G
Gast001
Gast
Vorbemerkung: Diese Vorstellung wurde bereits in einem Nachbarforum gezeigt. Deswegen kann es sein, dass der eine oder andere sie bereits gesehen hat. Ich hoffe, auch wiederlesen macht Freude 
Es war möglicherweise der wichtigste Augenblick der Menschheitsgeschichte. Irgendwann vor Tausenden, vielleicht sogar Zehntausenden von Jahren erhob einer unserer Vorfahren, der des Nachts vor die Höhle seiner Sippe getreten war, den Blick und sah in den Nachthimmel. Vielleicht trat er auch aus dem Wald heraus auf eine Lichtung in jener mondlosen, klaren Winternacht. Er sah, auf dem samtenen Schwarz des Nachthimmels, Tausende heller Punkte, zum Greifen nahe schienen sie zu sein.
Und er erkannte einige von ihnen wieder, denn er hatte sie schon in den vorangegangenen Nächten gesehen. Er war ein wunderlicher Mensch - für die Jagd taugte er nicht, denn er war mit einer verkrüppelten Hand geboren worden, und auch das Sammeln von Beeren und Wurzeln ging anderen Mitgliedern des Stammes leichter von der Hand. Aber er verfügte uber gute Augen und ein gutes Gedächtnis, und deswegen war er einer von denen, die die Umgebung des Stammesquartiers beobachteten und Veränderungen den Ältesten mitteilte. Dies war sein Platz in dieser Gesellschaft, die wir heute 'primitiv' nennen, und die doch so viel mehr Menschlichkeit besaß als jene, in der wir leben.
In jener Nacht also sah er wieder in den Nachthimmel und begann vor seinem inneren Auge Verbindungen zwischen einigen der Punkte herzustellen, die er sah. Sie formten sich zu Gegenständen, die er kannte - eines der 'Sternbilder' mag er 'Korb' genannt haben, ...
... ein anderes 'Baum' oder 'Mammut':
In den folgenden Nächten versuchte er, 'seine' Bilder wiederzufinden. Im Verlauf der Wochen und Monate stellte er fest, dass die Bilder ihre Lage am Nachthimmel veränderten. Nicht gegeneinander, sondern alle zusammen. Irgendwann verschwand der 'Korb' vom Nachthimmel. Dafür tauchte der 'Faustkeil' auf, und als der 'Baum' nicht mehr erschien, wurde er durch den 'Bogen' ersetzt. Und irgendwann tauchte der 'Korb' wieder auf, dann der 'Baum', das 'Mammut' und all die Bilder, die er sich ausgedacht hatte, um sich die Sternenformationen besser merken zu können.
Und noch etwas war unserem namenlosen Beobachter des Nachthimmels aufgefallen: Wenn der 'Korb' wieder am Himmel erschien, wurde es Zeit, die letzten Beeren des Sommers einzusammeln, denn danach würden für eine ganze Weile keine mehr wachsen. Erschien das 'Mammut', war es Zeit, sich einen Vorrat an Feuerholz anzulegen, und wenn der 'Faustkeil' wieder auftauchte, würde es Zeit, die Jäger auszusenden. Über all diesem Beobachten wurde unser Freund alt und er merkte, dass es Zeit war, sein Wissen, das den Stamm vor Hungersnot und lichtloser Winterkälte zu bewahren half, weiterzugeben. Er bildete einen Nachfolger aus, der ihn auf seinen nächtlichen Beobachtungen begleitete.
So ging es viele Hundert Jahre lang: die Menschen zogen hinter den Tieren her, die sie jagten, sie folgten dem Wachstum der Früchte. Irgendwann waren Menschen des stetigen Wanderns überdrüssig - sie suchten und fanden einen Platz, an dem sie sich niederlassen konnten. Fruchtbarer Boden konnte bewässert werden, und man pflanzte Früchte und Samen an. Das Wissen um die Wanderung der Gestirne war weiterhin Sache von Gelehrten, die nun, da die Menschen nicht länger rastlose Nomaden waren, aufschrieben, was es damit auf sich hatte.
Dies war die Geburtsstunde der Wissenschaft. Wissenschaft schafft Wissen durch Beobachtung und das Anfertigen von Notizen über das Beobachtete. Wissen ist das, was man weitergeben kann, in welcher Form auch immer. Eine Form, die Menschen überall auf dem Globus nutzten, waren Anlagen, mit denen man Punkte am Horizont festhielt, die bestimmte Ereignisse markierten - in Ägypten etwa das erstmalige Aufgehen des Sirius (und damit den bevorstehenden Beginn der Nilschwemme), in Stonehenge den Sonnenaufgang zu Sommer- und Wintersonnenwende und den Sonnenuntergang am Vorabend der Tag- und Nachtgleichen - Daten, die auch die Anasazi im Südwesten Nordamerikas beobachteten und in ihren Tempelanlagen festhielten, mit denen sie die rechte Zeit für Säen und Ernten festlegten.
Solche Orte nennen wir Observatorien, und damals wie heute dienen sie der Feststellung, wie spät es ist. Astronomen wissen natürlich, dass das Entdecken immer neuer Dinge am Sternenhimmel nur ein schöner Nebeneffekt dieser wichtigen Arbeit ist, aber die meisten Menschen denken, die Sternguckerei sei der Inbegriff eines vollkommen sinnlosen Berufes. Zumal, da es noch gar nicht so lange her ist, dass Astronomie und Astrologie nur zwei Gesichter ein- und derselben Wissenschaft waren. (Und auch, wenn jeder aufgeklärte Mensch weiß, dass Astrologie nur von Scharlatanen betrieben wird, findet sich doch in jeder Tageszeitung ein Plätzchen für zwölf Horoskope - eines für jedes Tierkreiszeichen.)
Da tut es gut, daran zu erinnern, dass es ohne Observatorien keine Zivilisation geben würde, keine Wissenschaft und nicht die Erforschung der Welt.
Und es gäbe keine Uhrmacher und noch weniger jene Observatoriumswettbewerbe, in denen sich die Besten dieses Berufes seit Jahrhunderten miteinander messen im Bestreben, immer genauere, immer bessere Uhren zu bauen.
Denn letztendlich ist eine Uhr nichts anderes als ein Abbild der ewigen, immer gleichen Bewegungen der Objekte am Himmel. Deren Vollkommenheit wird eine mechanische Uhr zwar nie erreichen - ihr so nahe zu kommen wie möglich ist aber das erklärte Ziel der Chronometerbauer.
Und wahre Meisterschaft zeigt sich darin, diese Vollkommenheit in ein Gehäuse zu verpacken, das am Handgelenk getragen werden kann.
Vorhang auf für eines der erlesensten Objekte am Uhrenhimmel: die Omega Constellation.
Die Geschichte der 'Constellation' beginnt eigentlich im Jahre 1948. Drei Jahre zuvor ging der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Die Menschen in den kriegsverwüsteten Ländern erwachen aus der Schockstarre, in der sie die erlebten Grausamkeiten zurückgelassen haben, und einige verfügen sogar schon wieder über die Mittel, sich etwas zu leisten. In diesen beginnenden Nachkriegsboom hinein feiert die Firma Omega ihren hundertsten Geburtstag. Das Motto - "Einhundert Jahre Präzision" - könnte kaum treffender symbolisiert werden als mit der Armbanduhr, die Omega in limitierter Auflage herausbringt: dem Armbandchronometer 'Centenary'.
Anzeige für die Omega Centenary (1948)
Quelle: Omega - Reise durch die Zeit
