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Titoni - das klingt eher nach der italienischen Eisdiele bei mir um die Ecke, oder nach einer Pasta-Spezialität auf der Speisekarte meines Lieblingsitalieners. Beides falsch! Das Eiscafé heißt „Da Toni“ und das Nudelgericht „Rigatoni“. Das geht mir oft so: wenn ich etwas flüchtig lese oder aufschnappe, kommen mir meist falsche Assoziationen in den Sinn. Meine Synapsen verkabeln sich vollkommen neu und heraus kommt, na ja, meist Blödsinn.
Auf einen Schweizer Uhrenhersteller kommt man jedenfalls nicht unbedingt sofort, wenn man den Namen Titoni zum ersten Mal liest oder hört. Und das, obwohl der Familienbetrieb seit über 100 Jahren im 17.000-Seelen-Städtchen Grenchen im Kanton Solothurn am Fuße des Juragebirges seinen Firmensitz hat, ausschließlich auch dort entwickelt und produziert!
Natürlich, wer von Grenchen hört, denkt zunächst an die ETA, eventuell auch an Marken wie Breitling, Fortis oder Porsche Design. Aber Titoni? Ti..wer? Im Folgenden gebe ich Euch mal einen Überblick, wer oder was Titoni nun eigentlich ist und macht! (Die Zitate habe ich größtenteils einem Interview entnommen, die der Redakteur Franz Schaible vom „Grenchner Tagblatt“ im März 2019 anlässlich des 100. Firmenjubiläums mit Titoni-CEO Daniel Schluep geführt hat)
1919 - Wie alles begann
Im Sommer des Jahres 1919 gründet der Berner Uhrmacher Fritz Schluep mit gerade einmal 3 Mitarbeitern ein kleines Uhrenatelier in Grenchen.
Firmengründer Fritz Schluep. Quelle: Titoni
Die ersten mechanischen Uhren kommen unter dem Namen Felco auf den Markt. Nur ein Jahr später zählt die Belegschaft schon 15 Angestellte. Im Wissen, dass der Schweizer Markt zu klein ist, beliefert Felco von Beginn an Märkte im Ausland, unter anderem Deutschland, die USA und Japan. 1921 erfolgt die Umbenennung in Felca.
Erst ab 1952 treten die Schweizer unter dem Markennamen Titoni auf. Die Marke erhält als Signet die stilisierte Blüte eines in Südwest-China „Meihua“ genannten Pflaumenbaumes - bis heute das Logo von Titoni. In den 1950er-Jahren werden Felca- und Titoni-Uhren parallel vertrieben.
Eine frühe Uhr unter dem Markennamen Felco um 1925. Quelle: Titoni
Felca mit Vollkalender und Mondphase aus etwa 1956. Quelle: Titoni
Im Februar 1945 erhält die Grenchener Uhrenfabrik einen Großauftrag von der US-Army über 30.000 Felca Armbanduhren der Referenz 1187 mit verchromten Gehäusen und wasserdicht verschraubtem Edelstahlboden. Die Vorgabe des Militärs für das Zifferblatt: versilbert mit arabischen Leuchtziffern und Zentralsekunde. Das 17-steinige Ankerwerk war stossgesichert und verfügte über eine Glucydur-Unruh mit Nivarox II Spirale. Es war einfach aufgebaut und leicht zu reparieren. Bereits Ende Februar desselben Jahres konnten die ersten 2.500 Exemplare ausgeliefert werden.

Felca-Werbung mit dem US-Army-Großauftrag. Quelle: Titoni
Das Modell „Desert Router“ wird ab 1957 zum offiziellen Zeitmesser der Bus-Piloten des „Overland-Desert-Mail-Service“ welcher zwischen der syrischen Hauptstadt Damaskus und dem irakischen Bagdad mitten durch die Wüste führt. Ausgestattet mit einem Ebauches-Werk sowie einem Monorex-Schockschutz hält sie den klimatischen und physischen Belastungen dieser Nairn-Transporte stand.

Felca-Werbung für das Modell „Desert Router“. Quelle: fuchs-online.com
Nach dem Tod Fritz Schlueps 1959 übernahm Sohn Bruno die Leitung des Unternehmens in zweiter Generation. Seit 1981 sitzt nun Gründer-Enkel Daniel Schluep am Ruder der Titoni AG. Der damals erst 28-jährige wurde aus den USA zurück nach Grenchen berufen, da es für den mit 61 Jahren überraschend verstorbenen Vater keine andere Nachfolgerlösung gab.
Für Daniel Schluep muss es ein schwieriger Start als CEO in einer turbulenten Phase der Uhrenindustrie gewesen sein. „Die Quarzuhren haben den mechanischen Zeitmessern das Wasser abgegraben.“ Als Produzent von damals ausschliesslich mechanischen Uhren sei die Herausforderung entsprechend groß gewesen. Titoni habe sich entschieden, an der bislang erfolgreichen Grundstrategie bis heute festzuhalten. „Unser Fokus war immer die mechanische Uhr im Mittelpreissegment“, so Schluep.

Titoni „Airmaster“ um 1969. Quelle: Titoni
Der Anteil von Quarzuhren sei bis heute nie höher als bei 10 Prozent der Gesamtproduktion gewesen. „Mit unserer Haltung lagen wir während der Uhrenkrise in den 1970er-, 1980er-Jahren im völligen Abseits zu unseren Mitbewerbern, die praktisch alle auf Uhren mit Quarzwerken umgestiegen sind“, erinnert sich Daniel Schluep. Man sei auch belächelt worden. „Ja, da sind schon Zweifel aufgekommen, ob man richtig liegt. Heute können wir sagen, unsere Strategie war richtig!“
Die 50er-Jahre und die Eroberung Chinas
Entscheidend war der Eintritt in den chinesischen Markt. Das Potenzial für den Absatz von klassischen mechanischen Zeitmessern Made in Switzerland sei frühzeitig erkannt worden – „auch wenn ein Stück weit der Zufall mitgeholfen habe“, sagt Schluep augenzwinkernd. Eine chinesische Einkaufsdelegation weilte Ende der 1950er-Jahre wegen anderer Produkte in der Schweiz. Dabei wollten die Chinesen unbedingt eine Schweizer Uhrenfirma besuchen. „Alle Firmen haben abgesagt, mein Vater dagegen lud die Delegation zu einer Betriebsbesichtigung ein“, erzählt der Unternehmer.
Kurz darauf sei die erste Bestellung der staatlichen Gesellschaft „China National Light Industrial Products Import and Export Corporation“ auf den Tisch der Export-Abteilung von Titoni geflattert. „Damals waren wir aus Schweizer Sicht ein Vorreiter für den Verkauf von Uhren in China“.
Tatsächlich ist die Marke Titoni heute in China weit bekannter als in der Schweiz oder im restlichen Europa. Bereits seit Anfang der 1960er-Jahre sind die Grenchner im bevölkerungsreichsten Land der Welt präsent. In Form eines 50/50-Joint-Ventures betreibt Titoni zusammen mit einem Partner in Hongkong eine Vertriebsorganisation mit rund 65 Mitarbeitern.

