
steinhummer
Themenstarter
Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum können wir auch nichts hinausbringen.
Timotheus 6:7-8
Kalt und schwer lag die Klinke in meiner Hand, nur widerwillig öffnete sich die kupferbeschlagene Eichentür, als habe sie es satt, ständig Schuldbeladene einzulassen. Im Innern schlug mir Jahrhunderte alte Luft und kalter Weihrauch entgegen. Ungute Erinnerungen an den Kommunionsunterricht und die erste Beichte wurden wach; die fordernden Fragen des Pfaffen, die Ratlosigkeit eines Neunjährigen. Zum Glück hatte ich Mutter mal ein paar Groschen aus dem Portemonnaie gemopst und im Krämerladen auf dem Marktplatz umgesetzt, wo man sich pfennigweise aus offenen Gläsern bediente. Damit gab der Pfaffe sich zufrieden.
Nun, rund 40 Jahre später, trat ich den Gang nach Kanossa aus freien Stücken an. Denn ich hatte meinen inneren Kompass verloren. Ich, der seit über 30 Jahren immer noch sein erstes Motorrad fuhr. Der sich kürzlich die zweite Lederjacke gekauft hatte, weil die alte unrettbar verschlissen war. Der gerade sein drittes Jagd-Taschenmesser im Hosensack trug und sein viertes Alltagsauto auffuhr. Und der mehr als drei Dekaden lang lediglich zwei Uhren besessen und nie was vermisst hatte. Womit ich beim Punkt und beim Beichtstuhl war.
Der Talar raschelte, eine warme Stimme sagte: "Sprich, mein Sohn, was bedrückt dich?" Anders als zu meiner Kommunion schien auf der anderen Seite diesmal ein Menschenfreund zu sitzen. Ich krächzte: "Vater, ich habe mich der Sucht hingegeben. Genauer gesagt: der Uhrensucht." "Hmmm", brummte es linker Hand, "nur Uhren?" Kurz sah ich meinen wohl gefüllten Weinkeller vor mir, doch mein Gewissen war rein, da ich den Bestand ständig gewissenhaft abarbeitete, statt anzuhäufen. Genau das aber war mein Problem bei Uhren...
Wie es dazu gekommen sei, wollte die Stimme wissen. Und ich begann zu erzählen... Von jenem sonnigen Winter-Samstag im Jahr 1984, als meine Familie einen Ausflug durch das Rheintal nach Frankfurt-Rödelheim unternahm. Dort durfte ich mir für fleißige Hilfe bei der Sanierung des elterlichen Altbaus eine Uhr aussuchen, wobei meine Wahl längst feststand: Die 142 musste es sein, der "Weltraum-Chronograph" des deutschen Astronauten Furrer. Helmut Sinn persönlich passte mir das Armband an, und fortan wuchs der fette Zeitmesser an meinem jugendlichen Spargelarm fest.
Bis ich zehn Jahre später in einem Mannheimer Geschäft für Luftfahrtbedarf eine weitere Sinn sah, die mir außerordentlich gut gefiel. Das erste richtige Gehalt brannte in der Tasche, und als ich dann noch einen während meines Wehrdienstes billig gekauften Pilotenhelm in Zahlung geben konnte, war der Deal perfekt! Erst vor der Tür fiel mir der fehlende Automatik-Schriftzug auf, doch die Enttäuschung schlug schnell ins Gegenteil um, das morgendliche Entschrauben der Krone und Aufziehen wurde mir ein geliebtes Ritual. Ich trug diese Uhr beim ersten Job und beim ersten Jobwechsel, beim Mountainbike- und Motorradfahren, in den Bergen und am Meer, als ich meine heutige Frau kennenlernte und wir ein Kind zeugten, bei dessen Geburt im nunmehr eigenen Altbau und während der Sanierung desselben. Die 103 wuchs mir so ans Herz, dass ich sie aus Angst vor Versand-Verlust persönlich zu Sinn brachte und wieder abholte, als ich Mitte der Nullerjahre die erste, eher prophylaktische Revision vornehmen ließ.
