
Brambilla
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Man kann es drehen und wenden wie man will, die Stadt Biel ist das grösste Zentrum der schweizerischen Uhrenindustrie, vielleicht sogar auf der ganzen Welt. Über 100 Uhrenfirmen haben ihren Sitz oder Produktionsstätten in Biel. Statistisch gesehen liegt jeder zehnte Arbeitsplatz in der gesamten schweizerischen Uhrenindustrie in dieser relativ kleinen Stadt (ca. 55'000 EinwohnerInnen). Alle sind sie hier: die ganz Grossen, die Mittleren und viele Kleine (und auch Feine).

Bild: foto-biel-seeland.ch
Am Anfang der Uhrenindustrie in Biel stand übrigens ein Deutscher. Der in Deutschland verfolgte Revolutionär Ernst Schüler flüchtete 1833 nach Biel und setzte dort als Kommunalpolitiker durch, dass für Uhrmacher respektive Uhrmachergeschäfte auf Stadtboden eine dreijährige Steuerbefreiung gewährt wurde. Eine erfolgreiche Strategie: um 1900 waren von den 29.557 Einwohnern in Biel 3.400 Uhrmacher.

Das ehemalige Bulova-Haus. Heute ein Verwaltungsgebäude der Candino (gehört zur Festina Gruppe)
Die zweisprachige Stadt Biel (französisch: Bienne) kämpft - ungeachtet der Niederlassungen von Rolex, Omega und anderen Luxusmarken -, gegen ein schlechtes Image. Man ist zwar stolz auf die Zweisprachigkeit, weniger allerdings darauf, dass Biel die höchste Sozialhilfebezüger-Quote der Schweiz hat (fast 12 Prozent). Kehren wir zu Erfreulicherem zurück.

Bild: bienne.ch
Biel hat nicht nur in horologischer oder sozialhilferechtlicher Hinsicht einiges zu bieten. Am östlichen Seeufer des Bielersees gelegen besitzt das Städtchen auch einige interessante Bauten. Neben einer kleinen und völlig intakten Altstadt (mit der wunderschönen Glycine-Boutique und der alten Aigler-Fabrik, welche später von Rolex übernommen wurde und heute Wohnungen im gehobenen Stil beherbergt), steht in Biel auch ein Wahrzeichen des sog. Brutalismus-Baustils. Nach einem Entwurf von Max Schlup gebaut, wurde das Bieler Kongresshaus schweizweit zum Symbol des Aufbruchs der Nachkriegszeit und zum Markenzeichen der Stadt.

Bild: srf.ch
Und bevor Du, lieber Leser, jetzt endgültig die Seite wegklickst, weil bisher noch gar nicht von einer Uhr, geschweige denn einer Vorstellung einer solchen die Rede war: das soeben war die Überleitung zur Omega Seamaster: Aufbruch der Nachkriegszeit und ikonenhaftes Markenzeichen.
Seit 1880 in Biel ansässig (von 1848 bis 1880 in La Chaux-de-Fond), feierte Omega 1948 sein 100-jähriges Jubiläum mit dem Startschuss der Seamaster Modellreihe. In diese Uhren floss die ganze Erfahrung, welche Omega mit den im zweiten Weltkrieg an die Britische Armee und den Alliierten ausgelieferten zigtausenden Stahluhren sammeln konnte. Die Seamaster als zivile Version der militärischen Zeitmesser verkörperte die robuste und präzise Uhr.

Bild: pinterest
Eine abgedichtete Krone und Ringdichtung sowie der Spannring aus Stahl über dem Uhrglas sorgten für eine ausreichende Wasserdichtigkeit. Es gab die Seamaster im Erscheinungsjahr 1948 sowohl mit kleiner Sekunde (automatisches Kaliber 28.10 RA RG – 343) wie auch mit einem zentralen Sekundenzeiger (28.10 RA SC – 350). Zusammen mit den darauffolgenden Kalenderversionen sowie Taucheruhren legten diese Zeitmesser den Grundstein zum Erfolg der Seamaster-Familie und wurden, noch vor der Speedmaster, zu einem Markenzeichen innerhalb der Omega Modellreihen.


70 Jahre später ehrte Omega der Seamaster-Reihe mit einer imitierten Auflage von je 1948 Seamaster im Kleid der beiden ursprünglichen Varianten.
Kleiner Einschub: bereits 2012 brachte Omega anlässlich der olympischen Spiele in London eine ebenfalls auf 1948 Stück limitierte Serie der Seamaster heraus. Verbaut darin war ein Co-Axial Kaliber 2202.

