Nachdem hier einige Forum-Mitglieder etwas zum Besten gegeben haben, möchte ich aus der Sicht eines Journalisten folgendes anmerken. Vorab: Hier wurde sicherlich Richtiges gesagt, leider aber auch einiges, das nicht unkommentiert bleiben sollte, weil es so - sei es auch nur aus Unwissenheit - nicht oder nur sehr bedingt der Realität entspricht
Chronischer Fall Mann, Mann, Mann ...
Ich bin mit den Gepflogenheiten der Branche leider nicht vertraut. Der Einzige, den ich persönlich kenne und der in dieser Richtung arbeitet ist ein Freund, der regelmäßig Buchrezensionen für bestimmte Fachpublikationen verfasst. Das Honorar ist bei ihm ähnlich. Allerdings braucht er m. E. für einen Artikel seltenst drei bis vier Tage. Und von derartigen Zahlungsschwierigkeiten war noch nie die Rede.
Ich habe den Beginn gefettet, weil vieles, was in deinem Beitrag geschrieben steht, eben diesem Umstand geschuldet ist. Ich bitte dies nicht als persönlichen Angriff, sondern einfach als Feststellung zu verstehen :wink: Die Honorarfrage im Bereich des freien Journalismus abschließend zu klären, ist eigentlich nicht möglich, da die Betätigungsfelder vielschichtig und die Vergütung für Bild und Text von vielerlei Rahmenbedingungen (Exklusivität, Nachfrage, Pauschalverträge oder Einzel-Honorar, Auflagestärke des Mediums... etc.) abhängig sind. Fakt ist: Laut einer Umfrage des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) aus dem Jahr 2003 lag bei 41 Prozent der befragten "Freien" das durchschnittliche Einkommen unter 20 000 Euro (brutto, versteht sich). Ein Drittel erreichte 20.000 bis 40.000 Euro, nur jeder vierte brachte es auf über 40.000 Euro - und das bei schlechterer sozialer Absicherung und meist längerer Arbeitszeit als bei fest angestellten Redakteuren. Der oben beschriebene Fall ist also längst kein Ausreißer nach unten, sondern gelebte Realität. Ich muss an dieser Stelle nicht erwähnen, dass sich die Verhältnisse in den Jahren seither nicht zum Besseren entwickelt haben.
Zu der Zahlungsmentalität der Auftraggeber: Bei großen Verlagen gibt es in der Regel weniger Probleme, weil dort die freien Mitarbeiter zumeist in der Honorarbuchhaltung erfasst sind und - so sie ihre Rechnung pünktlich einreichen - auch innerhalb eines Monats ihr Geld sehen. Wie überall im Leben gibt es jedoch auch hier Ausnahmen, sei es bei kleineren Unternehmen und nicht zuletzt bei privaten Auftraggebern. Selbst Handwerker mit Meisterbrief können davon ein Lied singen. Dass dein Bekannter regelmäßig sein Geld bekommt, liegt meines Ermessens daran, dass er im Auftrag schreibt und wohl zumeist Terminfracht liefert, was einer Veröffentlichungs-Garantie gleichkommt. Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass er Buchkritiken unaufgefordert einreicht. Diese lassen sich zwar schneller schreiben als in drei bis vier Tagen, allerdings muss man dazu auch das Buch kennen und gelesen haben.
mit freien Journalisten verhält es sich doch grundsätzlich erstmal ähnlich wie mit vielen anderen gebeutelten "Selbständigen", ob Internethändler, Kneipenwirte, Fuhrunternehmer, Autoren oder anderen Künstlern. All diesen Branchen ist gemein, dass die zwingend notwendigen Voraussetzungen von fast jedem gemeistert werden können (spielt doch bei den Genannten kaum eine Rolle, ob man einen entsprechenden Abschluss besitzt). Dafür sind überall reelle Chancen vorhanden, aus der Sache etwas Gutgehendes zu machen. Deshalb gibt es auch so viele Glücksritter in diesen Bereichen. ... oder bei Wissenschaftlern, Medizinern und Ingenieuren, die zwar weit eher einen sicheren un vernünftig bezahlten Job besitzen, den sie sich jedoch mit langem und steinigem Bildungsweg erarbeitet haben und die auch wissen, dass sie beinahe alle nie das ganz große Los ziehen werden.