"Komm zum Punkt, mein Sohn!", brummte die Stimme mit gepflegter Langeweile, und ich sprang vor ins Jahr 2015, als ich einem Freund gegen minimales Entgeld eine Citizen Promaster abkaufte. Nach einer sündhaft teuren Überholung überzeugte diese Taucheruhr mit sensationellen Gangwerten, die jenen meiner beiden Sinn in nichts nachstanden. Verschraubte Kronen waren inzwischen ein Muss, bei der NY0040 überzeugte mich zusätzlich deren Position bei 8 Uhr. Nur optisch gefiel mir das amorphe Design nie wirklich. Als dann die neue Seiko Turtle rauskam, kaufte ich die und ärgerte mich über Verarbeitungsmängel, die auch ein Mod nicht beheben konnte. Ein Jahr später kam eine Squale 1521 (wurden nicht warm miteinander), eine Sinn 104 (zu viel Bling) und darauf eine wundervolle Sinn U1, bei der ich aber stets das Gefühl hatte, dass die Uhr mich trug und nicht umgekehrt. Von den Zwangskäufen dazwischen (Seiko Glossy - wieso überhaupt? Billo-Promaster mit 100 m WD - verschenkt! Vostok Amphibia - jetzt als Reserveuhr im Kulturbeutel) ganz zu schweigen... "Aber zu meiner geliebten 103 kann ich irgendwie auch nicht zurück. Was soll ich nur tun, Vater?", schloss ich verzweifelt.
"Matthäus sprach, du kannst nicht Gott dienen und dem schnöden Mammon, schon vergessen?", donnerte er, dass der Beichtstuhl vibrierte. "Wir haben nichts in die Welt gebracht, drum können wir auch nichts hinausbringen, wusste schon Timotheus", zeigte er mir weitere, wenig überraschende Lücken meines persönlichen Katechismus auf. "Doch Hilfe ist nah", schlug die Stimme versöhnliche Töne an. "Sprich zehn Vaterunser, entzünde eine Kerze, und dann geh hin und kaufe den Einsatzzeitmesser Nummer drei aus dem Hause Sinn, denn wisse: Sie ist kleiner als die U1, hat eine verschraubte Krone wie die 103 und jene auf 9 Uhr und mithin nahezu dort, wo sie auch bei der Promaster sitzt." "Aber sie ist langweilig", versuchte ich zaghaft zu intervenieren. "Das ist deine Buße", knurrte er, "und jetzt schweig und vertrau mir. Und vergiss bloß nicht, einen namhaften Betrag in den Opferstock zu stecken! Denn wisse: Gottes Rat spart dir viel Geld!"
Ich tat, wie mir geheißen, setzte ein Gesuch in ebendieses Forum, von dem ich gegenüber dem Popen wohlweislich geschwiegen hatte, und schon zwei Wochen später hielt ich einen neuwertigen Sinn EZM 3 in der Hand, geschickt von Bruder @Miata (danke nochmals für den geschmeidigen Deal!). Und wie ich das Armband gekürzt und die Uhr angelegt hatte, überkam mich eine große innere Ruhe...
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Genug geschwallt, Schnitt zu jenem Tag Mitte Juli, als die Uhr bei mir ankam. Erster Gedanke: Die ist live keineswegs so langweilig wie auf den Fotos der Sinn-Heimseite, mit ihrem seidenmatten Finish wirkt sie gediegen, fast schon edel. Das massive Armband mit den gefrästen Anstößen ist dank der geschraubten Glieder und des mitgelieferten Werkzeugs schnell angepasst. Da es sich zur Schließe hin von 20 auf 18 mm verjüngt, trägt es sich sehr komfortabel. Die Schließe ist aus Blech, bietet dreifache Feineinstellung und eine ausklappbare Tauchverlängerung. Obwohl das Scharnier gefräst statt gestanzt ist, dürften Connaisseure die Schließe als einfach empfinden, mir taugt sie, da sie bislang absolut betriebssicher ist und ich es nicht besser kenne.
Dass Sinn 500m Wasserdichte und einen bis 1000 Gauß schützenden Weicheisenmantel in dem nur 41 x 12,3 mm messenden Edelstahl-Gehäuse aus 316L unterbrachte, ist bemerkenswert, sind die meisten Uhren mit diesen Eckdaten doch deutlich wuchtiger. So ergeben sich bei gekürztem Band (17,5 cm HGU) leichte 148 gr Gewicht, die anstandslos unter jede Hemdmanschette schlüpfen. Den Magnetschutz empfinde ich als alltagspraktischen Vorzug beim Umgang mit dem Magnet-Tankrucksack des Motorrads, aber auch in der Nähe von Boxen oder Smartphone-Lautsprechern.
