
Chrysipp
Themenstarter
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- 07.04.2016
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Viel ist über die Explorer II schon gesagt und geschrieben worden, aber noch nicht von jedem. Also bin ich heute an der Reihe. Sie ist für mich gleichzeitig Beginn und Endpunkt meiner Uhrenleidenschaft und nimmt in der Historie der vielleicht wichtigsten Uhrenmarke eine besondere Stellung ein. Doch zunächst möchte ich erzählen, wie ich zu meiner gekommen bin:
Rolex war für mich zu Beginn meiner Uhrenfaszination eigentlich überhaupt kein Thema. Das hinlänglich bekannte Image und das teils stockkonservative Design der Klassiker Datejust und Submariner haben mich immer wegsehen lassen. Dass es sich aber um gute Uhren handelt, das habe ich relativ bald herausgefunden und auch so akzeptieren können. Angesprochen haben sie mich deswegen aber nicht. Wie so oft waren es dann ausgerechnet zwei Modelle, die nach allgemeinem Dafürhalten als recht untypische Rolex-Uhren gelten: Die Milgauss (hier vorgestellt) und die Explorer II. Auf letztere bin ich durch die Videos von Archie Luxury aufmerksam geworden, der die irgendwann einmal neben seiner “Man on the f*ing Moon” dauergelobt hat. Nicht, dass ich auf Archie gehört hätte, aber zumindest hat er mit der Ex II ein Modell gepriesen, das bis dato noch nicht allzu viele Freunde hatte.
Ich fand die Explorer II interessant, vor allem wegen ihres weißen Ziffernblattes und der gebürsteten Lünette. Sie hatte etwas Fremdartiges, irgendwie Abgehobenes und wirkte doch wie ein tatsächliches “Werkzeug” (um dem englischen Wort dafür aus dem Wege zu gehen, welches ich versuche, in diesem Text gänzlich zu vermeiden). Vor allem aber war sie ganz anders als ihre Schwestern aus dem Haus mit der Krone. Ich habe mich also mal auf die Suche gemacht und war überrascht, dass die 16570 noch relativ günstig zu haben war. Aufmerksame Leser werden spätestens jetzt merken, dass die Anschaffung dieser Uhr schon ein paar Jahre zurückliegt. Tatsächlich habe ich noch 2016 ein Modell aus dem Jahr 2003 für einen Betrag in den niedrigen 3.000ern erstehen können - in ausgezeichnetem Zustand mit Box, jedoch ohne originale Dokumente.
Wieso ich sie jetzt erst vorstelle? Weil mir bei jedem Tragen aufs Neue klar wird, was für eine spezielle und großartige Uhr die 16570 ist und ich dachte, nun bin ich definitiv nicht mehr geblendet von der Faszination des Neuen und kann einen authentischen Bericht liefern, wie sich die Ex II in einer Sammlung so macht. Da bin ich nun also, ziemlich genau vier Jahre nach dem Kauf dieses Modells und lege Zeugnis ab über meine Lieb- und Leidenschaft mit der Explorer II.
Die Modellhistorie ist eigentlich recht übersichtlich, im Grunde gibt es nur drei wirklich unterschiedliche Iterationen der Explorer II. Am Anfang stand die Ref. 1655, Geburtsjahr 1971, welches man ihr auch ansieht: Es ist dies eines der bemerkenswertesten Designs, das Rolex je hervorgebracht hat. Ich würde sie nicht “schön” nennen wollen, aber sie war und ist auf jeden Fall “anders”. Fast 20 Jahre zuvor hatte Rolex mit der “Explorer” eine Ikone auf den Markt gebracht, die an die Erstbesteigung des Mt. Everest erinnern sollte. So war die Explorer die Uhr für Entdecker, vielleicht für Eroberer, ganz sicher aber für Geheimagenten geworden. So wie ein Schweizer Taschenmesser aber mit mehr als nur einer Funktion erst richtig nützlich wird, wurde die Explorer ebenfalls erweitert. Bei der Produktstory blieb man dem Erforschen und Entdecken treu, wandte sich aber dem Inneren der Berge zu: Für Höhlenforscher soll die Explorer II konzipiert worden sein. Denn diese verlören im Dunklen das Gefühl für Tag und Nacht und bräuchten also eine AM/PM-Anzeige. Typisch im Stil der 70er-Jahre wurde dies mit einem auffälligen roten bzw. später orangen 24-Stunden-Zeiger gelöst. Dieser brachte ihr den italienischen Spitznamen “Freccione” (großer Zeiger) ein. Weiteres auffälliges Merkmal war die Lünette mit den schwarzen Ziffern für die 24-Stunden-Anzeige. Die Zeiger waren ein einfaches Paar weißer Stabzeiger für optimale Ablesbarkeit. Diese wurde mit großzügiger Luminiszierung unterstützt, schließlich sollten die Höhlenforscher auch in der Nacht jederzeit die richtige Stunde ablesen können. Auch ein Datum durfte nicht fehlen – somit waren die Zutaten für die Explorer II komplett. Das Problem war nur: Das Ding verkaufte sich eher mau. Ob es an der begrenzten Zielgruppe der Höhlenforscher gelegen hat oder an dem gewagten Design, sei dahingestellt - ähnlich wie bei der Daytona führte es aber letztlich nur dazu, dass die 1655 mittlerweile sehr hohe Preise am Gebrauchtmarkt erzielt.