4.000 dieser Uhren mit dem 'großen' Kaliber 30.10 RA PC JUB (331) entstanden 1948 (ref. OT2500), 2.000 weitere mit dem kleineren Kaliber 28.10 RA JUB (341) folgten, wegen des enormen Erfolgs der Erstauflage im Jahr darauf (OT2499). Beide Serien waren in Windeseile ausverkauft, trotz ihres ausgesprochen stolzen Preises, und machten deutlich, dass es einen Markt gab für Uhren größter Präzision. 1952 schließlich war es soweit - Omega brachte eine Serie besonders präziser, besonders eleganter und mit besonders hochwertigen Materialien ausgestatteter Uhren auf den Markt - die 'Constellation'.
Anzeige für die Omega Constellation (1952)
Quelle: Omega - Reise durch die Zeit
'Constellation' ist das Wort für 'Sternbild', und hier schließt sich der Kreis zum Anfang dieser Geschichte, denn ihr Gang war so stet wie das Erscheinen der Sternbilder am Nachthimmel. (Der Name 'Constellation' geht übrigens zurück auf einen Vorschlag von Bruno Passoni, einem der Verkäufer des italienischen Generalagenten Carlo De Marchi.) Die auffällige Prägung einer Observatoriumskuppel auf der Unterseite dieser Uhren machten ihren Anspruch deutlich, an die große Tradition gewonnener Observatoriums-Wettbewerbe anzuknüpfen, einschließlich derjenigen im englischen Kew, wo Omega 1933 und 1936 Weltrekorde aufgestellt hatte, die auch 1952 noch ungebrochen waren.
Die ersten Constellations waren mit den Pendelautomaten der 28.10-Familie ausgestattet, den Kalibern 351, 352 und 354, die in diesen Uhren ihre letzte Vollendung erfuhren. Mit Einführung der Kaliberserie 5xx führte Omega nicht nur die Rotorautomatik mit doppeltwirkendem Aufzug ein, sondern auch die Angewohnheit, ganze Kaliberserien von vornherein als Chronometer zu bauen. Unübertroffen ist bis zu diesem Tag der Ruf der Kaliber 561 und 564, die unter vielen Fachleuten bis heute als beste Omega-Kaliber aller Zeiten gelten. Ein ganzes Jahrzehnt lang - von 1958 bis 1968 - dominierten die Kaliber 561 und 564 den Markt hochwertiger Chronometer aus dem Hause Omega. Parallel dazu änderte sich am Aussehen der Constellation nur wenig - sie blieben flach und elegant, überwiegend golden oder vergoldet, mit silbernen oder goldenen, nur ganz gelegentlich auch schwarzen Zifferblättern. Dauphinzeiger - in anderen Uhren längst durch schlichte Stabzeiger ersetzt, blieben der Constellation bis weit in die Sechzigerjahre hinein erhalten.
Omega Constellation ref. CD 167.005 (1966)
Quelle: Trebor's Vintage Watches
Gegen Ende der Sechzigerjahre änderte sich der Uhrengeschmack grundlegend. Junge, gutverdienende Männer wollten auch mit der Wahl ihrer Armbanduhr zeigen, dass sie es zu etwas gebracht hatten. Gold aber war nichts für junge Leute, die erwarteten, dass ihre Uhr ihnen auch bei sportlicher Betätigung folgte. Schon die Seamaster war diesem Trend folgend robuster geworden, nun sollte auch Omegas Spitzenerzeugnis, die Constellation, sportliche Eleganz demonstrieren.
Bereits 1964 hatte Pierre Moinat, Chef der Kreationsabteilung von 1955 bis 1981, ein Gehäuse mit integriertem Metallband entworfen und das System unter der Nummer 405.170 patentieren lassen. Nach diesem Patent wurden goldene Uhren und solche aus Edelstahl gebaut, von denen besonders die mit TV-Ausschnitt besonders bekannt sind.
Omega Constellation ref. 168.047 (1969)
Quelle: ebay
Damit jene Gehäuse besser (vor allem größer) wirkten, brauchte es freilich auch ein schlankeres Werk - die 56x-Werke waren mit 5,5 mm dafür einfach zu dick.
Kurt Vogt erhielt also den Auftrag, den Nachfolger der erfolgreichen Kaliber 56x zu entwickeln. Im Lastenheft standen neben geringere Bauhöhe und längeren Wartungsintervallen einfachere Regulierung und Sekundenstop. Vogt entschied sich für eine höhere Schwingungszahl (28.800 anstatt 19.800), einen leichteren Rotor, der sich auch langsamer drehen und dadurch das Rotorlager entlasten sollte, und für die neu erfundene 'Selbstschmierung', bei der besondere Schmierstoffe für die verschiedenen Schmierstellen vorgesehen wurden. All diese Neuerungen versprachen ein sensationelles Kaliber, ...
... aber das 1968 vorgestellte cal. 1000 enttäuschte schon bald viele Erwartungen: seine Aufzugsleistung galt als unzureichend, besonders am Arm von Menschen mit eher ruhiger Lebensführung, die Schmierstoffe verschlissen schneller als gedacht und die 'springende' Kalendermechanik erwies sich als anfällig. Der gute Ruf, den Omega mit seinen erfolgreichen Kalibern in den Fünfziger- und Sechzigerjahren begründet hatte, schmolz dahin wie Reif in der Sonne. Fachjournalisten schrieben allenthalben von zu viel Ehrgeiz und der böse Spruch machte die Runde, wonach Omega sich von einem Unternehmen, das sich der hohen Qualität seiner Erzeugnisse verschriebenen hatte zu einem wandelte, das unbedingt Kosten senken wollte - selbst zu Lasten der Qualität.
Omega reagierte sofort - mit einer Aktualisierung der Wartungspläne, mit der Abschaffung von Selbstschmierung und springendem Datum, mit Einbau eines schwereren Rotors und einer geänderten Rotorübersetzung, und die Kaliberfamilien 101x und 102x dürfen als konzeptionell kerngesund gelten. Aber der gute Ruf war mehr als nur angekratzt und blieb durch die Siebziger- und einen Großteil der Achtzigerjahre hindurch angeschlagen. Unterdessen zog Rolex dank exzellenten Marketings in der Kundenwahrnehmung an Omega vorbei - auch wenn deren Kaliber 3035 unter ganz ähnlichen Problemen litten wie ihre Omega-Gegenstücke. Und so ist bis heute eine Vintage-Rolex deutlich teurer als ein vergleichbarer Vintage-Omega Chronometer - obwohl in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in den Augen der Uhrenkäufer ein Omega Chronometer allemal die erstrebenswertere Uhr war.
Vor 45 Jahren betrat ein junger Mann das vornehme Uhrengeschäft an der Ecke Fressgasse/Breite Straße in Mannheim. Das heißt, so jung war er gar nicht mehr, er würde bald seinen vierzigsten Geburtstag feiern. In diesem Alter ziehen Männer meistens eine erste Zwischenbilanz und die war in seinem Fall, alles in allem, erfreulich ausgefallen: er war promovierter Chemiker bei der BASF, dem großen Chemieunternehmen direkt gegenüber, auf der anderen Rheinseite, und gerade heute hatte man ihm den Posten des stellvertretenden Direktors der Entwicklungsabteilung für Industriekunststoffe angeboten. Er hatte eine Frau und einen Sohn, mit denen er ein hübsches, modernes Reihenhaus in der BASF-eigenen Carl-Bosch-Siedlung am Stadtrand der Kleinstadt Frankenthal bewohnte - auf halbem Weg von Ludwigshafen zur Weinstraße. Er konnte sich drei Wochen Familienurlaub am Mittelmeer und zwei Wochen Wintersport in der Schweiz leisten, einen Mercedes - und nun eben auch eine richtig gute Uhr.