Titoni Galerie im Peace Hotel, Shanghai. Quelle: Titoni
Die in Grenchen gefertigten und montierten Titoni-Uhren sind in rund 600 Verkaufspunkten in China erhältlich, in ganz Asien sind es über 1000 Verkaufsstellen. Für Firmenchef Daniel Schluep ist das Kundenpotenzial für Uhren in Asien trotz Schwankungen riesig. Dort lebe die Hälfte der Weltbevölkerung und die Mittelschicht, die sich Zeitmesser zwischen 700 und 1500 Franken leisten könnten, nehme nicht nur in China, sondern auch in Thailand, Indonesien, Vietnam oder Malaysia rasant zu.
In der Schweiz sind Titoni-Uhren nur in wenigen Geschäften erhältlich, die sich in ausgesprochenen Tourismus-Regionen wie Interlaken, Luzern, Zermatt oder Genf befinden. „Dort peilen wir insbesondere asiatische Reisende an“, so Daniel Schluep. Der Exportanteil der Titoni AG liegt bei über 95 Prozent; auf China als grössten Einzelmarkt entfallen 50 Prozent der verkauften Uhren. Schluep weiter: „Weltweit kaufen Chinesen und Chinesinnen insgesamt 80 Prozent aller Titoni-Uhren.“

Daniel Schluep, Titoni CEO seit 1981. Quelle: Titoni
Der Geschäftsverlauf sei über die letzten 100 Jahre betrachtet immer von einem Auf und Ab geprägt gewesen. Dies gelte, so Schluep, auch für die jüngste Vergangenheit. In den Jahren 2002 bis 2013 habe man ein überdurchschnittliches Wachstum erzielt. Es wurden jährlich bis zu rund 160.000 Zeitmesser produziert und ein Umsatz von 60 Millionen Franken erwirtschaftet. In den Folgejahren schwächten sich die Geschäfte deutlich ab auf rund 100.000 Uhren und einen Umsatz – zu Ab-Fabrik-Preisen – auf etwa 30 Millionen Franken. Wie alle anderen Uhrenfirmen habe man die Wachstumsschwäche in China zu spüren bekommen, und die Konkurrenzsituation habe sich massiv verschärft, begründet Schluep. Es sei aber gelungen, die schwierigen Phasen dank einer „soliden Geschäftspolitik“ zu überwinden.
Man habe stets mit Umsatzeinbußen kalkuliert. „Es gilt, die Kosten im Griff zu haben, zuerst sparen und dann ausgeben sowie weiterhin auf eine 100-prozentige Eigenfinanzierung zu setzen. Das wäre sonst zur Bedrohung geworden“, weiß der Firmenchef. Es gebe aber kein eigentliches betriebswirtschaftliches Rezept, damit ein Betrieb wie Titoni über so lange Zeit erfolgreich am Markt operieren könne. „Es braucht die Hartnäckigkeit, an der Grundstrategie eines Unternehmens festzuhalten, kombiniert mit dem Willen, sich weiterzuentwickeln.“
Der Personalbestand in Grenchen liege unverändert bei rund 60 Mitarbeitern. Auch gebe es keine Pläne, den Standort Grenchen infrage zu stellen. Dort werden die Uhren in-house entwickelt und designt, montiert und kontrolliert. Die mechanischen Uhrwerke werden grossteils bei der ETA sowie von Sellita eingekauft.
Das Titoni Firmengebäude an der Schützengasse in Grenchen (2019) Quelle: Grenchner Tagblatt
Die heutigen Produktionsanlagen von Titoni befinden sich unmittelbar gegenüber der ursprünglichen Uhrenwerkstatt des Firmengründers Fritz Schluep. Grenchen ist bekannt für seine Uhrenindustrie, die seit über 150 Jahren hier ansässig ist. Auch beheimaten Stadt und Umgebung von Grenchen wichtige Zuliefererfirmen der Uhrenindustrie, mit denen Titoni seit Jahren zusammenarbeitet. Damit ist für die Titoni AG und ihre Kundschaft jederzeit echtes „Swiss Made“ garantiert.
Die Titoni-Eigenkreation: Das Manufakturwerk T10
„Die Entwicklung und Industrialisierung eigener Uhrwerke ist zeit- und kapitalintensiv. Für Luxusmarken ist dieser Weg unumgänglich. Aber für Uhrenhersteller in der Mittelklasse wie Titoni sind Standardwerke unabdingbar“, erklärt Schluep. Deshalb setze sich Titoni intensiv mit dem Problem der Werksversorgung auseinander.
Heute ist die Beschaffung von Uhrwerken für das traditionsreiche Uhrenunternehmen eine echte Herausforderung. Eine Vereinbarung zwischen der Swatch Group und der Wettbewerbskommission sieht vor, dass seit 2020 die ETA frei entscheiden kann, welche Kunden mit Uhrwerken in welchem Ausmass und ob überhaupt beliefert werden. Die logische Konsequenz: die Entwicklung und Produktion eines eigenen Manufakturkalibers!

Das selbst entwickelte Manufakturwerk T10. Quelle: Titoni
Pünktlich zum hundertjährigen Firmenjubiläum im Jahr 2019 stellte das Unternehmen das 32-steinige T10-Kaliber vor, das erste selbst entwickelte und in-house gefertigte Uhrwerk in der Geschichte der Marke. Das seit November 2020 auch als COSC-zertifizierte Version erhältliche und in 5 Lagen justierte Automatikwerk verfügt über eine Gangreserve von drei Tagen.

