
Labrador
Themenstarter
Vor wenigen Tagen kam per Post der defekte UMF Ruhla Stopper von Micha bei mir an. Wie schon angekündigt, war die Unruhwelle gebrochen.

Nachdem ich feststellen musste, dass die Ersatzwelle nicht mehr bei den gängigen Furnituristen zu bekommen war, habe ich mit Glück doch noch einen sehr freundlichen Lieferanten gefunden, der mir die Ersatzwelle heute per Post zukommen lies. Hocherfreut habe ich mich dann ans Werk gemacht und für einige Fotos dabei gemacht.
Die erste Sache, die mich etwas nachdenklich stimmte war die folgende Beschriftung der Ersatzteiltüte:

Bestpassend lässt vermuten, nicht perfekt passend. Aber dazu später.
Zuerst habe ich den Unruhkloben mit der daranhängenden Unruhwelle ausgebaut. Auf dem folgenden Bild ist der geschlossene Spiralschlüssel zu erkennen. Ein schönes Detail ist die Bohrung, mit der sich der Schlüssel sehr gut öffnen und schließen lässt.

Der Spiralschlüssel wird mit einem kleinen Stift um ca. 90° gedreht, so dass die Spirale nach unter heraus kann.

Nach dem Lösen der Spiralklötzchenschraube hat man die Unruh incl. Spirale von Unruhkloben erfolgreich abgebaut.
Danach habe ich das Spiralröllchen, dass auf der Unruhwelle feststeckt sehr vorsichtig nach oben hochgeschoben. Das sieht dann so aus:

An der Unterseite der Unruhwelle sitzt das Plateau mit dem Ellipsen oder Hebelstein. Um dieses filigrane Teil ohne Beschädigungen abnehmen zu können, braucht man einen Plateauabschläger.

Das Plateau wird in die spitz zulaufenden Einkerbungen gesteckt und mit einem der Punzen "schlägt" man mit viel Gefühl die alte Welle heraus. (Plateauabschläger hört sich brutal an - hier wird aber nur mit sehr zarten Hammerschlägen gearbeitet.)

Wenn einem das Glück hold ist, sieht das dann ungefähr so aus:

Hier eine Nahaufnahme vom Plateau. Gut sind die Rolle (oberer,silberner Rand mit der Einfräsung) und der rote Ellipsenstein zu erkennen.

Das letzte Teil, dass noch demontiert werden muss, ist der vernietete Unruhreif. Um ihn zu lösen, gibt es zwei Möglichkeiten. 1. Die Welle wird in die Uhrmacherdrehbank eingespannt und mit einem scharfen Stichel wird der Nietrand abgedreht. Wenn das schief geht, hat man ein Problem... Also lieber die zweite Möglichkeit: den Unruh-Max. Das ist ein sehr nützliches Tool und schläft die meiste Zeit bei mir in seinem Kasten...

Auf diesem Bild, geweckt und ausgepackt in voller Lebensgröße.

Bevor es losgeht, muss der Unruhreif schön plan auf dem Amboss der Triebnietmaschine aufliegen. Im Idealfall ist die darunterliegende Bohrung grad so groß, wie der Unruhteller der Welle.

Der Unruhmax passt exakt in die Führung Triebnietmaschine. Damit der empfindliche Unruhreif sich nicht verzieht, hat der Unruh-Max einen Überwurfpunzen, der mit einer starken Feder beim Ausschlagen der Unruhwelle die Schenkel des Unruhreifs nach unten auf den Triebnietamboss drückt. Hierbei wird nicht mit dem Hammer gearbeitet, sondern mit einer Hand kräftig von oben gedrückt. Das klingt sehr kompliziert, sieht aber in der Praxis einfach so aus:

Danach sind die beiden Teile voneinander getrennt. Hier ein Gruppenfoto:

Nun ist es Zeit die neue Welle einzusetzen... wenn da nicht der Hinweis auf "bestpassend" gewesen wäre. Beim Vergleich der alten und der Neuen Welle sehen sie sich ziemlich ähnlich.

Lediglich die Länge scheint etwas abzuweichen.
Um Gewissheit zu haben, dass der Rest passen wird, habe ich die alte und die neue Welle an den entscheidenden Stellen nachgemessen. Hierzu eignet sich der IKA Feintaster (1/100genau) besonders.

Die Maße waren passend, so dass als nächster Schritt die neue Welle in den Unruhreif genietet werden konnte. Das geht fast so wie beim Ausschlagen der alten Welle, nur dass hier der Unruhteller auf dem Amboss aufliegen muss. Von oben wird dann mit einem passend geformten Punzen mit wenigen Hammerschlägen die neue Welle eingenietet.

Um sicherzustellen, dass die Unruhwelle, bzw. der Unruhreif auch ohne Schlag läuft, habe ich die Welle mit dem aufgenieteten Unruhreif in einem Rundlaufzirkel überprüft.

Da alles sehr schön rund läuft, kann nun das Plateau wieder augesetzt werden. Dies wird auch wieder in der Triebnietmaschine erledigt, wobei das Plateau nicht vernietet wird, sondern auf Press auf der Welle sitzt.

Da die Tolleranzen bei diesem Presssitz nicht besonders hoch sind, war es sinnvoll dieses Maß vor dem Aufsetzen zu überprüfen. auch hier werden nur sehr leichte Schläge mit dem Hammer erteilt.
Nachdem das Plateua wieder an Ort und Stelle ist, kommt ein neues Werkzeug zum Einsatz. Die Unruhwaage.

Es ist später für den Gang der Uhr nicht nur von Bedeutung, dass der Unruhreif nicht schlägt, sondern darf er auch keinen Schwerpunkt haben. Ein Schwerpunkt würde zur Folge haben, dass dei Uhr in den verschiedenen Lagen unterschiedlich läuft und Abweichungen hat.
Zuerst wird dei Unruhwaage exakt waagerecht aufgestellt. Dazu hat sie eine kleine Wasserwaage mit an Bord.
Danach wird die Unruhwelle (ohne Spirale!) mit deen beiden Zapfen auf die beiden Rubinklingen gelegt und leicht angeschubst, damit sie sich langsam dreht.
Dreht sie an irgendeiner Stelle hin und her, wissen wir, dass an der Unterseite ein Schwerpunkt ist, der korregiert werden muss. Hier ist aber alles perfekt...
Also kommt jetzt das Aufsetzen der Spirale. Auf diesem Bild ist sehr schön die werkseitig angebrachte Markierung für die Position des Spiralklötzchens auf den Unruhreif zu sehen. Das ist eher unüblich, hat mir aber das Markieren mit eine Filzstift erspart. Die Spirale habe ich vorsichtig mit einem passenden Punzen in der Triebnietmaschine aufgesetzt.
Jetzt kommt die Sache mit "bestpassend" wieder ins Spiel. Nach erfolgter Montage am Unruhkloben bewahrheitete sich meine Vermutung, die ich eingangs hatte, als ich die beiden Wellen nebeneinanderliegen sah: die neue Welle ist einen Tick länger. Das führt dazu, dass die Unruhwelle bei festgeschraubten Unruhkloben klemmt und die Uhr stehen bleibt.
Damit das Projekt im wirtschaftlichen Rahmen und im Einklang mit dem Marktwert eines solchen Stoppers bleibt, habe ich mir erlaubt den sicheren Pfad des Uhrmacherlehrbuches zu verlassen und etwas improvisiert. Alle Profis in diesem Forum mögen mir das verzeihen - aber es ist ja auch nicht die Patek mit den 35 Komplikationen.
Ich habe also eine kleine, dünne Platte grob angefertigt (mit passenden Löchern für die Klobenstifte und die Schraube) und dieses etwas nachlässig gearbeitete Teil nahezu unsichtbar unter den Unruhkloben verschwinden lassen. Hier ein Zwischenstandsfoto während den Anpassungen.
Dadurch, dass die kleine Platte überall die gleiche Höhe hat, wird der Kloben nicht verkantet. Mit dieser kleinen Zugabe läuft der Stopper ganz hervorragend und verrichtet wieder seinen Dienst.
Ich hoffe niemanden damit geschockt zu haben, aber die Tatsache, dass eine 100%tige Welle nicht mehr zu bekommen war, legalisiert in meine Augen diese Vorgehensweise.
Als letzte Tat habe ich dann noch den etwas labberig aufgehängten Taschenuhrbügel mit einer Spezialzange wieder nachgebogen, so dass er nun ohne Spiel am Gehäusetubus sitzt.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für das Vertrauen von Micha bedanken.
Viele Grüße
der Labrador

Nachdem ich feststellen musste, dass die Ersatzwelle nicht mehr bei den gängigen Furnituristen zu bekommen war, habe ich mit Glück doch noch einen sehr freundlichen Lieferanten gefunden, der mir die Ersatzwelle heute per Post zukommen lies. Hocherfreut habe ich mich dann ans Werk gemacht und für einige Fotos dabei gemacht.
Die erste Sache, die mich etwas nachdenklich stimmte war die folgende Beschriftung der Ersatzteiltüte:

Bestpassend lässt vermuten, nicht perfekt passend. Aber dazu später.
Zuerst habe ich den Unruhkloben mit der daranhängenden Unruhwelle ausgebaut. Auf dem folgenden Bild ist der geschlossene Spiralschlüssel zu erkennen. Ein schönes Detail ist die Bohrung, mit der sich der Schlüssel sehr gut öffnen und schließen lässt.

Der Spiralschlüssel wird mit einem kleinen Stift um ca. 90° gedreht, so dass die Spirale nach unter heraus kann.

Nach dem Lösen der Spiralklötzchenschraube hat man die Unruh incl. Spirale von Unruhkloben erfolgreich abgebaut.
Danach habe ich das Spiralröllchen, dass auf der Unruhwelle feststeckt sehr vorsichtig nach oben hochgeschoben. Das sieht dann so aus:

An der Unterseite der Unruhwelle sitzt das Plateau mit dem Ellipsen oder Hebelstein. Um dieses filigrane Teil ohne Beschädigungen abnehmen zu können, braucht man einen Plateauabschläger.

Das Plateau wird in die spitz zulaufenden Einkerbungen gesteckt und mit einem der Punzen "schlägt" man mit viel Gefühl die alte Welle heraus. (Plateauabschläger hört sich brutal an - hier wird aber nur mit sehr zarten Hammerschlägen gearbeitet.)

Wenn einem das Glück hold ist, sieht das dann ungefähr so aus:

Hier eine Nahaufnahme vom Plateau. Gut sind die Rolle (oberer,silberner Rand mit der Einfräsung) und der rote Ellipsenstein zu erkennen.

Das letzte Teil, dass noch demontiert werden muss, ist der vernietete Unruhreif. Um ihn zu lösen, gibt es zwei Möglichkeiten. 1. Die Welle wird in die Uhrmacherdrehbank eingespannt und mit einem scharfen Stichel wird der Nietrand abgedreht. Wenn das schief geht, hat man ein Problem... Also lieber die zweite Möglichkeit: den Unruh-Max. Das ist ein sehr nützliches Tool und schläft die meiste Zeit bei mir in seinem Kasten...

Auf diesem Bild, geweckt und ausgepackt in voller Lebensgröße.

Bevor es losgeht, muss der Unruhreif schön plan auf dem Amboss der Triebnietmaschine aufliegen. Im Idealfall ist die darunterliegende Bohrung grad so groß, wie der Unruhteller der Welle.

Der Unruhmax passt exakt in die Führung Triebnietmaschine. Damit der empfindliche Unruhreif sich nicht verzieht, hat der Unruh-Max einen Überwurfpunzen, der mit einer starken Feder beim Ausschlagen der Unruhwelle die Schenkel des Unruhreifs nach unten auf den Triebnietamboss drückt. Hierbei wird nicht mit dem Hammer gearbeitet, sondern mit einer Hand kräftig von oben gedrückt. Das klingt sehr kompliziert, sieht aber in der Praxis einfach so aus:

Danach sind die beiden Teile voneinander getrennt. Hier ein Gruppenfoto:

Nun ist es Zeit die neue Welle einzusetzen... wenn da nicht der Hinweis auf "bestpassend" gewesen wäre. Beim Vergleich der alten und der Neuen Welle sehen sie sich ziemlich ähnlich.

Lediglich die Länge scheint etwas abzuweichen.
Um Gewissheit zu haben, dass der Rest passen wird, habe ich die alte und die neue Welle an den entscheidenden Stellen nachgemessen. Hierzu eignet sich der IKA Feintaster (1/100genau) besonders.