Der alte Herr Wenthe nahm ihn zur Seite und fragte ihn, was ihm denn so vorschwebte. "Uff jeden Fall was aus de' Schweiz", gab er, in bestem Pfälzisch zur Antwort. Er zeigte dem alten Wenthe seine Uhr - eine vergoldete Bifora, die ihm seine Eltern zum Abitur geschenkt hatten und die ihm nun einfach zu altmodisch war. Sein Chef trug einen Chronographen, "irgendwas mit B", also kam sowas eher nicht in Frage. "Genau musse soi, un schää." Der alte Wenthe maß ihn mit seinen Blicken - nein, er sah nicht aus wie einer, der sein Geld mit Mädchen verdient oder mit anderen zweifelhaften Geschäften. Ohne den Dialekt hätte er den Mann im gut sitzenden Anzug mit Seidenkrawatte und Hornbrille sofort für einen erfolgreichen Akademiker gehalten - einen Banker vielleicht oder einen Ingenieur. Er hatte gepflegte Hände und vor dem Geschäft stand eine Mercedes-Limousine. Wenthes Urteil fiel zu Gunsten des jungen Mannes aus.
"Haben Sie schon mal eine Omega getragen?", fragte er ihn, während er ihn in eine abgeschiedene Ecke des Ladens komplimentierte. Dort legte er ihm ein paar Stücke zur Ansicht vor. Zu groß, zu klein, zu golden, zu ...
"Was is'n des fer äni?" Dem Mann stach offenbar eine Uhr mit Edelstahlgehäuse und Weißgoldlünette in die Augen, die in der zweiten Reihe von oben linksaußen lag.
"Sie haben ein gutes Auge", beeilte sich Wenthe zu sagen. Denn das war eines der teuersten Stücke der Kollektion - eine Constellation. Er nahm sie aus der Schublade und legte sie vor dem Ingenieur auf das Samttuch, nachdem er sie mit ein paar Drehungen an der Krone in Bewegung gesetzt hatte.
"Das ist eines der Spitzenmodelle der Firma Omega - eine Constellation. Ein Chronometer mit Zertifikat."
"Geht die gut?"
"Sie geht genau. Das wird sogar von der Schweizer Behörde bestätigt."
"Derf isch...?"
"Aber sicher." Wenthe öffnete die Schließe und ließ die Uhr über das Handgelenk seines Kunden gleiten. Dann schloss er das Band. Die Uhr saß wie angegossen.
"Sieht gut aus." Der Mann grinste ihn an.
Wenthe lächelte zurück. "Das tut sie, in der Tat. Sitzt sie bequem?"
Das Band zwischen seinem Kunden und der Uhr war geschmiedet. Wenthe wusste, diese Uhr würde er nicht zurücklegen. Und richtig - nach wenigen Minuten stand der Mann an der Kasse und stellte den Scheck über 842 Mark und 50 Pfennige aus, "einschließlich 11% Mehrwertsteuer". Im Gegenzug erhielt er eine mit Samt ausgeschlagene, lederbezogene, dunkelrote Schatulle, das Certificat de Marche der 'COSC' - der 'Contrôle Officiel Suisse de Chronomètre' - mit dem ihr 'précision exceptionel' bescheinigt wurde. In der Schatulle steckte seine alte Bifora, denn die Omega ließ er gleich an.
So, oder so ähnlich mag die Geschichte meiner Constellation begonnen haben. Die Uhr führte in der Folge eher ein ruhiges Leben. Kratzer hat sie nur ganz leichte, das Werk wirkt unberührt, noch nicht einmal die Schwungmasse des Automatik-Aufzuges hat die üblichen Kratzer und Schleifmarkierungen. Vielleicht war sie unserem Doktor rer.nat. doch zu teuer, um sie jeden Tag zu tragen, und vielleicht legte er sich dafür eine billigere und noch robustere Uhr zu - eine Seamaster vielleicht. Oder - immerhin war er Wissenschaftler, also ein Geek - kaufte er sich schon bald danach eine Quarzuhr?
Was auch immer der Grund war - am Ende des Tages überlebte eine Omega Constellation vom Anfang der dunklen Tage der Marke Omega, fast unberührt, im Originalzustand:
Ist jene Beurteilung - "damals begann der Abstieg der Marke" - also gerechtfertigt?
Natürlich entstand die Kaliberfamilie 1xxx vor dem Hintergrund des gestiegenen Kostendrucks. Wenn es eine Möglichkeit gab, den Aufwand beim Regulieren der Chronometerwerke zu vermindern, warum sollte man sie dann nicht nutzen? Die neuen synthetischen Schmierstoffe versprachen erheblich bessere Leistungsfähigkeit, sowohl was ihre Schmiereigenschaften als auch was ihre Haltbarkeit anging. Dass das Finish der Werke weniger vollkommen war, störte wohl nur Uhrmacher (wenn überhaupt). Natürlich kann man davon ausgehen, dass die neuen Werke nicht weniger sorgfältig getestet wurden als ihre Vorgänger. Und das Finish der Uhren selbst wusste auch weiterhin zu überzeugen - speziell im High-End-Segment, wo die 'Constellation' zuhause war, wurden an Materialauswahl und -verarbeitung allerhöchste Anforderungen gestellt. Trotzdem musste Omega schmerzhaft erfahren, dass erst das Leben nach dem Verkauf den ultimativen Test für eine uhr darstellt - Uhrmacher und Kunden fluchten bald über die kräftig gestiegenen Revisionskosten, weil die Servicepläne nun plötzlich routinemäßig den Austausch von Zugfeder, Rotorlager und (gekapselten) Wechselrädern vorschrieben.
Gleichwohl wurden von der Werkefamilie 100x rund 370.000 Stück produziert. In Uhren wie der Seamaster PloProf von 1970 zeigte das 1002 dann auch seine ganze Leistungsfähigkeit. 'Omega - Reise durch die Zeit' schreibt von 20 Stück des cal. 1001 (27.90 RA SC PC CAL CORR INST STS BULL) und meint vermutlich 20.000. Das macht dieses Werk trotzdem zu einem der selteneren Kaliber der jüngeren Omega-Geschichte. Desmond Guilfoyle empfiehlt zwar, man solle von Uhren mit Kaliber 100x die Finger lassen, räumt aber ein, 'gepflegte Exemplare' mit erstklassigen Gangeigenschaften gesehen zu haben.
Ein solches arbeitet auch in meiner Constellation:
Es wurde vor einem Jahr überholt und seither wurde die Uhr nicht viel getragen. Wie ihren Erstbesitzer überzeugte auch mich die besonders unaufdringliche Eleganz der Uhr. Das dunkelsilberne Zifferblatt im "Shantung"-Dekor ...
... bietet einen prächtigen Hintergrund für die weißgoldenen, mit Jais schwarz ausgelegten Indizes und die schwarzen Zeiger für Stunden und Minuten. Der weißvergoldete Sekundenzeiger schwebt gleichförmig über das Blatt.
Auffallend ist die "umgekehrte" Anordnung der Inschriften auf dem Blatt: unter dem weißvergoldeten "Omega"-Symbol findet sich der Schriftzug "Constellation", darunter in dünnen Blockbuchstaben "AUTOMATIC". Unterhalb der Zeigerachse folgen dann, in unterschiedlichen Schriftgrößen, der Markenname 'OMEGA', 'CHRONOMETER', 'OFFICIALLY CERTIFIED'. Diese Anordnung übte Omega nur wenige Jahre, schon ab 1972 findet sich "OMEGA" wieder unter dem Markenzeichen und "Constellation" in der unteren Hälfte des Blattes.
Das geläppte Edelstahlgehäuse fällt durch seine weichen, aber dennoch wohldefinierten Kanten auf, die sich an dem integrierten Edelstahlband fortsetzen.
Der Verlauf des Bandes lässt die Uhr zwar selbstbewusst, aber keinesfalls protzig herüber kommen. Auch die flache Bauform wirkt dem Eindruck entgegen, mehr scheinen als sein zu wollen.
Ihre Erscheinung wird abgerundet durch die glatte, weißvergoldete Lünette, die das signierte Plexi vom Edelstahlgehäuse trennt.
Fazit: allen Unkenrufen zum Trotz ist auch diese Constellation ein vollwertiges Mitglied des Uhrenadels, das keinen Vergleich mit der Konkurrenz zu scheuen braucht.
Danke fürs Schauen!
Grüße
Tomcat