Rolex jedoch ließ das Modell nicht fallen, sondern unterzog es einer anständigen Frischzellenkur. GMT-Master- und Submariner verkauften sich ja gut, daher verpasste man 1985 der Ex II einfach das gleiche Ziffernblattdesign wie es die GMT-Master schon hatte – mitsamt der Mercedes- und GMT-Zeiger. Mit dem Kaliber 3085 fand die unabhängig verstellbare Stunde nach der GMT-Master II nun auch Eingang in die Explorer II. Doch anstatt das Modell einfach eine GMT-Master mit fixierter Lünette sein zu lassen, führte man eine zweite Ziffernblattfarbe ein: weiß. Die legendäre 16550-Referenz wurde nur vier Jahre produziert, bevor man mit der 16570 eine upgedatete Version davon auf den Markt brachte. Besonderes "Feature" der 16550 mit dem weißen Ziffernblatt: Dieses wurde mit der Zeit cremefarben bis gelblich – natürlich wieder ein Garant für hohe Summen auf dem Gebrauchtmarkt!
Im Jahr 1989 schließlich erblickte mit der 16570 jenes Modell das Licht der Welt, um das es hier eigentlich gehen soll. Auf den ersten Blick gleicht sie dem Vorgängermodell. Die Unterschiede: Neues Kaliber 3185 und schwarze Einfassungen der Stundenmarkierungen auf dem Ziffernblatt, diese waren beim 16550-Modell noch in Weißgold gehalten. Die Änderung ist minimal, doch der Effekt ist ein großer. Mit den starken schwarz-weiß-Kontrasten wurde die 16570 zum Rolexmodell mit der vielleicht besten Ablesbarkeit überhaupt. Die Referenz war bis 2011 in Produktion, als sie durch die 216570 abgelöst wurde. Die Designänderungen waren dieses Mal fast schon monströs und vielen Freunden des Modells zu extrem. Die Zeiger sind nun überdick, das Maxi-Dial schon fast clownesk aufgeblasen, doch ein Detail verzückte selbst die größten Kritiker: Der “Freccione”, der auffällige große 24-Stundenzeiger, feierte mit der neuen Referenz sein Comeback! Durch das noch extremere Ziffernblatt ist vor allem die weiße Variante der Explorer II nach wie vor ein Modell, das das richtige Ablesen der Uhrzeit unter allen Bedingungen sicherstellt!
