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- 17.03.2008
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Verehrte Forianer!
In Anlehnung an meinen "Ich suche..."-Thread https://uhrforum.de/taschenuhren-t35441 sowie den einen oder anderen Kauf hier möchte ich Euch nun ein (semi-) geglücktes Projekt vorstellen.
Ich bitte im Vorhinein höflich darum, meine sicher laienhafte Vorgehensweise zu entschuldigen
Proband hier ist eine alte Junghans-Herrenarmbanduhr, schätzungsweise aus den 50- 60-ern. Eine weitere Bestimmung ist trotz ausgiebiger Recherche leider nicht möglich - aber vielleicht kennt ja von Euch jemand das Modell oder ich versuche tatsächlich einmal, Junghans zu kontaktieren...
Das Gehäuse misst etwa 31mm in der Breite 34mm in der Höhe, die applizierten Indexe finden schön auf dem mattierten, (Teppich-) dunkelblauen Zifferblatt platz, alle Leuchtpunkte sind vorhanden. Das typischerweise stark gewölbte Plexiglas erschwert die Fotografie erheblich, erzählt jedoch mit den nicht unerheblichen Spuren am Gehäuse eine bewegte, doch authentische Geschichte.
Aufziehen lässt sie sich nicht, jedoch bewegen sich die Zeiger in jeder Stellung der unmotiviert lose herausnehmbaren Krone: Flutsch!
Der abgenommene Deckel zeigt (neben jeder Menge Dreck) eine verbogene Unruh-Spirale am sonst überaschend sauberen Werk Junghans 620.00 mit 17 Steinen (1x Hebestein, 2x Ankerplatten, 2x Unruhwelle Lochstein, 2x Unruhwelle
Deckstein, 2x Ankerwelle, 4x Räderwerk, 2x Hemmradwelle, 2x Federhauswelle - richtig?), die Unruhwelle selbst ist mit der Incablock-Stoßsicherung geschützt, die auf beiden Seiten unter den goldenen Federchen jeweils einen Loch- und einen Deckstein birgt und somit für eine gewisse Beweglichkeit sorgt.
Das Werk ist laut Websuche ein recht frühes Werk von Junghans ohne dezentrale kleine Sekunde und wurde auch von der Firma Diehl eingesetzt, hier jedoch ohne Steinlager für die Wellen des Räderwerks. Es schwingt mit 18.000 Halbschwingungen pro Stunde.
Die mit dem Kloben ausgebaute Unruhe gibt den Blick auf den winkligen Anker und das Hemmrad frei.
So - alle Hemmungen weg...
... und auch die Dreiviertel-Platine, die mich später noch mächtig ärgern soll. Immerhin hält sie - geführt von zwei Passstiften - vier Wellen, die sauber koordiniert sein wollen, sodass die Platine sauber verschraubt werden kann...
Hier die Platine von unten mit dem Sperrrad des Aufzugs und der in eine Richtung klemmenden Feder. Die Lagersteine sind offensichtlich nicht beschädigt.
Trotz seiner brachialen Wirkung hinterlässt dieses Werkzeug tatsächlich keine (zusätzlichen) Spuren am Plexi - die Kraft, die hier auf das Glas wirkt, ist jedoch immens...
... doch wenn er einmal richtig zugepackt hat, kann mit ordentlich Schmalz das Glas abgehoben werden:
Da liegt sie nun, die Gute. Was ich mir sicher überlegen muss, wäre eine optimierte Reihenfolge des Zerlegens.
Hier meinte ich jedoch, für alle beteiligten Komponenten die kleinstmögliche Zeit der Beschädigungsgefahr gewählt zu haben...
Um die Zeiger und (vor allem) das schöne Zifferblatt nicht zu beschädigen, habe ich mir aus Papier einige Fetzen zur Unterlage genommen,
um dann mit einem kleinen Zeigerheber die Zeiger abzuheben. Verwundert war ich darüber, wie fest sie saßen!
Das mit dem Papier war nicht schlecht, es ist zumindest keine sichtbare Beschädigung hinzugekommen...
Das Werk selbst wird dann einfach nach oben aus dem Gehäuse geschubst. Geführt wird es durch die Krone, ein aufgesetztes Glas scheint sein Restliches zum Halt hinzuzugeben...
Vorn in der Flanke ist eine von zwei Schrauben zu sehen, die das Zifferblatt an seinen beiden Füßen halten.
Ist das das Kleinbodenrad, auf dem die gebogene Scheibe liegt, die von unten gegen das Zifferblatt federt?
Das Minutenrohr ließ sich gut mit dem Zeigerheber abziehen. Wenn ich es richtig verstanden habe, kommt ihm eine zentrale Rolle zu: Einerseits soll es fest genug sitzen, um den Minutenzeiger durch das Uhrwerk zu bewegen, andererseits soll es durchrutschen, um die Uhr stellen zu können...
Werk umgedreht und verbliebene Räder inklusive Federhaus "rausgeschüttelt", daneben die beiden Schrauben, die das Zifferblatt halten:
Hier wird der Mechanismus zerlegt, der dafür Sorge trägt, Drehungen an der Krone auf das Federhaus oder auf die Zeiger zu bringen. Die kleine Feder sitzt an seichten Kanten und wird von oben durch das Blech niedergehalten:
"Unwichtiger" Kleinkran will auch dokumentiert werden - sonst gibt's Schwierigkeiten!
"Spack" in jeder Ritze, der Zahnstocher wird zum Freund:
Doch der Ultraschall wird's schon richten...
Platinen nach der Behandlung mit Kavitation
Und Kleinteile ebenso:
Na - sieht doch schon ganz anders aus, oder?
Mit frischer Unterlage geht's dann auch weiter:
Was auseinander ging, soll nun wieder zusammen. Dazu wird die Hauptplatine ("Mainboard"???) in einen hübschen Werkhalter gespannt. Jedoch nicht zu fest, sonst gibt's Macken, oder es wird krumm... Hier die Zifferblattseite:
An Stellen, wo Metallteile gegeneinander reiben, habe ich ein wenig Maschinenfett gegeben, die Feder erklärte mir den Kampf und "verdrückte" sich mehrfach...
Werk von unten, Krone gedrückt
Werk von unten, Krone gezogen
Zifferblattseite, Krone gedrückt
Zifferblattseite, Krone gezogen
Stück um Stück, Teil um Teil wird alles wieder schön zusammengebaut...
