gsl
Themenstarter
Servus aus Wien!
Ich habe in diesem Forum schon so viel Hilfe und Beistand bekommen, dass ich nur demütig "Danke!" sagen kann. So viele bereitwillge, schnelle und kompetente Ratschläge und geduldige Erklärungen, die ich nie in gleicher Münze zurückgeben kann. Nicht denen, die sie mir gegeben haben, denn einholen in der Expertise werde ich sie nie.
Was ich machen kann, wenn mich das Gefühl nur ein Schnorrer (Schmatotzer) hier zu sein, und ich rot werde und mich nicht mehr traue Fragen zu stellen und um Hilfe zu bitten, ist einen Beitrag zu leisten in Form eines Berichts über meine Erfahrungen bei der "Revision" eines Massenuhrwerks, das aber scheinbar ein Schattendasein führt und über das ich wenig an detaillierter Beschreibung und Anleitung finden konnte - und sie ist kein "klassisch" aufgebautes Kaliber sondern hat sogar einige Besonderheiten. Vielleicht hilft dieser Erfahrungsbericht eines Greenhorns einem nachkommenden Neuling, der mit so einem Kaliber konfrontiert ist, ein wenig weiter. Dies als Beitrag und Versuch mich für alles Gute hier zu revanchieren.
Warum ich Revision in Anführungszeichen setze? Weil mir bewusst ist, dass eine fachmännische Revision nicht "nur" Zerlegen, Reinigen und wieder Zusammensetzen ist, sondern die -eben- fachmännische Inspektion und gegebenenfalls Reparatur von kaputten und verschissenen Lagern und Zapfen und Federn, sowie ein vorsorgliches Ersetzen von Teilen, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in Zukunft eingehen würden, so dass die Revision eine Störungsfreie Funktion der Uhr für die nächsten 10 oder mehr Jahre gewährleistet.
So eine Revision war und ist jenseits meiner Kompetenz und war somit nicht Gegenstand dieser "Revision". Ich habe es nicht einmal geschafft den Oszillator zu zerlegen, aber dazu später.
Zur Uhr: Ich habe diese Uhr vor etwa einem Monat auf dem Flohmarkt von 60 Euro auf 30 runtergehandelt. Vermutlich habe ich trotzdem zu viel bezahlt, aber es ist nicht leicht defunkte Uhren, die kein totaler Schrott sind, zu bekommen und dabei war auch eine Hülle (zwar in schlechtem Zustand), mit (ich glaube) Zelluloseglas, eine duplierte Kette und die Aussicht auf eine erfolgreiche Reparatur, wie mir schien, da die Feder ganz aufgezogen war, die Uhr aber nach weniger als einer halben Minute wieder stehen blieb. Das deutete darauf hin, dass die Uhr vermutlich nur verdreckt und verklebt war und eine Demontage und Komplettreinigung sie wieder zum Laufen bringen würden. Auch das Stellwerk hat funktioniert und sie schien in einem halbwegs vernünftigen Allgemeinzustand zu sein (kein Rost).


Um es vorwegzunehmen, ich trage jetzt die Uhr, die seit 10 Tagen ununterbrochen läuft, an der Kette und habe sie auf <1 Minute pro Tag reguliert. Ohne Zeitwaage wird es dauern, falls ich sie überhaupt noch genauer hinbekomme, aber ich bin hoch zufrieden und freue mich sehr.
Die Uhr aufzumachen war die erste Hürde. Der hintere Deckel war (sanft) nicht aufzubekommen, so dass ich dachte, dass er viellecht geschraubt ist. Doch drehen ließ er sich auch nicht. Ein Thread hier, den ich leider nicht mehr finde, hat mir Mut gemacht sanfte Gewalt anzuwenden und sie aufzubekommen. Der Deckel der Uhr hat ganz klassisch zwischen 10 und 11 Uhr eine Kerbe, die jedoch nur geöffnet erkennbar ist. Und der Deckel sitzt sehr, sehr fest. Die Lünette im Übrigen auch.

