
sasolit
Themenstarter
Obwohl meine Sammlung schon als Ansammlung bezeichnet wurde, verfolgt sie zumindest in meinem Kopf eine relativ klare Strategie. Doch diese Strategie kam in den letzten Jahren dank den Entwicklungen im Uhrenmarkt arg ins Stocken. Denn für mich zeichnete er sich nur durch neue Modelle aus, die entweder in die Kategorie “unbezahlbar” (bzw. unkomfortable Preisregion) oder schlichtweg “gähnende Langeweile” (u.a. Retrowelle, LE-Varianten, „Sport“uhren) fielen.
Dabei war das nächstgrößere Ziel doch eigentlich immer recht klar: ein Modell mit einer chronometrischen “Komplikation”, bei der es sich nicht um einen Tourbillon handelt.
Wovon rede ich hier? Ich rede von Modellen wie der Romain Gauthier Logical One, dem Chronomètre Optimum von F.P. Journe oder der Girard-Perregaux Constant Escapement. Ich rede von Kette und Schnecke, vom Remontoir d'Egalité und/oder von ganz speziellen Hemmungen. Ich rede hier von einer Nische in der Nische der mechanischen Uhren. Einer Nische, die sich u.a. dank der heutigen Hemmungen und Zugfedern (bzw. deren Material und S-Form) mittlerweile durch ihre Sinnlosigkeit auszeichnet. Ich rede von einem Anachronismus zum Zwecke des bedingten Isochronismus (im Gegensatz zum Tourbillon - dieser ist mehr ein Anachronismus fast rein zum Zwecke der Ästhetik). Oder um Mr. Daniels zu zitieren:
Die Konstantkraft-Mechanismen
Ein Konstantkraft-Mechanismus hat zum Ziel, dass die Zugfeder während der gesamten Gangautonomie ein stabiles Drehmoment an die Hemmung abgibt. Hierdurch kann sie wiederum die Unruh mit gleichmäßigen Antriebsimpulse versorgen, so dass letztere eine entsprechend konstante und somit ideale Schwingungsweite aufweisen kann. Bei einer Uhr ohne einen solchen Mechanismus gibt die Zugfeder im vollaufgezogenen Zustand relativ zu viel und im fast abgelaufenen Zustand relativ zu wenig Drehmoment ab.
Bildquelle: A. Lange & Söhne – Kette, Schnecke, Nachspannwerk & Co.
Beide Zustände haben zur Folge, dass die Schwingungsweite der Unruh von ihrem konstanten Ideal stark abweicht. Da im Schwingsystem von mechanischen Uhren die Weite die Schwingungsdauer bedingt, hat dieses Verhalten der Zugfeder ein vermehrtes Auftreten von Isochronismusfehler zur Folge. Diese äußern sich letztlich in einer höheren Gangungenauigkeit während diesen Perioden.
Während der Ansatz von Kette und Schnecke sich die Hebelkraft zunutze macht, um dieses unerwünschte Verhalten direkt am Federhaus auszugleichen, speichert der Remontoir d'Egalité die Kraft für einen kurzen Zeitraum in einer eigenen Feder zwischen, um sie dann wohl portioniert an die Hemmung weiterzugeben. Daher wird bei beiden Herangehensweisen durchweg der Gangautonomie ein konstantes Drehmoment erreicht, wobei dem Remontoir d'Egalité dies besser gelingt. Neben dem Ziel sich dem bedingten Isochronismus anzunähern vereint aber ein weiterer Aspekt beide Ansätze (und erst recht die speziellen Konstantkraft-Hemmungen): das unkomfortable Preisschild. Dieses entsteht - halbwegs nachvollziehbar - durch den großen Aufwand, der hierfür betrieben werden muss. Doch es gibt noch eine weitere, kostengünstigere aber nichtsdestotrotz anachronistische Option, die aber geschummelt ist.
Die Malteserkreuz-Stellung
Bei der Malteserkreuz-Stellung handelt es sich um eine Aufzugssperre, die insbesondere bei den bruchgefährdeten Karbonstahl-Zugfedern zum Einsatz kam. Somit ist ihr eigentliches Ziel eine Beschädigung des Uhrwerks durch übermäßiges Aufziehen zu verhindern, in dem die Aufzug-Umdrehungs-Anzahl beschränkt wird. Hierfür wird klassischerweise auf der Federwelle ein Finger montiert, der in die Lücken eines mit dem Federhausdeckel verschraubten Sternrads (in Form eines Malteserkreuzes) greift. Beim Aufziehen der Zugfeder sorgt der Finger dafür, dass sich dieses Sternrad bei jeder vollen Aufzug-Umdrehung um einen von vier konkaven Kreuzarmen (in der am häufigsten vorkommenden Form) weiter dreht, bis ein konvex gewölbter Kreuzarm den weiteren Aufzug zur letzten, vollen Umdrehungs-Position blockiert.
Bildquelle: Uhrentechnik: Malteserkreuz-Stellung
Insgesamt ist die Malteserkreuz-Stellung eine technisch eher aufwendige Lösung. Entsprechend ist es nur folgerichtig, dass sie in Zeiten der nahezu bruchfesten Zugfeder-Legierungen durch den simpleren Gleitzaum ersetzt wurde, der das ursprüngliche Aufzugsproblem genauso gut wenn nicht gar besser löst. Denn die Stellung bringt auch noch einen nachteiligen Nebeneffekt mit sich.
Der konvex gewölbte Kreuzarm ist natürlich nicht nur relevant, wenn die Uhr aufgezogen wird, sondern auch wenn sich die Gangautonomie dem Ende nähert. Denn natürlich bewegen sich beim Ablaufen der Zugfeder das Federhaus und somit auch das Sternrad in Richtung Ausgangsposition, so dass der Finger beim Erreichen der ersten Aufzug-Umdrehungs-Position wieder eingreift. Dies führt entsprechend dazu, dass die Uhr ihre Arbeit einstellt, bevor die Zugfeder vollständig abgelaufen ist. Die Lösung durch die klassische Malteserkreuz-Stellung geht also Hand in Hand mit einer signifikant geringeren Gangreserve (ca. 60 %), da der Aufzug und Ablauf der Feder nach oben bzw. nach unten begrenzt wird.
Allerdings führt dieser Nebeneffekt auch dazu, dass die für Isochronismusfehler anfälligsten Zustände der Zugfeder umgangen werden. Damit nähert sich das freigesetzte Drehmoment - über die mögliche Gangautonomie betrachtet - wieder dem konstanten Ideal an. Nicht ganz so nah, wie es mit richtigen Konstantkraft-Mechanismen möglich wäre, da ein linearer Abfall weiterhin existiert, aber nah genug dass ein gleichbleibendes, berechenbares Drehmoment entsteht. So ist es statt einer Constant viel mehr eine Equal Force, die hier den anachronistischen Schritt Richtung bedingter Isochronismus tätigt.
Exkurs: Über Armin Strom
Nachdem es sich bei diesem Thread um die erste Vorstellung einer Armin Strom im UF handelt, möchte ich vorab meiner Beweggründe für die Gravity Equal Force ein wenig auf die Geschichte der Marke eingehen. Diese beginnt 1967 mit der Übernahme eines kleinen Uhrmachergeschäfts in Burgdorf (Kanton Bern) durch den Namensgeber: Armin Strom. Hier reparierte und verkaufte er Uhren von anderen Herstellern, werkelte aber im Hintergrund auch an eigenen Kreationen, die er auf Kundenwunsch anfertigte. Hierbei entwickelte er seine Faszination dafür möglichst alle Teile, die keine aktive Funktion für den Betrieb haben, aus dem Uhrwerk zu entfernen, um das Innenleben der Uhr sichtbarer zu machen. Entsprechend wurden das Skelettieren zu seiner Spezialität und das zusätzliche Gravieren der verbleibenden Teile zu seiner Leidenschaft.
