
Weckerfreund
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Liebe UF-Member,
warum stelle ich eine alte Uhr in den Uhrenvorstellungen vor? Nun, ich habe sie jetzt zurück von einer umfassenden Revision durch unseren Member @Theo951 erhalten.
Wieso eine Art Neandertal-Uhr?
Wie Ihr bestimmt wisst, wurden 1856 im Neandertal bei Düsseldorf Knochen eines Urmenschen - des Neandertalers - gefunden. Vor 800.000 Jahren trennten sich die Abstammungslinien der Urmenschen in eben die Neandertaler und die Vorfahren des heutigen Menschen (Homo sapiens sapiens).
Eine Zeitlang lebten beide Arten auch in Europa nebeneinander und vielleicht auch miteinander. Allerdings starben die Neandertaler wohl vor ca. 30.000 Jahren aus. Warum dies so war, weiß man nicht, aber erstaunlicherweise war der Neandertaler dem Homo sapiens sapiens wohl in einigen Bereichen überlegen. Der Körper soll kräftiger gewesen sein und das Gehirnvolumen auch etwas größer.
Letztlich war der Neandertaler aber eine Seitenlinie der Entwicklung mit nur geringen Auswirkungen auf das „Jetzt“.
Bei den Uhren gab es auch Entwicklungen, die mehr oder weniger blind endeten und nicht fortgeführt wurden. Hier wären die frühen elektronischen Uhren zu nennen, bei denen die mechanische Unruhe über elektromagnetische Felder angetrieben wurden. Ebenso wurden viele frühe Quarzkaliber in den 1960er und 1970er Jahren entwickelt und nicht fortgeführt. Das waren dann auch Seitenlinien, die blind endeten.
Kleine Geschichte der Quarzuhren:
Die Entwicklung der Quarzuhr reicht schon sehr lange zurück.
1932 wurde in den Bell Laboratories das erste quarzgesteuerte Messinstrument entwickelt.
1936 entwickelte Gibbs den ersten Quarz-Chronographen.
1948 erfolgte die Entwicklung des Transistors ebenfalls in den Bell Laboratories, was zu einer Verkleinerung der Uhren führte. Im gleichen Jahr wurde die Elektronik Abteilung von Patek Philippe gegründet.
1954 gewann Longines den 1. Preis im Neuenburger Observatoriumswettbewerb mit einer „nur“ 53 kg schweren Uhr.
1964 konnten die Uhren soweit verkleinert werden, dass das Volumen unter 200 cm³ lag (Schiffschronometer durch Longines)
1965 bis 1966 wurden die Uhren auf <16,64 cm³ verkleinert (Longines und Seiko). Dies gelang durch die Verwendung von integrierten Schaltkreisen.
1967 wurden die ersten Seiko Quarzuhren in Neuenburg getestet.
1970 wurden in Basel von fünf Firmen entwickelte Quarzuhren neu vorgestellt:
- Seiko - Quartz Astrolon
- Longines - Ultraquartz
- CEH - Beta-21 (20 schweizerische Firmen als Auftraggeber, u.a. Rolex, Omega, PP)
- Hamilton - Pulsar
- Girard Perregaux (GP) - Elcron, Prototyp des GP 350 (GP, Jaeger LeCoultre, Favre Leuba)
Hier sind wir nun endlich bei der „Neandertal-Uhr“ angelangt. Die GP Werkfamilie dieser Quarzuhren bestand im Laufe der Zeit aus den Kalibern 350 bis 354. Die Elektronikbauteile wurden durch Motorola und Thomson C.S.F (Frankreich) entwickelt/hergestellt. Der Schrittmotor der Uhr mit Sekundensprung wurde von der Firma Sorem produziert. Man geht von ca. 50.000 produzierten Uhren der Kaliberfamilie aus.
Die Uhren wurden von Jaeger LeCoultre unter dem Namen Master Quartz, von Favre Leuba unter dem Namen Quartz Raider und von GP unter Quartz aufgelegt und bis ca. Ende der 1970er Jahre vertrieben. Teilweise wurden die gleichen Gehäuse nur mit anderen Zifferblättern benutzt.
Die hier gezeigte Uhr verwendet das letzte Kaliber dieser Reihe, das GP 354-016:
Der Schwingquarz der Uhr, welcher den Takt von 32768 Hz generiert, ist ab dem GP 351gekapselt (unten gegenüber der Krone). Dieser Schwingungswert wird im elektronischen Prozessor 15x durch 2 geteilt, um dann in einen Impuls pro Sekunde für den Schrittmotor (links der Mitte unter dem Kunststoffrad) umgewandelt zu werden. Ein kleines Potenziometer mit einer Vierkant "Inbus"-Schraube ist vorhanden, um die Frequenz einzujustieren und ein Genauigkeit von weit unter 1 Sekunde pro Tag zu erreichen.
Auffällig an dieser Kaliber-Reihe ist der völlige Verzicht auf Rubinlager (No (0) Jewels). Mechanisch belastete Wellen befinden sich in selbstschmierenden bzw. nicht zu schmierenden Teflonlagern, wobei hier die Lagerlöcher von einem eingepressten Teflonring umkleidet werden. Eine Schmierung der Lager mit Öl führt ggf. zu Verschleiß und zum Defekt dieser Uhren.
Bild aufgenommen von @Theo951 bei einer anderen GP Uhr von mir des Kalibers 352
Wie schon geschrieben, wurde die Produktion dieser frühen Quarzuhren alsbald eingestellt und diese durch kleinere Werke und weniger empfindliche Bauteile von anderen Firmen ersetzt. Die hohen Herstellungskosten und die sinkenden Verkaufspreise führten dazu, dass sich LED- und LCD-Uhren aus Fernost durchsetzten und die konventionelle schweizerische Uhrenindustrie fast ruinierten (Quarzkrise). Die teuren Quarzuhren mit den frühen elektronischen Werken starben sehr schnell aus wie der Neandertaler. Von den Kalibern GP 350-354 blieb lediglich der Standard von 32768 Hz für die Schwingquarze übrig, die auch heute noch in großen Zahlen in Armbanduhren verbaut werden.
Die Firma GP wurde 1791 gegründet und ist auch weiterhin im Bereich der höherpreisigen Uhren sogar mit Manufakturwerken aktiv.
Hier die technischen Daten:
Edelstahlgehäuse mit Schraubboden
Durchmesser ca. 38 mm ohne Krone, Länge 41 mm, Höhe ca. 12 mm
Plexiglas (armiert)
Zeiger: Mit Tritium Leuchtmasse belegt, Sekundenzeiger weiß lackiert
Zifferblatt: Blauer Lack mit weißen Pünktchen, Indexe schwarz lackiert ohne Lume
Quarzwerk mit 32768 Oszillationen Kaliber GP 354
Batterie 313 / LR 14
Bandanstöße: 20 mm
Band: Edelstahl 20 mm zu 16 mm im Verlauf, Edelstahlfaltschließe
Nun endlich die Bilder der Uhr nach der Kur bei @Theo951:
Das Zifferblatt ist blau und sehr häufig sind diese blauen Blätter durch die Leuchtmasse (Tritium oder Radium) beschädigt. Da hier keine Lume verwendet wurde, ist das Blatt bis auf den Rand des Datumfensters intakt und typisch für die 1970er Jahre gestaltet (Foto von @Theo951 im Rahmen der Revision):
So sah die Uhr vor der Kur bei @Theo951 aus:
Hier noch Bilder von GP Werbung zur Uhr:
Das letzte Bild zeigt einen originalen großen Werbeständer der Firma GP aus den 1970er Jahren, der hier mit mit einer GP Automatik Alarm Uhr mit Jaeger LeCoultre Werk bestückt ist:
Ich hoffe, dass Euch der kleine Ausflug in die Urzeit der frühen Quarzuhren gefallen hat.
Vielen Dank an Theo für die Aufarbeitung der Uhr.
Viele Grüße
Andreas
warum stelle ich eine alte Uhr in den Uhrenvorstellungen vor? Nun, ich habe sie jetzt zurück von einer umfassenden Revision durch unseren Member @Theo951 erhalten.
Wieso eine Art Neandertal-Uhr?
Wie Ihr bestimmt wisst, wurden 1856 im Neandertal bei Düsseldorf Knochen eines Urmenschen - des Neandertalers - gefunden. Vor 800.000 Jahren trennten sich die Abstammungslinien der Urmenschen in eben die Neandertaler und die Vorfahren des heutigen Menschen (Homo sapiens sapiens).
Eine Zeitlang lebten beide Arten auch in Europa nebeneinander und vielleicht auch miteinander. Allerdings starben die Neandertaler wohl vor ca. 30.000 Jahren aus. Warum dies so war, weiß man nicht, aber erstaunlicherweise war der Neandertaler dem Homo sapiens sapiens wohl in einigen Bereichen überlegen. Der Körper soll kräftiger gewesen sein und das Gehirnvolumen auch etwas größer.
Letztlich war der Neandertaler aber eine Seitenlinie der Entwicklung mit nur geringen Auswirkungen auf das „Jetzt“.
Bei den Uhren gab es auch Entwicklungen, die mehr oder weniger blind endeten und nicht fortgeführt wurden. Hier wären die frühen elektronischen Uhren zu nennen, bei denen die mechanische Unruhe über elektromagnetische Felder angetrieben wurden. Ebenso wurden viele frühe Quarzkaliber in den 1960er und 1970er Jahren entwickelt und nicht fortgeführt. Das waren dann auch Seitenlinien, die blind endeten.
Kleine Geschichte der Quarzuhren:
Die Entwicklung der Quarzuhr reicht schon sehr lange zurück.
1932 wurde in den Bell Laboratories das erste quarzgesteuerte Messinstrument entwickelt.
1936 entwickelte Gibbs den ersten Quarz-Chronographen.
1948 erfolgte die Entwicklung des Transistors ebenfalls in den Bell Laboratories, was zu einer Verkleinerung der Uhren führte. Im gleichen Jahr wurde die Elektronik Abteilung von Patek Philippe gegründet.
1954 gewann Longines den 1. Preis im Neuenburger Observatoriumswettbewerb mit einer „nur“ 53 kg schweren Uhr.
1964 konnten die Uhren soweit verkleinert werden, dass das Volumen unter 200 cm³ lag (Schiffschronometer durch Longines)
1965 bis 1966 wurden die Uhren auf <16,64 cm³ verkleinert (Longines und Seiko). Dies gelang durch die Verwendung von integrierten Schaltkreisen.
1967 wurden die ersten Seiko Quarzuhren in Neuenburg getestet.
1970 wurden in Basel von fünf Firmen entwickelte Quarzuhren neu vorgestellt:
- Seiko - Quartz Astrolon
- Longines - Ultraquartz
- CEH - Beta-21 (20 schweizerische Firmen als Auftraggeber, u.a. Rolex, Omega, PP)
- Hamilton - Pulsar
- Girard Perregaux (GP) - Elcron, Prototyp des GP 350 (GP, Jaeger LeCoultre, Favre Leuba)
Hier sind wir nun endlich bei der „Neandertal-Uhr“ angelangt. Die GP Werkfamilie dieser Quarzuhren bestand im Laufe der Zeit aus den Kalibern 350 bis 354. Die Elektronikbauteile wurden durch Motorola und Thomson C.S.F (Frankreich) entwickelt/hergestellt. Der Schrittmotor der Uhr mit Sekundensprung wurde von der Firma Sorem produziert. Man geht von ca. 50.000 produzierten Uhren der Kaliberfamilie aus.
Die Uhren wurden von Jaeger LeCoultre unter dem Namen Master Quartz, von Favre Leuba unter dem Namen Quartz Raider und von GP unter Quartz aufgelegt und bis ca. Ende der 1970er Jahre vertrieben. Teilweise wurden die gleichen Gehäuse nur mit anderen Zifferblättern benutzt.
Die hier gezeigte Uhr verwendet das letzte Kaliber dieser Reihe, das GP 354-016:
Der Schwingquarz der Uhr, welcher den Takt von 32768 Hz generiert, ist ab dem GP 351gekapselt (unten gegenüber der Krone). Dieser Schwingungswert wird im elektronischen Prozessor 15x durch 2 geteilt, um dann in einen Impuls pro Sekunde für den Schrittmotor (links der Mitte unter dem Kunststoffrad) umgewandelt zu werden. Ein kleines Potenziometer mit einer Vierkant "Inbus"-Schraube ist vorhanden, um die Frequenz einzujustieren und ein Genauigkeit von weit unter 1 Sekunde pro Tag zu erreichen.
Auffällig an dieser Kaliber-Reihe ist der völlige Verzicht auf Rubinlager (No (0) Jewels). Mechanisch belastete Wellen befinden sich in selbstschmierenden bzw. nicht zu schmierenden Teflonlagern, wobei hier die Lagerlöcher von einem eingepressten Teflonring umkleidet werden. Eine Schmierung der Lager mit Öl führt ggf. zu Verschleiß und zum Defekt dieser Uhren.
Bild aufgenommen von @Theo951 bei einer anderen GP Uhr von mir des Kalibers 352
Wie schon geschrieben, wurde die Produktion dieser frühen Quarzuhren alsbald eingestellt und diese durch kleinere Werke und weniger empfindliche Bauteile von anderen Firmen ersetzt. Die hohen Herstellungskosten und die sinkenden Verkaufspreise führten dazu, dass sich LED- und LCD-Uhren aus Fernost durchsetzten und die konventionelle schweizerische Uhrenindustrie fast ruinierten (Quarzkrise). Die teuren Quarzuhren mit den frühen elektronischen Werken starben sehr schnell aus wie der Neandertaler. Von den Kalibern GP 350-354 blieb lediglich der Standard von 32768 Hz für die Schwingquarze übrig, die auch heute noch in großen Zahlen in Armbanduhren verbaut werden.
Die Firma GP wurde 1791 gegründet und ist auch weiterhin im Bereich der höherpreisigen Uhren sogar mit Manufakturwerken aktiv.
Hier die technischen Daten:
Edelstahlgehäuse mit Schraubboden
Durchmesser ca. 38 mm ohne Krone, Länge 41 mm, Höhe ca. 12 mm
Plexiglas (armiert)
Zeiger: Mit Tritium Leuchtmasse belegt, Sekundenzeiger weiß lackiert
Zifferblatt: Blauer Lack mit weißen Pünktchen, Indexe schwarz lackiert ohne Lume
Quarzwerk mit 32768 Oszillationen Kaliber GP 354
Batterie 313 / LR 14
Bandanstöße: 20 mm
Band: Edelstahl 20 mm zu 16 mm im Verlauf, Edelstahlfaltschließe
Nun endlich die Bilder der Uhr nach der Kur bei @Theo951:
Das Zifferblatt ist blau und sehr häufig sind diese blauen Blätter durch die Leuchtmasse (Tritium oder Radium) beschädigt. Da hier keine Lume verwendet wurde, ist das Blatt bis auf den Rand des Datumfensters intakt und typisch für die 1970er Jahre gestaltet (Foto von @Theo951 im Rahmen der Revision):
So sah die Uhr vor der Kur bei @Theo951 aus:
Hier noch Bilder von GP Werbung zur Uhr:
Das letzte Bild zeigt einen originalen großen Werbeständer der Firma GP aus den 1970er Jahren, der hier mit mit einer GP Automatik Alarm Uhr mit Jaeger LeCoultre Werk bestückt ist:
Ich hoffe, dass Euch der kleine Ausflug in die Urzeit der frühen Quarzuhren gefallen hat.
Vielen Dank an Theo für die Aufarbeitung der Uhr.
Viele Grüße
Andreas