Bei genauerer Betrachtung sah ich, dass das Plexiglas auch versuperklebert war und trotzdem nicht festsaß. Die Superkleberreste habe ich vom Glas nicht wegbekommen, aber das Glas zum Schluß mit 1:1 verdünntem Ponal Holzleim bombenfest und wieder vollständig entfernbar eingeklebt. Danke an dieser Stelle Ingo (@monozelle) für die Anregung und Tipps in einer Privatunterhaltung aus der ich zitiere:
Die Demontage war recht einfach, bis auf die Besonderheiten, wegen der ich das hier schreibe und den Oszillator und den Winkelhebel. Als erstes habe ich die Feder abgelassen. Dafür muss man das Werk aus dem Gehäuse nehmen, die Kronewelle wieder einsetzen und bei etwa halb 9 Uhr, seitlich mit einem Stäbchen den Sperrfinger (gelber Pfeil) reindrücken und kontrolliert ablassen. Das geht bei der Uhr recht Problemlos.


Daraufhin habe ich die Unruhe und den Anker, die beide auf eigenen Kloben hängen, entfernt. Der Rest des Werkes ist unter einer großen Brücke/hinteren Platine.


Die Zeiger gehen gut runter jedoch ist das Ziffernblatt eigen befestigt (roter Pfeil). Es ist nicht standard mit gelöteten Stiften und Keilschrauben, sondern die Stifte sind am Ende eingekerbt und werden zum Befestigen gespreizt. Ich habe das erst nachdem ich die hintere Platine/Brücke abgenommen hatte so richtig gesehen und verstanden. Wenn man es kennt, kann man auch seitlich mit einer Spitzzange die Stifte zusammendrücken und das Ziffernblatt entfernen. Es geht sogar mit Vorsicht und einem Schraubenzieher sie von der Seite wieder zu spreizen, wenn man nur das ZB entferenen und wieder einsetzen will, ohne das ganze Werk zu zerlegen, aber es hilft wenn man es vorher mal "im Freien" gesehen hat.
Eine weitere Besonderheit ist, dass die Platine zweiteilig ist. D.h. es sind zwei Platten, die miteinander (übereinander) mit "Pfosten" verschraubt sind. Das sieht man im Bild oben links und rechts vom roten Pfeil. Der linke Pfosten mit dem "Ring" ist einer von vieren, die verschraubt die zweite Platte halten und auf der oberen Seite die hintere Platte/Brücke halten.



Noch eine Besonderheit ist der Aufbau des Federhauses. Dabei ist die Federwelle und das Sperrad ein Teil, und das Federhaus ist mit einem Bolzen an der Platine besfestigt. (Bilder unten)



Jedoch mit dem Zerlegen der Unruhe habe ich so meine liebe Not gehabt, bzw. habe ich es gar nicht geschafft und das ist in diesem Thread beschrieben: Wie zerlege ich diesen Oszillator zum Reinigen?


Den Winkelhebel, der auch mehrteilig ist, habe ich auch nicht zerlegen können und ihn im Ganzen gereinigt:

Gereinigt habe ich mit Elma 1:9 im Ultraschall. Wem an der Leuchtmasse auf den Zeigern und dem Ziffernblatt was liegt, sollte das lassen. Diese Leuchtmasse hat sich schon bei kurzer Einwirkung völlig aufgelöst, als wäre sie aus Zucker. Ansonsten ist das Werk, das recht üpping eingefettet war schön sauber geworden. In Ermangelung von Suprol zum Spülen, habe ich alle Teile nach dem US Bad in Wasser gespült, anschließend in 96% Alkohol gelegt, um das meiste Wasser zu binden, und dann in Wundbenzin getaucht. Den Tipp hat mir der Verkäufer des Elma 1:9 gegeben. Er hat mir gesagt, dass sie das als er noch gelernt hat so gemacht haben. Benzin ist zwar nicht hygroskop wie Alkohol, aber es ist hydrophob und stößt Feuchtigkeit und das Restwasser vom Alkohol ab, das sich dann am Boden des Glases in einer Kugel (wie in der Schwerelosigkeit) sammelt. Die Teile sind nach dem Rausholen in Sekunden staubtrocken, da Wundbenzin extrem flüchtig (und brennbar) ist (also Vorsicht beim Hantieren). Darüberhinaus ist, wie @carondeb und @30 kHz unten kommentiert haben bei alten Uhren das Leuchtmaterial möglicherweise radioaktiv und sollte mit besonderer Vorsicht behandelt werden. Dasselbe gilt für Teile (Ankerpaletten), die mit Schellack eingeklebt sind der sich in Alkohol löst.
Allgemein möchte ich hier auch aus eigener Erfahrung berichten, dass man mit US aufpassen muss. Ich habe irgendwo gelesen, dass Uhrmacher wissen, welche Teile sie nicht in den US geben dürfen. Leider ist dort nicht gestanden welche das sind. Abgesehen von den mit Schellack geklebten Ankern meine ich, dass man besonders mit (altem) Plexiglas, bzw. Zelluloseglas sehr aufpassen muss, da es sofort matt und milchig wird. Außerdem erodieren Beschichtungen (dupliertes Silber und Gold sowie Chrom und ähnliches) schon nach kurzer Einwirkung (<3 Minuten)
Bei der Remontage habe ich mich schwer getan. Ich musste die Uhr, da sie immer wieder nach einigen Minuten stehen blieb, zum zweiten Mal aus dem Gehäuse nehmen und teilzerlegen. Das Problem war, dass die Brücke/hintere Platine an dem Pfosten, wo der Ankerkloben befestigt wird nicht ganz richtig "saß", Die Brücke klemmte ein wenig am Pfosten und war nicht völlig eben (ein kleiner Spalt, somit waren alle Achsen ein wenig schief). Erstaunlicherweise war es sehr leicht gewesen alle Zapfen sofort und richtig in die Lager zu bekommen, aber die Brücke selbst hat die Schwierigkeiten gemacht. Nachdem dieses Problem identifiziert und behoben war, ist die Uhr dann auch robust und auf <2Min/Tag genau gegangen. Das regulieren ohne Zeitwaage ist recht mühsam, da der Deckel so fest sitzt und es schwer ist sie jeden Tag aufzumachen und den Schieber nachzustellen. Daraus schließe ich, dass die Uhr schon so modern ist (ich tippe auf 1950er Jahre), dass "no user serviceable parts inside", schon vorausgesetzt wird, dass sie mit Zeitwaage reguliert wird und nicht vom Träger geöffnet werden soll.