Bildquelle: Armin Strom
Erst 1984, als er die Uhren unter seinem eigenen Namen erstmals auf der damaligen Basler Uhrenmesse präsentierte, wurde Armin Strom einer breiteren Masse bekannt. In Folge dessen entwickelte er sich zu einer Legende in der Kunst des Handsklettierens. So zeichnete Armin Strom für die kleinsten jemals skelettierten Uhr der Welt (eine Damenuhr von 12,5 mm Durchmesser) aus dem Jahre 1990 aber auch u.a. für alle skelettierten Sondermodelle der Omega Speedmaster (z.B. die unten abgebildete 3097.30.00) bis 2003 verantwortlich.
Bildquelle: SKELETONIZED SPEEDMASTERS - WATCH BOOKS ONLY
Warum nur bis 2003? Nun, Armin Strom (immerhin Jahrgang 1939) begann zu diesem Zeitpunkt seinen Abtritt von der Bühne vorzubereiten. Ein Grund hierfür war aber auch, dass es immer schwieriger wurde als auf Einzelstücke spezialisierter Einmannbetrieb zu agieren, da seine Zulieferer (sprich ETA) ihm kaum mehr einzelne Teile verkaufen wollten. So kam es dazu, dass in 2006 der Burgdorfer Unternehmer Wilhelm “Willy” Michel (geschätztes Vermögen in 2019: CHF 1,5 Milliarden), der bereits zum Kundenkreis von Armin Strom zählte, einen 51 %-Mehrheit an der frisch gegründeten Armin Strom AG erwarb. Die anderen 49 % verblieben bei Armin Strom, der sich erst 2011 im Alter von 74 Jahren aus dem operativen Tagesgeschäft und in 2016 vollständig zurückzog.
Die Unternehmensführung trat Herr Strom allerdings bereits 2006 an Willy Michels jüngsten Sohn Serge (Jahrgang 1978) ab. Dieser wiederum brachte 2007 einen alten Schulfreund mit an Bord: Claude Greisler (ebenso Jahrgang 1978), der zuvor drei Jahre lang Entwickler bei Christopher Claret war. Während sich Serge Michel seitdem um die wirtschaftliche Seite des Unternehmens kümmert, ist Claude Greisler für das Design der Uhren und Werke verantwortlich. Letzterer wurde unlängst von Tim Mosso als „one of the best Heads of Technical Development in the business“ bezeichnet.
Serge Michel (links) und Claude Greisler (rechts)
Bildquelle: Armin Strom
Dann ging es Schlag auf Schlag. Um aus der Teile-Abhängigkeit auszubrechen, folgte im Wirtschaftskrisenjahr 2008 die Entscheidung für eine eigene Werksproduktion (auch da man sehr günstig an die entsprechende Maschinerie kam) und somit der Schritt zur vollwertigen “Manufaktur”. Greisler entwarf hierauf das Grunddesign für das spätere ARM09. So entstand ein modulares Basiskaliber, das ab 2009 an einem brandneuen Standort in Biel gefertigt wurde - mit Hilfe eines völlig neuen Maschinenparks und viel neuen Personals (bei Watches.TV gibt es einen schönen Einblick in die Fertigung).
Bildquelle: Horological Meandering - Armin Strom Swiss Watch Overview & the Max Chilton Edge Watch at Texas Motor Speedway
Auf der Baselworld 2010 erfolgte die Präsentation der ersten Kollektion mit diesem eigenen Kaliber, welche in Folge dessen u.a. mit einer Tourbillon-Variante ergänzt wurde. In 2016 erblickte dann die Mirrored Force Resonance das Licht der Welt und ließ an Mechanik interessierte Sammler (kritisch) aufhorchen. Der Grund hierfür war, dass es sich erst um die dritte Armbanduhr handelte, die das Phänomen des Resonanzeffekts ausnutzte (die beiden anderen Vertreter sind der F.P. Journe Chronometre à Resonance und die Haldimann H2 Flying Resonance).
Heute stellt Armin Strom etwa 600 Uhren im Jahr her (deren Werke eine Fertigungstiefe von 98 % aufweisen), erwirtschaftet einen zweistelligen Umsatzanteil mit der Teilefertigung für andere Hersteller und arbeitet wohl profitabel.
Armin Strom aus meiner Perspektive
Ehrlich gesagt, hatten mich die Uhren aus der Manufaktur Armin Strom persönlich nie interessiert. Die auf dem ARM09-Kaliber aufbauenden Modelle und ihre Nachfolger sind zwar architektonisch interessant, aber sie sind auch schlichtweg nicht mein Geschmack (was untertrieben formuliert ist). Hinzu kamen noch merkwürdige Marketingstunts wie beispielsweise ein Cognac-Modell, auf die ich immer ein wenig allergisch reagiere. Und zu groß im Durchmesser für das Gebotene sind sie auch noch.
Ihrer auf Christiaan Huygens basierender Implementation des Resonanzeffekts stehe ich anerkennend, aber doch - trotz positiver Bestätigung durch das CSEM - kritisch gegenüber, da er über eine Kupplungsfeder realisiert wird. Als Anhänger des Ansatzes von Abraham Louis Breguet gehöre ich aber zu den Puristen, die darauf bestehen, dass dieser Effekt ohne dedizierte physische Verbindung zwischen den Schwingsystemen erreicht wird, wie dies z.B. bei Journe passiert. Nichtsdestotrotz waren die Resonance-Modelle für mich zumindest ein Schritt in die richtige Richtung hinsichtlich des technischen Anspruchs und die späteren Varianten schließlich auch in Sachen der Optik.
Und dann kam die Gravity Equal Force.
Die Armin Strom Gravity Equal Force
Wie vor etwa 1.600 Wörtern (mea culpa) erwähnt, begegne ich den aktuellen Neuerscheinungen im Uhrenmarkt meist nur mit Desinteresse (welche Ironie für einen Uhren-News-Schreiber). Entsprechend selten kann daher ein brandneues Modell mein Interesse wecken und wenn dies geschieht liegt es dann meistens im unkomfortablen, sechsstelligen Preisbereich. Doch manchmal kommt etwas unerwartet um die Ecke, das die bisherige Planung (eigentlich war eine Ressence angedacht, weil der Punkt innovative Zeitanzeige auch noch abgehakt gehört) über den Haufen wirft. So erging es mir mit dem Diesel-Abklatsch namens Gravity Equal Force von Armin Strom. Oder um mich selbst aus dem dazugehörigen News-Thread zu zitieren:
Das Gesicht der Gravity Equal Force kumuliert gefühlt die verschiedenen Designansätze die Armin Strom in den Jahren zuvor gefahren hat. So trifft die von vorne sichtbare Skelettierung von Brücken und Co., die bei der Skeleton Pure zu finden ist, auf das dezentrale und kleine, aber dafür geschlossene Zifferblatt der Pure Resonance. Auch die klare vertikale Teilung der Front in Zifferblatt links (mitsamt einer kleinen Sekunde zwischen sieben und acht Uhr) und Innenleben rechts (von oben nach unten: Mikrorotor, Kronenmechanismus und Federhaus) weist auf eine Design-Verwandtschaft zu den Resonance-Modellen hin.
Eine kleine, direkte Gegenüberstellung der drei genannten Modelle (Größen nicht maßstabsgetreu)
Die Gravity Equal Force zeigt aber auch eigenständige Weiterentwicklungen der Designsprache. So ist erstmalig die “Lippe” nur noch angedeutet. Sie zierte bis dahin immer markant die Lünette auf sechs Uhr und war eine direkte Hommage an die Person Armin Strom. Er nutzte die Lippe, um die Initialen des Besitzers einzugravieren. Ihr Wegfall ermöglicht endlich eine schmälere Lünette. Die aus Stahl gefertigten Zeiger (eine Lancette-Form mit einem Hauch von Pipette) sind erstmals skelettiert. Hinzu kommt, dass die Gravity Equal Force mit 41,0mm im Durchmesser das kleinste Modell der aktuellen Herren-Kollektion ist.
In Summe ergibt das Zusammenspiel der diversen Elemente die erste Vorderseite eines Armin Strom-Modells, die mir auf den ersten Blick vollkommen zusagt - wohl auch, weil sie mich ein wenig an eine meiner Gralsuhren erinnert. Aber sie ist sicherlich nicht Jedermanns Cup of Tea. Gleiches gilt wohl auch für die markanten Hörner. Aber wenden wir uns den Innereien zu, denn diese sind es, die mich zu dieser Uhr trieben.
Das ASB19
Abseits der skelettierten Optik mag das Werk der Gravity Equal Force erstmal recht unscheinbar erscheinen. Keine komplexe Architektur, keine übermäßig auffällige Finissage. Doch in beiden Fällen lohnt es sich mal genauer hinschauen.
Beginnen wir mit der Finissierung. Auf der Rückseite dominiert eine große, “Dreiviertel”-ähnliche Platine, die sehr ungewöhnliche Côtes de Genève aufweist und mehrheitlich den Perlage der Hauptplatine verdeckt. In der Mitte befindet sich ein kleiner, lasergravierter Roman. Dessen matte Textur bildet einen sehr schönen Kontrast sowohl zu den spiegelpolierten Schrauben als auch zur Anglage.
Letztere ist der Grund, warum es sich lohnt genauer hinzuschauen, denn die Anglage ist sowohl recht breit ausgeführt als auch in insgesamt zwei einspringende Ecken auf der Rück- und gar sechs auf der Vorderseite appliziert. Dies ist in dieser Preisklasse äußerst bemerkenswert.
Aber wirklich interessant wird es erst in Sachen Technik, denn hier findet sich eine nahezu unsichtbare Weltpremiere: Die erste Malteserkreuz-Stellung in einer Automatik-Uhr.
Um diese zu realisieren, wird das Räderwerk nicht wie üblich über das verzahnte Federhaus sondern über den Federkern angetrieben, dessen Welle um Reibung zu vermeiden auch rubingelagert ist. Somit handelt es sich hier um ein sogenanntes „Jeweled Motor Barrel“, bei dem das Federhaus außer während des Aufzugs vollständig stillsteht. Diese Implementation kam seinerzeit insbesondere in sehr hochwertigen amerikanischen Taschenuhren zum Einsatz kam, da durch sie Beschädigungen durch einen Federbruch zu vermieden werden konnten, da in einem solchen Fall die explosive Kraft statt an das filigrane Räderwerk an den etwas robusteren Kronenmechanismus abgeben wurde. In der Gravity Equal Force hat dies den lustigen Nebeneffekt, dass der Mikrorotor sich beim Aufzug mit der Hand mitbewegt, so dass die Uhr beim initialen Aufziehen merklich zum Leben erwacht.
An die Federkernwelle des Motor Barrels angedockt befindet sich auch die Malteserkreuz-Stellung. Letztere ist hier nicht wie üblich fest verschraubt mit dem Federhausdeckel, sondern sorgt mehrheitlich verborgen im Inneren des Federhauses - wie vorab beschrieben - für eine gleichmäßige Abgabe des Drehmoments an das Räderwerk über die verknüpfte Welle des Motor Barrels. Diese andersartige Integration der Stellung ist notwendig, damit sie den Mikrorotor bei Vollaufzug über ein sehr, sehr kleines Hebelchen vom Federhaus entkoppeln kann. Was sie aber nicht ändern kann, ist die Reduktion der Gangreserve, da sich durch die Stellung die maximale Anzahl an möglichen, vollständigen Umdrehungen des Federkerns von 12,5 auf neun reduziert. Aber die erreichten 72 Stunden Gangreserve, in denen die Zugfeder-Drehmomentkurve entsprechend auch weitgehend flach verläuft, sind immer noch mehr als ausreichend. Und wer bis hierhin aufmerksam gelesen hat, wird bemerkt haben, dass die Malteserkreuzung-Stellung sogar 72 % statt der üblichen 60 % Gangreserve schafft.
In Zusammenfassung ist die Hauptattraktion des Werks also eine neuartige Kombination aus zwei altertümlichen Mechaniken - Malteserkreuz-Stellung und Motor Barrel - gepaart mit der eigenen Innovation des Entkopplungmechanismus, das in Gänze den Namen „Equal Force Barrel“ trägt. Was man nicht alles für ein bisschen sowas wie Konstantkraft tut.
Fazit
Die Marketing-Abteilung von Armin Strom bezeichnet die Gravity Equal Force als eine neue Ära für die Manufaktur. Dieser Aussage kann ich - untypischerweise - nur anstandslos zustimmen, denn ich sehe sie nun in einem ganz neuen Licht. Über das Design kann man sich wie so oft uneins sein (mir gefällt es wie erwähnt), aber für die pfiffige Kombination aus alter und neuer Technik, die das Thema Konstantkraft neu interpretiert, kann ich schlicht nur meinen Hut ziehen. Ob diese in irgendeiner Form sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt, aber letztlich treffen die Worte von George Daniels wieder ins Schwarze:
Aber trotz aller positiven Gefühle wird mich die Uhr demnächst wohl vorerst verlassen… aber aus ganz anderen Gründen als üblich.
Technische Daten
Gehäuse: Stahl
Durchmesser: 41,0mm
Lug-to-Lug: 47,0mm
Höhe: 12,65mm
WaDi: 30m
Werk: ASB19
Gangreserve: 72 Stunden
Unruhfrequenz: 3,5 Hertz
Komplikationen: Gangreserveanzeige, Malteserkreuz-Stellung, “Motor Barrel” / stehendes Federhaus, Aufzugs-Entkopplung
Dabei war das nächstgrößere Ziel doch eigentlich immer recht klar: ein Modell mit einer chronometrischen “Komplikation”, bei der es sich nicht um einen Tourbillon handelt.
Wovon rede ich hier? Ich rede von Modellen wie der Romain Gauthier Logical One, dem Chronomètre Optimum von F.P. Journe oder der Girard-Perregaux Constant Escapement. Ich rede von Kette und Schnecke, vom Remontoir d'Egalité und/oder von ganz speziellen Hemmungen. Ich rede hier von einer Nische in der Nische der mechanischen Uhren. Einer Nische, die sich u.a. dank der heutigen Hemmungen und Zugfedern (bzw. deren Material und S-Form) mittlerweile durch ihre Sinnlosigkeit auszeichnet. Ich rede von einem Anachronismus zum Zwecke des bedingten Isochronismus (im Gegensatz zum Tourbillon - dieser ist mehr ein Anachronismus fast rein zum Zwecke der Ästhetik). Oder um Mr. Daniels zu zitieren:
Ich rede von Konstantkraft-Mechanismen.George Daniels schrieb:For a general use with modern escapements the methods of springing and adjusting watches have eliminated the necessity for constant power so that aids to this end are no longer used.
Die Konstantkraft-Mechanismen
Ein Konstantkraft-Mechanismus hat zum Ziel, dass die Zugfeder während der gesamten Gangautonomie ein stabiles Drehmoment an die Hemmung abgibt. Hierdurch kann sie wiederum die Unruh mit gleichmäßigen Antriebsimpulse versorgen, so dass letztere eine entsprechend konstante und somit ideale Schwingungsweite aufweisen kann. Bei einer Uhr ohne einen solchen Mechanismus gibt die Zugfeder im vollaufgezogenen Zustand relativ zu viel und im fast abgelaufenen Zustand relativ zu wenig Drehmoment ab.