Montage des T10-Kalibers. Quelle: Titoni
Daten Titoni T10 Manufakturwerk:
Durchmesser: Ø 29.30 mm (13''')
Höhe: 4.10 mm
Frequenz: 28,800 A/h (4 Hertz)
Gangreserve: 3 Tage / 72 h
Aufzug: Einseitiger dynamischer Aufzug
Anzahl der Steine: 32
Skelettierter, 18 Karat vergoldeter Rotor
Das T10, das im aktuellen Portfolio vorerst nur in den Modellen „1919“ und „Seascoper“ zu finden ist, ist das erste Uhrwerk in der Geschichte des Hauses TITONI, bei dem ausnahmslos alle Arbeitsschritte in den Händen der Designer und Uhrmacher des Unternehmens liegen – von der Konzeption über die Umsetzung bis hin zur Produktion. Ein wahres Manufakturwerk also und in Hinblick auf die Bewahrung der Unabhängigkeit ein weiterer, wichtiger Schritt in der Firmenhistorie!
Die Zukunft
Heute ist Titoni neben Oris SA und einer Handvoll Marken mehr eines der wenigen noch verbliebenen Unternehmen, die sich im großen Schweizer Uhrenmarkt ihre Unabhängigkeit bewahrt haben! Für die Zukunft der Titoni AG, welche sich unverändert zu 100 Prozent im Familienbesitz befindet, gibt sich Patron Daniel Schluep zuversichtlich.
Er weiss aber auch, dass der Erfolg über die letzten 100 Jahre keine Garantie ist für den Erfolg in der Zukunft. „Wir haben alle Hochachtung für die Leistung unserer Vorfahren und Mitarbeitenden – und auch Respekt vor der Zukunft. Das bedeutet für uns aber nicht Angst, sondern vielmehr eine Herausforderung. Dazu gehört auch die Nachfolgeregelung“, wie der 65-Jährige festhält. Die beiden Söhne haben Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen studiert, einer ist bereits im Unternehmen aktiv. „Sie wären prädestiniert, die Firmentradition weiterzuführen.“
Meine neue Titoni - die Heritage im Two-Tone Design!
Nach so viel Historie komme ich nun zum Kern meiner Vorstellung. Auf die Uhr aufmerksam geworden bin ich vor fast einem Jahr durch diesen Thread hier in den Uhrennews:
Titoni Manufakturwerk T10 und Heritage-Serie
Als großer Freund von Vintageuhren stach mir natürlich sofort das schnörkellose Layout des zweifarbigen Zifferblattes der neuen Heritage ins Auge, die erstmals in Post #15 gezeigt wurde. Wer kennt das nicht: ein erster Blick, der Puls erhöht sich merklich, das Herz beginnt in der Brust zu hüpfen. Ein zweiter Blick und es war um mich geschehen! Eins war klar: Diese Uhr musste früher oder später an mein Handgelenk!
Die Designvorlage für die Heritage kommt aus eigenem Hause: diese, um 1948 hergestellte Felca, freundlicherweise von User @Alleybuzz bei seinem Besuch in Grenchen fotografiert, stand Pate für das Heritage Modell:

Links: Titoni Heritage 2020, rechts das Original: Felca von 1948. Bild mit freundlicher Genehmigung von User Alleybuzz
Die Titoni ging mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Wäre dieses Heritage-Modell mit dem T10-Manufakturkaliber erhältlich gewesen, hätte ich vermutlich nicht lange gezögert und sofort zugeschlagen! Einen höheren Preis hätte ich angesichts des eigenständigen Werkes selbstredend akzeptiert! Beim Besuch der Titoni-Homepage kam dann die Ernüchterung: Die Uhren der Heritage Serie werden „nur“ mit einem Sellita SW200-1 angeboten.
Per se natürlich nicht die schlechteste Wahl. (Das SW200 in meiner DEKLA Turbulenz läuft seit Monaten im Chronometerbereich!) Trotzdem fehlte nach dieser Erkenntnis irgendwie der Anreiz für einen Spontankauf.
Es hat dann weitere fast 11 Monate gedauert, bis ich die finale Entscheidung getroffen habe, die Heritage zu erwerben! Zunächst waren mir andere Anschaffungen wichtiger, weitere Uhren haben sich einfach so „vorgedrängelt“ und überhaupt hatte man 2020 ganz andere Probleme.
Der oben erwähnte Thread war natürlich noch unter Beobachtung und als Kollege @plarmium Ende Januar dort zu einem „Hands-On Review“ von Monochrome verlinkte, war die alte Liebe wieder entflammt!
Titoni Heritage 83019 - Hands-On Review (Specs & Price)
Ja, was soll ich sagen: ich habe noch ein paar mal mit Titoni geschrieben bezüglich der Lieferung aus dem Nicht-EU-Land Schweiz. Alle Bedenken konnten schnell ausgeräumt werden und ich habe flugs den Bestellknopf gedrückt! Tatsächlich bezahlt man faktisch den im Shop angegebenen Euro-Preis inklusive Versandkosten und Importgebühren nach Deutschland!
Die Einfuhrumsatzsteuer wird von Titoni direkt an den deutschen Fiskus abgeführt. Das müsste bei Bestellungen aus anderen EU-Ländern auch funktionieren. Hier merkt man eindeutig die langjährige Erfahrung der Schweizer im Export!
Gestern, Montag um 9:53 Uhr erhielt ich die Versandbestätigung und genau 26 Stunden und 10 Minuten später übergab mir ein ungewöhnlich gut gelaunter Paketfahrer die eidgenössische Lieferung aus Grenchen. Ein gutes Omen?
Und hier ist sie nun: meine Titoni Heritage Two-Tone, Referenz: 83019 S-ST-638:

Meiner Meinung nach ist es Titoni sehr gut gelungen, das in den späten 40er-Jahren populäre stromlinienförmige Design von Uhrengehäusen in die Neuzeit zu transportieren! Die kurvenreichen Flanken suchen im aktuellen Markt Ihresgleichen! Der Gehäuse-Mittelteil, der Boden, der Topring und die Unterseiten der Hörner sind poliert, die Hörner-Oberseiten sowie die unteren Kanten der Flanken sind fein gebürstet.

Auch beim Zifferblatt-Layout hielt man sich eng an die Vorlage. Der Minuten- und der Stundenzeiger, die entfernt an eine Spritze mit Injektionsnadel erinnern, haben eine perfekte Länge. Das farbliche Zusammenspiel vom inneren, anthrazitfarbenen Kreis und dem äußeren, matt schwarzen Ring ist schlicht genial, allerdings ist der Farbunterschied nur schwer zu fotografieren. Aus bestimmten Winkeln wirkt das Blatt auf meinen Bildern einheitlich schwarz, was natürlich nicht zutrifft.

