenntnis, dass die perfekte Position für eine maximale Ganggenauigkeit einer Uhr die Horizontale ist.
Doch mussten die Ingenieure im Gegensatz zum Marinechronometer, wo die gesamte Uhr kardanisch aufgehängt war, einen anderen Lösungsansatz finden. Man entwickelte eine solche Aufhängung nur für die Hemmung. Dadurch entkoppelte man aber die Hemmung und die Unruh von dem restlichen Räderwerk. Weitere Lösungen mussten gefunden werden, um mit dem Räderwerk ausserhalb des Moduls in Verbindung zu bleiben.
Schliesslich testeten die Entwickler gewölbte Zahnräder, welche seitlich am Modulkäfig angebracht wurden und mit den anderen Zahnrädern in Verbindung standen. Und es funktionierte. Die Hemmung blieb, egal in welcher Position, mit dem Räderwerk an den entsprechenden Achsen gekoppelt. Fünf Jahre nahm die Entwicklung des selbstregulierenden Gravity Control-Moduls in Anspruch. Für die Fertigung dieses Moduls mussten allein 60 Spezialwerkzeuge entwickelt werden.
Allein der Käfig des Moduls besteht aus 175 Komponenten, mehr als manch komplettes Uhrwerk. Und natürlich schlägt auch das Herz dieses Tourbillons mit 36’000 VpH.
Unter technischen Aspekten betrachtet, handelt es sich eigentlich um keinen richtigen Tourbillon, sondern um eine normale Hemmung mit schwingender Unruh, die in diesem Modul kreiselnd gelagert ist.

Acht Jahre Entwicklung benötigte die komplette Uhr mit seinen Komplikation von der Idee bis zur letzten Qualitätskontrolle. Die Entwicklungskosten lagen bei rund 10 Millionen SFr.
Ein neuer Prototyp mit dem Gravity Control - Modul ist bereits gefertigt. Hier gelang es den Ingenieuren dieses Modul noch weiter zu optimieren, so dass man die Wölbung an der Stelle des Saphirglases, wo der Käfig mit dem Modul sitzt, nicht mehr benötigt.

Nach dem spannenden und hochinteressanten Besuch der Entwicklungsabteilung, beginnt nun eine Reise durch die Geschichte der Manufaktur.
Es gibt nicht viele Unternehmen wo der Name eines von ihnen kreierten Produkts den Namen der Firmenmarke komplett in den Schatten stellt. Auf Anhieb fällt mir die Schweizer Firma Emmi ein, deren Café Latte völlig losgelöst vom Unternehmen einen riesigen Bekanntheitsgrad erreicht hat, ohne das der Konsument dabei an Emmi denkt.
Fast genauso ist es mit dem El Primero von Zenith. Herr Calan hat es selbst bei Chronoart schon erlebt, dass Kunden nach El Primero Uhren gefragt haben. Das es sich dabei um die Marke Zenith handelt liess sie Staunen. Natürlich war ihnen die Marke selbst nicht unbekannt. Auch mich hat bereits ein Kollege mal angesprochen. Auf der Suche nach El Primero findet er nur Uhrwerke, welche bei der Marke Zenith verbaut sind. Aha …
Auch wenn die Geschichte das El Primero zur Legende gemacht hat und den meisten mehr oder weniger bekannt ist, so gibt es doch das ein oder andere Detail, was ich hier erwähnen möchte.
Am 3.März 1969 wurde das Geheimnis um ein Projekt der Hersteller Breitling, Heuer-Leonidas, Hamilton/Büren und Dubois Dépraz in Genf und New York der Öffentlichkeit präsentiert. Das Kaliber 11 Chronomatic war ein Chronographenwerk mit automatischen Aufzug, welches auf einem Mikrorotor basiert. Doch wie so oft im Leben kamen auch die vier beteiligten Firmen zwei Monate zu spät.
Zenith hatte am 10. Januar 1969 in New York das erste Automatic-Chronographenwerk vorgestellt … das El Primero.

Foto Zenith
Von der ersten Idee bis zur Vollendung vergingen fast sieben Jahre. Das Resultat war ein äusserst anspruchsvoller Mechanismus, welcher es ermöglichte, den Chronographen ohne ein zusätzliches Modul direkt im Uhrwerk unterzubringen.
Das gesamte Uhrwerk wurde um einen kugelgelagerten Zentralrotor aufgebaut, welcher sich auf einem Säulenrad dreht. Und damit nicht genug …
Das Uhrwerk schlägt mit einer Schwingungszahl von 36'000 Halbschwingungen pro Stunde, was einer Frequenz von 5 Hertz entspricht. Mit einer Bauhöhe von nur 6,5 Millimetern und einem Durchmesser von 29,33 Millimetern setzte dieses komplexe Kaliber neue Massstäbe.
Zwei Versionen wurden von Zenith auf den Markt gebracht:
Das Kaliber 3019 PHC, bestehend aus 280 Komponenten mit einer einfachen Datumsanzeige und die kompliziertere Version, dass Kaliber 3019 PHF, mit Dreifach-Kalender und Mondphasen-Anzeige, bestehend aus 354 Komponenten.
Zwei Jahre später kämpfte Zenith bereits mit Absatzproblemen. Die Quarzkrise hatte die Schweizer Uhrenindustrie erreicht. 1971 übernahm die amerikanische Zenith Radio Cooperation die Firma. Da kaum noch Nachfrage nach mechanischen Uhren bestand, wurde auch bei Zenith die Produktion auf Quarzuhren umgestellt. Und es sollte noch schlimmer kommen.
Das Management der Zenith Radio Cooperation erklärte 1975 die mechanische Uhr für tot. Sie gab die Order an die Abteilungsleiter in Le Locle, sämtliche Werkzeuge und bereits produzierten mechanischen Uhrwerke zu vernichten.
Charles Vermot wollte das nicht akzeptieren und begann nach Feierabend und an den Wochenenden mit zwei weiteren Kollegen, alle Werkzeuge und Einzelteile für das El Primero zu katalogisieren und auf einem Dachboden der Manufaktur zu verstecken. Als er fertig war, mauerte er den Dachboden zu. Mit dieser mutigen Aktion nahm er sogar seine Kündigung in Kauf.

Das Versteck.

Stanzwerkzeuge für das El Primero

Arbeitstisch von Charles Vermot
Allmählich verloren die Amerikaner die Geduld, da die Umsätze stagnierten und die Gewinne ausblieben.
Mit dem Verkauf der Manufaktur 1978 an die Firma Dixi in Le Locle, flackerte für Zenith nach sieben Jahren des wirtschaftlichen Martyriums ein Licht am Ende des Tunnels auf.
Mit Paul Castella übernahm ein Liebhaber alter mechanischer Uhren die Führung des Unternehmens. Doch es sollten noch drei weitere Jahre vergehen, bis der Stern von Zenith wieder zu leuchten beginnen sollte.

Le Locle
In erster Linie ist es natürlich das Uhrmacherhandwerk, welches sich in den Tälern östlich der ,Grand Traversée du Jura Suisse‘ im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte.
Viele der berühmtesten Schweizer Uhren-Marken sind hier angesiedelt. Die Namen zergehen Uhren-Liebhabern wie feinste Chocolat noir auf der Zunge: Audemars Piguet, Blancpain, Girard-Perregaux, Jaeger-LeCoultre, Jaquet Droz, Piaget, Tag Heuer, Ulysse Nardin, Greubel Forsay und ...
Chronoart lädt ein ...