Ich hoffe, dass dieser Photoerfahrungsbericht jemandem helfen können wird. Für Hinweise auf Fehler oder Verbesserungsvorschläge bin ich jederzeit dankbar. Am besten solange ich den Beitrag noch bearbeiten kann.
Schöne Grüße aus Wien
Michael
Ich habe in diesem Forum schon so viel Hilfe und Beistand bekommen, dass ich nur demütig "Danke!" sagen kann. So viele bereitwillge, schnelle und kompetente Ratschläge und geduldige Erklärungen, die ich nie in gleicher Münze zurückgeben kann. Nicht denen, die sie mir gegeben haben, denn einholen in der Expertise werde ich sie nie.
Was ich machen kann, wenn mich das Gefühl nur ein Schnorrer (Schmatotzer) hier zu sein, und ich rot werde und mich nicht mehr traue Fragen zu stellen und um Hilfe zu bitten, ist einen Beitrag zu leisten in Form eines Berichts über meine Erfahrungen bei der "Revision" eines Massenuhrwerks, das aber scheinbar ein Schattendasein führt und über das ich wenig an detaillierter Beschreibung und Anleitung finden konnte - und sie ist kein "klassisch" aufgebautes Kaliber sondern hat sogar einige Besonderheiten. Vielleicht hilft dieser Erfahrungsbericht eines Greenhorns einem nachkommenden Neuling, der mit so einem Kaliber konfrontiert ist, ein wenig weiter. Dies als Beitrag und Versuch mich für alles Gute hier zu revanchieren.
Warum ich Revision in Anführungszeichen setze? Weil mir bewusst ist, dass eine fachmännische Revision nicht "nur" Zerlegen, Reinigen und wieder Zusammensetzen ist, sondern die -eben- fachmännische Inspektion und gegebenenfalls Reparatur von kaputten und verschissenen Lagern und Zapfen und Federn, sowie ein vorsorgliches Ersetzen von Teilen, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in Zukunft eingehen würden, so dass die Revision eine Störungsfreie Funktion der Uhr für die nächsten 10 oder mehr Jahre gewährleistet.
So eine Revision war und ist jenseits meiner Kompetenz und war somit nicht Gegenstand dieser "Revision". Ich habe es nicht einmal geschafft den Oszillator zu zerlegen, aber dazu später.
Zur Uhr: Ich habe diese Uhr vor etwa einem Monat auf dem Flohmarkt von 60 Euro auf 30 runtergehandelt. Vermutlich habe ich trotzdem zu viel bezahlt, aber es ist nicht leicht defunkte Uhren, die kein totaler Schrott sind, zu bekommen und dabei war auch eine Hülle (zwar in schlechtem Zustand), mit (ich glaube) Zelluloseglas, eine duplierte Kette und die Aussicht auf eine erfolgreiche Reparatur, wie mir schien, da die Feder ganz aufgezogen war, die Uhr aber nach weniger als einer halben Minute wieder stehen blieb. Das deutete darauf hin, dass die Uhr vermutlich nur verdreckt und verklebt war und eine Demontage und Komplettreinigung sie wieder zum Laufen bringen würden. Auch das Stellwerk hat funktioniert und sie schien in einem halbwegs vernünftigen Allgemeinzustand zu sein (kein Rost).


Um es vorwegzunehmen, ich trage jetzt die Uhr, die seit 10 Tagen ununterbrochen läuft, an der Kette und habe sie auf <1 Minute pro Tag reguliert. Ohne Zeitwaage wird es dauern, falls ich sie überhaupt noch genauer hinbekomme, aber ich bin hoch zufrieden und freue mich sehr.
Die Uhr aufzumachen war die erste Hürde. Der hintere Deckel war (sanft) nicht aufzubekommen, so dass ich dachte, dass er viellecht geschraubt ist. Doch drehen ließ er sich auch nicht. Ein Thread hier, den ich leider nicht mehr finde, hat mir Mut gemacht sanfte Gewalt anzuwenden und sie aufzubekommen. Der Deckel der Uhr hat ganz klassisch zwischen 10 und 11 Uhr eine Kerbe, die jedoch nur geöffnet erkennbar ist. Und der Deckel sitzt sehr, sehr fest. Die Lünette im Übrigen auch.