Zum vollkommenen Vintage-Look tragen die dick mit vanillefarbener Leuchtmasse belegten Stundenziffern, der rot lackierte Sekundenzeiger und die fein unterteilte Minuterie bei. Und, ganz wichtig: kein Datumsfenster stört die Symmetrie auf dem Blatt! Das war eine fabelhafte Entscheidung der Titoni-Designer! Bezüglich der Leuchtkraft habe ich ein wenig Kritik anzubringen: Nachdem man die Heritage ein paar Minuten dem Sonnenlicht ausgesetzt hat, leuchten die Minuten- und Stundenzeiger in einem sehr hellen Grün, wogegen die Stundenziffern hier deutlich abfallen. Sie leuchten relativ schwach.
Die Gehäusegröße dieser Neuinterpretation wurde von Titoni mit Bedacht gewählt: 39 mm sind in der Tat perfekt für eine vintage-angelehnte Uhr! Eine kluge Entscheidung! Durch den sehr schmalen Topring wirkt die Heritage auch an kräftigeren Handgelenken nicht deplatziert. Auf der anderen Seite findet die Uhr dank ihres moderaten Durchmessers auch sicher an den einen oder anderen Arm vintage-affiner Damen! Die relativ geringe Bauhöhe von 12,1 mm (mit dem gewölbten Safirglas gemessen) trägt sicher dazu bei.
Etwas überrascht war ich vom Lug-to-Lug Maß: Mein Messschieber zeigt hier stattliche 49 mm. (an der Außenseite der Hörner gemessen) An meinem Arm wirkt die Uhr, von der Seite betrachtet, aber eher wie 46 oder 47 mm. Dieser Effekt entsteht durch die an den Enden stark heruntergezogenen Hörner. Zum Größenvergleich: Mein Handgelenksumfang beträgt 18,5 cm.

Das überstehende und gewölbte Safirglas versprüht den Charme der in den 40er- und 50er-Jahren üblicherweise verwendeten Plexigläser derselben Bauart. Es ist doppelt gewölbt und innen entspiegelt. Die mit dem Titoni-Logo verzierte Krone ist dank ihrer tiefen Riffelung sehr griffig, für kräftige Finger aber vielleicht ein wenig zu klein geraten. Die Krone wurde ganz leicht in der Flanke versenkt und fügt sich damit sehr gut in das verspielte Gehäuse-Design ein.
Was mir beim Stellen der Uhrzeit gleich positiv aufgefallen ist: offenbar hat Titoni das Sellita SW200-1 entsprechend modifiziert und die Datumsfunktion außer Betrieb gesetzt, sprich, die Datumsscheibe entfernt. Es gibt nur eine (!) Stufe beim Ziehen der Krone und das Werk bleibt stehen. Diese Mühe machen sich andere Hersteller in der Regel nicht!

Der massive, geschraubte Edelstahlboden ohne Sichtfenster verwehrt leider den Blick auf das, mit einem 18 Karat vergoldeten Rotor ausgestatteten Sellita SW200-1. Dafür zeigt der Boden neben eingravierten Marken- und Modellnamen die Silhouette eines Oldtimers. Laut dem Test im „Monochrome Online Magazine“ soll es sich dabei um einen stilisierten „1925er Rolls-Royce Phantom 1 Jonckheere Coupe“ handeln. In welchem Zusammenhang dieses Auto mit der Titoni Hertitage steht, konnte ich allerdings nicht herausfinden. Ich nehme an, es gibt keinen! Der Deckel ist bei meinem Exemplar nicht ausgerichtet, das Auto steht schief, was mich jetzt aber nicht wirklich stört.
Kommen wir zum Schluss noch zum Band und der Faltschließe. Optisch wirken sowohl das beigefarbene Lederband mit weißer Naht, als auch die rundum polierte Faltschließe sehr, sehr hochwertig. Das erklärt auch, warum hier kaum ein Preisunterschied zum ebenfalls optional erhältlichen Stahlband vorhanden ist.

Das Band beginnt an den Bandanstößen mit einer Dicke von 6 mm und verjüngt sich zur Faltschließe hin auf 3 mm. Leider ist es ein wenig störrisch, was sich durch regelmäßiges Tragen der Uhr aber bald verbessern sollte. Die sehr massiv gebaute Faltschließe mit gelasertem Titoni-Logo lässt sich durch zwei seitlich bedienbare Drücker öffnen und schließen. Auf seinen Handgelenksumfang kann der stolze Heritage-Besitzer die Schließe durch umklappen eines Klemmbügels sogar stufenlos einstellen. Das Leder hat keine Lochreihe!

Ich finde, dass die, ohne Zweifel gut gemachte Schließe nicht zu einer Retro-Uhr wie der Titoni Heritage passt. Sie wirkt auf mich im Kontext mit dem 39-mm-Gehäuse etwas überdimensioniert und zu modern. Dasselbe gilt für die Dicke des Lederbandes von 6 mm an den Anstößen. Ich werde hier sicher auf ein schönes weiches Band mit Dornschließe wechseln.
Fazit
Mein erster „Blindkauf“ in dieser Preisklasse hat mir zwar kurzfristig etwas Bauchschmerzen bereitet, aber ich wurde nicht enttäuscht! Die Titoni ist hervorragend verarbeitet, alle verwendeten Materialien sind hochwertig und das Design von Zifferblatt und Gehäuse ist sicherlich einzigartig! Zusammen mit dem soliden Sellita SW200 Automatikwerk ergibt sich ein Gesamtpaket, das den Preis von etwas über 900.- Euro mehr als rechtfertig, insbesondere in Hinblick auf die Fertigung in der Schweiz!