Dienstag, 22. Oktober … in St. Gallen treffen sich in den frühen Morgenstunden zwanzig Freunde der Haute Horlogerie, um gemeinsam die nach Vacheron Constantin zweitälteste industrielle Uhrenmanufaktur der Schweiz zu besichtigen.
Mit dem wohl exklusivsten VIP-Bus der Schweiz starten wir die lange Reise in die westliche Hemisphäre der Confederation Helvetica. Während wir auf der langen Fahrt viel Zeit haben, um die verschiedenen Zenith Uhren an unseren Handgelenken zu begutachten, werden wir von Herr Calan und Frau Erismann par excellence mit Getränken und kleinen Snacks verköstigt. Nach etwas mehr als drei Stunden erreichen wir La Chaux-de-Fonds. Hier beginnt das Silicon Valley der Schweizer Uhrenindustrie.
Die schachbrettartige Anordnung der Architektur hat einen besonderen Grund: Licht. Es ist das wichtigste Gut der Uhrmacher. Breite Strassen mit grossen Fenstern, denn im Neunzehnten Jahrhundert gab es in der Schweiz noch keine elektrischen Lichtquellen, prägen das Stadtbild.
Öl- und Karbidlampen waren damals die Lichtspender an den Arbeitsplätzen und die wichtigste Lichtquelle ... die Sonne. Gearbeitet wurde deshalb während der Tagesstunden, denn das Licht der Öllampen war nicht sehr effizient. Die Elektrifizierung der Schweiz begann erst um 1880.
So fahren wir weiter Richtung Le Locle, vorbei an den Gebäuden der Firmen Eberhard & Co, Tag Heuer, Greubel Forsay, Jaquet Droz, Cartier und Breitling.
Wie stark die Schweizer Uhrenindustrie heute aufgestellt ist, zeigt die Tatsache, dass weltweit nur etwa drei Prozent aller Uhren aus der Schweiz kommen, aber sie machen mehr als die Hälfte des Gewinns der weltweiten Uhrenindustrie aus.
Kurz vor 12 Uhr erreichen wir unser Ziel … die Manufaktur der Firma Zenith.


Renovierte Gebäude von Zenith
Sie ist ein geschichtsträchtiges Symbol dieser Stadt und mit ihren 18’000 Quadratmetern das grösste Industrieareal in Le Locle. Seit August 2011 laufen in mehreren Etappen die Renovierungsarbeiten. Allein die Restaurierung der 400 Fenster mit Dreifachverglasung war eine enorm aufwendige und kostenintensive Angelegenheit, denn es sollten nicht einfach nur neue Fenster eingesetzt werden, sondern der Firma und dem Architekten war es wichtig, den historischen Charme dieser Gebäude, an denen die grossen unterteilten Fenster einen wesentlichen Anteil haben, zu erhalten.
Am Haupteingang eine goldene Tafel mit dem Namen Georges Favre-Jacot.

Wer war dieser Mann?