Die ersten Seamaster hatten ein Gehäuse mit einem Durchmesser von 34 mm. Hier hat Omega bei der 2018er Edition 4 mm zugelegt. Eine Konzession an den Zeitgeschmack, ohne dabei zu sehr zu übertreiben. Mit ihren 38 mm ist die Seamaster 1948 eine grosse Uhr, ohne zu gross zu wirken. Der Lug-to-Lug Abstand beträgt zivile 45.5 mm, was insgesamt, zusammen mit der Bauhöhe von 12 mm für eine kompakte Uhr sorgt, welche meines Erachtens von vielen tragbar ist.


Das schlichte Zifferblatt (abgesehen mal von der etwas extensiven Beschriftung) hat eine leicht körnige Struktur und schimmert silbern-weiss. Die Proportionen der Zeiger, der kleinen Sekunde, der Indizes und des schönen alten Omega-Logos sind korrekt und machen die Uhr angenehm unaufgeregt. Alles, was auf dem Zifferblatt weissgolden glänzt, ist auch aus Weissgold. Dafür gibt es keine Lume, diese Seamaster ist keine Toolwatch für Höhlenforscher oder Nachtwächter. Die Uhr versteht sich eher als traditioneller Zeitmesser mit einem sportlichen Vintage-Flair.

Das klassisch geschnitzte Gehäuse hat die «fetten» Bandstege der Vorgängerin geerbt, welche in einem leichten Bogen nach unten gezogen sind.


Bei aller optischer Tradition, bezüglich des Werkes hat Omega ein sehr zeitgemässes Werk verbaut. Das Kaliber 8804 ist ein METAS zertifiziertes Chronometer Werk, welches gegenüber der Standardversion 8800 mit einer kleinen Sekunde ausgestattet ist. Vom Werk sieht man leider nicht all zu viel. Irgendein «Designer» bei Omega hatte sich offenbar durchgesetzt und so wurde das Saphir-Bodenglas mit einem Crafter Boot und einem Gloster Meteor Düsenjet per Lasergravur «verziert». Grauenhaft, aber es ist nun mal so. Das Bild hierzu erspare ich euch.

Interessant ist die Verpackung der Seamaster 1948. In einer schicken, lederumhüllten Box wird die Uhr auf einem Display präsentiert. Das Display wird auf einer ebenfalls ledergefassten Metallplatte magnetisch gehalten. Dieses Feature soll wohl daran erinnern, dass das 8804 mit ausgeprägten antimagnetischen Eigenschaften ausgestattet ist. Ich hüte mich jedenfalls davor, meine Vintageuhren auch nur in die Nähe der Omega-Box zu bringen.

Die abnehmbare Metallplatte gibt zudem den Blick auf die Beilagen frei, welch mit der Uhr geliefert werden. Die Uhr ist im Auslieferungszustand an dem kürbisfarbenen Lederband. Hinzu kommen ein blaues Lederband, ein graues NATO sowie ein Werkzeug zum Bandwechsel.

Wenn ich mir die Uhr so ansehe, dann frage ich mich, weshalb Omega die 1948er Seamaster nicht als reguläres Modell ins Sortiment aufgenommen hat. Als Ergänzung zum bestehenden Seamaster Line-up hätte die 1948 sicherlich ein gewisses Potential. Es ist eine an sich einfache, aber dennoch raffiniert gestaltete Uhr, welche die Eigenschaften ihrer Vorgänger übernimmt und dabei modernste Technik bietet. Ich vermute, Omega hat die Seamaster-Reihe im Wesentlichen als Taucheruhr konzipiert.

Bild: pascal_meyer
Meine Omega habe ich übrigens von meinem Uhrmacher gekauft, der sie seinerseits in der Omega Boutique, welche sich direkt in der Omega Fabrik befindet, erworben hat. Der Händlerstempel auf der Garantiekarte verzeichnet als Adresse stolz: Nicolas G. Hayek Str. 4. In Biel, natürlich.


Zum Schluss noch die technischen Daten:
Referenz: 511.12.38.20.02.001
Kaliber: Omega 8804, 21.000 A/h
Gangreserve: 60 h
Magnetfeld-Resistenz: bis zu 15.000 Gauß
Gehäuse: Edelstahl
Durchmesser: 38 mm
Höhe: 12 mm
Bandanstoss: 19 mm
Saphirglas
Wasserdichtigkeit bis 6 atm
Limitierung: 1948 Exemplare
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