Es war möglicherweise der wichtigste Augenblick der Menschheitsgeschichte. Irgendwann vor Tausenden, vielleicht sogar Zehntausenden von Jahren erhob einer unserer Vorfahren, der des Nachts vor die Höhle seiner Sippe getreten war, den Blick und sah in den Nachthimmel. Vielleicht trat er auch aus dem Wald heraus auf eine Lichtung in jener mondlosen, klaren Winternacht. Er sah, auf dem samtenen Schwarz des Nachthimmels, Tausende heller Punkte, zum Greifen nahe schienen sie zu sein.

Und er erkannte einige von ihnen wieder, denn er hatte sie schon in den vorangegangenen Nächten gesehen. Er war ein wunderlicher Mensch - für die Jagd taugte er nicht, denn er war mit einer verkrüppelten Hand geboren worden, und auch das Sammeln von Beeren und Wurzeln ging anderen Mitgliedern des Stammes leichter von der Hand. Aber er verfügte uber gute Augen und ein gutes Gedächtnis, und deswegen war er einer von denen, die die Umgebung des Stammesquartiers beobachteten und Veränderungen den Ältesten mitteilte. Dies war sein Platz in dieser Gesellschaft, die wir heute 'primitiv' nennen, und die doch so viel mehr Menschlichkeit besaß als jene, in der wir leben.
In jener Nacht also sah er wieder in den Nachthimmel und begann vor seinem inneren Auge Verbindungen zwischen einigen der Punkte herzustellen, die er sah. Sie formten sich zu Gegenständen, die er kannte - eines der 'Sternbilder' mag er 'Korb' genannt haben, ...