Foto Zenith
1843 in Le Locle geboren, war er bereits im Alter von 16 Jahren einer der begabtesten Uhrmacher der Region. Er entstammte einer Uhrmacherfamilie und hatte somit die Begabung für dieses faszinierende Handwerk von seinem Vater in die Wiege gelegt bekommen. Mit zwanzig Jahren heiratete er Louise-Philippine Jacot-Descombes, eine gelernte Uhrmacherin.
Georges Favre-Jacot war aber nicht nur ein hervorragender Uhrmacher, er war auch ein Visionär mit einem überaus ambitioniertem Ziel: Seine Uhren sollten die präzisesten und zuverlässigsten Zeitmesser der Welt werden.
Ihm war bewusst, dass er seine Vision nur verwirklichen konnte, wenn es ihm gelang die Fertigung seiner Uhren in einer einzigen Manufaktur zu konzentrieren. So konnten alle Handwerksarbeiten, welche für die Herstellung einer Uhr notwendig waren, wechselseitig aufeinander abgestimmt werden. Der Fertigungsprozess liesse sich effizienter planen und koordinieren und auf Abweichungen und Fehler im Prozess konnte viel schneller reagiert werden.
Doch wie sollte Georges Favre-Jacot dies umsetzen.
Zur damaligen Zeit war die gesamte Uhrenherstellung ein Flickenteppich, verstreut in den vielen kleinen Handwerksstätten des Jura. Viele Teile der Uhren wurden von unabhängig arbeitenden Handwerkern und Bauern in Heimarbeit gefertigt. Zu fixen Terminen wurden die fertigen Teile dann abgeholt und zu den Ateliers der Uhrmacher in La Chaux-de-Fonds, Le Locle, St. Imier und Tramelan gebracht. Fehlerkorrekturen und Änderungen am Fertigungsprozess waren kaum möglich und wenn, dann nur über lange Zeiträume.
Im Jahr 1864 nahm Favre-Jacot einen grossen Plan in Angriff und liess ein erstes grosses Gebäude errichten, welches ein Jahr später fertig gestellt wurde. Inzwischen hatte er viele der im Umland von Le Locle wohnenden ‚Hologers‘ für seine Fabrik gewinnen können. Einige von ihnen hatte er selbst ausgebildet. Er gab ihnen ein festes Anstellungsverhältnis und somit finanzielle Sicherheit. Für die vielen einfachen Arbeiten fanden sich schnell junge Männer und Frauen aus den Bauernfamilien. Für sie bot sich die Chance einer sicheren Lohnarbeit und bei entsprechendem Talent und Willen, eine Ausbildung zum Hologer, was mit einem sozialem Aufstieg verbunden war.
Der Manufaktur gab er den Namen ,Fabrique des Billades’. Das war von ihm ein sehr positiver Zug, dass er die Fabrik nicht mit seinem Namen schmückte, sondern sie nach dem Namen des Stadtteils von Le Locle benannte, wo er sie errichten liess.
Im Laufe der Zeit erweiterte er die Manufaktur und es entstand ein weitläufiger Gebäudekomplex.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Georges Favre-Jacot gerade mal sein dreiundzwanzigstes Lebensjahr vollendet und seine Vision einer Uhrenfabrik, in der alle Gewerke, welche für die Herstellung von Uhren gebraucht wurden, unter einem Dach vereint sind, verwirklicht.
Mit dieser Konzentration an Wissen und Fähigkeiten in seiner Manufaktur, war es ihm möglich geworden, den gesamten Entwicklungs- und Herstellungsprozess zu koordinieren und damit in allen Abläufen zu beherrschen. Dabei war sein ganzer Ehrgeiz auf Präzision und Zuverlässigkeit fokussiert. Um diese beiden Kriterien auf ein immer höheres Qualitätsniveau zu heben, entwickelte er ein Konzept zur Automatisierung verschiedener Fertigungsschritte.
Georges Favre-Jacot hatte in der Schweiz eine Revolution in der Fertigung von Uhren angestossen. Der unternehmerische Erfolg sollte ihm Recht geben.
Ab 1870 begann Georges Favre-Jacot verschiedene Länder zu bereisen, um seine Uhren verstärkt international zu vermarkten. Frankreich, England und die USA wurden vorerst seine wichtigsten Märkte.
Keine zehn Jahre später folgte die erste schwere Krise der Schweizer Uhrenhersteller.
Der Umsatz im damaligen grössten Absatzmarkt, den USA, brach innert zehn Jahren um 75 Prozent ein. Betrug der Absatz 1872 noch 18 Millionen Franken, so sank er bis 1882 auf ca. 4 Millionen Franken.
Einhundert Jahre vor der Quarzkrise wäre die Schweizer Uhrenproduktion fast vom Markt verschwunden.
Der Grund dafür: Die USA hatten als erstes Land der Welt die Herstellung von Uhren industrialisiert. Die Fertigungs- und Arbeitsmethoden wurden einer solchen Optimierung unterzogen, dass die amerikanische Uhrenindustrie in der Lage war, riesige Stückzahlen in einer gleichbleibend hohen Qualität und zu solch günstigen Preisen zu fertigen, dass die Europäer mit ihren traditionellen Herstellungsmethoden dem nichts entgegensetzen konnten.
Die Amerikaner stellten so präzise Teile her, dass zum einen die Qualität den europäischen Herstellern weit überlegen war und auf Grund der Einführung von Standards und einer Normierung der Teile, diese untereinander austauschbar waren.
Die Herstellungskosten wurden damit so günstig, dass die Uhren der Schweizer Hersteller mit ihren hohen Preisen und der schwankenden Qualität als Ladenhüter in den Geschäften liegen blieben.
Georges Favre-Jacot war durch seine, den Amerikanern annähernd gleichwertigen Fertigungsprozesse, in einem geringeren Masse als der Rest der damaligen Schweizer Uhrenhersteller dieser Krise ausgesetzt. Seine Verluste hielten sich in Grenzen.
Von da an begannen viele Schweizer Uhrenhersteller ihre Produktion in Fabriken zu konzentrieren und die Arbeitsmethoden der neuen industriellen Entwicklung anzupassen.
Nach 1890 begann Favre-Jacot sich weitere Märkte zu erschliessen. Dies erreichte er durch eine systematische Analyse der jeweiligen Marktsituation vor Ort. So gelang es ihm potenzielle Vertriebs- und Absatzmöglichkeiten zu eruieren.
Das war ansatzweise schon moderne Markforschung, deren Grundlagen er sich von den Amerikanern abschaute.
Im Jahr 1896 wurde die ,Fabrique des Billades‘ in eine Gesellschaft umgewandelt. Unter dem Namen ,Georges Favre-Jacot & Cie‘ produzierte und vertrieb er jetzt seine Zeitmesser. Um diese Zeit wurden auch zum ersten Mal Uhren unter dem Namen Zenith hergestellt.
Neben seinen hochpräzisen Taschenuhren, wurde die Produktpalette zum Ende des 19. Jahrhunderts um Bordchronometer, Tischuhren und Präzisionspendeluhren erweitert. 1905 kamen Marinechronometer dazu.
Mit seinem ersten Taschen-Chronographen, den er im Jahr 1899 auf den Markt brachte, gewann er ein Jahr später bei der Pariser Weltausstellung seine erste Goldmedaille.

