Guten Abend,
ich freue mich, dass mein kleines Experiment auf Interesse gestoßen ist. Auch wenn nur gering, aber ich wollte Euch die Details nicht vorenthalten. Prinzipiell bin ich heute - 24 Stunden nach der letzten Justage - derart zufrieden, dass ich selbst erstaunt bin.
Meine Jumbo rannte bis gestern 3:30min pro 24h im Plus. Heute hinkt sie gerade mal geschätzte 2 bis maximal 3 Sekunden hinterher. Unglaublich für mich, hätte selbst nicht gedacht, dass ich das derart genau hinbekomme, und das mit so einfachen Mitteln.
Eines vornweg. Die nachfolgende Mathematik passt ausschließlich auf Uhren mit 21600 Halbschwingungen auf 1 Stunde. Läßt sich aber einfach auf andere Uhren übertragen.
Für alle, die das vielleicht selber auch mal probieren möchten hier mal der detaillierte Ablauf.
Mein Setup:
- MacBook Pro Core i7 - 2.8Ghz - 8GB Ram
- Audacity (
Audacity: Free Audio Editor and Recorder)
- Bodenöffnungswerkzeug
- animagnetischer Schraubendreher
Jeder andere Rechner tut's auch, und zur Not geht sicher auch ein Zahnstocher, aber meiner aktuellen Erfahrung nach ist Audacity hervorragend für die Justage geeignet.
Mein Vorgehen:
1. Erste Messung. Dazu wird Audacity gestartet, das Macbook auf die Seite gestellt, und die Uhr mittig auf beide Microöffnungen gelegt. Das muss nicht genau sein. Zusätzlich muss man Audacity unten im Menü von "End" auf "Length" stellen, so dass die Länge des ausgewählten Bereichs angezeigt wird.
2. Eine circa 15 Sekunden dauernde Aufnahme starten, dann stoppen.
Einen Bereich mit ca. 10 Amplituden mit dem Markierungswerkzeug auswählen und dann unter Effekt > Amplify das Signal verstärken.
Die Voreinstellungen für die Verstärkung sind ok, man kann aber auch 4 bis 5 db abziehen.
3. Wie im nächsten Screenshot zu sehen, sind 10 Halbschwingungen perfekt verstärkt.
Jetzt wählt man die ersten zwei aus, und zoomt diese in den sichtbaren Bereich.
4. Nun markiert man den Bereich zwischen den Amplituden und liest unten die Dauer ab. In diesem Fall 168ms.
5. Jetzt verschiebt man mit dem Verschieben Werkzeug den Stream, nicht die Auswahl soweit, dass die Amplitude, die eben noch an der rechten Seite war, nun genau auf die linke Seite der Markierung passt.
Hier ist schön zu sehen, dass es einen Abfall gibt, da die nächste Amplitude auf der rechten Seite nicht genau auf dem Ende des markierten Bereichs liegt.
6. Jetzt mißt man den Bereich zwischen den beiden Amplituden aus.
In meinem Fall 166ms. Der Abfall beträgt also 2ms, im Mittel komme ich aber auf Wellenlängen von 167ms, was verdächtig nach an den 166,66ms liegt, die ich brauche. Die Jumbo schwingt mit 21600 Halbschwingungen pro Sekunde. Eine Stunde hat 3600000 Millisekunden. 3600000/21600 ergibt (166 + 2/3)ms pro Halbschwingung.
7. Unabhängig von der Wellenlänge sollte man jetzt zunächst den Abfall korrigieren, so dass die Wellenlängen zwischen je mehreren Amplituden möglichst gleich sind, der Abfall also bei 0ms liegt. In meinem Fall bin ich mit den 2ms absolut zufrieden.
8. Ist der Abfall korrigiert, macht man sich an die Korrektur des Gangs. Hierzu erzeugt man zunächst eine neue Aufnahme mit ca. 15 bis 20 Sekunden Länge.
9. Nachfogend markiert man sich großzügig einen Bereich von 8 Sekunden und gibt wieder eine Verstärkung drauf.
10. Nun markiert man sich die erste verstärkte Amplitude und vergrößert die in den sichtbaren Bereich, um den Start der Markierung möglichst genau setzen zu können.