Das gleiche behauptet mein Uhrmachermeister von der Trockenhaltekapsel, die hier im Forum ja gern mal als Marketing-Unfug verspottet wird. Letztlich diffundiert in jede Uhr Feuchtigkeit ein und lässt dort zumindest Schmierstoffe altern. Fakt ist aber auch, dass ich 30 Jahre alte Uhren besitze, die ohne diese Innovation prima klargekommen sind. Um den Feuchtigkeitseintrag weiter zu minimieren, verwendet Sinn EDR-Dichtungen, wobei ich vermute, dass sich hinter diesem Kürzel Viton verbirgt. Beruhigend auch, dass ich dank Temperaturresistenztechnologie in bis zu -45 Grad kaltem oder 80 Grad heißem Wasser tauchen könnte und dennoch die korrekte Zeit angezeigt bekäme.
Größere Alltagsrelevanz besitzt hingegen das doppelt entspiegelte Saphirglas, das zu 90 Prozent vorgibt, gar nicht da zu sein. Trotz diverser Einsätze in Motorräumen ist die Beschichtung immer noch weitgehend unverkratzt und zeigt nur bei schrägem Lichteinfall und scharfen Augen minimale Kratzerchen. Ganz ähnlich präsentierte sich die vorangegangene, immerhin fast 15 Jahre alte U1, die ebenfalls nur Mini-Kratzer in der Beschichtung aufwies. Wer nicht gerade an korundhaltigem Steinzeug entlangschrammt, sollte keine Probleme bekommen. Die des Öfteren geäußerte Kritik an Sinns Antireflexbeschichtung kann ich bislang nicht nachvollziehen.
Kritisch sah ich anfangs die recht dünnen und maximal schlichten Zeiger, und zwar vor allem hinsichtlich ihrer Leuchtkraft. Doch auch da hat Sinn seine Hausaufgaben gemacht, die Zeit ist auch nach nach siebenstündiger Dunkelheit perfekt ablesbar, ebenso das mit Leuchtmasse ausgelegte Dreieck der Lünette. Lediglich der für Taucheruhren geforderte Gangnachweis durch einen erkennbaren Sekundenzeiger ist nach einer lichtlosen Stunde nicht mehr gegeben. Hier würde ich mir einen Lollipop-Zeiger wünschen, auch als Nicht-Taucher. Verglichen mit meiner Seiko, die anfangs wie ein Osterfeuer nachleuchtete, dann aber stark nachließ, scheint das von Sinn verwendete Superluminova wirklich hinsichtlich Leuchtzeit optimiert zu sein. Da die Turtle nicht mehr bei mir ist, kann ich leider keinen Vergleich anstellen.
Die Idee hinter Aufschrift und Datum in edlem, lackartig glänzendem Dunkelrot ist, dass sie unter Wasser "verschwinden" und so nicht mehr ablenken. In Realität braucht es leider kein Wasser, sondern nur etwas diffuse Lichtverhältnisse, um das dezente Datum selbst für Leute mit guter Sehkraft im Nahbereich unlesbar zu machen. Sollte der nun 1,6 Jahre alte EZM 3 dereinst zum Service müssen, werde ich wohl eine Datumsscheibe mit weißen Ziffern nachrüsten lassen.
Dieser Moment wird allerdings noch ein paar Jährchen auf sich warten lassen, denn das Herz bildet das bewährte ETA 2824-2 mit 28.800 Schlägen pro Stunde, meines Wissens bei Sinn stets in Elaboré-Ausführung. Ich ziehe Motoren wie diesen Inhouse-Werken vor, weil die Wartungskosten niedrig sind und die Teileversorgung bis in ferne Zukunft gesichert ist. Die beste Konstruktion nützt nämlich nichts, wenn sie mangels Ersatzteilen nicht repariert werden kann. Dieser Aspekt ist mir bei etwas grundsätzlich Nachhaltigem wie einer mechanischen Uhr wichtig. Das ETA bestätigt meine Erwartungen mit stoisch bei +5s/d liegenden Gangwerten, wobei ich die Uhr 24/7 trage und nur einmal täglich für wenige Minuten zum Duschen ausziehe.