... ein anderes 'Baum' oder 'Mammut':

In den folgenden Nächten versuchte er, 'seine' Bilder wiederzufinden. Im Verlauf der Wochen und Monate stellte er fest, dass die Bilder ihre Lage am Nachthimmel veränderten. Nicht gegeneinander, sondern alle zusammen. Irgendwann verschwand der 'Korb' vom Nachthimmel. Dafür tauchte der 'Faustkeil' auf, und als der 'Baum' nicht mehr erschien, wurde er durch den 'Bogen' ersetzt. Und irgendwann tauchte der 'Korb' wieder auf, dann der 'Baum', das 'Mammut' und all die Bilder, die er sich ausgedacht hatte, um sich die Sternenformationen besser merken zu können.
Und noch etwas war unserem namenlosen Beobachter des Nachthimmels aufgefallen: Wenn der 'Korb' wieder am Himmel erschien, wurde es Zeit, die letzten Beeren des Sommers einzusammeln, denn danach würden für eine ganze Weile keine mehr wachsen. Erschien das 'Mammut', war es Zeit, sich einen Vorrat an Feuerholz anzulegen, und wenn der 'Faustkeil' wieder auftauchte, würde es Zeit, die Jäger auszusenden. Über all diesem Beobachten wurde unser Freund alt und er merkte, dass es Zeit war, sein Wissen, das den Stamm vor Hungersnot und lichtloser Winterkälte zu bewahren half, weiterzugeben. Er bildete einen Nachfolger aus, der ihn auf seinen nächtlichen Beobachtungen begleitete.
So ging es viele Hundert Jahre lang: die Menschen zogen hinter den Tieren her, die sie jagten, sie folgten dem Wachstum der Früchte. Irgendwann waren Menschen des stetigen Wanderns überdrüssig - sie suchten und fanden einen Platz, an dem sie sich niederlassen konnten. Fruchtbarer Boden konnte bewässert werden, und man pflanzte Früchte und Samen an. Das Wissen um die Wanderung der Gestirne war weiterhin Sache von Gelehrten, die nun, da die Menschen nicht länger rastlose Nomaden waren, aufschrieben, was es damit auf sich hatte.
Dies war die Geburtsstunde der Wissenschaft. Wissenschaft schafft Wissen durch Beobachtung und das Anfertigen von Notizen über das Beobachtete. Wissen ist das, was man weitergeben kann, in welcher Form auch immer. Eine Form, die Menschen überall auf dem Globus nutzten, waren Anlagen, mit denen man Punkte am Horizont festhielt, die bestimmte Ereignisse markierten - in Ägypten etwa das erstmalige Aufgehen des Sirius (und damit den bevorstehenden Beginn der Nilschwemme), in Stonehenge den Sonnenaufgang zu Sommer- und Wintersonnenwende und den Sonnenuntergang am Vorabend der Tag- und Nachtgleichen - Daten, die auch die Anasazi im Südwesten Nordamerikas beobachteten und in ihren Tempelanlagen festhielten, mit denen sie die rechte Zeit für Säen und Ernten festlegten.

Solche Orte nennen wir Observatorien, und damals wie heute dienen sie der Feststellung, wie spät es ist. Astronomen wissen natürlich, dass das Entdecken immer neuer Dinge am Sternenhimmel nur ein schöner Nebeneffekt dieser wichtigen Arbeit ist, aber die meisten Menschen denken, die Sternguckerei sei der Inbegriff eines vollkommen sinnlosen Berufes. Zumal, da es noch gar nicht so lange her ist, dass Astronomie und Astrologie nur zwei Gesichter ein- und derselben Wissenschaft waren. (Und auch, wenn jeder aufgeklärte Mensch weiß, dass Astrologie nur von Scharlatanen betrieben wird, findet sich doch in jeder Tageszeitung ein Plätzchen für zwölf Horoskope - eines für jedes Tierkreiszeichen.)
Da tut es gut, daran zu erinnern, dass es ohne Observatorien keine Zivilisation geben würde, keine Wissenschaft und nicht die Erforschung der Welt.
Und es gäbe keine Uhrmacher und noch weniger jene Observatoriumswettbewerbe, in denen sich die Besten dieses Berufes seit Jahrhunderten miteinander messen im Bestreben, immer genauere, immer bessere Uhren zu bauen.
Denn letztendlich ist eine Uhr nichts anderes als ein Abbild der ewigen, immer gleichen Bewegungen der Objekte am Himmel. Deren Vollkommenheit wird eine mechanische Uhr zwar nie erreichen - ihr so nahe zu kommen wie möglich ist aber das erklärte Ziel der Chronometerbauer.
Und wahre Meisterschaft zeigt sich darin, diese Vollkommenheit in ein Gehäuse zu verpacken, das am Handgelenk getragen werden kann.
Vorhang auf für eines der erlesensten Objekte am Uhrenhimmel: die Omega Constellation.
***
Die Geschichte der 'Constellation' beginnt eigentlich im Jahre 1948. Drei Jahre zuvor ging der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Die Menschen in den kriegsverwüsteten Ländern erwachen aus der Schockstarre, in der sie die erlebten Grausamkeiten zurückgelassen haben, und einige verfügen sogar schon wieder über die Mittel, sich etwas zu leisten. In diesen beginnenden Nachkriegsboom hinein feiert die Firma Omega ihren hundertsten Geburtstag. Das Motto - "Einhundert Jahre Präzision" - könnte kaum treffender symbolisiert werden als mit der Armbanduhr, die Omega in limitierter Auflage herausbringt: dem Armbandchronometer 'Centenary'.

Anzeige für die Omega Centenary (1948)
Quelle: Omega - Reise durch die Zeit
4.000 dieser Uhren mit dem 'großen' Kaliber 30.10 RA PC JUB (331) entstanden 1948 (ref. OT2500), 2.000 weitere mit dem kleineren Kaliber 28.10 RA JUB (341) folgten, wegen des enormen Erfolgs der Erstauflage im Jahr darauf (OT2499). Beide Serien waren in Windeseile ausverkauft, trotz ihres ausgesprochen stolzen Preises, und machten deutlich, dass es einen Markt gab für Uhren größter Präzision. 1952 schließlich war es soweit - Omega brachte eine Serie besonders präziser, besonders eleganter und mit besonders hochwertigen Materialien ausgestatteter Uhren auf den Markt - die 'Constellation'.

Anzeige für die Omega Constellation (1952)
Quelle: Omega - Reise durch die Zeit
'Constellation' ist das Wort für 'Sternbild', und hier schließt sich der Kreis zum Anfang dieser Geschichte, denn ihr Gang war so stet wie das Erscheinen der Sternbilder am Nachthimmel. (Der Name 'Constellation' geht übrigens zurück auf einen Vorschlag von Bruno Passoni, einem der Verkäufer des italienischen Generalagenten Carlo De Marchi.) Die auffällige Prägung einer Observatoriumskuppel auf der Unterseite dieser Uhren machten ihren Anspruch deutlich, an die große Tradition gewonnener Observatoriums-Wettbewerbe anzuknüpfen, einschließlich derjenigen im englischen Kew, wo Omega 1933 und 1936 Weltrekorde aufgestellt hatte, die auch 1952 noch ungebrochen waren.

Die ersten Constellations waren mit den Pendelautomaten der 28.10-Familie ausgestattet, den Kalibern 351, 352 und 354, die in diesen Uhren ihre letzte Vollendung erfuhren. Mit Einführung der Kaliberserie 5xx führte Omega nicht nur die Rotorautomatik mit doppeltwirkendem Aufzug ein, sondern auch die Angewohnheit, ganze Kaliberserien von vornherein als Chronometer zu bauen. Unübertroffen ist bis zu diesem Tag der Ruf der Kaliber 561 und 564, die unter vielen Fachleuten bis heute als beste Omega-Kaliber aller Zeiten gelten. Ein ganzes Jahrzehnt lang - von 1958 bis 1968 - dominierten die Kaliber 561 und 564 den Markt hochwertiger Chronometer aus dem Hause Omega. Parallel dazu änderte sich am Aussehen der Constellation nur wenig - sie blieben flach und elegant, überwiegend golden oder vergoldet, mit silbernen oder goldenen, nur ganz gelegentlich auch schwarzen Zifferblättern. Dauphinzeiger - in anderen Uhren längst durch schlichte Stabzeiger ersetzt, blieben der Constellation bis weit in die Sechzigerjahre hinein erhalten.

Omega Constellation ref. CD 167.005 (1966)
Quelle: Trebor's Vintage Watches
Gegen Ende der Sechzigerjahre änderte sich der Uhrengeschmack grundlegend. Junge, gutverdienende Männer wollten auch mit der Wahl ihrer Armbanduhr zeigen, dass sie es zu etwas gebracht hatten. Gold aber war nichts für junge Leute, die erwarteten, dass ihre Uhr ihnen auch bei sportlicher Betätigung folgte. Schon die Seamaster war diesem Trend folgend robuster geworden, nun sollte auch Omegas Spitzenerzeugnis, die Constellation, sportliche Eleganz demonstrieren.
Bereits 1964 hatte Pierre Moinat, Chef der Kreationsabteilung von 1955 bis 1981, ein Gehäuse mit integriertem Metallband entworfen und das System unter der Nummer 405.170 patentieren lassen. Nach diesem Patent wurden goldene Uhren und solche aus Edelstahl gebaut, von denen besonders die mit TV-Ausschnitt besonders bekannt sind.

Omega Constellation ref. 168.047 (1969)
Quelle: ebay
Damit jene Gehäuse besser (vor allem größer) wirkten, brauchte es freilich auch ein schlankeres Werk - die 56x-Werke waren mit 5,5 mm dafür einfach zu dick.
Kurt Vogt erhielt also den Auftrag, den Nachfolger der erfolgreichen Kaliber 56x zu entwickeln. Im Lastenheft standen neben geringere Bauhöhe und längeren Wartungsintervallen einfachere Regulierung und Sekundenstop. Vogt entschied sich für eine höhere Schwingungszahl (28.800 anstatt 19.800), einen leichteren Rotor, der sich auch langsamer drehen und dadurch das Rotorlager entlasten sollte, und für die neu erfundene 'Selbstschmierung', bei der besondere Schmierstoffe für die verschiedenen Schmierstellen vorgesehen wurden. All diese Neuerungen versprachen ein sensationelles Kaliber, ...

... aber das 1968 vorgestellte cal. 1000 enttäuschte schon bald viele Erwartungen: seine Aufzugsleistung galt als unzureichend, besonders am Arm von Menschen mit eher ruhiger Lebensführung, die Schmierstoffe verschlissen schneller als gedacht und die 'springende' Kalendermechanik erwies sich als anfällig. Der gute Ruf, den Omega mit seinen erfolgreichen Kalibern in den Fünfziger- und Sechzigerjahren begründet hatte, schmolz dahin wie Reif in der Sonne. Fachjournalisten schrieben allenthalben von zu viel Ehrgeiz und der böse Spruch machte die Runde, wonach Omega sich von einem Unternehmen, das sich der hohen Qualität seiner Erzeugnisse verschriebenen hatte zu einem wandelte, das unbedingt Kosten senken wollte - selbst zu Lasten der Qualität.
Omega reagierte sofort - mit einer Aktualisierung der Wartungspläne, mit der Abschaffung von Selbstschmierung und springendem Datum, mit Einbau eines schwereren Rotors und einer geänderten Rotorübersetzung, und die Kaliberfamilien 101x und 102x dürfen als konzeptionell kerngesund gelten. Aber der gute Ruf war mehr als nur angekratzt und blieb durch die Siebziger- und einen Großteil der Achtzigerjahre hindurch angeschlagen. Unterdessen zog Rolex dank exzellenten Marketings in der Kundenwahrnehmung an Omega vorbei - auch wenn deren Kaliber 3035 unter ganz ähnlichen Problemen litten wie ihre Omega-Gegenstücke. Und so ist bis heute eine Vintage-Rolex deutlich teurer als ein vergleichbarer Vintage-Omega Chronometer - obwohl in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in den Augen der Uhrenkäufer ein Omega Chronometer allemal die erstrebenswertere Uhr war.
***
Vor 45 Jahren betrat ein junger Mann das vornehme Uhrengeschäft an der Ecke Fressgasse/Breite Straße in Mannheim. Das heißt, so jung war er gar nicht mehr, er würde bald seinen vierzigsten Geburtstag feiern. In diesem Alter ziehen Männer meistens eine erste Zwischenbilanz und die war in seinem Fall, alles in allem, erfreulich ausgefallen: er war promovierter Chemiker bei der BASF, dem großen Chemieunternehmen direkt gegenüber, auf der anderen Rheinseite, und gerade heute hatte man ihm den Posten des stellvertretenden Direktors der Entwicklungsabteilung für Industriekunststoffe angeboten. Er hatte eine Frau und einen Sohn, mit denen er ein hübsches, modernes Reihenhaus in der BASF-eigenen Carl-Bosch-Siedlung am Stadtrand der Kleinstadt Frankenthal bewohnte - auf halbem Weg von Ludwigshafen zur Weinstraße. Er konnte sich drei Wochen Familienurlaub am Mittelmeer und zwei Wochen Wintersport in der Schweiz leisten, einen Mercedes - und nun eben auch eine richtig gute Uhr.
Der alte Herr Wenthe nahm ihn zur Seite und fragte ihn, was ihm denn so vorschwebte. "Uff jeden Fall was aus de' Schweiz", gab er, in bestem Pfälzisch zur Antwort. Er zeigte dem alten Wenthe seine Uhr - eine vergoldete Bifora, die ihm seine Eltern zum Abitur geschenkt hatten und die ihm nun einfach zu altmodisch war. Sein Chef trug einen Chronographen, "irgendwas mit B", also kam sowas eher nicht in Frage. "Genau musse soi, un schää." Der alte Wenthe maß ihn mit seinen Blicken - nein, er sah nicht aus wie einer, der sein Geld mit Mädchen verdient oder mit anderen zweifelhaften Geschäften. Ohne den Dialekt hätte er den Mann im gut sitzenden Anzug mit Seidenkrawatte und Hornbrille sofort für einen erfolgreichen Akademiker gehalten - einen Banker vielleicht oder einen Ingenieur. Er hatte gepflegte Hände und vor dem Geschäft stand eine Mercedes-Limousine. Wenthes Urteil fiel zu Gunsten des jungen Mannes aus.
"Haben Sie schon mal eine Omega getragen?", fragte er ihn, während er ihn in eine abgeschiedene Ecke des Ladens komplimentierte. Dort legte er ihm ein paar Stücke zur Ansicht vor. Zu groß, zu klein, zu golden, zu ...
"Was is'n des fer äni?" Dem Mann stach offenbar eine Uhr mit Edelstahlgehäuse und Weißgoldlünette in die Augen, die in der zweiten Reihe von oben linksaußen lag.
"Sie haben ein gutes Auge", beeilte sich Wenthe zu sagen. Denn das war eines der teuersten Stücke der Kollektion - eine Constellation. Er nahm sie aus der Schublade und legte sie vor dem Ingenieur auf das Samttuch, nachdem er sie mit ein paar Drehungen an der Krone in Bewegung gesetzt hatte.
"Das ist eines der Spitzenmodelle der Firma Omega - eine Constellation. Ein Chronometer mit Zertifikat."
"Geht die gut?"
"Sie geht genau. Das wird sogar von der Schweizer Behörde bestätigt."
"Derf isch...?"
"Aber sicher." Wenthe öffnete die Schließe und ließ die Uhr über das Handgelenk seines Kunden gleiten. Dann schloss er das Band. Die Uhr saß wie angegossen.
"Sieht gut aus." Der Mann grinste ihn an.
Wenthe lächelte zurück. "Das tut sie, in der Tat. Sitzt sie bequem?"
Das Band zwischen seinem Kunden und der Uhr war geschmiedet. Wenthe wusste, diese Uhr würde er nicht zurücklegen. Und richtig - nach wenigen Minuten stand der Mann an der Kasse und stellte den Scheck über 842 Mark und 50 Pfennige aus, "einschließlich 11% Mehrwertsteuer". Im Gegenzug erhielt er eine mit Samt ausgeschlagene, lederbezogene, dunkelrote Schatulle, das Certificat de Marche der 'COSC' - der 'Contrôle Officiel Suisse de Chronomètre' - mit dem ihr 'précision exceptionel' bescheinigt wurde. In der Schatulle steckte seine alte Bifora, denn die Omega ließ er gleich an.

***
So, oder so ähnlich mag die Geschichte meiner Constellation begonnen haben. Die Uhr führte in der Folge eher ein ruhiges Leben. Kratzer hat sie nur ganz leichte, das Werk wirkt unberührt, noch nicht einmal die Schwungmasse des Automatik-Aufzuges hat die üblichen Kratzer und Schleifmarkierungen. Vielleicht war sie unserem Doktor rer.nat. doch zu teuer, um sie jeden Tag zu tragen, und vielleicht legte er sich dafür eine billigere und noch robustere Uhr zu - eine Seamaster vielleicht. Oder - immerhin war er Wissenschaftler, also ein Geek - kaufte er sich schon bald danach eine Quarzuhr?
Was auch immer der Grund war - am Ende des Tages überlebte eine Omega Constellation vom Anfang der dunklen Tage der Marke Omega, fast unberührt, im Originalzustand:









Ist jene Beurteilung - "damals begann der Abstieg der Marke" - also gerechtfertigt?
Natürlich entstand die Kaliberfamilie 1xxx vor dem Hintergrund des gestiegenen Kostendrucks. Wenn es eine Möglichkeit gab, den Aufwand beim Regulieren der Chronometerwerke zu vermindern, warum sollte man sie dann nicht nutzen? Die neuen synthetischen Schmierstoffe versprachen erheblich bessere Leistungsfähigkeit, sowohl was ihre Schmiereigenschaften als auch was ihre Haltbarkeit anging. Dass das Finish der Werke weniger vollkommen war, störte wohl nur Uhrmacher (wenn überhaupt). Natürlich kann man davon ausgehen, dass die neuen Werke nicht weniger sorgfältig getestet wurden als ihre Vorgänger. Und das Finish der Uhren selbst wusste auch weiterhin zu überzeugen - speziell im High-End-Segment, wo die 'Constellation' zuhause war, wurden an Materialauswahl und -verarbeitung allerhöchste Anforderungen gestellt. Trotzdem musste Omega schmerzhaft erfahren, dass erst das Leben nach dem Verkauf den ultimativen Test für eine uhr darstellt - Uhrmacher und Kunden fluchten bald über die kräftig gestiegenen Revisionskosten, weil die Servicepläne nun plötzlich routinemäßig den Austausch von Zugfeder, Rotorlager und (gekapselten) Wechselrädern vorschrieben.
Gleichwohl wurden von der Werkefamilie 100x rund 370.000 Stück produziert. In Uhren wie der Seamaster PloProf von 1970 zeigte das 1002 dann auch seine ganze Leistungsfähigkeit. 'Omega - Reise durch die Zeit' schreibt von 20 Stück des cal. 1001 (27.90 RA SC PC CAL CORR INST STS BULL) und meint vermutlich 20.000. Das macht dieses Werk trotzdem zu einem der selteneren Kaliber der jüngeren Omega-Geschichte. Desmond Guilfoyle empfiehlt zwar, man solle von Uhren mit Kaliber 100x die Finger lassen, räumt aber ein, 'gepflegte Exemplare' mit erstklassigen Gangeigenschaften gesehen zu haben.
Ein solches arbeitet auch in meiner Constellation:


Es wurde vor einem Jahr überholt und seither wurde die Uhr nicht viel getragen. Wie ihren Erstbesitzer überzeugte auch mich die besonders unaufdringliche Eleganz der Uhr. Das dunkelsilberne Zifferblatt im "Shantung"-Dekor ...

... bietet einen prächtigen Hintergrund für die weißgoldenen, mit Jais schwarz ausgelegten Indizes und die schwarzen Zeiger für Stunden und Minuten. Der weißvergoldete Sekundenzeiger schwebt gleichförmig über das Blatt.

Auffallend ist die "umgekehrte" Anordnung der Inschriften auf dem Blatt: unter dem weißvergoldeten "Omega"-Symbol findet sich der Schriftzug "Constellation", darunter in dünnen Blockbuchstaben "AUTOMATIC". Unterhalb der Zeigerachse folgen dann, in unterschiedlichen Schriftgrößen, der Markenname 'OMEGA', 'CHRONOMETER', 'OFFICIALLY CERTIFIED'. Diese Anordnung übte Omega nur wenige Jahre, schon ab 1972 findet sich "OMEGA" wieder unter dem Markenzeichen und "Constellation" in der unteren Hälfte des Blattes.

Das geläppte Edelstahlgehäuse fällt durch seine weichen, aber dennoch wohldefinierten Kanten auf, die sich an dem integrierten Edelstahlband fortsetzen.

Der Verlauf des Bandes lässt die Uhr zwar selbstbewusst, aber keinesfalls protzig herüber kommen. Auch die flache Bauform wirkt dem Eindruck entgegen, mehr scheinen als sein zu wollen.


Ihre Erscheinung wird abgerundet durch die glatte, weißvergoldete Lünette, die das signierte Plexi vom Edelstahlgehäuse trennt.

Fazit: allen Unkenrufen zum Trotz ist auch diese Constellation ein vollwertiges Mitglied des Uhrenadels, das keinen Vergleich mit der Konkurrenz zu scheuen braucht.

Danke fürs Schauen!
Grüße
Tomcat
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