Uhren von Zenith aus den Jahren 1900 bis 1930
Bis heute hat die Firma Zenith 2333 Auszeichnungen erhalten, soviel wie keine andere Uhrenmarke.
James Favre, seine Neffe, hatte die Marke mittlerweile in Südamerika, Russland, Indien, China und Japan etabliert.
Es kam das Jahr 1911 und Georges Favre-Jacot zog sich aus dem operativen Geschäft und der Führung seines Unternehmens zurück. Mit der Umwandlung der Manufaktur in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen ,Fabrique de montres Zénith SA‘ übergab er die Leitung des Unternehmens an seinen Neffen.
Oberhalb der Zenith Werke liess Georges Favre-Jacot 1911 eine Villa errichten, damit er sein Lebenswerk immer im Blick hatte.
Für die Planung und Ausführung der Arbeiten engagierte er den Architekten Charles-Edouard Jeanneret, der unter seinem Künstlernamen ‚Le Corbusier’ ab 1920 weltweite Bekanntheit erreichte.
Am 19. Mai 1917 starb Georges Favre-Jacot in seiner Heimatstadt Le Locle.
Im Foyer des Hauptgebäudes begrüsst uns Patrick, der viel Charme und Esprit versprüht und uns völlig unprätentiös seine Art des ‚savoir vivre‘ zelebriert.
Da das Mittag vom Gourmet Catering noch auf sich warten lies, holt Patrick uns den Prototyp des neuen Defy Double Tourbillon zur Ansicht. Ein technisches Meisterwerk.

Defy Double Tourbillon

Defy Double Tourbillon Foto Zenith
Der Tourbillon für die Uhr schlägt mit 36‘000 VpH, wobei der Käfig in 60 Sekunden eine komplette Drehung vollführt. Der zweite Tourbillon ist für den Chronographen und schlägt mit 360‘000 Halbschwingungen, was 50 Hz entspricht. In nur 5 Sekunden vollführt der Käfig des Tourbillons eine volle Umdrehung. Für diesen Double Tourbillon wurde das El Primero Kaliber 9020, welches aus 311 Bauteilen besteht, entwickelt.
Beim Beobachten des Chrongraphen-Zeigers, wie dieser in nur einer Sekunde einmal komplett das Zifferblatt umrundet, habe ich mich fast in der Zeit der Hundertstelsekunden verloren.

Die 46 mm sind doch recht gross für meine 18,7 cm Umfang.
Anfang November wird der Defy Double Tourbillon lanciert. Die Herstellung benötigt aber Zeit und so kann man ihn ab dem 4. November bestellen. In Platin wird er auf zehn Stück und im Carbongehäuse auf 50 Stück limitiert sein. Unser Gastgeber, Herr Calan, strahlt vor Freude, denn Zenith hat ihn als einen von zehn Geschäftspartnern ausgewählt. Bei Chronoart in St. Gallen wird es die Nummer 7 der Platin-Variante geben.
Und ich nehme an, den wird man nicht lang in seinem Geschäft bewundern können.
Mittlerweile ist der Catering-Service eingetroffen und das Essen serviert. Patrick und Veronique entschuldigen sich bei uns, dass Zenith immer noch kein eigenes Restaurant hat. Ganz bescheiden und in Demut verfallen, bittet uns Patrick, doch öfter Zenith Uhren zu kaufen, um den Traum eines eigenen Restaurants ihm und seinen Mitarbeitern zu erfüllen. Beim Kauf mehrerer Tourbillons liegt dann auch noch ein Michelin-Koch drin.