Nachfolgend die Daten zur Uhr:
Referenz: 83019 S-ST-638
Werk: Automatik Sellita SW200-1
28.800 Halbschwingungen pro Stunde
Gangreserve: 40 Stunden
18 Kt goldplattierter Rotor mit Titoni-Logo
Funktionen: 3 Zeiger
Datum: ohne
Gehäuse: Edelstahl
Durchmesser: 39 mm ohne Krone
Höhe Gehäuse: 11,85 mm, inkl. der Glaswölbung: 12,1 mm
Lug-to-Lug: 49 mm, Hörner stark nach unten abfallend
Glas: Saphir, beidseitig gewölbt + entspiegelt
Wasserdichtigkeit: 5 ATM
Boden: massiv Edelstahl, geschraubt.
Zifferblatt: Arabische Indexe
Zifferblattfarbe: Anthrazit / schwarz matt (two-tone)
Leuchtmittel: SuperLumiNova Vintage
Armband: Leder
Anschlussbreite: 20 mm
Schließe: Faltschließe
Preis in Deutschland inkl. Versand und aller Gebühren und Steuern: 930,- Euro (Stand Februar 2021)
Textquellen: Titoni, Grenchner Tagblatt, Monochrome
Ich hoffe, Ihr hattet beim Lesen genau so viel Spaß wie ich beim Recherchieren und Schreiben dieser Vorstellung und bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit!
Beste Grüße,
Frank
Auf einen Schweizer Uhrenhersteller kommt man jedenfalls nicht unbedingt sofort, wenn man den Namen Titoni zum ersten Mal liest oder hört. Und das, obwohl der Familienbetrieb seit über 100 Jahren im 17.000-Seelen-Städtchen Grenchen im Kanton Solothurn am Fuße des Juragebirges seinen Firmensitz hat, ausschließlich auch dort entwickelt und produziert!
Natürlich, wer von Grenchen hört, denkt zunächst an die ETA, eventuell auch an Marken wie Breitling, Fortis oder Porsche Design. Aber Titoni? Ti..wer? Im Folgenden gebe ich Euch mal einen Überblick, wer oder was Titoni nun eigentlich ist und macht! (Die Zitate habe ich größtenteils einem Interview entnommen, die der Redakteur Franz Schaible vom „Grenchner Tagblatt“ im März 2019 anlässlich des 100. Firmenjubiläums mit Titoni-CEO Daniel Schluep geführt hat)
1919 - Wie alles begann
Im Sommer des Jahres 1919 gründet der Berner Uhrmacher Fritz Schluep mit gerade einmal 3 Mitarbeitern ein kleines Uhrenatelier in Grenchen.

Die ersten mechanischen Uhren kommen unter dem Namen Felco auf den Markt. Nur ein Jahr später zählt die Belegschaft schon 15 Angestellte. Im Wissen, dass der Schweizer Markt zu klein ist, beliefert Felco von Beginn an Märkte im Ausland, unter anderem Deutschland, die USA und Japan. 1921 erfolgt die Umbenennung in Felca.
Erst ab 1952 treten die Schweizer unter dem Markennamen Titoni auf. Die Marke erhält als Signet die stilisierte Blüte eines in Südwest-China „Meihua“ genannten Pflaumenbaumes - bis heute das Logo von Titoni. In den 1950er-Jahren werden Felca- und Titoni-Uhren parallel vertrieben.


Im Februar 1945 erhält die Grenchener Uhrenfabrik einen Großauftrag von der US-Army über 30.000 Felca Armbanduhren der Referenz 1187 mit verchromten Gehäusen und wasserdicht verschraubtem Edelstahlboden. Die Vorgabe des Militärs für das Zifferblatt: versilbert mit arabischen Leuchtziffern und Zentralsekunde. Das 17-steinige Ankerwerk war stossgesichert und verfügte über eine Glucydur-Unruh mit Nivarox II Spirale. Es war einfach aufgebaut und leicht zu reparieren. Bereits Ende Februar desselben Jahres konnten die ersten 2.500 Exemplare ausgeliefert werden.

Felca-Werbung mit dem US-Army-Großauftrag. Quelle: Titoni
Das Modell „Desert Router“ wird ab 1957 zum offiziellen Zeitmesser der Bus-Piloten des „Overland-Desert-Mail-Service“ welcher zwischen der syrischen Hauptstadt Damaskus und dem irakischen Bagdad mitten durch die Wüste führt. Ausgestattet mit einem Ebauches-Werk sowie einem Monorex-Schockschutz hält sie den klimatischen und physischen Belastungen dieser Nairn-Transporte stand.

Felca-Werbung für das Modell „Desert Router“. Quelle: fuchs-online.com
Nach dem Tod Fritz Schlueps 1959 übernahm Sohn Bruno die Leitung des Unternehmens in zweiter Generation. Seit 1981 sitzt nun Gründer-Enkel Daniel Schluep am Ruder der Titoni AG. Der damals erst 28-jährige wurde aus den USA zurück nach Grenchen berufen, da es für den mit 61 Jahren überraschend verstorbenen Vater keine andere Nachfolgerlösung gab.
Für Daniel Schluep muss es ein schwieriger Start als CEO in einer turbulenten Phase der Uhrenindustrie gewesen sein. „Die Quarzuhren haben den mechanischen Zeitmessern das Wasser abgegraben.“ Als Produzent von damals ausschliesslich mechanischen Uhren sei die Herausforderung entsprechend groß gewesen. Titoni habe sich entschieden, an der bislang erfolgreichen Grundstrategie bis heute festzuhalten. „Unser Fokus war immer die mechanische Uhr im Mittelpreissegment“, so Schluep.

Titoni „Airmaster“ um 1969. Quelle: Titoni
Der Anteil von Quarzuhren sei bis heute nie höher als bei 10 Prozent der Gesamtproduktion gewesen. „Mit unserer Haltung lagen wir während der Uhrenkrise in den 1970er-, 1980er-Jahren im völligen Abseits zu unseren Mitbewerbern, die praktisch alle auf Uhren mit Quarzwerken umgestiegen sind“, erinnert sich Daniel Schluep. Man sei auch belächelt worden. „Ja, da sind schon Zweifel aufgekommen, ob man richtig liegt. Heute können wir sagen, unsere Strategie war richtig!“
Die 50er-Jahre und die Eroberung Chinas
Entscheidend war der Eintritt in den chinesischen Markt. Das Potenzial für den Absatz von klassischen mechanischen Zeitmessern Made in Switzerland sei frühzeitig erkannt worden – „auch wenn ein Stück weit der Zufall mitgeholfen habe“, sagt Schluep augenzwinkernd. Eine chinesische Einkaufsdelegation weilte Ende der 1950er-Jahre wegen anderer Produkte in der Schweiz. Dabei wollten die Chinesen unbedingt eine Schweizer Uhrenfirma besuchen. „Alle Firmen haben abgesagt, mein Vater dagegen lud die Delegation zu einer Betriebsbesichtigung ein“, erzählt der Unternehmer.
Kurz darauf sei die erste Bestellung der staatlichen Gesellschaft „China National Light Industrial Products Import and Export Corporation“ auf den Tisch der Export-Abteilung von Titoni geflattert. „Damals waren wir aus Schweizer Sicht ein Vorreiter für den Verkauf von Uhren in China“.
Tatsächlich ist die Marke Titoni heute in China weit bekannter als in der Schweiz oder im restlichen Europa. Bereits seit Anfang der 1960er-Jahre sind die Grenchner im bevölkerungsreichsten Land der Welt präsent. In Form eines 50/50-Joint-Ventures betreibt Titoni zusammen mit einem Partner in Hongkong eine Vertriebsorganisation mit rund 65 Mitarbeitern.