Die Maße waren passend, so dass als nächster Schritt die neue Welle in den Unruhreif genietet werden konnte. Das geht fast so wie beim Ausschlagen der alten Welle, nur dass hier der Unruhteller auf dem Amboss aufliegen muss. Von oben wird dann mit einem passend geformten Punzen mit wenigen Hammerschlägen die neue Welle eingenietet.

Um sicherzustellen, dass die Unruhwelle, bzw. der Unruhreif auch ohne Schlag läuft, habe ich die Welle mit dem aufgenieteten Unruhreif in einem Rundlaufzirkel überprüft.

Da alles sehr schön rund läuft, kann nun das Plateau wieder augesetzt werden. Dies wird auch wieder in der Triebnietmaschine erledigt, wobei das Plateau nicht vernietet wird, sondern auf Press auf der Welle sitzt.

Da die Tolleranzen bei diesem Presssitz nicht besonders hoch sind, war es sinnvoll dieses Maß vor dem Aufsetzen zu überprüfen. auch hier werden nur sehr leichte Schläge mit dem Hammer erteilt.
Nachdem das Plateua wieder an Ort und Stelle ist, kommt ein neues Werkzeug zum Einsatz. Die Unruhwaage.

Es ist später für den Gang der Uhr nicht nur von Bedeutung, dass der Unruhreif nicht schlägt, sondern darf er auch keinen Schwerpunkt haben. Ein Schwerpunkt würde zur Folge haben, dass dei Uhr in den verschiedenen Lagen unterschiedlich läuft und Abweichungen hat.
Zuerst wird dei Unruhwaage exakt waagerecht aufgestellt. Dazu hat sie eine kleine Wasserwaage mit an Bord.
Danach wird die Unruhwelle (ohne Spirale!) mit deen beiden Zapfen auf die beiden Rubinklingen gelegt und leicht angeschubst, damit sie sich langsam dreht.
Dreht sie an irgendeiner Stelle hin und her, wissen wir, dass an der Unterseite ein Schwerpunkt ist, der korregiert werden muss. Hier ist aber alles perfekt...

Also kommt jetzt das Aufsetzen der Spirale. Auf diesem Bild ist sehr schön die werkseitig angebrachte Markierung für die Position des Spiralklötzchens auf den Unruhreif zu sehen. Das ist eher unüblich, hat mir aber das Markieren mit eine Filzstift erspart. Die Spirale habe ich vorsichtig mit einem passenden Punzen in der Triebnietmaschine aufgesetzt.
Jetzt kommt die Sache mit "bestpassend" wieder ins Spiel. Nach erfolgter Montage am Unruhkloben bewahrheitete sich meine Vermutung, die ich eingangs hatte, als ich die beiden Wellen nebeneinanderliegen sah: die neue Welle ist einen Tick länger. Das führt dazu, dass die Unruhwelle bei festgeschraubten Unruhkloben klemmt und die Uhr stehen bleibt.
Damit das Projekt im wirtschaftlichen Rahmen und im Einklang mit dem Marktwert eines solchen Stoppers bleibt, habe ich mir erlaubt den sicheren Pfad des Uhrmacherlehrbuches zu verlassen und etwas improvisiert. Alle Profis in diesem Forum mögen mir das verzeihen - aber es ist ja auch nicht die Patek mit den 35 Komplikationen.

Ich habe also eine kleine, dünne Platte grob angefertigt (mit passenden Löchern für die Klobenstifte und die Schraube) und dieses etwas nachlässig gearbeitete Teil nahezu unsichtbar unter den Unruhkloben verschwinden lassen. Hier ein Zwischenstandsfoto während den Anpassungen.
Dadurch, dass die kleine Platte überall die gleiche Höhe hat, wird der Kloben nicht verkantet. Mit dieser kleinen Zugabe läuft der Stopper ganz hervorragend und verrichtet wieder seinen Dienst.
Ich hoffe niemanden damit geschockt zu haben, aber die Tatsache, dass eine 100%tige Welle nicht mehr zu bekommen war, legalisiert in meine Augen diese Vorgehensweise.
Als letzte Tat habe ich dann noch den etwas labberig aufgehängten Taschenuhrbügel mit einer Spezialzange wieder nachgebogen, so dass er nun ohne Spiel am Gehäusetubus sitzt.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für das Vertrauen von Micha bedanken.
Viele Grüße
der Labrador
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