Um hier nicht dazustehen wie ein pubertierendes Mädchen in der ersten Reihe beim Boygroup-Konzert, abschließend noch ein paar Kritikpunkte. Was mich tatsächlich ein wenig nervt, ist die Krone. Um sie sicher zu verschrauben, muss man einen erstaunlich strammen Feder-Gegendruck überwinden und sie gleichzeitig erst ein Stück rückwärts drehen, bis die Gewindeeingänge ineinander greifen und sie sich unter Aufrechterhaltung des Drucks zuschrauben lässt. Auch die Trennung zwischen den einzelnen Raststufen Aufzug/Datum/Zeiger ist nicht immer ganz scharf. Hier bin ich von der Krone meiner 103 verwöhnt, die ich ohne eine einzige Irritation rund 8000 Mal bedient habe. Die drei anderen betreffen das Armband, sind aber eher Jammern auf hohem Niveau: Erstens zeigen sich zwischen Gehäuse und Anstößen minimale Abweichungen hinsichtlich Satinierung und/oder Farbe. Zweitens nehmen die Endlinks, obwohl gefräst, nicht die crispen Kanten des Gehäuses auf, sondern wirken etwas rundgelutscht. Und drittens haben die Mittelglieder inzwischen Querstreifen an den Stellen, wo das Verbindungsglied anstößt bei nach innen klappendem Band.
Trotzdem lautet Fazit: Der Sinn EZM 3 (männlicher Artikel, allein das schon!) ist eher starke Glut als loderndes Strohfeuer. Wäre die eingangs geschilderte, natürlich frei erfundene Szene so passiert, müsste ich noch mal einen Fünfziger in den Opferstock werfen, denn tatsächlich ist das Bedürfnis nach neuen Uhren seitdem gestillt. Wer eine gleichermaßen toughe wie dezent schicke Alltagsuhr sucht, die die Spreizung von Business- bis Neoprenanzug beherrscht, wird hier fündig. Und das zu einem - in meinen Augen - angemessenen Preis von 1760 Euro (1580 Euro an Leder/Silikon).
Abschließend hoffe ich, dass Euch meine Vorstellung gefallen hat, und wünsche allen UFOlern ein frohes neues Jahr. Im Anhang noch die nackten Daten.
Pitt
ETA 2824-2
Automatikaufzug
25 Rubinlagersteine
28.800 Halbschwingungen pro Stunde
Sekundenstopp
Antimagnetisch nach DIN 8309
Gehäuse
Gehäuse aus Edelstahl, perlgestrahlt
Deckglas aus Saphirkristall, beidseitig entspiegelt
Boden verschraubt, nickelfrei
Krone verschraubbar
Erfült die technischen Anforderungen der DIN 8310 für Wasserdichtigkeit
Druckfest bis 50 bar, zertifiziert durch DNV GL
Gemäß den technischen Anforderungen der Taucheruhrnorm DIN 8306
Geprüft in Anlehnung an die europäischen Tauchgerätenormen EN250 und EN14143, zertifiziert durch DNV GL
Unterdrucksicher
Funktionen
Stunde, Minute, Sekunde
Datumsanzeige
Taucherdrehring mit Minutenrastung und nachleuchtender Hauptmarkierung
SINN Technologien
Ar-Trockenhaltetechnik, dadurch erhöhte Funktions- und Beschlagsicherheit
Temperaturresistenztechnologie, dadurch funktionssicher von minus 45°C bis plus 80°C
Magnetfeldschutz bis 80.000 A/m
Maße und Gewicht
Gehäusedurchmesser: 41 mm
Bandanstoßbreite: 20 mm
Gesamthöhe in Mitte der Uhr: 12,3 mm
Gewicht ohne Band: 81 Gramm
Zifferblatt und Zeiger
EZM-Design für beste Ablesbarkeit
Mattschwarzes Zifferblatt
Indizes mit Leuchtfarbe belegt
Stunden-, Minuten-, Sekundenzeiger mit Leuchtfarbe belegt
Timotheus 6:7-8
Kalt und schwer lag die Klinke in meiner Hand, nur widerwillig öffnete sich die kupferbeschlagene Eichentür, als habe sie es satt, ständig Schuldbeladene einzulassen. Im Innern schlug mir Jahrhunderte alte Luft und kalter Weihrauch entgegen. Ungute Erinnerungen an den Kommunionsunterricht und die erste Beichte wurden wach; die fordernden Fragen des Pfaffen, die Ratlosigkeit eines Neunjährigen. Zum Glück hatte ich Mutter mal ein paar Groschen aus dem Portemonnaie gemopst und im Krämerladen auf dem Marktplatz umgesetzt, wo man sich pfennigweise aus offenen Gläsern bediente. Damit gab der Pfaffe sich zufrieden.