Nun aber zur vorliegenden Referenz, der 16570. Für mich vereint sie doch das beste aus beiden Welten: Nämlich Ablesbarkeit und ein Design etwas abseits des übrigen Rolex-Katalogs:
Gehäuse und Ziffernblatt
Zum Oystercase der Explorer II muss ich sagen, dass es für mich nach wie vor jenes Gehäuse ist, das mir am besten am Arm liegt. Leider bin ich in der Gehäusehistorie von Rolex zu wenig bewandert, um hier eine gültige Aussage zu treffen, aber mir scheint, dass die Explorer II ein Gehäuse hat, das bei keiner anderen Referenz Verwendung fand. Die GMT-Master II 16710 etwa hat zwar ein ähnliches Äußeres, ist aber doch noch einen Hauch dicker, die Submariner sowieso. Die Explorer aus dieser Zeit hatte einen kleineren Durchmesser und keinen Kronenschutz, also wüsste ich nicht, welches Modell sich mit der 16570 das Gehäusedesign teilen sollte. Ein Kandidat wäre aber die Daytona 116520 (zumindest laut dieser Tabelle). Mit 40mm Durchmesser und 12,2 mm Höhe schmiegt sich das Oystercase an das Handgelenk wie kaum ein anderes. Zu vergleichen wage ich den Tragekomfort nur mit den modernen Referenzen der Oyster Perpetual 39 oder der Explorer 214270. Einen Vergleich dazu findet ihr hier: Vergleich: Rolex Explorer 214270 vs. Oyster Perpetual 39 (weißes ZB) 114300
Das Ziffernblatt ist wie gesagt ein echtes Highlight in Sachen Ablesbarkeit. Von allen meinen Uhren würde ich der Explorer II in dieser Hinsicht wohl den ersten Platz zusprechen, weil selbst die Explorer bei bestimmten Lichtverhältnissen (Spiegelungen) den Dienst versagen kann. Am ehesten kommt da noch die Moonwatch hin, aber das klassische Rolex-Design mit den Balken und Punkten inkl. der sich klar voneinander abhebenden Minuten- und Stundenzeiger hat hier doch ein wenig die Nase vorn. Die schwarz eingefassten Indizes und die ebenso verarbeiteten Zeiger wecken in mir immer die Neugier, welches Material hierfür verwendet wurde. Vielleicht weiß jemand dazu etwas?
Ein Highlight ist natürlich auch die gebürstete Edelstahllünette mit der in Zweier-Schritten gehaltenen 24-Stunden-Anzeige. Die hierfür gewählte Schrifttype ist super ablesbar, wirkt zeitgemäß, ohne die Lünette zu überladen (wie es mir manchmal bei den modernen GMT-Modellen vorkommt). Der rote GMT-Zeiger ist ein kleines, farbliches Highlight auf der ansonsten vollkommen monochrom gehaltenen Uhr. Seine Zurückhaltung ist zwar als Designentscheidung gut, jedoch geht damit ein bisschen die optische Verbindung zur 24-h-Lünette verloren, wie ich meine. Zeiger und Anzeige sind sozusagen ein wenig von einander entkoppelt, das war bei der Ur-Referenz noch ganz anders. Hier waren sogar die 24-Stunden nochmal auf dem Ziffernblatt als Leuchtindizes vorhanden. Mag sein, dass das ein bisschen unübersichtlich wirkte, die 24-Stundenanzeige war jedenfalls deutlich wahrnehmbarer!
Seit Rolex das Kaliber der GMT-Master II in der Explorer II verbaute, ist die Explorer II durch den unabhängig verstellbaren Stundenzeiger zu einer eigenständigen GMT-Uhr geworden und zeigt nicht nur mehr an, ob gerade Tag oder Nacht ist. Das ist meines Erachtens ein entscheidendes Argument für die Ex II, das witzigerweise von Rolex so gut wie nicht erwähnt wird. Schließlich kannibalisieren sich die beiden Modelle zumindest von der Funktion her ein wenig. Vielleicht fiel dadurch die Entscheidung auch leichter, mit der neuen Ex II designmäßig ein wenig wagemutiger zu sein.
Zum Ziffernblatt bleibt zu sagen, dass ich die Ex II als “Polar Explorer” mit weißem ZB als Unikum im historischen Rolex-Katalog sehe. Ja, es gab eine Pan-Am-Version der GMT Master, die ebenfalls ein weißes ZB hatte, und ja, auch bei der Daytona ist weiß durchaus nicht unbekannt, aber als Sportmodell in dieser Klarheit spielt die 16570 in einer eigenen Liga, was weiße Ziffernblätter angeht.
Armband und Schließe
Das Armband ist ein gewöhnliches SEL-Oysterband mit Oysterlock-Schließe wie man es noch aus den 1990er-Jahren kennt. Nichts besonderes, aber mit dem gewohnt hohen Tragekomfort. Die Oysterlockschließe schätze ich bei den älteren Bändern schon sehr, da es ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit gibt. Man kennt das ja: Manchmal verbiegen sich die Schließenelemente und das Ding schließt nicht mehr richtig, man biegt hin und her, vor zurück und irgendwann hält es wieder, man weiß aber nie, wie lange… Alles kein Problem, weil man hier noch einen kleinen Sicherheitsbügel hat, um den man sich keine Sorgen machen muss. Das komplett gebürstete Oysterband passt perfekt zur gebürsteten Lünette und obwohl der Ex II andere Bänder stehen würden, bin ich da doch recht konservativ und trage sie so gut wie ausschließlich am Metallarmband.
Fazit
Für mich ist die Explorer II immer noch eine meiner liebsten Uhren. Erstens, weil der Tragekomfort wirklich sensationell ist, zweitens, weil die Ablesbarkeit unbestritten eine der besten überhaupt ist und drittens, weil man mit Datum und GMT-Funktion eigentlich sehr viel Uhr geliefert bekommt. Freilich, es gibt die Datumslupenhasser und ich war selber nie Fan davon, aber mit der Ex II hat sich das geändert. Gerade dieses Modell “schluckt” die Datumslupe irgendwie durch die klaren Kontraste und die auffällig unauffällige Lünette mehr als zum Beispiel eine Submariner oder GMT-Master das kann. Zumal haben wir es hier endlich mal mit einem Datumsfenster zu tun, das die Farbe des Ziffernblattes hat! Die Ex II ist universell verwendbar, passt zu fast jedem Outfit und ist definitiv keine Uhr, die “Sieh mich an!” schreit, obwohl sie trotzdem nicht gewöhnlich ist. Unter Uhrenfreunden ist sie sehrwohl ein Hinweis auf Kennerschaft, denn dieses Modell trägt man nicht mal eben so, weil einem nichts Besseres über den Weg gelaufen ist.
Leider haben seit meinem Kauf die Preise ziemlich angezogen, trotzdem glaube ich immer noch, dass man mit der Ex II eine ziemlich gute Uhr für sein Geld bekommt. Das einzige, was ihr ein wenig fehlt, ist die Historie, mit der etwa Submariner und Co. aufwarten können. Aber es soll ja auch Menschen geben, die sich Uhren nicht aufgrund ihrer historisch-kulturellen Provenienz kaufen.
Ist die Ex II nun eine Uhr zwischen den Stühlen, weil sie eigentlich nichts so richtig ist, aber auch alles ein bisschen? Ich denke, sie schlägt eine schöne Brücke zwischen GMT-Master und Explorer, vor allem in der hier vorgestellten Referenz mit dem zurückhaltenderen Design. Zudem ist die 16570 aus den 90ern noch eines jener Modelle, die noch nicht die Optik einer Luxusuhr betonen, sondern durchwegs noch den Charakter einer einfach guten Uhr haben - ein Nimbus, dem Rolex bis in die 1970er anhaftete, vor allem, was die Sportmodelle betraf. Seit den neueren Referenzen der 2000er haben sich diese meines Erachtens in Gestaltung und auch Preis immer mehr ins Luxussegment bewegt. Das Sympathische an den älteren Modellen ist eben diese Einfachheit in der Gestaltung bei trotzdem hoher Qualität. Auch wenn die neueste Referenz der Ex II das Luxuriöse in den Vordergrund hebt, finde ich es dennoch interessant, dass sich Rolex bei der Gestaltung der 216570 an der Vergangenheit orientiert hat, was ja bei der Marke mit der Krone nicht immer selbstverständlich ist.
Bei der 16570 gefällt mir die Unbekümmertheit, mit der man diese Uhr trägt. Sie hat nicht den edlen Touch der neueren Referenzen, sie ist aber auch kein altes Ding, mit dem man sich kaum traut die Hände zu waschen. Ihr Äußeres hat eine besondere “Plastizität”, ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll: Sie hat viele Ebenen, viele Kontraste, Ecken und Kanten, an denen sich das Auge erfreuen kann, die aber im Ganzen wieder abgetönt und funktional wirken. So schafft sie den Spagat zwischen überladen und langweilig, vor allem in der weißen Variante, und setzt sich irgendwo in der Mitte fest: Eine Uhr halt. Zum Höhlenforschen. Oder zum Skifahren. Oder einfach zum Liebhaben. Zwischen den Stühlen? Ja, irgendwie schon, aber das kann auch ein ganz interessanter Ort sein...
Facts
Ref.-Nr. 16570
Gehäuse: Durchmesser 40 mm, Höhe 12,2 mm, Länge 47 mm, 100 m wasserdicht
Werk: Rolex 3185, Automatik, Gangreserve 48 Stunden
SuperLuminova, Saphirglas
Rolex war für mich zu Beginn meiner Uhrenfaszination eigentlich überhaupt kein Thema. Das hinlänglich bekannte Image und das teils stockkonservative Design der Klassiker Datejust und Submariner haben mich immer wegsehen lassen. Dass es sich aber um gute Uhren handelt, das habe ich relativ bald herausgefunden und auch so akzeptieren können. Angesprochen haben sie mich deswegen aber nicht. Wie so oft waren es dann ausgerechnet zwei Modelle, die nach allgemeinem Dafürhalten als recht untypische Rolex-Uhren gelten: Die Milgauss (hier vorgestellt) und die Explorer II. Auf letztere bin ich durch die Videos von Archie Luxury aufmerksam geworden, der die irgendwann einmal neben seiner “Man on the f*ing Moon” dauergelobt hat. Nicht, dass ich auf Archie gehört hätte, aber zumindest hat er mit der Ex II ein Modell gepriesen, das bis dato noch nicht allzu viele Freunde hatte.
Ich fand die Explorer II interessant, vor allem wegen ihres weißen Ziffernblattes und der gebürsteten Lünette. Sie hatte etwas Fremdartiges, irgendwie Abgehobenes und wirkte doch wie ein tatsächliches “Werkzeug” (um dem englischen Wort dafür aus dem Wege zu gehen, welches ich versuche, in diesem Text gänzlich zu vermeiden). Vor allem aber war sie ganz anders als ihre Schwestern aus dem Haus mit der Krone. Ich habe mich also mal auf die Suche gemacht und war überrascht, dass die 16570 noch relativ günstig zu haben war. Aufmerksame Leser werden spätestens jetzt merken, dass die Anschaffung dieser Uhr schon ein paar Jahre zurückliegt. Tatsächlich habe ich noch 2016 ein Modell aus dem Jahr 2003 für einen Betrag in den niedrigen 3.000ern erstehen können - in ausgezeichnetem Zustand mit Box, jedoch ohne originale Dokumente.
Wieso ich sie jetzt erst vorstelle? Weil mir bei jedem Tragen aufs Neue klar wird, was für eine spezielle und großartige Uhr die 16570 ist und ich dachte, nun bin ich definitiv nicht mehr geblendet von der Faszination des Neuen und kann einen authentischen Bericht liefern, wie sich die Ex II in einer Sammlung so macht. Da bin ich nun also, ziemlich genau vier Jahre nach dem Kauf dieses Modells und lege Zeugnis ab über meine Lieb- und Leidenschaft mit der Explorer II.
Die Modellhistorie ist eigentlich recht übersichtlich, im Grunde gibt es nur drei wirklich unterschiedliche Iterationen der Explorer II. Am Anfang stand die Ref. 1655, Geburtsjahr 1971, welches man ihr auch ansieht: Es ist dies eines der bemerkenswertesten Designs, das Rolex je hervorgebracht hat. Ich würde sie nicht “schön” nennen wollen, aber sie war und ist auf jeden Fall “anders”. Fast 20 Jahre zuvor hatte Rolex mit der “Explorer” eine Ikone auf den Markt gebracht, die an die Erstbesteigung des Mt. Everest erinnern sollte. So war die Explorer die Uhr für Entdecker, vielleicht für Eroberer, ganz sicher aber für Geheimagenten geworden. So wie ein Schweizer Taschenmesser aber mit mehr als nur einer Funktion erst richtig nützlich wird, wurde die Explorer ebenfalls erweitert. Bei der Produktstory blieb man dem Erforschen und Entdecken treu, wandte sich aber dem Inneren der Berge zu: Für Höhlenforscher soll die Explorer II konzipiert worden sein. Denn diese verlören im Dunklen das Gefühl für Tag und Nacht und bräuchten also eine AM/PM-Anzeige. Typisch im Stil der 70er-Jahre wurde dies mit einem auffälligen roten bzw. später orangen 24-Stunden-Zeiger gelöst. Dieser brachte ihr den italienischen Spitznamen “Freccione” (großer Zeiger) ein. Weiteres auffälliges Merkmal war die Lünette mit den schwarzen Ziffern für die 24-Stunden-Anzeige. Die Zeiger waren ein einfaches Paar weißer Stabzeiger für optimale Ablesbarkeit. Diese wurde mit großzügiger Luminiszierung unterstützt, schließlich sollten die Höhlenforscher auch in der Nacht jederzeit die richtige Stunde ablesen können. Auch ein Datum durfte nicht fehlen – somit waren die Zutaten für die Explorer II komplett. Das Problem war nur: Das Ding verkaufte sich eher mau. Ob es an der begrenzten Zielgruppe der Höhlenforscher gelegen hat oder an dem gewagten Design, sei dahingestellt - ähnlich wie bei der Daytona führte es aber letztlich nur dazu, dass die 1655 mittlerweile sehr hohe Preise am Gebrauchtmarkt erzielt.
Rolex jedoch ließ das Modell nicht fallen, sondern unterzog es einer anständigen Frischzellenkur. GMT-Master- und Submariner verkauften sich ja gut, daher verpasste man 1985 der Ex II einfach das gleiche Ziffernblattdesign wie es die GMT-Master schon hatte – mitsamt der Mercedes- und GMT-Zeiger. Mit dem Kaliber 3085 fand die unabhängig verstellbare Stunde nach der GMT-Master II nun auch Eingang in die Explorer II. Doch anstatt das Modell einfach eine GMT-Master mit fixierter Lünette sein zu lassen, führte man eine zweite Ziffernblattfarbe ein: weiß. Die legendäre 16550-Referenz wurde nur vier Jahre produziert, bevor man mit der 16570 eine upgedatete Version davon auf den Markt brachte. Besonderes "Feature" der 16550 mit dem weißen Ziffernblatt: Dieses wurde mit der Zeit cremefarben bis gelblich – natürlich wieder ein Garant für hohe Summen auf dem Gebrauchtmarkt!
Im Jahr 1989 schließlich erblickte mit der 16570 jenes Modell das Licht der Welt, um das es hier eigentlich gehen soll. Auf den ersten Blick gleicht sie dem Vorgängermodell. Die Unterschiede: Neues Kaliber 3185 und schwarze Einfassungen der Stundenmarkierungen auf dem Ziffernblatt, diese waren beim 16550-Modell noch in Weißgold gehalten. Die Änderung ist minimal, doch der Effekt ist ein großer. Mit den starken schwarz-weiß-Kontrasten wurde die 16570 zum Rolexmodell mit der vielleicht besten Ablesbarkeit überhaupt. Die Referenz war bis 2011 in Produktion, als sie durch die 216570 abgelöst wurde. Die Designänderungen waren dieses Mal fast schon monströs und vielen Freunden des Modells zu extrem. Die Zeiger sind nun überdick, das Maxi-Dial schon fast clownesk aufgeblasen, doch ein Detail verzückte selbst die größten Kritiker: Der “Freccione”, der auffällige große 24-Stundenzeiger, feierte mit der neuen Referenz sein Comeback! Durch das noch extremere Ziffernblatt ist vor allem die weiße Variante der Explorer II nach wie vor ein Modell, das das richtige Ablesen der Uhrzeit unter allen Bedingungen sicherstellt!