Bildquelle: A. Lange & Söhne – Kette, Schnecke, Nachspannwerk & Co.
Beide Zustände haben zur Folge, dass die Schwingungsweite der Unruh von ihrem konstanten Ideal stark abweicht. Da im Schwingsystem von mechanischen Uhren die Weite die Schwingungsdauer bedingt, hat dieses Verhalten der Zugfeder ein vermehrtes Auftreten von Isochronismusfehler zur Folge. Diese äußern sich letztlich in einer höheren Gangungenauigkeit während diesen Perioden.
Während der Ansatz von Kette und Schnecke sich die Hebelkraft zunutze macht, um dieses unerwünschte Verhalten direkt am Federhaus auszugleichen, speichert der Remontoir d'Egalité die Kraft für einen kurzen Zeitraum in einer eigenen Feder zwischen, um sie dann wohl portioniert an die Hemmung weiterzugeben. Daher wird bei beiden Herangehensweisen durchweg der Gangautonomie ein konstantes Drehmoment erreicht, wobei dem Remontoir d'Egalité dies besser gelingt. Neben dem Ziel sich dem bedingten Isochronismus anzunähern vereint aber ein weiterer Aspekt beide Ansätze (und erst recht die speziellen Konstantkraft-Hemmungen): das unkomfortable Preisschild. Dieses entsteht - halbwegs nachvollziehbar - durch den großen Aufwand, der hierfür betrieben werden muss. Doch es gibt noch eine weitere, kostengünstigere aber nichtsdestotrotz anachronistische Option, die aber geschummelt ist.
Die Malteserkreuz-Stellung
Bei der Malteserkreuz-Stellung handelt es sich um eine Aufzugssperre, die insbesondere bei den bruchgefährdeten Karbonstahl-Zugfedern zum Einsatz kam. Somit ist ihr eigentliches Ziel eine Beschädigung des Uhrwerks durch übermäßiges Aufziehen zu verhindern, in dem die Aufzug-Umdrehungs-Anzahl beschränkt wird. Hierfür wird klassischerweise auf der Federwelle ein Finger montiert, der in die Lücken eines mit dem Federhausdeckel verschraubten Sternrads (in Form eines Malteserkreuzes) greift. Beim Aufziehen der Zugfeder sorgt der Finger dafür, dass sich dieses Sternrad bei jeder vollen Aufzug-Umdrehung um einen von vier konkaven Kreuzarmen (in der am häufigsten vorkommenden Form) weiter dreht, bis ein konvex gewölbter Kreuzarm den weiteren Aufzug zur letzten, vollen Umdrehungs-Position blockiert.