Titoni Galerie im Peace Hotel, Shanghai. Quelle: Titoni
Die in Grenchen gefertigten und montierten Titoni-Uhren sind in rund 600 Verkaufspunkten in China erhältlich, in ganz Asien sind es über 1000 Verkaufsstellen. Für Firmenchef Daniel Schluep ist das Kundenpotenzial für Uhren in Asien trotz Schwankungen riesig. Dort lebe die Hälfte der Weltbevölkerung und die Mittelschicht, die sich Zeitmesser zwischen 700 und 1500 Franken leisten könnten, nehme nicht nur in China, sondern auch in Thailand, Indonesien, Vietnam oder Malaysia rasant zu.
In der Schweiz sind Titoni-Uhren nur in wenigen Geschäften erhältlich, die sich in ausgesprochenen Tourismus-Regionen wie Interlaken, Luzern, Zermatt oder Genf befinden. „Dort peilen wir insbesondere asiatische Reisende an“, so Daniel Schluep. Der Exportanteil der Titoni AG liegt bei über 95 Prozent; auf China als grössten Einzelmarkt entfallen 50 Prozent der verkauften Uhren. Schluep weiter: „Weltweit kaufen Chinesen und Chinesinnen insgesamt 80 Prozent aller Titoni-Uhren.“

Daniel Schluep, Titoni CEO seit 1981. Quelle: Titoni
Der Geschäftsverlauf sei über die letzten 100 Jahre betrachtet immer von einem Auf und Ab geprägt gewesen. Dies gelte, so Schluep, auch für die jüngste Vergangenheit. In den Jahren 2002 bis 2013 habe man ein überdurchschnittliches Wachstum erzielt. Es wurden jährlich bis zu rund 160.000 Zeitmesser produziert und ein Umsatz von 60 Millionen Franken erwirtschaftet. In den Folgejahren schwächten sich die Geschäfte deutlich ab auf rund 100.000 Uhren und einen Umsatz – zu Ab-Fabrik-Preisen – auf etwa 30 Millionen Franken. Wie alle anderen Uhrenfirmen habe man die Wachstumsschwäche in China zu spüren bekommen, und die Konkurrenzsituation habe sich massiv verschärft, begründet Schluep. Es sei aber gelungen, die schwierigen Phasen dank einer „soliden Geschäftspolitik“ zu überwinden.
Man habe stets mit Umsatzeinbußen kalkuliert. „Es gilt, die Kosten im Griff zu haben, zuerst sparen und dann ausgeben sowie weiterhin auf eine 100-prozentige Eigenfinanzierung zu setzen. Das wäre sonst zur Bedrohung geworden“, weiß der Firmenchef. Es gebe aber kein eigentliches betriebswirtschaftliches Rezept, damit ein Betrieb wie Titoni über so lange Zeit erfolgreich am Markt operieren könne. „Es braucht die Hartnäckigkeit, an der Grundstrategie eines Unternehmens festzuhalten, kombiniert mit dem Willen, sich weiterzuentwickeln.“
Der Personalbestand in Grenchen liege unverändert bei rund 60 Mitarbeitern. Auch gebe es keine Pläne, den Standort Grenchen infrage zu stellen. Dort werden die Uhren in-house entwickelt und designt, montiert und kontrolliert. Die mechanischen Uhrwerke werden grossteils bei der ETA sowie von Sellita eingekauft.

Die heutigen Produktionsanlagen von Titoni befinden sich unmittelbar gegenüber der ursprünglichen Uhrenwerkstatt des Firmengründers Fritz Schluep. Grenchen ist bekannt für seine Uhrenindustrie, die seit über 150 Jahren hier ansässig ist. Auch beheimaten Stadt und Umgebung von Grenchen wichtige Zuliefererfirmen der Uhrenindustrie, mit denen Titoni seit Jahren zusammenarbeitet. Damit ist für die Titoni AG und ihre Kundschaft jederzeit echtes „Swiss Made“ garantiert.
Die Titoni-Eigenkreation: Das Manufakturwerk T10
„Die Entwicklung und Industrialisierung eigener Uhrwerke ist zeit- und kapitalintensiv. Für Luxusmarken ist dieser Weg unumgänglich. Aber für Uhrenhersteller in der Mittelklasse wie Titoni sind Standardwerke unabdingbar“, erklärt Schluep. Deshalb setze sich Titoni intensiv mit dem Problem der Werksversorgung auseinander.
Heute ist die Beschaffung von Uhrwerken für das traditionsreiche Uhrenunternehmen eine echte Herausforderung. Eine Vereinbarung zwischen der Swatch Group und der Wettbewerbskommission sieht vor, dass seit 2020 die ETA frei entscheiden kann, welche Kunden mit Uhrwerken in welchem Ausmass und ob überhaupt beliefert werden. Die logische Konsequenz: die Entwicklung und Produktion eines eigenen Manufakturkalibers!

Das selbst entwickelte Manufakturwerk T10. Quelle: Titoni
Pünktlich zum hundertjährigen Firmenjubiläum im Jahr 2019 stellte das Unternehmen das 32-steinige T10-Kaliber vor, das erste selbst entwickelte und in-house gefertigte Uhrwerk in der Geschichte der Marke. Das seit November 2020 auch als COSC-zertifizierte Version erhältliche und in 5 Lagen justierte Automatikwerk verfügt über eine Gangreserve von drei Tagen.

Montage des T10-Kalibers. Quelle: Titoni
Daten Titoni T10 Manufakturwerk:
Durchmesser: Ø 29.30 mm (13''')
Höhe: 4.10 mm
Frequenz: 28,800 A/h (4 Hertz)
Gangreserve: 3 Tage / 72 h
Aufzug: Einseitiger dynamischer Aufzug
Anzahl der Steine: 32
Skelettierter, 18 Karat vergoldeter Rotor
Das T10, das im aktuellen Portfolio vorerst nur in den Modellen „1919“ und „Seascoper“ zu finden ist, ist das erste Uhrwerk in der Geschichte des Hauses TITONI, bei dem ausnahmslos alle Arbeitsschritte in den Händen der Designer und Uhrmacher des Unternehmens liegen – von der Konzeption über die Umsetzung bis hin zur Produktion. Ein wahres Manufakturwerk also und in Hinblick auf die Bewahrung der Unabhängigkeit ein weiterer, wichtiger Schritt in der Firmenhistorie!
Die Zukunft
Heute ist Titoni neben Oris SA und einer Handvoll Marken mehr eines der wenigen noch verbliebenen Unternehmen, die sich im großen Schweizer Uhrenmarkt ihre Unabhängigkeit bewahrt haben! Für die Zukunft der Titoni AG, welche sich unverändert zu 100 Prozent im Familienbesitz befindet, gibt sich Patron Daniel Schluep zuversichtlich.
Er weiss aber auch, dass der Erfolg über die letzten 100 Jahre keine Garantie ist für den Erfolg in der Zukunft. „Wir haben alle Hochachtung für die Leistung unserer Vorfahren und Mitarbeitenden – und auch Respekt vor der Zukunft. Das bedeutet für uns aber nicht Angst, sondern vielmehr eine Herausforderung. Dazu gehört auch die Nachfolgeregelung“, wie der 65-Jährige festhält. Die beiden Söhne haben Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen studiert, einer ist bereits im Unternehmen aktiv. „Sie wären prädestiniert, die Firmentradition weiterzuführen.“
Meine neue Titoni - die Heritage im Two-Tone Design!
Nach so viel Historie komme ich nun zum Kern meiner Vorstellung. Auf die Uhr aufmerksam geworden bin ich vor fast einem Jahr durch diesen Thread hier in den Uhrennews:
Titoni Manufakturwerk T10 und Heritage-Serie
Als großer Freund von Vintageuhren stach mir natürlich sofort das schnörkellose Layout des zweifarbigen Zifferblattes der neuen Heritage ins Auge, die erstmals in Post #15 gezeigt wurde. Wer kennt das nicht: ein erster Blick, der Puls erhöht sich merklich, das Herz beginnt in der Brust zu hüpfen. Ein zweiter Blick und es war um mich geschehen! Eins war klar: Diese Uhr musste früher oder später an mein Handgelenk!
Die Designvorlage für die Heritage kommt aus eigenem Hause: diese, um 1948 hergestellte Felca, freundlicherweise von User @Alleybuzz bei seinem Besuch in Grenchen fotografiert, stand Pate für das Heritage Modell:

Links: Titoni Heritage 2020, rechts das Original: Felca von 1948. Bild mit freundlicher Genehmigung von User Alleybuzz
Die Titoni ging mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Wäre dieses Heritage-Modell mit dem T10-Manufakturkaliber erhältlich gewesen, hätte ich vermutlich nicht lange gezögert und sofort zugeschlagen! Einen höheren Preis hätte ich angesichts des eigenständigen Werkes selbstredend akzeptiert! Beim Besuch der Titoni-Homepage kam dann die Ernüchterung: Die Uhren der Heritage Serie werden „nur“ mit einem Sellita SW200-1 angeboten.
Per se natürlich nicht die schlechteste Wahl. (Das SW200 in meiner DEKLA Turbulenz läuft seit Monaten im Chronometerbereich!) Trotzdem fehlte nach dieser Erkenntnis irgendwie der Anreiz für einen Spontankauf.
Es hat dann weitere fast 11 Monate gedauert, bis ich die finale Entscheidung getroffen habe, die Heritage zu erwerben! Zunächst waren mir andere Anschaffungen wichtiger, weitere Uhren haben sich einfach so „vorgedrängelt“ und überhaupt hatte man 2020 ganz andere Probleme.
Der oben erwähnte Thread war natürlich noch unter Beobachtung und als Kollege @plarmium Ende Januar dort zu einem „Hands-On Review“ von Monochrome verlinkte, war die alte Liebe wieder entflammt!
Titoni Heritage 83019 - Hands-On Review (Specs & Price)
Ja, was soll ich sagen: ich habe noch ein paar mal mit Titoni geschrieben bezüglich der Lieferung aus dem Nicht-EU-Land Schweiz. Alle Bedenken konnten schnell ausgeräumt werden und ich habe flugs den Bestellknopf gedrückt! Tatsächlich bezahlt man faktisch den im Shop angegebenen Euro-Preis inklusive Versandkosten und Importgebühren nach Deutschland!
Die Einfuhrumsatzsteuer wird von Titoni direkt an den deutschen Fiskus abgeführt. Das müsste bei Bestellungen aus anderen EU-Ländern auch funktionieren. Hier merkt man eindeutig die langjährige Erfahrung der Schweizer im Export!
Gestern, Montag um 9:53 Uhr erhielt ich die Versandbestätigung und genau 26 Stunden und 10 Minuten später übergab mir ein ungewöhnlich gut gelaunter Paketfahrer die eidgenössische Lieferung aus Grenchen. Ein gutes Omen?
Und hier ist sie nun: meine Titoni Heritage Two-Tone, Referenz: 83019 S-ST-638:

Meiner Meinung nach ist es Titoni sehr gut gelungen, das in den späten 40er-Jahren populäre stromlinienförmige Design von Uhrengehäusen in die Neuzeit zu transportieren! Die kurvenreichen Flanken suchen im aktuellen Markt Ihresgleichen! Der Gehäuse-Mittelteil, der Boden, der Topring und die Unterseiten der Hörner sind poliert, die Hörner-Oberseiten sowie die unteren Kanten der Flanken sind fein gebürstet.

Auch beim Zifferblatt-Layout hielt man sich eng an die Vorlage. Der Minuten- und der Stundenzeiger, die entfernt an eine Spritze mit Injektionsnadel erinnern, haben eine perfekte Länge. Das farbliche Zusammenspiel vom inneren, anthrazitfarbenen Kreis und dem äußeren, matt schwarzen Ring ist schlicht genial, allerdings ist der Farbunterschied nur schwer zu fotografieren. Aus bestimmten Winkeln wirkt das Blatt auf meinen Bildern einheitlich schwarz, was natürlich nicht zutrifft.