Nun aber zur vorliegenden Referenz, der 16570. Für mich vereint sie doch das beste aus beiden Welten: Nämlich Ablesbarkeit und ein Design etwas abseits des übrigen Rolex-Katalogs:
Gehäuse und Ziffernblatt
Zum Oystercase der Explorer II muss ich sagen, dass es für mich nach wie vor jenes Gehäuse ist, das mir am besten am Arm liegt. Leider bin ich in der Gehäusehistorie von Rolex zu wenig bewandert, um hier eine gültige Aussage zu treffen, aber mir scheint, dass die Explorer II ein Gehäuse hat, das bei keiner anderen Referenz Verwendung fand. Die GMT-Master II 16710 etwa hat zwar ein ähnliches Äußeres, ist aber doch noch einen Hauch dicker, die Submariner sowieso. Die Explorer aus dieser Zeit hatte einen kleineren Durchmesser und keinen Kronenschutz, also wüsste ich nicht, welches Modell sich mit der 16570 das Gehäusedesign teilen sollte. Ein Kandidat wäre aber die Daytona 116520 (zumindest laut dieser Tabelle). Mit 40mm Durchmesser und 12,2 mm Höhe schmiegt sich das Oystercase an das Handgelenk wie kaum ein anderes. Zu vergleichen wage ich den Tragekomfort nur mit den modernen Referenzen der Oyster Perpetual 39 oder der Explorer 214270. Einen Vergleich dazu findet ihr hier: Vergleich: Rolex Explorer 214270 vs. Oyster Perpetual 39 (weißes ZB) 114300
Das Ziffernblatt ist wie gesagt ein echtes Highlight in Sachen Ablesbarkeit. Von allen meinen Uhren würde ich der Explorer II in dieser Hinsicht wohl den ersten Platz zusprechen, weil selbst die Explorer bei bestimmten Lichtverhältnissen (Spiegelungen) den Dienst versagen kann. Am ehesten kommt da noch die Moonwatch hin, aber das klassische Rolex-Design mit den Balken und Punkten inkl. der sich klar voneinander abhebenden Minuten- und Stundenzeiger hat hier doch ein wenig die Nase vorn. Die schwarz eingefassten Indizes und die ebenso verarbeiteten Zeiger wecken in mir immer die Neugier, welches Material hierfür verwendet wurde. Vielleicht weiß jemand dazu etwas?
Ein Highlight ist natürlich auch die gebürstete Edelstahllünette mit der in Zweier-Schritten gehaltenen 24-Stunden-Anzeige. Die hierfür gewählte Schrifttype ist super ablesbar, wirkt zeitgemäß, ohne die Lünette zu überladen (wie es mir manchmal bei den modernen GMT-Modellen vorkommt). Der rote GMT-Zeiger ist ein kleines, farbliches Highlight auf der ansonsten vollkommen monochrom gehaltenen Uhr. Seine Zurückhaltung ist zwar als Designentscheidung gut, jedoch geht damit ein bisschen die optische Verbindung zur 24-h-Lünette verloren, wie ich meine. Zeiger und Anzeige sind sozusagen ein wenig von einander entkoppelt, das war bei der Ur-Referenz noch ganz anders. Hier waren sogar die 24-Stunden nochmal auf dem Ziffernblatt als Leuchtindizes vorhanden. Mag sein, dass das ein bisschen unübersichtlich wirkte, die 24-Stundenanzeige war jedenfalls deutlich wahrnehmbarer!
Seit Rolex das Kaliber der GMT-Master II in der Explorer II verbaute, ist die Explorer II durch den unabhängig verstellbaren Stundenzeiger zu einer eigenständigen GMT-Uhr geworden und zeigt nicht nur mehr an, ob gerade Tag oder Nacht ist. Das ist meines Erachtens ein entscheidendes Argument für die Ex II, das witzigerweise von Rolex so gut wie nicht erwähnt wird. Schließlich kannibalisieren sich die beiden Modelle zumindest von der Funktion her ein wenig. Vielleicht fiel dadurch die Entscheidung auch leichter, mit der neuen Ex II designmäßig ein wenig wagemutiger zu sein.
Zum Ziffernblatt bleibt zu sagen, dass ich die Ex II als “Polar Explorer” mit weißem ZB als Unikum im historischen Rolex-Katalog sehe. Ja, es gab eine Pan-Am-Version der GMT Master, die ebenfalls ein weißes ZB hatte, und ja, auch bei der Daytona ist weiß durchaus nicht unbekannt, aber als Sportmodell in dieser Klarheit spielt die 16570 in einer eigenen Liga, was weiße Ziffernblätter angeht.
Armband und Schließe
Das Armband ist ein gewöhnliches SEL-Oysterband mit Oysterlock-Schließe wie man es noch aus den 1990er-Jahren kennt. Nichts besonderes, aber mit dem gewohnt hohen Tragekomfort. Die Oysterlockschließe schätze ich bei den älteren Bändern schon sehr, da es ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit gibt. Man kennt das ja: Manchmal verbiegen sich die Schließenelemente und das Ding schließt nicht mehr richtig, man biegt hin und her, vor zurück und irgendwann hält es wieder, man weiß aber nie, wie lange… Alles kein Problem, weil man hier noch einen kleinen Sicherheitsbügel hat, um den man sich keine Sorgen machen muss. Das komplett gebürstete Oysterband passt perfekt zur gebürsteten Lünette und obwohl der Ex II andere Bänder stehen würden, bin ich da doch recht konservativ und trage sie so gut wie ausschließlich am Metallarmband.