Ob das geflügelte Wort "Wer nichts wird, wird Wirt" heute noch so seine Existenzberechtigung hat, sei einmal dahin gestellt. Im Falle der Journalisten hast du heute auf dem Markt ohne eine adäquate Ausbildung eigentlich keine Chance mehr. Dies liegt nicht zuletzt an dem Umstand, dass eine Vielzahl gut ausgebildeter Journalisten ihre Jobs verloren haben, als viele Verlage in der "Krise" vor einigen Jahren den Rotstift ansetzten. Von einer reellen Chance für jedermann kann hier nicht die Rede sein. Und die von Dir zitierten Glücksritter kann man auch eher mit der Lupe suchen. Die Berufsbezeichnung "Journalist" ist im Gegensatz zum Redakteur zwar in der Tat nicht geschützt, doch die Zeit der Freibeuter, die als Quereinsteiger in den Markt stoßen und dort mal eben Karriere machen, gibt es so nicht mehr. Ganz im Gegenteil benötigt man heute in aller Regel einen Universitätsabschluss, um ein Volontariat zu bekommen. Diesem ist oft noch ein selektiver Eignungstest vorgeschaltet, in dessen Vergnügen man jedoch nur kommt, wenn man sich durch Jahre lange freie Redaktionstätigkeit profiliert und empfohlen hat. Ich selbst bin Diplom-Ingenieur, habe zudem ein Volontariat absolviert. Während meiner Studienzeit habe ich mich immer durch Nebenjobs finanzieren müssen - auch über meine freie jornalistische Tätigkeit hinaus. Ist Dir dieser Bildungsweg steinig genug? :wink: Ich kenne mindestens 100 Journalisten, die eine ähnliche Vita haben und keinen "sicheren" Job besitzen - vom großen Los einmal ganz zu schweigen.
Wenn man aber einen Job wählt, der bei geringer Verantwortung große Flexibilität und Freiheit, Selbsverwirklichung und gutes Einkommen offeriert, dann muss man m. E. auch die Kehrseiten in Kauf nehmen. Sorry. Und den Journalisten geht es da wohl noch nicht so schlecht. Die Investitionen im "Home Office" sind doch einigermaßen überschaubar und welche Betriebsmittel benötigt man groß für die übliche Recherchearbeit? Was sollen denn die Künstler sagen, die ihre Bilder nicht loswerden, die Fuhrunternehmer die auf teuren Leasingverträgen sitzen oder auch die vielen Architekten, die nicht selten auf Wettbewerbs(erfolgs)basis arbeiten? Das bedeutet dann, es werden Zeichner und ggf. Visualisierer vergütet, Modellbauer beauftragt, regelmäßig Softwarupdates bezahlt und in der teuren Fachliteratur geblättert. Geld gibt's aber am Ende nur, wenn es auch einen Preis gab. Ob das dann überhaupt kostendeckend ist, wenn nicht auch die Vergabe erfolgt, ist nicht selten fraglich. Frau Bärtels hingegen könnte ihre Texte auch noch ohne größere Probleme auf einem 386er mit Word 3.0 schreiben. Eine KSK-ähnliche Institution, die die Hälfte der SV-Beiträge übernimmt, ist übrigens in den meisten anderen Branchen auch völlig unbekannt.
Wer glaubt, ein freier Journalist trage für sein Tun nur eine geringe Verantwortung, der irrt. Sicherlich muss der Auftraggeber, der das Machwerk publiziert, für Schäden Dritter gerade stehen. Dennoch ist auch der Journalist selbst in der Sorgfaltspflicht. In deren Haut, die z.B. einen Auftrag über eine mit Werbung vollgepackte Sonderveröffentlichung übernehmen, und diese dann nicht termingerecht liefern und damit in den Sand setzen, möchte ich nicht stecken. Davon abgesehen, dass diese jenen Auftraggeber gleich von ihrer Liste streichen dürfen. Natürlich stimme ich Dir zu, wenn Du sagst, "texten kann man auch auf einem 386er. Aber was meinst Du, wie viele freie Fotografen schon daran gescheitert sind, weil ihre lange Brennweite auf einem Termin zu Bruch ging und sie nicht einmal das Geld hatten, um ihre Gerätschaft für den Fall der Fälle zu versichern. Die KSK nutzen im Übrigen längst nicht nur Journalisten. Sollte dein Konzi auch Goldschmied sein, so hat er keinerlei Schwierigkeiten, die Vorzüge der KSK zu nutzen. Gleiches gilt für Pädagogen im künstlerischen und publizistischen Bereich.
Was ich damit sagen will: wer sich auf dieses Roulette einlässt, der sollte etwas mehr draufhaben, als sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen ("meine Texte haben sogar mal Preise bekommen") und wenn's nicht so klappt, zu jammern! Traumjob mit Risiko oder stupide Tätigkeit zum Festgehalt, das ist der Deal. Alles andere sind doch Fantastereien.