Zum vollkommenen Vintage-Look tragen die dick mit vanillefarbener Leuchtmasse belegten Stundenziffern, der rot lackierte Sekundenzeiger und die fein unterteilte Minuterie bei. Und, ganz wichtig: kein Datumsfenster stört die Symmetrie auf dem Blatt! Das war eine fabelhafte Entscheidung der Titoni-Designer! Bezüglich der Leuchtkraft habe ich ein wenig Kritik anzubringen: Nachdem man die Heritage ein paar Minuten dem Sonnenlicht ausgesetzt hat, leuchten die Minuten- und Stundenzeiger in einem sehr hellen Grün, wogegen die Stundenziffern hier deutlich abfallen. Sie leuchten relativ schwach.
Die Gehäusegröße dieser Neuinterpretation wurde von Titoni mit Bedacht gewählt: 39 mm sind in der Tat perfekt für eine vintage-angelehnte Uhr! Eine kluge Entscheidung! Durch den sehr schmalen Topring wirkt die Heritage auch an kräftigeren Handgelenken nicht deplatziert. Auf der anderen Seite findet die Uhr dank ihres moderaten Durchmessers auch sicher an den einen oder anderen Arm vintage-affiner Damen! Die relativ geringe Bauhöhe von 12,1 mm (mit dem gewölbten Safirglas gemessen) trägt sicher dazu bei.
Etwas überrascht war ich vom Lug-to-Lug Maß: Mein Messschieber zeigt hier stattliche 49 mm. (an der Außenseite der Hörner gemessen) An meinem Arm wirkt die Uhr, von der Seite betrachtet, aber eher wie 46 oder 47 mm. Dieser Effekt entsteht durch die an den Enden stark heruntergezogenen Hörner. Zum Größenvergleich: Mein Handgelenksumfang beträgt 18,5 cm.

Das überstehende und gewölbte Safirglas versprüht den Charme der in den 40er- und 50er-Jahren üblicherweise verwendeten Plexigläser derselben Bauart. Es ist doppelt gewölbt und innen entspiegelt. Die mit dem Titoni-Logo verzierte Krone ist dank ihrer tiefen Riffelung sehr griffig, für kräftige Finger aber vielleicht ein wenig zu klein geraten. Die Krone wurde ganz leicht in der Flanke versenkt und fügt sich damit sehr gut in das verspielte Gehäuse-Design ein.
Was mir beim Stellen der Uhrzeit gleich positiv aufgefallen ist: offenbar hat Titoni das Sellita SW200-1 entsprechend modifiziert und die Datumsfunktion außer Betrieb gesetzt, sprich, die Datumsscheibe entfernt. Es gibt nur eine (!) Stufe beim Ziehen der Krone und das Werk bleibt stehen. Diese Mühe machen sich andere Hersteller in der Regel nicht!

Der massive, geschraubte Edelstahlboden ohne Sichtfenster verwehrt leider den Blick auf das, mit einem 18 Karat vergoldeten Rotor ausgestatteten Sellita SW200-1. Dafür zeigt der Boden neben eingravierten Marken- und Modellnamen die Silhouette eines Oldtimers. Laut dem Test im „Monochrome Online Magazine“ soll es sich dabei um einen stilisierten „1925er Rolls-Royce Phantom 1 Jonckheere Coupe“ handeln. In welchem Zusammenhang dieses Auto mit der Titoni Hertitage steht, konnte ich allerdings nicht herausfinden. Ich nehme an, es gibt keinen! Der Deckel ist bei meinem Exemplar nicht ausgerichtet, das Auto steht schief, was mich jetzt aber nicht wirklich stört.
Kommen wir zum Schluss noch zum Band und der Faltschließe. Optisch wirken sowohl das beigefarbene Lederband mit weißer Naht, als auch die rundum polierte Faltschließe sehr, sehr hochwertig. Das erklärt auch, warum hier kaum ein Preisunterschied zum ebenfalls optional erhältlichen Stahlband vorhanden ist.

Das Band beginnt an den Bandanstößen mit einer Dicke von 6 mm und verjüngt sich zur Faltschließe hin auf 3 mm. Leider ist es ein wenig störrisch, was sich durch regelmäßiges Tragen der Uhr aber bald verbessern sollte. Die sehr massiv gebaute Faltschließe mit gelasertem Titoni-Logo lässt sich durch zwei seitlich bedienbare Drücker öffnen und schließen. Auf seinen Handgelenksumfang kann der stolze Heritage-Besitzer die Schließe durch umklappen eines Klemmbügels sogar stufenlos einstellen. Das Leder hat keine Lochreihe!

Ich finde, dass die, ohne Zweifel gut gemachte Schließe nicht zu einer Retro-Uhr wie der Titoni Heritage passt. Sie wirkt auf mich im Kontext mit dem 39-mm-Gehäuse etwas überdimensioniert und zu modern. Dasselbe gilt für die Dicke des Lederbandes von 6 mm an den Anstößen. Ich werde hier sicher auf ein schönes weiches Band mit Dornschließe wechseln.
Fazit
Mein erster „Blindkauf“ in dieser Preisklasse hat mir zwar kurzfristig etwas Bauchschmerzen bereitet, aber ich wurde nicht enttäuscht! Die Titoni ist hervorragend verarbeitet, alle verwendeten Materialien sind hochwertig und das Design von Zifferblatt und Gehäuse ist sicherlich einzigartig! Zusammen mit dem soliden Sellita SW200 Automatikwerk ergibt sich ein Gesamtpaket, das den Preis von etwas über 900.- Euro mehr als rechtfertig, insbesondere in Hinblick auf die Fertigung in der Schweiz!

Nachfolgend die Daten zur Uhr:
Referenz: 83019 S-ST-638
Werk: Automatik Sellita SW200-1
28.800 Halbschwingungen pro Stunde
Gangreserve: 40 Stunden
18 Kt goldplattierter Rotor mit Titoni-Logo
Funktionen: 3 Zeiger
Datum: ohne
Gehäuse: Edelstahl
Durchmesser: 39 mm ohne Krone
Höhe Gehäuse: 11,85 mm, inkl. der Glaswölbung: 12,1 mm
Lug-to-Lug: 49 mm, Hörner stark nach unten abfallend
Glas: Saphir, beidseitig gewölbt + entspiegelt
Wasserdichtigkeit: 5 ATM
Boden: massiv Edelstahl, geschraubt.
Zifferblatt: Arabische Indexe
Zifferblattfarbe: Anthrazit / schwarz matt (two-tone)
Leuchtmittel: SuperLumiNova Vintage
Armband: Leder
Anschlussbreite: 20 mm
Schließe: Faltschließe
Preis in Deutschland inkl. Versand und aller Gebühren und Steuern: 930,- Euro (Stand Februar 2021)
Textquellen: Titoni, Grenchner Tagblatt, Monochrome
Ich hoffe, Ihr hattet beim Lesen genau so viel Spaß wie ich beim Recherchieren und Schreiben dieser Vorstellung und bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit!
Beste Grüße,
Frank
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