Nun, rund 40 Jahre später, trat ich den Gang nach Kanossa aus freien Stücken an. Denn ich hatte meinen inneren Kompass verloren. Ich, der seit über 30 Jahren immer noch sein erstes Motorrad fuhr. Der sich kürzlich die zweite Lederjacke gekauft hatte, weil die alte unrettbar verschlissen war. Der gerade sein drittes Jagd-Taschenmesser im Hosensack trug und sein viertes Alltagsauto auffuhr. Und der mehr als drei Dekaden lang lediglich zwei Uhren besessen und nie was vermisst hatte. Womit ich beim Punkt und beim Beichtstuhl war.
Der Talar raschelte, eine warme Stimme sagte: "Sprich, mein Sohn, was bedrückt dich?" Anders als zu meiner Kommunion schien auf der anderen Seite diesmal ein Menschenfreund zu sitzen. Ich krächzte: "Vater, ich habe mich der Sucht hingegeben. Genauer gesagt: der Uhrensucht." "Hmmm", brummte es linker Hand, "nur Uhren?" Kurz sah ich meinen wohl gefüllten Weinkeller vor mir, doch mein Gewissen war rein, da ich den Bestand ständig gewissenhaft abarbeitete, statt anzuhäufen. Genau das aber war mein Problem bei Uhren...
Wie es dazu gekommen sei, wollte die Stimme wissen. Und ich begann zu erzählen... Von jenem sonnigen Winter-Samstag im Jahr 1984, als meine Familie einen Ausflug durch das Rheintal nach Frankfurt-Rödelheim unternahm. Dort durfte ich mir für fleißige Hilfe bei der Sanierung des elterlichen Altbaus eine Uhr aussuchen, wobei meine Wahl längst feststand: Die 142 musste es sein, der "Weltraum-Chronograph" des deutschen Astronauten Furrer. Helmut Sinn persönlich passte mir das Armband an, und fortan wuchs der fette Zeitmesser an meinem jugendlichen Spargelarm fest.
Bis ich zehn Jahre später in einem Mannheimer Geschäft für Luftfahrtbedarf eine weitere Sinn sah, die mir außerordentlich gut gefiel. Das erste richtige Gehalt brannte in der Tasche, und als ich dann noch einen während meines Wehrdienstes billig gekauften Pilotenhelm in Zahlung geben konnte, war der Deal perfekt! Erst vor der Tür fiel mir der fehlende Automatik-Schriftzug auf, doch die Enttäuschung schlug schnell ins Gegenteil um, das morgendliche Entschrauben der Krone und Aufziehen wurde mir ein geliebtes Ritual. Ich trug diese Uhr beim ersten Job und beim ersten Jobwechsel, beim Mountainbike- und Motorradfahren, in den Bergen und am Meer, als ich meine heutige Frau kennenlernte und wir ein Kind zeugten, bei dessen Geburt im nunmehr eigenen Altbau und während der Sanierung desselben. Die 103 wuchs mir so ans Herz, dass ich sie aus Angst vor Versand-Verlust persönlich zu Sinn brachte und wieder abholte, als ich Mitte der Nullerjahre die erste, eher prophylaktische Revision vornehmen ließ.
"Komm zum Punkt, mein Sohn!", brummte die Stimme mit gepflegter Langeweile, und ich sprang vor ins Jahr 2015, als ich einem Freund gegen minimales Entgeld eine Citizen Promaster abkaufte. Nach einer sündhaft teuren Überholung überzeugte diese Taucheruhr mit sensationellen Gangwerten, die jenen meiner beiden Sinn in nichts nachstanden. Verschraubte Kronen waren inzwischen ein Muss, bei der NY0040 überzeugte mich zusätzlich deren Position bei 8 Uhr. Nur optisch gefiel mir das amorphe Design nie wirklich. Als dann die neue Seiko Turtle rauskam, kaufte ich die und ärgerte mich über Verarbeitungsmängel, die auch ein Mod nicht beheben konnte. Ein Jahr später kam eine Squale 1521 (wurden nicht warm miteinander), eine Sinn 104 (zu viel Bling) und darauf eine wundervolle Sinn U1, bei der ich aber stets das Gefühl hatte, dass die Uhr mich trug und nicht umgekehrt. Von den Zwangskäufen dazwischen (Seiko Glossy - wieso überhaupt? Billo-Promaster mit 100 m WD - verschenkt! Vostok Amphibia - jetzt als Reserveuhr im Kulturbeutel) ganz zu schweigen... "Aber zu meiner geliebten 103 kann ich irgendwie auch nicht zurück. Was soll ich nur tun, Vater?", schloss ich verzweifelt.
"Matthäus sprach, du kannst nicht Gott dienen und dem schnöden Mammon, schon vergessen?", donnerte er, dass der Beichtstuhl vibrierte. "Wir haben nichts in die Welt gebracht, drum können wir auch nichts hinausbringen, wusste schon Timotheus", zeigte er mir weitere, wenig überraschende Lücken meines persönlichen Katechismus auf. "Doch Hilfe ist nah", schlug die Stimme versöhnliche Töne an. "Sprich zehn Vaterunser, entzünde eine Kerze, und dann geh hin und kaufe den Einsatzzeitmesser Nummer drei aus dem Hause Sinn, denn wisse: Sie ist kleiner als die U1, hat eine verschraubte Krone wie die 103 und jene auf 9 Uhr und mithin nahezu dort, wo sie auch bei der Promaster sitzt." "Aber sie ist langweilig", versuchte ich zaghaft zu intervenieren. "Das ist deine Buße", knurrte er, "und jetzt schweig und vertrau mir. Und vergiss bloß nicht, einen namhaften Betrag in den Opferstock zu stecken! Denn wisse: Gottes Rat spart dir viel Geld!"
Ich tat, wie mir geheißen, setzte ein Gesuch in ebendieses Forum, von dem ich gegenüber dem Popen wohlweislich geschwiegen hatte, und schon zwei Wochen später hielt ich einen neuwertigen Sinn EZM 3 in der Hand, geschickt von Bruder @Miata (danke nochmals für den geschmeidigen Deal!). Und wie ich das Armband gekürzt und die Uhr angelegt hatte, überkam mich eine große innere Ruhe...
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Genug geschwallt, Schnitt zu jenem Tag Mitte Juli, als die Uhr bei mir ankam. Erster Gedanke: Die ist live keineswegs so langweilig wie auf den Fotos der Sinn-Heimseite, mit ihrem seidenmatten Finish wirkt sie gediegen, fast schon edel. Das massive Armband mit den gefrästen Anstößen ist dank der geschraubten Glieder und des mitgelieferten Werkzeugs schnell angepasst. Da es sich zur Schließe hin von 20 auf 18 mm verjüngt, trägt es sich sehr komfortabel. Die Schließe ist aus Blech, bietet dreifache Feineinstellung und eine ausklappbare Tauchverlängerung. Obwohl das Scharnier gefräst statt gestanzt ist, dürften Connaisseure die Schließe als einfach empfinden, mir taugt sie, da sie bislang absolut betriebssicher ist und ich es nicht besser kenne.
Dass Sinn 500m Wasserdichte und einen bis 1000 Gauß schützenden Weicheisenmantel in dem nur 41 x 12,3 mm messenden Edelstahl-Gehäuse aus 316L unterbrachte, ist bemerkenswert, sind die meisten Uhren mit diesen Eckdaten doch deutlich wuchtiger. So ergeben sich bei gekürztem Band (17,5 cm HGU) leichte 148 gr Gewicht, die anstandslos unter jede Hemdmanschette schlüpfen. Den Magnetschutz empfinde ich als alltagspraktischen Vorzug beim Umgang mit dem Magnet-Tankrucksack des Motorrads, aber auch in der Nähe von Boxen oder Smartphone-Lautsprechern.
Das gleiche behauptet mein Uhrmachermeister von der Trockenhaltekapsel, die hier im Forum ja gern mal als Marketing-Unfug verspottet wird. Letztlich diffundiert in jede Uhr Feuchtigkeit ein und lässt dort zumindest Schmierstoffe altern. Fakt ist aber auch, dass ich 30 Jahre alte Uhren besitze, die ohne diese Innovation prima klargekommen sind. Um den Feuchtigkeitseintrag weiter zu minimieren, verwendet Sinn EDR-Dichtungen, wobei ich vermute, dass sich hinter diesem Kürzel Viton verbirgt. Beruhigend auch, dass ich dank Temperaturresistenztechnologie in bis zu -45 Grad kaltem oder 80 Grad heißem Wasser tauchen könnte und dennoch die korrekte Zeit angezeigt bekäme.
Größere Alltagsrelevanz besitzt hingegen das doppelt entspiegelte Saphirglas, das zu 90 Prozent vorgibt, gar nicht da zu sein. Trotz diverser Einsätze in Motorräumen ist die Beschichtung immer noch weitgehend unverkratzt und zeigt nur bei schrägem Lichteinfall und scharfen Augen minimale Kratzerchen. Ganz ähnlich präsentierte sich die vorangegangene, immerhin fast 15 Jahre alte U1, die ebenfalls nur Mini-Kratzer in der Beschichtung aufwies. Wer nicht gerade an korundhaltigem Steinzeug entlangschrammt, sollte keine Probleme bekommen. Die des Öfteren geäußerte Kritik an Sinns Antireflexbeschichtung kann ich bislang nicht nachvollziehen.
Kritisch sah ich anfangs die recht dünnen und maximal schlichten Zeiger, und zwar vor allem hinsichtlich ihrer Leuchtkraft. Doch auch da hat Sinn seine Hausaufgaben gemacht, die Zeit ist auch nach nach siebenstündiger Dunkelheit perfekt ablesbar, ebenso das mit Leuchtmasse ausgelegte Dreieck der Lünette. Lediglich der für Taucheruhren geforderte Gangnachweis durch einen erkennbaren Sekundenzeiger ist nach einer lichtlosen Stunde nicht mehr gegeben. Hier würde ich mir einen Lollipop-Zeiger wünschen, auch als Nicht-Taucher. Verglichen mit meiner Seiko, die anfangs wie ein Osterfeuer nachleuchtete, dann aber stark nachließ, scheint das von Sinn verwendete Superluminova wirklich hinsichtlich Leuchtzeit optimiert zu sein. Da die Turtle nicht mehr bei mir ist, kann ich leider keinen Vergleich anstellen.
Die Idee hinter Aufschrift und Datum in edlem, lackartig glänzendem Dunkelrot ist, dass sie unter Wasser "verschwinden" und so nicht mehr ablenken. In Realität braucht es leider kein Wasser, sondern nur etwas diffuse Lichtverhältnisse, um das dezente Datum selbst für Leute mit guter Sehkraft im Nahbereich unlesbar zu machen. Sollte der nun 1,6 Jahre alte EZM 3 dereinst zum Service müssen, werde ich wohl eine Datumsscheibe mit weißen Ziffern nachrüsten lassen.
Dieser Moment wird allerdings noch ein paar Jährchen auf sich warten lassen, denn das Herz bildet das bewährte ETA 2824-2 mit 28.800 Schlägen pro Stunde, meines Wissens bei Sinn stets in Elaboré-Ausführung. Ich ziehe Motoren wie diesen Inhouse-Werken vor, weil die Wartungskosten niedrig sind und die Teileversorgung bis in ferne Zukunft gesichert ist. Die beste Konstruktion nützt nämlich nichts, wenn sie mangels Ersatzteilen nicht repariert werden kann. Dieser Aspekt ist mir bei etwas grundsätzlich Nachhaltigem wie einer mechanischen Uhr wichtig. Das ETA bestätigt meine Erwartungen mit stoisch bei +5s/d liegenden Gangwerten, wobei ich die Uhr 24/7 trage und nur einmal täglich für wenige Minuten zum Duschen ausziehe.