Ich stimme Dir zu, wenn Du sagst, man dürfe sich nicht auf seinem Lorbeeren ausruhen. Im Falle oben genannter Journalistin weiß ich jetzt nicht, welche(n) Preis(e) sie erhalten hat. Ich selbst habe auf solche Dinge nie Wert gelegt, da sie in der Realität - wie oben ja bewiesen - selten etwas bringen. Im aller wenigsten Fall einen gut dotierten Job. Da kommt es auch darauf an, welchen Preis man denn in seiner Vita notieren darf. Apropos Traumjob: Der Beruf des Journalisten ist sicherlich nicht unbedingt mit der normalen Elle zu messen. Man sieht sehr schnell, ob man für diesen Job geeignet ist. Leider hat sich das Berufsbild in den vergangenen Jahren immer stärker gewandelt. Ein Redakteur in fester Stellung verbringt heute ca. 70 Prozent seiner Arbeitszeit mit organisatorischen Aufgaben; für die eigentliche Recherche, die für den so oft geforderten Qualitätsjournalismus notwendig ist, bleibt kaum noch Zeit.
Was soll eigentlich der Quatsch, ohne Geld, den Anwalt zu bezahlen, könne man auch nicht seine Aussenstände einfordern? Das klingt irgendwie nach Lafontaine, finde ich. Wenn Juristen oder Inkassounternehmen hier abwinken, dann muss der Fehler bereits ganz woanders liegen. Welche HighTech-Investitionen sie tätigen muss, habe ich auch noch nicht verstanden. Warum der Friseur und die schicken Klamotten noch drin sein sollen, die DSL-Flatrate aber bald nicht mehr, erschließt sich mir auch nicht so ganz.
Ich denke, so schlecht wird es Frau Bärtels noch nicht gehen. Der Zeit-Artikel wurde immerhin abgedruckt (und bei dem Thema kann man auch vermuten, dass er honoriert wurde).
Ich weiß übrigens von mir und anderen in ähnlich heiklen Jobs, dass man sich nicht zu schade sein darf, vorübergehnd auch mal andere Dinge zu tun, wenn's nicht so läuft. Ein Projektleiter von uns (Dipl.-Ing Architektur) ist vor ein paar Jahren, als es in der Branche garnicht lief, mal ein paar Sommer immer wieder für einen Baumarkt Ausliefern gefahren. Ich musste kurz nach dem Studium auch schon mal Kellnern, um den Standard zu halten. Wo Frau Bärtels von Würde spricht: das finde ich allesamt weniger würdelos als öffentlich (und vermutlich noch gegen Honorar!) zu jammern.
Den freien Journalisten, der seine Honorare mit dem Inkassobüro eintreibt, möchte ich sehen. Der kann seinen Laden auch gleich dicht machen. Verlage, die einem Journalisten Auftragsvolumen bieten können, dass er davon leben kann, sind rar gesät. Da kann man nicht einfach nach der Hand schnappen, die einen füttert, nur weil vielleicht ein Wechsel geplatzt ist. Wie Raxon schon erwähnte, ist die Konkurrenz groß auf dem Markt. Mich wundert nicht, wer sich da alles auf seine Stellenausschreibung gemeldet hat. Hier lautet das Gesetz des Marktes: Macht es der nicht, macht's ein anderer. By the way: Dass Du nach dem Studium kellnern musstest, um den Standard des Studenten zu halten, finde ich jetzt mal interessant. :wink:
Zum Abschluss (ihr könnt aufatmen

) hätte ich allerdings noch zwei, drei Tipps an die Kollegin Bärtels: Im Jahr 50 nette Reportagen zu fabrizieren und dann die Hälfte davon verkaufen zu können, ist m.E. der falsche, weil risikoreichste Weg. Unaufgefordert Manuskripte einzureichen und sich dann zu ärgern, dass die selbst nach vier bis sechs Wochen noch nicht gedruckt wurden, ist ziemlich naiv. Zumal man nach bereits zwei Wochen den Artikel anderweitig anbieten darf. Ein erfahrener Journalist, der 50 Jahre lang selbständig arbeitete, riet mir einmal: "Erst muss der Grundstock gelegt sein, um das Brot zu bezahlen. Alles darüber hinaus ist die Butter drauf." Soll heißen: Wer nur die großen Reportagen schreiben will, darf sich nicht wundern, wenn er möglicherweise auf der Strecke bleibt. Zudem: Freien Journalisten sei ans Herz gelegt, persönlichen Kontakt zu den Redaktionen zu suchen. Wer für den Redakteur X nur eine Nummer Y oder eine E-Mail Z ist, der hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Und noch ein Tipp: Wer sich als Journalist selbständig macht, der möge sich vorher einen Kapitalstock in Höhe eines doppelten Monatseinkommens, besser eines dreifachen Monatsgehalts anlegen. Da schläft es sich einfach ruhiger, wenn mal ein Gehaltsscheck nicht pünktlich kommt. Dies wird auch von den Stellen empfohlen, die einem das Konzept für die Selbständigkeit abzeichnen. Die Kollegin ist zehn Jahre auf Tour, da muss man schon etwas an Rücklagen gebildet haben.
PS: Der Artikel in der Zeit wurde ihr sicherlich honoriert, Doch damit ist sie nicht wirklich auf der sicheren Seite (siehe Honorarhöhe). Zumindest dieser Salär sei ihr vergönnt. :wink: