Ist ja ziemlich nah dran an meinem Lieblingsthema "Verarbeitungsqualität".
Ich glaube, die Behauptung, Materialien und Oberflächen lösten die Begeisterung aus, kann man als Legende verbuchen. Glaubt jemand ernsthaft, bei Seiko und Co. würden nur die abgelegten Werkzeuge und Maschinen der Luxusanbieter eingesetzt werden? Die Fertigungstoleranzen, um die es hier geht, dürften mit dem menschlichen Auge durchs Schaufenster kaum auszumachen sein. Mag sein, dass im Hause Rolex die Fräsköpfe oder Polierscheiben häufiger gewechselt werden. Aber was hat das schon groß mit der Faszination zu tun?
Bei mir (und fast allen anderen, die ich kenne) hat sich in der Vergangenheit die Begehrlichkeit des Hochwertign immer in Relation zur Kenntnis des Preises entwickelt. Das ist m. E. auch einer der Gründe dafür, weshalb sich Kinder häufig für - aus unserer Sicht - belangloses oder billiges Zeug interessieren. Erklärt wird das ja oft damit, dass sie nunmal noch kein ausgeprägtes Wertempfinden besäßen. Ich sag' Euch, das liegt nur an der mangelnden Preiskenntnis (komischerweise wird der Nachwuchs ja auch immer Marken-geiler; obwohl das kindliche Empfinden das noch garnicht wahrnehmen dürfte).
Dass die Faszination bestimmter Marken im Schaufenster trotzdem auch für einige Uneingeweihte existent sein dürfte, hat viele Ursachen.
Zum einen sind die meisten Luxusmarken erzkonservativ. Sie haben sich ihren Kundenstamm erarbeitet, indem sie einmal funktionierende Designs nicht wesentlich verändert haben. Warum sollen die also nicht auch den Neuling ansprechen. Wer weiß, was dieser nicht vielleicht alles mit bestimmten, vermeintlich unbekannten Marken im Unterbewußtsein assoziiert? Vielleicht ist ihm schon mal dieses oder jenes Modell bei dieser oder jener Persönlichkeit begegnet (so z. B. 'ne IWC bei einem Wetten-Das -Gast).
Dann ist es ja auch so, dass Uhren seltenst einzeln präsentiert werden, sondern meistens innerhalb der Markenkollektion. Und Luxusmarken haben üblicherweise eine sehr viel stringentere Designpolitik. Das bedeutet, zwischen ähnlichen Exemplaren, allesamt mit vertrauten Merkmalen, wirkt eine einzelne Uhr möglicherweise sehr viel gediegener, als wenn sie sich gegen ein Sammelsurium von verschiedensten Designs durchsetzen muss, wie das z. B. für Citizen-Auslagen gilt. Dazu kommt, dass die Nobelmarken fast immer mit eigenen Präsentationsmitteln samt Dekoration daherkommen. Das reicht von ausgefallenen Spangenhaltern über nette Holzkästchen bis hin zu Flugzeugmodellen oder ollen Taucherhelmen. Das alles wurde professionell auf die Kollektion abgestimmt. Der Uhrenhändler (bzw. dessen Dekorateuse) hat normalerweise garnicht die Möglichkeit, das gleichwertig für die stetig wechselnde Massenware in seinem Schaufenster nachzuahmen.
Ausserdem fällt mir auf, dass die teureren Exemplare i.d.R. auch die besten Flächen in der Schaufensterfront erhalten. Für preiswerte Modeuhren muss man sich öfter mal bücken oder ums Eck laufen. Das hat garantiert auch einen eEinfluss auf die Wertwahrnehmung.
Wie dem auch sei, beseres "Finish" lasse ich nur in den seltensten Fällen gelten.
Schaumig schrieb:
In diesem Zusammenhang würde mich auch interessieren ob die Uhrenhersteller von ihren einfacheren Uhren für Werbephotos hochwertigere Prototypen anfertigen um sie in ein besseres Licht zu rücken.
Ich weiß nicht, wie das konkret bei Uhren ist. Da sind ja auch zahlreiche kleinere Unternehmen oder gar "Krauter" mit von der Partie. Woanders ist es aber mittlerweile oft so, dass - vom Naßrasierer bis zum PKW - überhaupt keine reellen Produkte mehr abgebildet werden.
Im Zuge zunehmend computerisierter Entwurfs- und Konstruktionsprozesse sind heute häufig bereits fotorealistisch visualisierbare 3D-Modelle vorhanden, bevor der Prototypenbauer das erste mal ran darf (Geschichten von tausenden Freihandskizzen, diversen Papp- und Tonmodellen etc. werden extra für die Presse bzw. deren gutgläubige Leser erfunden und stellen sich in der Realität nicht selten ganz anders dar). Da ist es auch naheliegend, diese Modelle für Produktfotos weiterzunutzen. Da gibt es viel mehr gestalterische Möglichkeiten, etwas in Szene zu setzen, der gesamte Workflow läuft viel effizienter ab, die Ergebnisse sind damit besser korrigierbar und vor allem preiswerter. Die Zeiten, in denen ein Bild aus dem Rechner merkwürdig unecht, da blass und zu makellos aussah, sind längst Vergangenheit.
Selbst wenn ich meine Produkte nach alter Väter Sitte entwickeln und produzieren würde, würde ich mir anschließend ein virtuelles Modell davon bauen (lassen), statt für jedes neue Foto den Fotografen und seine Crew bezahlen zu müssen und deren Eskapaden zu ertragen zu haben.