Bildquelle: Uhrentechnik: Malteserkreuz-Stellung
Insgesamt ist die Malteserkreuz-Stellung eine technisch eher aufwendige Lösung. Entsprechend ist es nur folgerichtig, dass sie in Zeiten der nahezu bruchfesten Zugfeder-Legierungen durch den simpleren Gleitzaum ersetzt wurde, der das ursprüngliche Aufzugsproblem genauso gut wenn nicht gar besser löst. Denn die Stellung bringt auch noch einen nachteiligen Nebeneffekt mit sich.
Der konvex gewölbte Kreuzarm ist natürlich nicht nur relevant, wenn die Uhr aufgezogen wird, sondern auch wenn sich die Gangautonomie dem Ende nähert. Denn natürlich bewegen sich beim Ablaufen der Zugfeder das Federhaus und somit auch das Sternrad in Richtung Ausgangsposition, so dass der Finger beim Erreichen der ersten Aufzug-Umdrehungs-Position wieder eingreift. Dies führt entsprechend dazu, dass die Uhr ihre Arbeit einstellt, bevor die Zugfeder vollständig abgelaufen ist. Die Lösung durch die klassische Malteserkreuz-Stellung geht also Hand in Hand mit einer signifikant geringeren Gangreserve (ca. 60 %), da der Aufzug und Ablauf der Feder nach oben bzw. nach unten begrenzt wird.
Allerdings führt dieser Nebeneffekt auch dazu, dass die für Isochronismusfehler anfälligsten Zustände der Zugfeder umgangen werden. Damit nähert sich das freigesetzte Drehmoment - über die mögliche Gangautonomie betrachtet - wieder dem konstanten Ideal an. Nicht ganz so nah, wie es mit richtigen Konstantkraft-Mechanismen möglich wäre, da ein linearer Abfall weiterhin existiert, aber nah genug dass ein gleichbleibendes, berechenbares Drehmoment entsteht. So ist es statt einer Constant viel mehr eine Equal Force, die hier den anachronistischen Schritt Richtung bedingter Isochronismus tätigt.
Exkurs: Über Armin Strom
Nachdem es sich bei diesem Thread um die erste Vorstellung einer Armin Strom im UF handelt, möchte ich vorab meiner Beweggründe für die Gravity Equal Force ein wenig auf die Geschichte der Marke eingehen. Diese beginnt 1967 mit der Übernahme eines kleinen Uhrmachergeschäfts in Burgdorf (Kanton Bern) durch den Namensgeber: Armin Strom. Hier reparierte und verkaufte er Uhren von anderen Herstellern, werkelte aber im Hintergrund auch an eigenen Kreationen, die er auf Kundenwunsch anfertigte. Hierbei entwickelte er seine Faszination dafür möglichst alle Teile, die keine aktive Funktion für den Betrieb haben, aus dem Uhrwerk zu entfernen, um das Innenleben der Uhr sichtbarer zu machen. Entsprechend wurden das Skelettieren zu seiner Spezialität und das zusätzliche Gravieren der verbleibenden Teile zu seiner Leidenschaft.


Bildquelle: Armin Strom
Erst 1984, als er die Uhren unter seinem eigenen Namen erstmals auf der damaligen Basler Uhrenmesse präsentierte, wurde Armin Strom einer breiteren Masse bekannt. In Folge dessen entwickelte er sich zu einer Legende in der Kunst des Handsklettierens. So zeichnete Armin Strom für die kleinsten jemals skelettierten Uhr der Welt (eine Damenuhr von 12,5 mm Durchmesser) aus dem Jahre 1990 aber auch u.a. für alle skelettierten Sondermodelle der Omega Speedmaster (z.B. die unten abgebildete 3097.30.00) bis 2003 verantwortlich.


Bildquelle: SKELETONIZED SPEEDMASTERS - WATCH BOOKS ONLY
Warum nur bis 2003? Nun, Armin Strom (immerhin Jahrgang 1939) begann zu diesem Zeitpunkt seinen Abtritt von der Bühne vorzubereiten. Ein Grund hierfür war aber auch, dass es immer schwieriger wurde als auf Einzelstücke spezialisierter Einmannbetrieb zu agieren, da seine Zulieferer (sprich ETA) ihm kaum mehr einzelne Teile verkaufen wollten. So kam es dazu, dass in 2006 der Burgdorfer Unternehmer Wilhelm “Willy” Michel (geschätztes Vermögen in 2019: CHF 1,5 Milliarden), der bereits zum Kundenkreis von Armin Strom zählte, einen 51 %-Mehrheit an der frisch gegründeten Armin Strom AG erwarb. Die anderen 49 % verblieben bei Armin Strom, der sich erst 2011 im Alter von 74 Jahren aus dem operativen Tagesgeschäft und in 2016 vollständig zurückzog.
Die Unternehmensführung trat Herr Strom allerdings bereits 2006 an Willy Michels jüngsten Sohn Serge (Jahrgang 1978) ab. Dieser wiederum brachte 2007 einen alten Schulfreund mit an Bord: Claude Greisler (ebenso Jahrgang 1978), der zuvor drei Jahre lang Entwickler bei Christopher Claret war. Während sich Serge Michel seitdem um die wirtschaftliche Seite des Unternehmens kümmert, ist Claude Greisler für das Design der Uhren und Werke verantwortlich. Letzterer wurde unlängst von Tim Mosso als „one of the best Heads of Technical Development in the business“ bezeichnet.
Serge Michel (links) und Claude Greisler (rechts)

Bildquelle: Armin Strom
Dann ging es Schlag auf Schlag. Um aus der Teile-Abhängigkeit auszubrechen, folgte im Wirtschaftskrisenjahr 2008 die Entscheidung für eine eigene Werksproduktion (auch da man sehr günstig an die entsprechende Maschinerie kam) und somit der Schritt zur vollwertigen “Manufaktur”. Greisler entwarf hierauf das Grunddesign für das spätere ARM09. So entstand ein modulares Basiskaliber, das ab 2009 an einem brandneuen Standort in Biel gefertigt wurde - mit Hilfe eines völlig neuen Maschinenparks und viel neuen Personals (bei Watches.TV gibt es einen schönen Einblick in die Fertigung).

Bildquelle: Horological Meandering - Armin Strom Swiss Watch Overview & the Max Chilton Edge Watch at Texas Motor Speedway
Auf der Baselworld 2010 erfolgte die Präsentation der ersten Kollektion mit diesem eigenen Kaliber, welche in Folge dessen u.a. mit einer Tourbillon-Variante ergänzt wurde. In 2016 erblickte dann die Mirrored Force Resonance das Licht der Welt und ließ an Mechanik interessierte Sammler (kritisch) aufhorchen. Der Grund hierfür war, dass es sich erst um die dritte Armbanduhr handelte, die das Phänomen des Resonanzeffekts ausnutzte (die beiden anderen Vertreter sind der F.P. Journe Chronometre à Resonance und die Haldimann H2 Flying Resonance).
Heute stellt Armin Strom etwa 600 Uhren im Jahr her (deren Werke eine Fertigungstiefe von 98 % aufweisen), erwirtschaftet einen zweistelligen Umsatzanteil mit der Teilefertigung für andere Hersteller und arbeitet wohl profitabel.
Armin Strom aus meiner Perspektive
Ehrlich gesagt, hatten mich die Uhren aus der Manufaktur Armin Strom persönlich nie interessiert. Die auf dem ARM09-Kaliber aufbauenden Modelle und ihre Nachfolger sind zwar architektonisch interessant, aber sie sind auch schlichtweg nicht mein Geschmack (was untertrieben formuliert ist). Hinzu kamen noch merkwürdige Marketingstunts wie beispielsweise ein Cognac-Modell, auf die ich immer ein wenig allergisch reagiere. Und zu groß im Durchmesser für das Gebotene sind sie auch noch.
Ihrer auf Christiaan Huygens basierender Implementation des Resonanzeffekts stehe ich anerkennend, aber doch - trotz positiver Bestätigung durch das CSEM - kritisch gegenüber, da er über eine Kupplungsfeder realisiert wird. Als Anhänger des Ansatzes von Abraham Louis Breguet gehöre ich aber zu den Puristen, die darauf bestehen, dass dieser Effekt ohne dedizierte physische Verbindung zwischen den Schwingsystemen erreicht wird, wie dies z.B. bei Journe passiert. Nichtsdestotrotz waren die Resonance-Modelle für mich zumindest ein Schritt in die richtige Richtung hinsichtlich des technischen Anspruchs und die späteren Varianten schließlich auch in Sachen der Optik.
Und dann kam die Gravity Equal Force.
Die Armin Strom Gravity Equal Force
Wie vor etwa 1.600 Wörtern (mea culpa) erwähnt, begegne ich den aktuellen Neuerscheinungen im Uhrenmarkt meist nur mit Desinteresse (welche Ironie für einen Uhren-News-Schreiber). Entsprechend selten kann daher ein brandneues Modell mein Interesse wecken und wenn dies geschieht liegt es dann meistens im unkomfortablen, sechsstelligen Preisbereich. Doch manchmal kommt etwas unerwartet um die Ecke, das die bisherige Planung (eigentlich war eine Ressence angedacht, weil der Punkt innovative Zeitanzeige auch noch abgehakt gehört) über den Haufen wirft. So erging es mir mit dem Diesel-Abklatsch namens Gravity Equal Force von Armin Strom. Oder um mich selbst aus dem dazugehörigen News-Thread zu zitieren:
Aber warum?Lieber Geldbeutel, die ist gefährlich.

Das Gesicht der Gravity Equal Force kumuliert gefühlt die verschiedenen Designansätze die Armin Strom in den Jahren zuvor gefahren hat. So trifft die von vorne sichtbare Skelettierung von Brücken und Co., die bei der Skeleton Pure zu finden ist, auf das dezentrale und kleine, aber dafür geschlossene Zifferblatt der Pure Resonance. Auch die klare vertikale Teilung der Front in Zifferblatt links (mitsamt einer kleinen Sekunde zwischen sieben und acht Uhr) und Innenleben rechts (von oben nach unten: Mikrorotor, Kronenmechanismus und Federhaus) weist auf eine Design-Verwandtschaft zu den Resonance-Modellen hin.
Eine kleine, direkte Gegenüberstellung der drei genannten Modelle (Größen nicht maßstabsgetreu)


Die Gravity Equal Force zeigt aber auch eigenständige Weiterentwicklungen der Designsprache. So ist erstmalig die “Lippe” nur noch angedeutet. Sie zierte bis dahin immer markant die Lünette auf sechs Uhr und war eine direkte Hommage an die Person Armin Strom. Er nutzte die Lippe, um die Initialen des Besitzers einzugravieren. Ihr Wegfall ermöglicht endlich eine schmälere Lünette. Die aus Stahl gefertigten Zeiger (eine Lancette-Form mit einem Hauch von Pipette) sind erstmals skelettiert. Hinzu kommt, dass die Gravity Equal Force mit 41,0mm im Durchmesser das kleinste Modell der aktuellen Herren-Kollektion ist.

In Summe ergibt das Zusammenspiel der diversen Elemente die erste Vorderseite eines Armin Strom-Modells, die mir auf den ersten Blick vollkommen zusagt - wohl auch, weil sie mich ein wenig an eine meiner Gralsuhren erinnert. Aber sie ist sicherlich nicht Jedermanns Cup of Tea. Gleiches gilt wohl auch für die markanten Hörner. Aber wenden wir uns den Innereien zu, denn diese sind es, die mich zu dieser Uhr trieben.

Das ASB19
Abseits der skelettierten Optik mag das Werk der Gravity Equal Force erstmal recht unscheinbar erscheinen. Keine komplexe Architektur, keine übermäßig auffällige Finissage. Doch in beiden Fällen lohnt es sich mal genauer hinschauen.

Beginnen wir mit der Finissierung. Auf der Rückseite dominiert eine große, “Dreiviertel”-ähnliche Platine, die sehr ungewöhnliche Côtes de Genève aufweist und mehrheitlich den Perlage der Hauptplatine verdeckt. In der Mitte befindet sich ein kleiner, lasergravierter Roman. Dessen matte Textur bildet einen sehr schönen Kontrast sowohl zu den spiegelpolierten Schrauben als auch zur Anglage.

Letztere ist der Grund, warum es sich lohnt genauer hinzuschauen, denn die Anglage ist sowohl recht breit ausgeführt als auch in insgesamt zwei einspringende Ecken auf der Rück- und gar sechs auf der Vorderseite appliziert. Dies ist in dieser Preisklasse äußerst bemerkenswert.

Aber wirklich interessant wird es erst in Sachen Technik, denn hier findet sich eine nahezu unsichtbare Weltpremiere: Die erste Malteserkreuz-Stellung in einer Automatik-Uhr.
Um diese zu realisieren, wird das Räderwerk nicht wie üblich über das verzahnte Federhaus sondern über den Federkern angetrieben, dessen Welle um Reibung zu vermeiden auch rubingelagert ist. Somit handelt es sich hier um ein sogenanntes „Jeweled Motor Barrel“, bei dem das Federhaus außer während des Aufzugs vollständig stillsteht. Diese Implementation kam seinerzeit insbesondere in sehr hochwertigen amerikanischen Taschenuhren zum Einsatz kam, da durch sie Beschädigungen durch einen Federbruch zu vermieden werden konnten, da in einem solchen Fall die explosive Kraft statt an das filigrane Räderwerk an den etwas robusteren Kronenmechanismus abgeben wurde. In der Gravity Equal Force hat dies den lustigen Nebeneffekt, dass der Mikrorotor sich beim Aufzug mit der Hand mitbewegt, so dass die Uhr beim initialen Aufziehen merklich zum Leben erwacht.
An die Federkernwelle des Motor Barrels angedockt befindet sich auch die Malteserkreuz-Stellung. Letztere ist hier nicht wie üblich fest verschraubt mit dem Federhausdeckel, sondern sorgt mehrheitlich verborgen im Inneren des Federhauses - wie vorab beschrieben - für eine gleichmäßige Abgabe des Drehmoments an das Räderwerk über die verknüpfte Welle des Motor Barrels. Diese andersartige Integration der Stellung ist notwendig, damit sie den Mikrorotor bei Vollaufzug über ein sehr, sehr kleines Hebelchen vom Federhaus entkoppeln kann. Was sie aber nicht ändern kann, ist die Reduktion der Gangreserve, da sich durch die Stellung die maximale Anzahl an möglichen, vollständigen Umdrehungen des Federkerns von 12,5 auf neun reduziert. Aber die erreichten 72 Stunden Gangreserve, in denen die Zugfeder-Drehmomentkurve entsprechend auch weitgehend flach verläuft, sind immer noch mehr als ausreichend. Und wer bis hierhin aufmerksam gelesen hat, wird bemerkt haben, dass die Malteserkreuzung-Stellung sogar 72 % statt der üblichen 60 % Gangreserve schafft.
In Zusammenfassung ist die Hauptattraktion des Werks also eine neuartige Kombination aus zwei altertümlichen Mechaniken - Malteserkreuz-Stellung und Motor Barrel - gepaart mit der eigenen Innovation des Entkopplungmechanismus, das in Gänze den Namen „Equal Force Barrel“ trägt. Was man nicht alles für ein bisschen sowas wie Konstantkraft tut.

Fazit
Die Marketing-Abteilung von Armin Strom bezeichnet die Gravity Equal Force als eine neue Ära für die Manufaktur. Dieser Aussage kann ich - untypischerweise - nur anstandslos zustimmen, denn ich sehe sie nun in einem ganz neuen Licht. Über das Design kann man sich wie so oft uneins sein (mir gefällt es wie erwähnt), aber für die pfiffige Kombination aus alter und neuer Technik, die das Thema Konstantkraft neu interpretiert, kann ich schlicht nur meinen Hut ziehen. Ob diese in irgendeiner Form sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt, aber letztlich treffen die Worte von George Daniels wieder ins Schwarze:
George Daniels schrieb:The fact that the mechanism [Anm.: Er bezieht sich auf den Remontoir d'Egalité.] is quite unnecessary merely adds to its charm.
Aber trotz aller positiven Gefühle wird mich die Uhr demnächst wohl vorerst verlassen… aber aus ganz anderen Gründen als üblich.

Technische Daten
Gehäuse: Stahl
Durchmesser: 41,0mm
Lug-to-Lug: 47,0mm
Höhe: 12,65mm
WaDi: 30m
Werk: ASB19
Gangreserve: 72 Stunden
Unruhfrequenz: 3,5 Hertz
Komplikationen: Gangreserveanzeige, Malteserkreuz-Stellung, “Motor Barrel” / stehendes Federhaus, Aufzugs-Entkopplung
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