Fazit
Für mich ist die Explorer II immer noch eine meiner liebsten Uhren. Erstens, weil der Tragekomfort wirklich sensationell ist, zweitens, weil die Ablesbarkeit unbestritten eine der besten überhaupt ist und drittens, weil man mit Datum und GMT-Funktion eigentlich sehr viel Uhr geliefert bekommt. Freilich, es gibt die Datumslupenhasser und ich war selber nie Fan davon, aber mit der Ex II hat sich das geändert. Gerade dieses Modell “schluckt” die Datumslupe irgendwie durch die klaren Kontraste und die auffällig unauffällige Lünette mehr als zum Beispiel eine Submariner oder GMT-Master das kann. Zumal haben wir es hier endlich mal mit einem Datumsfenster zu tun, das die Farbe des Ziffernblattes hat! Die Ex II ist universell verwendbar, passt zu fast jedem Outfit und ist definitiv keine Uhr, die “Sieh mich an!” schreit, obwohl sie trotzdem nicht gewöhnlich ist. Unter Uhrenfreunden ist sie sehrwohl ein Hinweis auf Kennerschaft, denn dieses Modell trägt man nicht mal eben so, weil einem nichts Besseres über den Weg gelaufen ist.
Leider haben seit meinem Kauf die Preise ziemlich angezogen, trotzdem glaube ich immer noch, dass man mit der Ex II eine ziemlich gute Uhr für sein Geld bekommt. Das einzige, was ihr ein wenig fehlt, ist die Historie, mit der etwa Submariner und Co. aufwarten können. Aber es soll ja auch Menschen geben, die sich Uhren nicht aufgrund ihrer historisch-kulturellen Provenienz kaufen.
Ist die Ex II nun eine Uhr zwischen den Stühlen, weil sie eigentlich nichts so richtig ist, aber auch alles ein bisschen? Ich denke, sie schlägt eine schöne Brücke zwischen GMT-Master und Explorer, vor allem in der hier vorgestellten Referenz mit dem zurückhaltenderen Design. Zudem ist die 16570 aus den 90ern noch eines jener Modelle, die noch nicht die Optik einer Luxusuhr betonen, sondern durchwegs noch den Charakter einer einfach guten Uhr haben - ein Nimbus, dem Rolex bis in die 1970er anhaftete, vor allem, was die Sportmodelle betraf. Seit den neueren Referenzen der 2000er haben sich diese meines Erachtens in Gestaltung und auch Preis immer mehr ins Luxussegment bewegt. Das Sympathische an den älteren Modellen ist eben diese Einfachheit in der Gestaltung bei trotzdem hoher Qualität. Auch wenn die neueste Referenz der Ex II das Luxuriöse in den Vordergrund hebt, finde ich es dennoch interessant, dass sich Rolex bei der Gestaltung der 216570 an der Vergangenheit orientiert hat, was ja bei der Marke mit der Krone nicht immer selbstverständlich ist.
Bei der 16570 gefällt mir die Unbekümmertheit, mit der man diese Uhr trägt. Sie hat nicht den edlen Touch der neueren Referenzen, sie ist aber auch kein altes Ding, mit dem man sich kaum traut die Hände zu waschen. Ihr Äußeres hat eine besondere “Plastizität”, ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll: Sie hat viele Ebenen, viele Kontraste, Ecken und Kanten, an denen sich das Auge erfreuen kann, die aber im Ganzen wieder abgetönt und funktional wirken. So schafft sie den Spagat zwischen überladen und langweilig, vor allem in der weißen Variante, und setzt sich irgendwo in der Mitte fest: Eine Uhr halt. Zum Höhlenforschen. Oder zum Skifahren. Oder einfach zum Liebhaben. Zwischen den Stühlen? Ja, irgendwie schon, aber das kann auch ein ganz interessanter Ort sein...
Facts
Ref.-Nr. 16570
Gehäuse: Durchmesser 40 mm, Höhe 12,2 mm, Länge 47 mm, 100 m wasserdicht
Werk: Rolex 3185, Automatik, Gangreserve 48 Stunden
SuperLuminova, Saphirglas
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