11. Im Menü unten gibt man nun lediglich 8.000 Sekunden manuell ein. Der ausgewählte Bereich erstreckt sich nun auf genau 8 Sekunden.
12. Nun stellt man sicher, dass man genau 48 Halbschwingungen in der Auswahl hat. Zumindest gilt das für eine Uhr die mit 21600 A/h schwingt, denn (166+2/3)ms * 48 = 8000ms = 8s.
Wählt man den Korrekturbereich kleiner, ist der Meßfehler in Relation zu groß. Wählt man den Bereich größer, kann man mit normalen Werkzeugen kaum noch justieren, weil selbst die kleinste Änderung zu zu großen Ergebnisverschiebungen führt. 8 Sekunden sind hier eine wirklich gute Wahl.
13. Man bewegt sich zum Ende der Auswahl, ohne diese zu veschieben, und zoomt soweit ein, dass man nun den Fehler begutachten kann.
In meinem Fall liegt die Amplitude von Halbschwingung 48 circa 1ms links der 8 Sekunden Auswahl, meine Uhr geht also zu schnell. Da der Tag 86400 Sekunden hat, teile ich das durch meine 8 Sekunden. 86400/8 = 10800. Das ist die Anzahl der Millisekunden, die die Uhr also in 24 Stunden zu schnell rennt. Also 10.8 Sekunden.
Das ganze Experiment ist mehr oder weniger genau. Meine Jumbo hat jetzt wie schon erwähnt eher 3 Sekunden im Minus. Je nachdem wie genau ich die Messung in Audacity mache, komme ich aber auch immer auf etwas andere Ergebnisse. All in All bin ich mit der Regulierung mehr als zufrieden, und das Ganze war ein spannendes Experiment, welches vielleicht auch dem einen oder anderen Spaß macht.
Mathe ist Dein Freund.
--- Nachträglich hinzugefügt ---
Hallo omega511,
Coole Aktion, sauber gemacht, ordentlicher Rechner !
Ich persönlich wäre nicht mit 2 ms Differenz glücklich, aber meine Ausrüstung beinhaltet eben auch einen Timegrapher, damit ist das dann schnell reguliert...
Die Jumbo hat ja leider keine Sekunde. Aber ich bin mit dem aktuellen Ergebnis derart zufrieden, dass ich die Gute jetzt nicht mehr anzufassen wage. Vor 3 tagen wusste ich noch nichtmal was Abfall ist, und heute habe ich meine Uhr selber hinreichend genau justiert.
Melde Dich doch mal per PN, vielleicht kann man was zusammen basteln...
..denkt Omega511
Ich hab da auch gerade ne Idee
bitte bedenkt die Latenz der eingebauten Audio-Hardware ... An Deinem Setup bin ich SEHR interessiert!
Hey Guido,
Danke für Deine Antwort. IMHO sollte Latenz hier keine Rolle spielen, da die ja eh nur am Beginn der Aufnahme wirkt. Danach ist die Aufnahme synchron zur Realität. Zumindest ausrechend synchron für dieses Experiment. Das Setup habe ich jetzt unten mal genauer beschrieben.
Hey 10-nach-10,
Bei dem Macbook-Audacity-System stelle ich mir das etwas umständlicher vor, aber warum sollte das Ausmessen einer *.wav-Datei, die eine mit einer hohen Auflösung erstellte, kontinuierliche Aufzeichnung eines Signals beinhaltet, wesentlich ungenauer sein?
Das Experiment zeigt, dass das durchaus eine low budget Lösung sein kann. Allerdings ja eben auch nur in einer Lage und wie Du richtig meinst, etwas umständlich. Aber mit einer einfachen Software und einem externen Mikrofon ... ich komme da gerade auf Ideen.
2ms Abfallfehler, wenn das in allen Lagen so ist, ließe sich das sicher optimieren.
Wie genau würde sich das denn auf den Gang auswirken, und wie? Da bin ich zu unverständig.
Abseits davon: Ich habe ewig mit mir gekämpft, seit gestern habe ich den Timegrapher. Endlich.
Glückwunsch dazu!
Danke für die Antworten bis hierher, und jedem, der das Experiment gern selber machen möchte: Viel Spaß.
Grüße
Jan