Um hier nicht dazustehen wie ein pubertierendes Mädchen in der ersten Reihe beim Boygroup-Konzert, abschließend noch ein paar Kritikpunkte. Was mich tatsächlich ein wenig nervt, ist die Krone. Um sie sicher zu verschrauben, muss man einen erstaunlich strammen Feder-Gegendruck überwinden und sie gleichzeitig erst ein Stück rückwärts drehen, bis die Gewindeeingänge ineinander greifen und sie sich unter Aufrechterhaltung des Drucks zuschrauben lässt. Auch die Trennung zwischen den einzelnen Raststufen Aufzug/Datum/Zeiger ist nicht immer ganz scharf. Hier bin ich von der Krone meiner 103 verwöhnt, die ich ohne eine einzige Irritation rund 8000 Mal bedient habe. Die drei anderen betreffen das Armband, sind aber eher Jammern auf hohem Niveau: Erstens zeigen sich zwischen Gehäuse und Anstößen minimale Abweichungen hinsichtlich Satinierung und/oder Farbe. Zweitens nehmen die Endlinks, obwohl gefräst, nicht die crispen Kanten des Gehäuses auf, sondern wirken etwas rundgelutscht. Und drittens haben die Mittelglieder inzwischen Querstreifen an den Stellen, wo das Verbindungsglied anstößt bei nach innen klappendem Band.
Trotzdem lautet Fazit: Der Sinn EZM 3 (männlicher Artikel, allein das schon!) ist eher starke Glut als loderndes Strohfeuer. Wäre die eingangs geschilderte, natürlich frei erfundene Szene so passiert, müsste ich noch mal einen Fünfziger in den Opferstock werfen, denn tatsächlich ist das Bedürfnis nach neuen Uhren seitdem gestillt. Wer eine gleichermaßen toughe wie dezent schicke Alltagsuhr sucht, die die Spreizung von Business- bis Neoprenanzug beherrscht, wird hier fündig. Und das zu einem - in meinen Augen - angemessenen Preis von 1760 Euro (1580 Euro an Leder/Silikon).
Abschließend hoffe ich, dass Euch meine Vorstellung gefallen hat, und wünsche allen UFOlern ein frohes neues Jahr. Im Anhang noch die nackten Daten.
Pitt
ETA 2824-2
Automatikaufzug
25 Rubinlagersteine
28.800 Halbschwingungen pro Stunde
Sekundenstopp
Antimagnetisch nach DIN 8309
Gehäuse
Gehäuse aus Edelstahl, perlgestrahlt
Deckglas aus Saphirkristall, beidseitig entspiegelt
Boden verschraubt, nickelfrei
Krone verschraubbar
Erfült die technischen Anforderungen der DIN 8310 für Wasserdichtigkeit
Druckfest bis 50 bar, zertifiziert durch DNV GL
Gemäß den technischen Anforderungen der Taucheruhrnorm DIN 8306
Geprüft in Anlehnung an die europäischen Tauchgerätenormen EN250 und EN14143, zertifiziert durch DNV GL
Unterdrucksicher
Funktionen
Stunde, Minute, Sekunde
Datumsanzeige
Taucherdrehring mit Minutenrastung und nachleuchtender Hauptmarkierung
SINN Technologien
Ar-Trockenhaltetechnik, dadurch erhöhte Funktions- und Beschlagsicherheit
Temperaturresistenztechnologie, dadurch funktionssicher von minus 45°C bis plus 80°C
Magnetfeldschutz bis 80.000 A/m
Maße und Gewicht
Gehäusedurchmesser: 41 mm
Bandanstoßbreite: 20 mm
Gesamthöhe in Mitte der Uhr: 12,3 mm
Gewicht ohne Band: 81 Gramm
Zifferblatt und Zeiger
EZM-Design für beste Ablesbarkeit
Mattschwarzes Zifferblatt
Indizes mit Leuchtfarbe belegt
Stunden-, Minuten-, Sekundenzeiger mit Leuchtfarbe belegt