Bei genauerer Betrachtung sah ich, dass das Plexiglas auch versuperklebert war und trotzdem nicht festsaß. Die Superkleberreste habe ich vom Glas nicht wegbekommen, aber das Glas zum Schluß mit 1:1 verdünntem Ponal Holzleim bombenfest und wieder vollständig entfernbar eingeklebt. Danke an dieser Stelle Ingo (@monozelle) für die Anregung und Tipps in einer Privatunterhaltung aus der ich zitiere:
monozelle schrieb:Vorausgesetzt, das Glas passt, es lässt sich einsetzen und nicht mehr hin- und herschieben.
Du kannst es so machen mit dem Holzleim. Ich nehme den hundsgewöhnlichen Ponal, den du in jedem Baumarkt bekommst. Wenn du ihn aber unverdünnt nimmst, hast du das Risiko, dass er beim Einsetzen des Glases rausquillt und man die Reste mit einem Putzholz entfernen muss, weil das hässlich aussieht. Innen an der Lünette kommt man schwer ran und man läuft auch Gefahr, das gerade eingesetzte Glas wieder rauszudrücken. Außerdem hat er nach dem Trocknen eine gummiartige Konsistenz, da passiert es auch manchmal, dass man beim Entfernen des überschüssigen Klebers auch den Teil wieder mit rauszieht, der eigentlich bleiben soll.
Ich verdünne ihn deswegen mit ein wenig Wasser, so dass er besser fließt. Wasseranteil etwa 1:1 oder auch weniger. Brauchst ja nicht viel, eigentlich nur einen Tropfen.
Das hat den Vorteil, dass er sich mit Hilfe der Kapillarkräfte von selbst in die Rinne der Lünette zieht und sich dort gleichmäßig und sparsam verteilt. Dafür nehme ich mit einem Zahnstocher einen Tropfen auf oder ich nehme einen sehr feinen Pinsel, den ich hinterher gut ausspüle. Und hinterher sieht man nichts von der Aktion.![]()
Die Demontage war recht einfach, bis auf die Besonderheiten, wegen der ich das hier schreibe und den Oszillator und den Winkelhebel. Als erstes habe ich die Feder abgelassen. Dafür muss man das Werk aus dem Gehäuse nehmen, die Kronewelle wieder einsetzen und bei etwa halb 9 Uhr, seitlich mit einem Stäbchen den Sperrfinger (gelber Pfeil) reindrücken und kontrolliert ablassen. Das geht bei der Uhr recht Problemlos.


Daraufhin habe ich die Unruhe und den Anker, die beide auf eigenen Kloben hängen, entfernt. Der Rest des Werkes ist unter einer großen Brücke/hinteren Platine.


Die Zeiger gehen gut runter jedoch ist das Ziffernblatt eigen befestigt (roter Pfeil). Es ist nicht standard mit gelöteten Stiften und Keilschrauben, sondern die Stifte sind am Ende eingekerbt und werden zum Befestigen gespreizt. Ich habe das erst nachdem ich die hintere Platine/Brücke abgenommen hatte so richtig gesehen und verstanden. Wenn man es kennt, kann man auch seitlich mit einer Spitzzange die Stifte zusammendrücken und das Ziffernblatt entfernen. Es geht sogar mit Vorsicht und einem Schraubenzieher sie von der Seite wieder zu spreizen, wenn man nur das ZB entferenen und wieder einsetzen will, ohne das ganze Werk zu zerlegen, aber es hilft wenn man es vorher mal "im Freien" gesehen hat.
Eine weitere Besonderheit ist, dass die Platine zweiteilig ist. D.h. es sind zwei Platten, die miteinander (übereinander) mit "Pfosten" verschraubt sind. Das sieht man im Bild oben links und rechts vom roten Pfeil. Der linke Pfosten mit dem "Ring" ist einer von vieren, die verschraubt die zweite Platte halten und auf der oberen Seite die hintere Platte/Brücke halten.



Noch eine Besonderheit ist der Aufbau des Federhauses. Dabei ist die Federwelle und das Sperrad ein Teil, und das Federhaus ist mit einem Bolzen an der Platine besfestigt. (Bilder unten)



Jedoch mit dem Zerlegen der Unruhe habe ich so meine liebe Not gehabt, bzw. habe ich es gar nicht geschafft und das ist in diesem Thread beschrieben: Wie zerlege ich diesen Oszillator zum Reinigen?