Während wir die Uhren in den Vitrinen rund um die Empfangslobby begutachten, stehen plötzlich Frédéric Arnault, Julien Tornare, Stéphane Bianchi und Ricardo Guadeloupe mitten unter uns.
Stéphane Bianchi reicht mir seine Hand zum Gruss und dabei bleibt sein Blick für einen Moment auf meiner El Primero Classic Cars hängen. Sein Lächeln zeigt einen Hauch von Überraschung, was mir Patrick später indirekt bestätigt, denn diese Uhr sieht man in der Schweiz eher selten.
Pour être bref … on y va!
Willkommen in der Entwicklungsabteilung

Gedanken müssen fliessen wie ein Fluss durch die Weiten der Landschaft. Ist er zu schnell, gehen viele Eindrücke und Informationen verloren, ist er zu langsam, verliert er sich in der Zeit. Neue Ideen müssen reifen, ihre Umsetzung benötigt Zeit. Doch auch der kreativste Uhrmacher unterliegt dem Tempo des Marktes. Zenith ist es wichtig, das die Entwickler ihre Kreativität ausleben können und sich die Zeit nehmen können, diese in einem strukturierten Prozess zu einem perfekten Produkt umzusetzen.
Jean Claude Biver brachte es auf den Punkt: „Es geht bei Zenith um Kunst. Kunst ist ewig.“
Hier zeigt sich auch der Vorteil, dass man unter dem Dach eines solch finanziellen Riesen wie LVMH angesiedelt ist. Im ersten Halbjahr 2019 erwirtschaftete der Luxusgüter-Konzern über 25 Milliarden Euro Umsatz und 5,2 Milliarden Euro Gewinn. Am Umsatz hatten das Segment Uhren und Schmuck 2,2 Milliarden Euro Anteil. Der grösste Markt für die Uhrendivision des Konzerns ist China. Das Wachstum dort liegt nahe dem zweistelligen Bereich. Es ist auch der Handelsstreit zwischen China und den USA, der sich hier für die Europäer positiv auswirkt, denn China hat für europäische Luxusgüter die Einfuhrsteuern gesenkt, im Gegensatz dazu diese für amerikanische Waren erhöht. Unter der Regie von LVMH haben die vier Uhrenmarken Tag Heuer, Zenith, Hublot und Bulgari viel Freiraum in der Forschung und Entwicklung. Auf sich allein gestellt, wäre eine Marke wie Zenith kaum noch in der Lage, solche Budgets für die Entwicklung neuer Uhren zu stemmen.
Der Weg einer neuen Uhr von der Idee über die Planung und Entwicklung bis zur Herstellung ist ein langer Weg. Solche Projekte können Jahre in Anspruch nehmen ... und sie haben ihren Preis.
Eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Jahre ist die Defy Fusee Tourbillon, ein Uhrwerk mit Kette und Schnecke.


Fotos Zenith
Hier arbeitet das El Primero 4805 SK. Es besteht aus 807 Einzelteilen, wobei allein die Kette 575 Teile umfasst.
Auf meine Frage, wie man die 807 Bauteile so angeordnet bekommt, dass am Ende nicht eine Uhr mit riesigen Dimensionen das Handgelenk ziert, gibt mir der Ingenieur zur Antwort, das genau hier eine der grössten Herausforderungen liegt. Bis man die perfekte Abstimmung und Zusammensetzung gefunden hat, vergehen Monate. So nahm die Entwicklung und Herstellung der berühmten Grand Komplikation N° 1160 von Abraham Louis Breguet für Marie Antoinette ganze 44 Jahre in Anspruch.
Sowohl Marie Antoinette als auch A.L.Breguet waren zur Zeit der Fertigstellung bereits verstorben. So lang benötigt man heute natürlich nicht mehr, auch dank der CAD Programme.
Eine der innovativsten Entwicklungen der Marke Zenith ist das gyroskopische „Gravity Control“ Modul, welches die Ingenieure nach über fünf Jahren Forschung im legendären Tourbillon Academy Christoph Colomb beim Grand Prix d’Horlogerie de Genève 2011 präsentierten. Das dieser als Sieger bei den grossen Komplikationen den Grand Prix verliess, war absolut keine Überraschung.

Die Idee hinter diesem Modul war, dass man die schwerkraftbedingten Gangfehler einer Uhr eliminieren wollte. Doch in welcher Position gewährleisten Hemmung und Unruh einer Uhr die maximale Präzision, weisen sie unabhängig von der Bewegung und Position des Trägers eine gleichbleibende Ganggenauigkeit auf? Die Ingenieure fanden schliesslich die Lösung in der eigenen langen Uhrmachertradition der Manufaktur. Es waren die Marine-Chronographen von Zenith, welche in Anlehnung an die Lagerung von Schiffskompassen mit einer kardanischen Aufhängung versehen waren. Bei dieser Konstruktion wurde der Einfluss der Schwerkraft dadurch überwunden, weil sich die Unruh an dieser ausrichtet. Der Schwerpunkt des zu lagernden Objektes der kardanischen Aufhängung liegt unterhalb des Schnittpunktes der Drehachsen, so dass dieser die Neigung seiner Umgebung nicht mit macht. Man kam also zu der Erkenntnis, dass die perfekte Position für eine maximale Ganggenauigkeit einer Uhr die Horizontale ist.
Doch mussten die Ingenieure im Gegensatz zum Marinechronometer, wo die gesamte Uhr kardanisch aufgehängt war, einen anderen Lösungsansatz finden. Man entwickelte eine solche Aufhängung nur für die Hemmung. Dadurch entkoppelte man aber die Hemmung und die Unruh von dem restlichen Räderwerk. Weitere Lösungen mussten gefunden werden, um mit dem Räderwerk ausserhalb des Moduls in Verbindung zu bleiben.
Schliesslich testeten die Entwickler gewölbte Zahnräder, welche seitlich am Modulkäfig angebracht wurden und mit den anderen Zahnrädern in Verbindung standen. Und es funktionierte. Die Hemmung blieb, egal in welcher Position, mit dem Räderwerk an den entsprechenden Achsen gekoppelt. Fünf Jahre nahm die Entwicklung des selbstregulierenden Gravity Control-Moduls in Anspruch. Für die Fertigung dieses Moduls mussten allein 60 Spezialwerkzeuge entwickelt werden.
Allein der Käfig des Moduls besteht aus 175 Komponenten, mehr als manch komplettes Uhrwerk. Und natürlich schlägt auch das Herz dieses Tourbillons mit 36’000 VpH.
Unter technischen Aspekten betrachtet, handelt es sich eigentlich um keinen richtigen Tourbillon, sondern um eine normale Hemmung mit schwingender Unruh, die in diesem Modul kreiselnd gelagert ist.

Acht Jahre Entwicklung benötigte die komplette Uhr mit seinen Komplikation von der Idee bis zur letzten Qualitätskontrolle. Die Entwicklungskosten lagen bei rund 10 Millionen SFr.
Ein neuer Prototyp mit dem Gravity Control - Modul ist bereits gefertigt. Hier gelang es den Ingenieuren dieses Modul noch weiter zu optimieren, so dass man die Wölbung an der Stelle des Saphirglases, wo der Käfig mit dem Modul sitzt, nicht mehr benötigt.

Nach dem spannenden und hochinteressanten Besuch der Entwicklungsabteilung, beginnt nun eine Reise durch die Geschichte der Manufaktur.
Es gibt nicht viele Unternehmen wo der Name eines von ihnen kreierten Produkts den Namen der Firmenmarke komplett in den Schatten stellt. Auf Anhieb fällt mir die Schweizer Firma Emmi ein, deren Café Latte völlig losgelöst vom Unternehmen einen riesigen Bekanntheitsgrad erreicht hat, ohne das der Konsument dabei an Emmi denkt.
Fast genauso ist es mit dem El Primero von Zenith. Herr Calan hat es selbst bei Chronoart schon erlebt, dass Kunden nach El Primero Uhren gefragt haben. Das es sich dabei um die Marke Zenith handelt liess sie Staunen. Natürlich war ihnen die Marke selbst nicht unbekannt. Auch mich hat bereits ein Kollege mal angesprochen. Auf der Suche nach El Primero findet er nur Uhrwerke, welche bei der Marke Zenith verbaut sind. Aha …

Auch wenn die Geschichte das El Primero zur Legende gemacht hat und den meisten mehr oder weniger bekannt ist, so gibt es doch das ein oder andere Detail, was ich hier erwähnen möchte.
Am 3.März 1969 wurde das Geheimnis um ein Projekt der Hersteller Breitling, Heuer-Leonidas, Hamilton/Büren und Dubois Dépraz in Genf und New York der Öffentlichkeit präsentiert. Das Kaliber 11 Chronomatic war ein Chronographenwerk mit automatischen Aufzug, welches auf einem Mikrorotor basiert. Doch wie so oft im Leben kamen auch die vier beteiligten Firmen zwei Monate zu spät.
Zenith hatte am 10. Januar 1969 in New York das erste Automatic-Chronographenwerk vorgestellt … das El Primero.

Foto Zenith
Von der ersten Idee bis zur Vollendung vergingen fast sieben Jahre. Das Resultat war ein äusserst anspruchsvoller Mechanismus, welcher es ermöglichte, den Chronographen ohne ein zusätzliches Modul direkt im Uhrwerk unterzubringen.
Das gesamte Uhrwerk wurde um einen kugelgelagerten Zentralrotor aufgebaut, welcher sich auf einem Säulenrad dreht. Und damit nicht genug …
Das Uhrwerk schlägt mit einer Schwingungszahl von 36'000 Halbschwingungen pro Stunde, was einer Frequenz von 5 Hertz entspricht. Mit einer Bauhöhe von nur 6,5 Millimetern und einem Durchmesser von 29,33 Millimetern setzte dieses komplexe Kaliber neue Massstäbe.
Zwei Versionen wurden von Zenith auf den Markt gebracht:
Das Kaliber 3019 PHC, bestehend aus 280 Komponenten mit einer einfachen Datumsanzeige und die kompliziertere Version, dass Kaliber 3019 PHF, mit Dreifach-Kalender und Mondphasen-Anzeige, bestehend aus 354 Komponenten.
Zwei Jahre später kämpfte Zenith bereits mit Absatzproblemen. Die Quarzkrise hatte die Schweizer Uhrenindustrie erreicht. 1971 übernahm die amerikanische Zenith Radio Cooperation die Firma. Da kaum noch Nachfrage nach mechanischen Uhren bestand, wurde auch bei Zenith die Produktion auf Quarzuhren umgestellt. Und es sollte noch schlimmer kommen.
Das Management der Zenith Radio Cooperation erklärte 1975 die mechanische Uhr für tot. Sie gab die Order an die Abteilungsleiter in Le Locle, sämtliche Werkzeuge und bereits produzierten mechanischen Uhrwerke zu vernichten.
Charles Vermot wollte das nicht akzeptieren und begann nach Feierabend und an den Wochenenden mit zwei weiteren Kollegen, alle Werkzeuge und Einzelteile für das El Primero zu katalogisieren und auf einem Dachboden der Manufaktur zu verstecken. Als er fertig war, mauerte er den Dachboden zu. Mit dieser mutigen Aktion nahm er sogar seine Kündigung in Kauf.

Das Versteck.

Stanzwerkzeuge für das El Primero

Arbeitstisch von Charles Vermot
Allmählich verloren die Amerikaner die Geduld, da die Umsätze stagnierten und die Gewinne ausblieben.
Mit dem Verkauf der Manufaktur 1978 an die Firma Dixi in Le Locle, flackerte für Zenith nach sieben Jahren des wirtschaftlichen Martyriums ein Licht am Ende des Tunnels auf.
Mit Paul Castella übernahm ein Liebhaber alter mechanischer Uhren die Führung des Unternehmens. Doch es sollten noch drei weitere Jahre vergehen, bis der Stern von Zenith wieder zu leuchten beginnen sollte.