und dabei vergessen, ein Foto zu machen - dafür war aber bei der Fummelei mit der riesigen Platine, den Wellen in ihren Lagern oben und unten, den Passstiften, wieder herausgezippelter Hemmradwelle, runter geplöppter Schrauben... kaum Zeit.
[Ausflug]
Es macht Spaß, an einem Werk zu basteln (was anderes ist das, was ich tue, bestimmt nicht!). An einem Werk zu arbeiten, weil es der Beruf ist, ist jedoch sicher anstrengend.
Das angestrengte Blicken durch die Lupe macht es dem bloßen Auge schwer, sich wieder auf normales Blicken einzustellen.
Die Lupe selbst will im Auge gehalten werden, was ohne Training schwer fällt. Auch glaubt sie, im entscheidenden Augenblick beschlagen zu müssen, was Einhalt und ausblasen erfordert. Hin und wieder - wenn man es so gar nicht gebrauchen kann - flutscht sie auch gerne mal runter.
Das Ganze ist so klein und die Augen so müde, dass es schwer fällt, die Klinge am Schraubendreher zu erkennen, der ja jetzt in den Schlitz der nur locker angelegten Schraube soll - Schwupps - Schraube weg... Und wenn man nur mit einem Auge gucken kann, fehlt halt die räumliche Tiefe!
Und wenn dann noch Miezekatze (https://uhrforum.de/fast-ganz-normaler-tag-t11629) um die Beine streicht und das Telefon klingelt...
[/Ausflug]
Ach ja - Federhaus! Das Federhaus selbst wollte ich nach einigen Versuchen nicht mehr zerlegen. Zunächst konnte ich es nur wiederwillig gegeneinander verdrehen, dann machte es plötzlich "Plopp!" und ich befürchtete (nicht zum
ersten Mal...) die Feder gehimmelt zu haben. Es stellte sich jedoch heraus, dass ich Glück haben sollte. Über die drei Löcher im Deckel habe ich dann auf die teilgespannte Feder jeweils ein Tröpfchen Öl gegeben.
Vor kurzem habe ich hier einen wertvollen Tipp gelesen: Unruh und Anker des entspannten Werks ausbauen, das Werk kurz über die Krone anspannen und die Räder ablaufen lassen.
Zum Schluss (das ist dann der wichtige Punkt!) darf das Hemmrad nicht abrupt stehen bleiben, sondern es soll schön auslaufen, zum Stillstand kommen, um sich dann einige Umdrehungen in die entgegengesetzte Richtung auszupendeln.
Dieses "Auslaufen, Stillstand, andersrum Auslaufen" gibt einen wichtigen Hinweis auf ein leicht und frei laufendes Werk.
Alle Räder laufen schön frei, und auch das richtige Auslaufen durfte ich beobachten...
Die Rückseite wird weiter komplettiert, zumindest so weit, wie keine losen Teile eingesetzt werden müssen
Vor Einsetzen des Ankers habe ich die Paletten an den Berührungsflächen zum Hemmrad leicht geölt, indem ich die Flächen vorsichtig am Ölgeber vorbeigestrichen habe.
Auch das obere Lager bekommt sein Öl. Hier habe ich mit dem kleinsten Ölgeber leicht das Lager berührt und konnte zusehen, wie das Öl ins Lager "geschlotzt" wurde. Eine winzige Menge soll ausreichen - mehr Öl würde nur aus dem Lager laufen...
Die größten Probleme beim Ölen gab es bei der Stoßsicherung, da es schwer war, die Decksteine wieder richtig auf den Lochsteinen zu platzieren. Der leichteste "Schieber" in Richtung Lager endete oft in einem hektischen "Zack!
Ich bin dann mal weg!" des Steines. Festgestellt habe ich hierbei die lächerliche menschliche Eitelkeit, glauben zu können, einem solchen Splitter im Fluge folgen zu können... Lächerlich! Und WO so ein Teil überall hinschnippsen kann...
Beim letzten Mal klebte es an meiner Nasenspitze... Bitte nicht weiter erzählen...
Beim nächsten Mal werde ich ihn sicher mit etwas Fett an einem Zahnstocher festkleben...
Alle Lager fein geölt, an beiden Enden der Wellen
Nach dem Einsetzen der Unruhe habe ich das Werk einmal "angeworfen", um mich mit dem nun entstehenden TickTack ein wenig belohnen zu lassen.
Wer weiß, wo er gucken muss, erkennt schön die unschön gebogene Unruhspirale.
Die Zifferblattseite wird komplettiert, da ja nun auch das Zifferblatt selbst und die Zeiger montiert werden wollen.
Glas nach etwas Polierarbeit druff
Na? Sieht doch schon wieder fast wie eine Uhr aus, oder?
Das Problem mit der Unruhspirale wird vermutlich hier (https://uhrforum.de/wie-prueft-man-warum-die-unruhe-zu-weing-schwingt-t41904) weiter besprochen. Ich werde da mal aufmerksam aufpassen, da meine hier recht motivationslos - doch irgendwie beständig - hin und her eiert und je nach Lage bedrohlich langsam wird... Obwohl das Werk im ausgebauten Zustand schon über 28 Stunden durchlief!
Wie sie - im jetzigen Zustand - die Zeit hält, prüfe ich gerade. Innerhalb der letzten drei Stunden (während ich hier tippe) bin ich positiv überrascht: Mal einige, wenige Sekunden zu langsam, dann wieder um einen ähnlichen Wert zu schnell, immer im Bereich von 3-5 Sekunden...
Gerne würde ich:
- Die Lager und Wellen reinigen
- Die Unruhe auf Unwucht prüfen
- Die Spirale richten
- ...
und viele Arbeiten mehr fachmännisch (etwas fachmännischer...) ausführen, doch dazu fehlt es mir an Kenntnissen und Werkzeugen. Werkzeuge werden hin und wieder besorgt, Kenntnisse sollen hier erworben und an entsprechenden Sparringspartnern geübt werden - soweit jedenfalls der Plan und wie es die Zeit zulässt.
Nun lehne ich mich ein wenig zurück und freue mich auf Eure Kommentare, wie ich auch der Schelte der echten Fachleute hier entgegen sehe.
Ich hoffe, Euch nicht gelangweilt zu haben und danke den geneigten Lesern!
(UFF - FERTIG!!!)
In Anlehnung an meinen "Ich suche..."-Thread https://uhrforum.de/taschenuhren-t35441 sowie den einen oder anderen Kauf hier möchte ich Euch nun ein (semi-) geglücktes Projekt vorstellen.
Ich bitte im Vorhinein höflich darum, meine sicher laienhafte Vorgehensweise zu entschuldigen

Proband hier ist eine alte Junghans-Herrenarmbanduhr, schätzungsweise aus den 50- 60-ern. Eine weitere Bestimmung ist trotz ausgiebiger Recherche leider nicht möglich - aber vielleicht kennt ja von Euch jemand das Modell oder ich versuche tatsächlich einmal, Junghans zu kontaktieren...
Das Gehäuse misst etwa 31mm in der Breite 34mm in der Höhe, die applizierten Indexe finden schön auf dem mattierten, (Teppich-) dunkelblauen Zifferblatt platz, alle Leuchtpunkte sind vorhanden. Das typischerweise stark gewölbte Plexiglas erschwert die Fotografie erheblich, erzählt jedoch mit den nicht unerheblichen Spuren am Gehäuse eine bewegte, doch authentische Geschichte.
Aufziehen lässt sie sich nicht, jedoch bewegen sich die Zeiger in jeder Stellung der unmotiviert lose herausnehmbaren Krone: Flutsch!

Der abgenommene Deckel zeigt (neben jeder Menge Dreck) eine verbogene Unruh-Spirale am sonst überaschend sauberen Werk Junghans 620.00 mit 17 Steinen (1x Hebestein, 2x Ankerplatten, 2x Unruhwelle Lochstein, 2x Unruhwelle
Deckstein, 2x Ankerwelle, 4x Räderwerk, 2x Hemmradwelle, 2x Federhauswelle - richtig?), die Unruhwelle selbst ist mit der Incablock-Stoßsicherung geschützt, die auf beiden Seiten unter den goldenen Federchen jeweils einen Loch- und einen Deckstein birgt und somit für eine gewisse Beweglichkeit sorgt.
Das Werk ist laut Websuche ein recht frühes Werk von Junghans ohne dezentrale kleine Sekunde und wurde auch von der Firma Diehl eingesetzt, hier jedoch ohne Steinlager für die Wellen des Räderwerks. Es schwingt mit 18.000 Halbschwingungen pro Stunde.

Die mit dem Kloben ausgebaute Unruhe gibt den Blick auf den winkligen Anker und das Hemmrad frei.

So - alle Hemmungen weg...

... und auch die Dreiviertel-Platine, die mich später noch mächtig ärgern soll. Immerhin hält sie - geführt von zwei Passstiften - vier Wellen, die sauber koordiniert sein wollen, sodass die Platine sauber verschraubt werden kann...

Hier die Platine von unten mit dem Sperrrad des Aufzugs und der in eine Richtung klemmenden Feder. Die Lagersteine sind offensichtlich nicht beschädigt.

Trotz seiner brachialen Wirkung hinterlässt dieses Werkzeug tatsächlich keine (zusätzlichen) Spuren am Plexi - die Kraft, die hier auf das Glas wirkt, ist jedoch immens...

... doch wenn er einmal richtig zugepackt hat, kann mit ordentlich Schmalz das Glas abgehoben werden:

Da liegt sie nun, die Gute. Was ich mir sicher überlegen muss, wäre eine optimierte Reihenfolge des Zerlegens.
Hier meinte ich jedoch, für alle beteiligten Komponenten die kleinstmögliche Zeit der Beschädigungsgefahr gewählt zu haben...

Um die Zeiger und (vor allem) das schöne Zifferblatt nicht zu beschädigen, habe ich mir aus Papier einige Fetzen zur Unterlage genommen,

um dann mit einem kleinen Zeigerheber die Zeiger abzuheben. Verwundert war ich darüber, wie fest sie saßen!

Das mit dem Papier war nicht schlecht, es ist zumindest keine sichtbare Beschädigung hinzugekommen...

Das Werk selbst wird dann einfach nach oben aus dem Gehäuse geschubst. Geführt wird es durch die Krone, ein aufgesetztes Glas scheint sein Restliches zum Halt hinzuzugeben...

Vorn in der Flanke ist eine von zwei Schrauben zu sehen, die das Zifferblatt an seinen beiden Füßen halten.

Ist das das Kleinbodenrad, auf dem die gebogene Scheibe liegt, die von unten gegen das Zifferblatt federt?

Das Minutenrohr ließ sich gut mit dem Zeigerheber abziehen. Wenn ich es richtig verstanden habe, kommt ihm eine zentrale Rolle zu: Einerseits soll es fest genug sitzen, um den Minutenzeiger durch das Uhrwerk zu bewegen, andererseits soll es durchrutschen, um die Uhr stellen zu können...

Werk umgedreht und verbliebene Räder inklusive Federhaus "rausgeschüttelt", daneben die beiden Schrauben, die das Zifferblatt halten:

Hier wird der Mechanismus zerlegt, der dafür Sorge trägt, Drehungen an der Krone auf das Federhaus oder auf die Zeiger zu bringen. Die kleine Feder sitzt an seichten Kanten und wird von oben durch das Blech niedergehalten:

"Unwichtiger" Kleinkran will auch dokumentiert werden - sonst gibt's Schwierigkeiten!

"Spack" in jeder Ritze, der Zahnstocher wird zum Freund:

Doch der Ultraschall wird's schon richten...

Platinen nach der Behandlung mit Kavitation

Und Kleinteile ebenso:

Na - sieht doch schon ganz anders aus, oder?
Mit frischer Unterlage geht's dann auch weiter:


Was auseinander ging, soll nun wieder zusammen. Dazu wird die Hauptplatine ("Mainboard"???) in einen hübschen Werkhalter gespannt. Jedoch nicht zu fest, sonst gibt's Macken, oder es wird krumm... Hier die Zifferblattseite:

An Stellen, wo Metallteile gegeneinander reiben, habe ich ein wenig Maschinenfett gegeben, die Feder erklärte mir den Kampf und "verdrückte" sich mehrfach...


Werk von unten, Krone gedrückt

Werk von unten, Krone gezogen

Zifferblattseite, Krone gedrückt

Zifferblattseite, Krone gezogen

Stück um Stück, Teil um Teil wird alles wieder schön zusammengebaut...


und dabei vergessen, ein Foto zu machen - dafür war aber bei der Fummelei mit der riesigen Platine, den Wellen in ihren Lagern oben und unten, den Passstiften, wieder herausgezippelter Hemmradwelle, runter geplöppter Schrauben... kaum Zeit.
[Ausflug]
Es macht Spaß, an einem Werk zu basteln (was anderes ist das, was ich tue, bestimmt nicht!). An einem Werk zu arbeiten, weil es der Beruf ist, ist jedoch sicher anstrengend.
Das angestrengte Blicken durch die Lupe macht es dem bloßen Auge schwer, sich wieder auf normales Blicken einzustellen.
Die Lupe selbst will im Auge gehalten werden, was ohne Training schwer fällt. Auch glaubt sie, im entscheidenden Augenblick beschlagen zu müssen, was Einhalt und ausblasen erfordert. Hin und wieder - wenn man es so gar nicht gebrauchen kann - flutscht sie auch gerne mal runter.
Das Ganze ist so klein und die Augen so müde, dass es schwer fällt, die Klinge am Schraubendreher zu erkennen, der ja jetzt in den Schlitz der nur locker angelegten Schraube soll - Schwupps - Schraube weg... Und wenn man nur mit einem Auge gucken kann, fehlt halt die räumliche Tiefe!
Und wenn dann noch Miezekatze (https://uhrforum.de/fast-ganz-normaler-tag-t11629) um die Beine streicht und das Telefon klingelt...
[/Ausflug]
Ach ja - Federhaus! Das Federhaus selbst wollte ich nach einigen Versuchen nicht mehr zerlegen. Zunächst konnte ich es nur wiederwillig gegeneinander verdrehen, dann machte es plötzlich "Plopp!" und ich befürchtete (nicht zum
ersten Mal...) die Feder gehimmelt zu haben. Es stellte sich jedoch heraus, dass ich Glück haben sollte. Über die drei Löcher im Deckel habe ich dann auf die teilgespannte Feder jeweils ein Tröpfchen Öl gegeben.
Vor kurzem habe ich hier einen wertvollen Tipp gelesen: Unruh und Anker des entspannten Werks ausbauen, das Werk kurz über die Krone anspannen und die Räder ablaufen lassen.
Zum Schluss (das ist dann der wichtige Punkt!) darf das Hemmrad nicht abrupt stehen bleiben, sondern es soll schön auslaufen, zum Stillstand kommen, um sich dann einige Umdrehungen in die entgegengesetzte Richtung auszupendeln.
Dieses "Auslaufen, Stillstand, andersrum Auslaufen" gibt einen wichtigen Hinweis auf ein leicht und frei laufendes Werk.
Alle Räder laufen schön frei, und auch das richtige Auslaufen durfte ich beobachten...

Die Rückseite wird weiter komplettiert, zumindest so weit, wie keine losen Teile eingesetzt werden müssen

Vor Einsetzen des Ankers habe ich die Paletten an den Berührungsflächen zum Hemmrad leicht geölt, indem ich die Flächen vorsichtig am Ölgeber vorbeigestrichen habe.
Auch das obere Lager bekommt sein Öl. Hier habe ich mit dem kleinsten Ölgeber leicht das Lager berührt und konnte zusehen, wie das Öl ins Lager "geschlotzt" wurde. Eine winzige Menge soll ausreichen - mehr Öl würde nur aus dem Lager laufen...
Die größten Probleme beim Ölen gab es bei der Stoßsicherung, da es schwer war, die Decksteine wieder richtig auf den Lochsteinen zu platzieren. Der leichteste "Schieber" in Richtung Lager endete oft in einem hektischen "Zack!
Ich bin dann mal weg!" des Steines. Festgestellt habe ich hierbei die lächerliche menschliche Eitelkeit, glauben zu können, einem solchen Splitter im Fluge folgen zu können... Lächerlich! Und WO so ein Teil überall hinschnippsen kann...
Beim letzten Mal klebte es an meiner Nasenspitze... Bitte nicht weiter erzählen...
Beim nächsten Mal werde ich ihn sicher mit etwas Fett an einem Zahnstocher festkleben...

Alle Lager fein geölt, an beiden Enden der Wellen

Nach dem Einsetzen der Unruhe habe ich das Werk einmal "angeworfen", um mich mit dem nun entstehenden TickTack ein wenig belohnen zu lassen.
Wer weiß, wo er gucken muss, erkennt schön die unschön gebogene Unruhspirale.

Die Zifferblattseite wird komplettiert, da ja nun auch das Zifferblatt selbst und die Zeiger montiert werden wollen.


Glas nach etwas Polierarbeit druff

Na? Sieht doch schon wieder fast wie eine Uhr aus, oder?
Das Problem mit der Unruhspirale wird vermutlich hier (https://uhrforum.de/wie-prueft-man-warum-die-unruhe-zu-weing-schwingt-t41904) weiter besprochen. Ich werde da mal aufmerksam aufpassen, da meine hier recht motivationslos - doch irgendwie beständig - hin und her eiert und je nach Lage bedrohlich langsam wird... Obwohl das Werk im ausgebauten Zustand schon über 28 Stunden durchlief!
Wie sie - im jetzigen Zustand - die Zeit hält, prüfe ich gerade. Innerhalb der letzten drei Stunden (während ich hier tippe) bin ich positiv überrascht: Mal einige, wenige Sekunden zu langsam, dann wieder um einen ähnlichen Wert zu schnell, immer im Bereich von 3-5 Sekunden...
Gerne würde ich:
- Die Lager und Wellen reinigen
- Die Unruhe auf Unwucht prüfen
- Die Spirale richten
- ...
und viele Arbeiten mehr fachmännisch (etwas fachmännischer...) ausführen, doch dazu fehlt es mir an Kenntnissen und Werkzeugen. Werkzeuge werden hin und wieder besorgt, Kenntnisse sollen hier erworben und an entsprechenden Sparringspartnern geübt werden - soweit jedenfalls der Plan und wie es die Zeit zulässt.
Nun lehne ich mich ein wenig zurück und freue mich auf Eure Kommentare, wie ich auch der Schelte der echten Fachleute hier entgegen sehe.
Ich hoffe, Euch nicht gelangweilt zu haben und danke den geneigten Lesern!
(UFF - FERTIG!!!)