Den Winkelhebel, der auch mehrteilig ist, habe ich auch nicht zerlegen können und ihn im Ganzen gereinigt:

Gereinigt habe ich mit Elma 1:9 im Ultraschall. Wem an der Leuchtmasse auf den Zeigern und dem Ziffernblatt was liegt, sollte das lassen. Diese Leuchtmasse hat sich schon bei kurzer Einwirkung völlig aufgelöst, als wäre sie aus Zucker. Ansonsten ist das Werk, das recht üpping eingefettet war schön sauber geworden. In Ermangelung von Suprol zum Spülen, habe ich alle Teile nach dem US Bad in Wasser gespült, anschließend in 96% Alkohol gelegt, um das meiste Wasser zu binden, und dann in Wundbenzin getaucht. Den Tipp hat mir der Verkäufer des Elma 1:9 gegeben. Er hat mir gesagt, dass sie das als er noch gelernt hat so gemacht haben. Benzin ist zwar nicht hygroskop wie Alkohol, aber es ist hydrophob und stößt Feuchtigkeit und das Restwasser vom Alkohol ab, das sich dann am Boden des Glases in einer Kugel (wie in der Schwerelosigkeit) sammelt. Die Teile sind nach dem Rausholen in Sekunden staubtrocken, da Wundbenzin extrem flüchtig (und brennbar) ist (also Vorsicht beim Hantieren). Darüberhinaus ist, wie @carondeb und @30 kHz unten kommentiert haben bei alten Uhren das Leuchtmaterial möglicherweise radioaktiv und sollte mit besonderer Vorsicht behandelt werden. Dasselbe gilt für Teile (Ankerpaletten), die mit Schellack eingeklebt sind der sich in Alkohol löst.
Allgemein möchte ich hier auch aus eigener Erfahrung berichten, dass man mit US aufpassen muss. Ich habe irgendwo gelesen, dass Uhrmacher wissen, welche Teile sie nicht in den US geben dürfen. Leider ist dort nicht gestanden welche das sind. Abgesehen von den mit Schellack geklebten Ankern meine ich, dass man besonders mit (altem) Plexiglas, bzw. Zelluloseglas sehr aufpassen muss, da es sofort matt und milchig wird. Außerdem erodieren Beschichtungen (dupliertes Silber und Gold sowie Chrom und ähnliches) schon nach kurzer Einwirkung (<3 Minuten)
Bei der Remontage habe ich mich schwer getan. Ich musste die Uhr, da sie immer wieder nach einigen Minuten stehen blieb, zum zweiten Mal aus dem Gehäuse nehmen und teilzerlegen. Das Problem war, dass die Brücke/hintere Platine an dem Pfosten, wo der Ankerkloben befestigt wird nicht ganz richtig "saß", Die Brücke klemmte ein wenig am Pfosten und war nicht völlig eben (ein kleiner Spalt, somit waren alle Achsen ein wenig schief). Erstaunlicherweise war es sehr leicht gewesen alle Zapfen sofort und richtig in die Lager zu bekommen, aber die Brücke selbst hat die Schwierigkeiten gemacht. Nachdem dieses Problem identifiziert und behoben war, ist die Uhr dann auch robust und auf <2Min/Tag genau gegangen. Das regulieren ohne Zeitwaage ist recht mühsam, da der Deckel so fest sitzt und es schwer ist sie jeden Tag aufzumachen und den Schieber nachzustellen. Daraus schließe ich, dass die Uhr schon so modern ist (ich tippe auf 1950er Jahre), dass "no user serviceable parts inside", schon vorausgesetzt wird, dass sie mit Zeitwaage reguliert wird und nicht vom Träger geöffnet werden soll.




Ich hoffe, dass dieser Photoerfahrungsbericht jemandem helfen können wird. Für Hinweise auf Fehler oder Verbesserungsvorschläge bin ich jederzeit dankbar. Am besten solange ich den Beitrag noch bearbeiten kann.
Schöne Grüße aus Wien
Michael
Zuletzt bearbeitet: