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Tomcat1960
Gast
Sir Francis Dagenham, elfter Earl of Wandsworth, war zufrieden mit dem Inhalt des Kästchens, das ihm der livrierte Bote von Smith & Smith, Uhrmacher und Juweliere in Londons vornehmer Regent Street, in sein Appartement im Ostflügel von Somerset House gebracht hatte: ein wohlregulierter Sportchronograph der Schweizer Firma Pierce, nebst offiziellem Gangschein und Zolldokumenten, mit auf Meilen geeichtem Sonderzifferblatt und dem wundervollen, gebläuten Zeigerwerk, für das die Pierce-Chronographen bekannt waren.
Sir Francis war im Weltkrieg Jagdflieger gewesen und er hatte sich den Ritterschlag mit 7 1/2 Luftsiegen und einer schweren Verwundung redlich verdient. Die Peerage war ihm zugefallen, als sein Bruder im vergangenen Jahr kinderlos verstarb, und weil er, wie es die Tradition verlangte, als Zweitgeborener "etwas Anständiges erlernt hatte", bekleidete er das Amt eines Kronanwaltes am Old Bailey, dem altehrwürdigen Londoner Schwurgericht, nur einen Steinwurf weit von seiner Stadtwohnung im Somerset House entfernt.
Am Wochenende pflegte er nach Hause zu fahren, wenn es seine Zeit erlaubte. Er nahm stets den Expresszug der Great Western nach Salisbury, der um 5 Uhr 46 die Paddington Station verließ und gegen 9 Uhr in Salisbury ankam, wo ein Wagen auf ihn wartete, um ihn nach Wandsworth Hall zu bringen. Seine gesellschaftliche Stellung erforderte, dass er den üblichen Vergnügungen des Adels nachging - Bälle, Konzerte, Gartenparties und, natürlich, der Jagd - aber am wohlsten fühlte er sich, wenn er Samstag Nachmittag in seine "Tiger Moth" kletterte und mit ihr in das sanfte Blau eines südenglischen Sommertages stieg.
Genau für dieses Hobby hatte er eine Uhr gesucht, die robust, sportlich und genau sein sollte, und genau wegen einer solchen Uhr hatte er Smith & Smith aufgesucht. Mit dem jüngeren Smith verband ihn eine Freundschaft, die bis in die Tage des Weltkrieges zurück reichte, und er war überzeugt, dass die Schweizer Uhren, die Smith & Smith verkauften, allen Erzeugnissen englischer Uhrmacher weit voraus waren. Als ihm sein Freund bei einem Glas Brandy und einer guten Zigarre von der neuen Chronographenlinie der Firma Pierce erzählte, hörte er darum besonders interessiert zu.
"Wissen Sie, Sir Francis", hatte der jüngere Smith erklärt, "Chronographen sind an sich ja nichts besonderes mehr, seit die Breitling-Patente frei sind. Die Schwierigkeit besteht darin, sie zu genauem Gang zu erziehen, vor allem dann, wenn man sie auch als Stoppuhren benutzt." Er zog an seiner Zigarre und blies den Rauch in die Luft. "Es liegt ja auf der Hand, dass jedes Rädchen mehr auch mehr Widerstand bedeutet, und für den Antrieb des Sekundenzeigers und des Minutenzählers braucht es viele Rädchen." Er nahm ein Schaubild von seinem Schreibtisch und zeigte es Sir Francis. "Sehen Sie hier -" er wies auf das Räderwerk, welches auf dem Schaubild zu sehen war "- nicht weniger als fünf Zahnräder übertragen die Bewegung des Uhrwerkes auf das Messwerk."

Er ließ die Worte verklingen und wartete ihre Wirkung ab.
"Und nun -" Er nahm ein weiteres Bild von seinem Schreibtisch "- und nun sehen Sie hier:"

"Wie viele Zahnräder sehen Sie?"
"Hm - kein einziges." Sir Francis war verblüfft.
"Genau. Kein Zahnrad - kein zusätzlicher Widerstand." Wieder wartete er die Wirkung seiner Worte ab.
"Und das bedeutet?"
"Das bedeutet, dass dieses Werk viel genauer justiert werden kann als ein herkömmliches Chronographenwerk. Chronometergenau, um präzise zu sein. Und es bedeutet, dass das Werk so genau bleibt, auch wenn man damit Zeitmessungen anstellt."
Sir Francis war beeindruckt.
"Dabei ist die Uhr klein genug, um auch unter eng sitzenden Manschetten getragen werden zu können, und groß genug, um gut abgelesen werden zu können. Sehen Sie hier."
Er nahm eine Holzschatulle von seinem Schreibtisch und öffnete sie, bevor er sie Sir Francis reichte.


(Bilder m. frdl. Gen. von Antonia Busack, Wedel/Holst.)
Der entnahm die Uhr und sah sie sich genauer an. Ihm fiel sofort auf, dass ein kleiner Sekundenzeiger genau dort seine Runden drehte, wo er ihn erwartet hatte, und dass ihm gegenüber, am oberen Rand des Zifferblattes, der Minutenzähler angeordnet war.

Wie üblich, waren drei Skalen auf dem Zifferblatt angeordnet: ganz außen lag die Telemeterskala, innerhalb davon die Minuterie und um den Mittelpunkt des Blattes ringelte sich eine Tachymeterschnecke, die mit sehr gut lesbaren Zahlen Geschwindigkeitsmessungen zwischen 20 und 500 Einheiten zuließ. Das gewölbte Uhrenglas vergrößerte die winzig kleinen Zahlen so, dass sie gut ablesbar waren.

Ebenfalls aus der Mitte des Blattes ragten die Zeigerachsen, an denen wundervoll geformte Bréguet-Zeiger für Stunden- und Minutenzeiger, und ein schlanker, ausbalancierter Sekundenzeiger befestigt waren. (Und Sir Francis verstand nun auch, warum man die Zeigerachse auch als "Zeigerbaum" bezeichnete: )

Das Blatt war, sehr geschmackvoll, in zwei Silbertönen gehalten, die je nach Lichteinfall abwechselnd heller und dunkler wirkten.

(Bild m. frdl. Gen. von Antonia Busack, Wedel/Holst.)
"Probieren Sie sie aus!" empfahl ihm der jüngere Smith, und wie geheißen drückte Sir Francis den Drücker auf der Vier-Uhr-Position. Der Zeiger begann zu laufen, und er stoppte wieder, als er den Drücker ein weiteres Mal betätigte. Ein weiterer Druck setzte den Zeiger zurück. Er ließ ihn erneut starten und sah zu, wie er sich vorwärts bewegte - einmal, zweimal, dreimal herum. Ganz unmerklich bewegte sich der Zeiger des Minutenzählers vorwärts.
"Oh", bemerkte Sir Francis. "Die Minute springt ja gar nicht?"
"Nein, das tut sie in der Tat nicht." Der jüngere Smith nippte an seinem Brandy. "Auch das ist gewollt - bei den meisten Chronographen springt der Zeiger schon kurz vor der vollen Minute, und wenn Sie genau in diesem Moment hinsehen, dann haben Sie einen Messfehler von einer ganzen Minute. Deswegen läuft die Minute an dieser Uhr kontinuierlich mit, sobald Sie eine Zeitmessung beginnen. Sie wissen immer ganz genau, wie viele Minuten Sie gemessen haben."
Das leuchtete Sir Francis ein.
"Gibt es diese Uhr auch mit einem Blatt, das auf Meilen geeicht ist?" Ihm war nicht entgangen, dass die außenliegende Skala mit "Telemètre" beschriftet war und bis 20 reichte.
"Selbstverständlich, Sir Francis. Aber die muss ich Ihnen bestellen."
Nachdem sie das Geschäft mit einem Handschlag besiegelt hatten, saßen die beiden Männer noch eine Weile beisammen, rauchten ihre Zigarren, tranken ihren Brandy und fachsimpelten über Uhren, Motoren und Autos.
"Eine weitere Besonderheit dieser Uhr ist die Art, wie das Chronographenwerk in Bewegung gesetzt wird. Es funktioniert gewissermaßen wie bei einem Automobil."
Sir Francis sah den jüngeren Smith fragend an.
"Nun, bei einem gewöhnlichen Chronographen wird das Antriebsrad für den Chronographen in das laufende Räderwerk eingeschoben. Wenn es dumm läuft, kommen zwei Zahnradspitzen aufeinander zu stehen und können so einander blockieren. Wenn Ihnen das beim Auto passiert, knirscht es ganz gehörig."
Sir Francis war Herrenfahrer und wusste, was der jüngere Smith meinte.
"Beim Automobil betätigt man deswegen die Kupplung. Die Mitnehmerscheibe trennt sich von der Motorschwungscheibe und man kann geräuschlos einen Gang einlegen. Genau so funktioniert das bei dieser Uhr."
"Sie meinen, diese Uhr hat eine Kupplungsscheibe?"
"Ganz genau. Sehen Sie hier -" Er nahm eine weitere Abbildung von seinem Tisch.

(Quelle: [2])
"Hier, auf der Zeigerachse im Zentrum der Uhr läuft das Trieb 'M' lose mit, dessen Stirnseite als eine Scheibe mit kleinen Dornen ausgeführt ist. Dieses Trieb wird vom Sekundenrad des Gehwerkes angetrieben, sehen Sie, hier: 'P'. Fest mit der Achse des Sekundenzeigers verbunden ist diese Reibscheibe aus Plastik, hier, sehen Sie - 'N'. Wenn Sie den Drücker betätigen, drückt eine Feder die Mitnehmerscheibe des Sekundenrades auf die Reibscheibe des Chronographen (er presste beide Handflächen zusammen) und der Chronograph läuft. Wenn Sie ein weiteres Mal drücken, hebt der Hebel (er löste seine Handflächen wieder voneinander) die Reibscheibe wieder ab und der Sekundenzeiger bleibt stehen."
"Genial!", gab Sir Francis zu.
"Ja, und absolut zuverlässig."
Sir Francis nickte. Genau so etwas hatte er gesucht. Als sich die beiden Männer schließlich voneinander verabschiedeten, versprach ihm der jüngere Smith die Lieferung in "einigen Wochen" - die Uhren von Pierce waren sehr begehrt, hier und auf dem Kontinent, und die Kapazitäten der Firma eher mittelständisch.
Um so mehr freute sich Sir Francis nun über das Paket, welches ihm der Bote nur drei Wochen später gebracht hatte, und er bewunderte die Uhr gebührend.








(Bild m. frdl. Gen. von Antonia Busack, Wedel/Holst.)


(Bild m. frdl. Gen. von Antonia Busack, Wedel/Holst.)
Ein wenig zur Geschichte der Firma Pierce
Seit seiner Gründung in Biel im Jahre 1888 durch Léon Levi und seine Brüder verschrieb sich das Unternehmen der Produktion von Chronographen, die damals auf dem Markt noch keine große Rolle spielten. Als die Schweizer Uhrenindustrie im Zuge der Krise nach dem ersten Weltkrieg reorganisiert wurde, schlossen sich die meisten Rohwerkelieferanten der Ebauches S.A. an, einem Quasi-Monopol, das den Rohwerkemarkt beherrschte und kraft seiner Willkür bestimmte (unliebsame) Uhrenproduzenten von der Belieferung mit Rohwerken ausschließen konnte.
Pierce reagierte darauf mit der dem Unternehmen eigenen Sturheit, indem man ab 1923 die Fertigung eigener Rohwerke aufnahm. Man war Manufaktur geworden. Bei der Werkefertigung legte man großen Wert darauf, eigene Wege zu beschreiten, um ja keine Patente anderer Unternehmen zu verletzen. Nebenbei gelangte man dabei auch zu technisch interessanten Lösungen. Beispiele sind die 1933 patentierte Linear-Automatik (bei der sich ein Aufzugsgewicht an einer Zahnstange entlang bewegte und so die Uhr aufzog), ein in der Lautstärke verstellbarer Armbandwecker (Duofon) oder eine von außen über zwei Drücker regulierbare Uhr (Correctomatic) - und eben die vertikale Chronographenkupplung, die Sir Francis so anschaulich durch den jüngeren Smith erklärt worden war.
In der Quarzkrise wurde Pierce durch die Firma Hadra (Société Informatique Hadra) erworben. Dennoch überlebte auch Pierce die Quarzkrise nicht. In den Neunziger Jahren wurden unter dem alten Namen neue Uhren herausgebracht - nun allerdings mit ETA-Werken.
Das Chronographen-Kaliber Pierce 130
Den wesentlichen Unterschied zu einem "klassischen" Chronographenkaliber hat ja der jüngere Mr. Smith bereits oben beschrieben: eine vertikale, federkraftbetätigte Kupplung nach dem Vorbild des Automobils verbindet und trennt Geh- und Chronographenwerk, indem die laufende Mitnehmerscheibe des Gehwerkes auf die stehende Reibscheibe des Chronographenwerkes gepresst wird. Winzige Dornen auf der Mitnehmerscheibe unterstützen diesen Vorgang, der erstaunlich gut funktioniert. (Zu den Problemen mit dieser Art Kupplung komme ich gleich.)
Das Kaliber 130 hat eine weitere Besonderheit, die sich dem unbewaffneten Auge des zufälligen Betrachters verbirgt. Obwohl es einen Minutenzähler gibt, sucht man das Minutenzählrad vergebens. Stattdessen wird der Minutenzähler des Kalibers 130 direkt vom Federhaus angetrieben, ist also in keiner Weise mit dem eigentlichen Chronographenmechanismus gekoppelt. Von der möglichst verlustfreien Verbindung zwischen der Kraftquelle der Uhr und dem Minutenzähler versprach man sich einen gleichmäßigeren Lauf des Minutenzählers und versuchte, den offensichtlichen Nachteil, der 'schleichende' Minutenzähler in Chronographen so unbeliebt machte, als Vorteil zu propagieren: wer nicht an diese Art der Anzeige gewohnt ist, verschätzt sich beim Ablesen der Minuten möglicherweise um eine ganze Minute, weil die Darstellung eben nicht so eindeutig ist wie beim 'springenden' Minutenzeiger. (Außerdem ist das Justieren der Mechanik, die die Kraft nur bei eingeschaltetem Chronographen vom Federhaus an den Minutenzähler führt, nichts für Feld-, Wald- und Wiesen-Uhrmacher.) Im Bestreben, einer möglichen Patentrechtsverletzung der Ebauches S.A. aus dem Weg zu gehen, war man also zu weit gegangen - und gestand das ein, indem man im Nachfolgekaliber 134 einen Minutenzähler-Antrieb vom Chronographen-Mechanismus aus implementierte.
Das Kaliber 130 ist zwar technisch interessant und brilliert mit verblüffenden (und gut funktionierenden) Detaillösungen. Trotzdem war es ein Fehlschlag - speziell wegen der ungewohnten 'schleichenden' Minutenzählung. Im Gegensatz dazu war dem Nachfolger (Kaliber 134) überwältigender Erfolg beschieden, ja, man kann sogar von einem geradezu "volkstümlichen" Chronographen sprechen. Die britische Armee - ohnehin größter Kunde der Firma Pierce - stattete ab 1941 ihre Stabsärzte mit Armbandchronographen der Firma Pierce aus, allerdings in wasserdichter und stoßgesicherter Ausführung. Für die hohe Qualität der letztendlich gefundenen Lösung spricht auch, dass Pierce als einer der ersten Uhrenproduzenten auch Chronographen als Chronometer zertifizieren ließ, wie diese Anzeige aus dem Jahr 1943 belegt:

(Quelle: [3])
Dem Umstand, dass speziell Chronographen mit Kaliber 134 in großer Zahl am Markt verfügbar sind, ist wohl geschuldet, dass sie trotz überzeugender technischer Details (Schaltrad, Vertikalkupplung) weit unter ihrem eigentlichen Wert gehandelt werden. (Technisch vergleichbare Valjoux-Werke rangieren gut beim doppelten Preis.) Das begründet sich möglicherweise auch damit, dass der Chronograph bei vielen dieser Uhren außer Funktion ist. Der Grund liegt darin, dass das Material, aus dem die Reibscheibe der Kupplung hergestellt wurde, nicht alterungsbeständig ist und sich mit der Zeit und unter dem Einfluß aggressiver Chemikalien (z.B. in Reinigungsmitteln wie Waschbenzin) zersetzt. Seine Brösel fallen ins Uhrwerk und bringen schließlich die Uhr als Ganzes zum Stehen. Der Uhrmacher kann natürlich das Werk reinigen - aber für die Mitnehmerscheibe gibt es kein Originalersatzteil mehr. So läuft zwar die Uhr, der Chronograph allerdings ist stillgelegt. Auch dieses Wissen um fehlende Ersatzteile lässt Pierce-Chronographen oft unter ihrem eigentlichen Wert weggehen.
Nur wenige Uhren mit dem Kaliber 130 dürften die Zeitläufte überlebt haben, und noch weniger in einem Zustand wie das hier vorliegende Exemplar. Im Internet tauchen sie so gut wie gar nicht auf, auf der Uhrenbörse in München habe ich mal eine liegen sehen (aber in bedeutend schlechterem Zustand und der Verkäufer wollte das Werk nicht zeigen - ich vermute daher, dass es auch wieder 'nur' eine 134 war.) Ich sah sie als Angebot von Frau Busack in Wedel/Holstein, bei der ich schon ein paar Chronographen erworben hatte, las "Originalzustand", sah, dass sie sogar in einer zeitgenössischen Schatulle geliefert werden würde und hatte Glück mit meinem Gebot.
Als ich sie in Händen hielt, merkte ich schnell, dass "Originalzustand" eben genau das heißt: alles an dieser Uhr stammte aus den Dreißiger Jahren. Mit dem Band hatte ich gerechnet, mit allem anderen nicht. Sie lief nicht besonders, blieb schon nach wenigen Stunden stehen, unabhängig davon, ob der Chronograph mitlief oder nicht. Da Frau Busack (und auch ihr Vater, der als 'csb-classictime' Uhren auf e-bay verkauft) 12 Monate Garantie gibt, schickte ich die Kleine zurück. Der Uhrmacher reinigte sie, ölte sie, justierte ein wenig hier, ein wenig da, und schickte sie zurück. Sie lief nun zwar, aber beim Einschalten des Chronographen hüpfte der wie wild herum - ein Symptom für eine verschlissene Reibscheibe also. Da dieser Uhrmacher aber diese Scheiben selbst anfertigt, war guter Rat diesmal gar nicht teuer - als ich sie dieses Mal wieder bekam, lief der Chronograph einwandfrei.
Aber ganz ausgestanden war es noch nicht: mit eingeschaltetem Chronographen betrug die Gangreserve gerade mal 20 Minuten, ohne blieb die Uhr nach sechs Stunden stehen. Des Rätsels Lösung: die Aufzugsfeder. Sie entstammte einer Charge fehlerhafter Aufzugsfedern, die 1946 oder 1947 (so genau wusste das der Uhrmacher nicht mehr) an Pierce geliefert worden war. Die Eigenart dieser Federn war, dass sie recht bald erlahmten. Ich stelle mir also vor, dass sie im Zuge einer Revision der Uhr Ende der Vierziger, Anfang der Fünfziger Jahre eingebaut wurde. Weil die Uhr danach nicht anständig lief, legte man sie wohl weg - und so blieb sie erhalten. So wird bisweilen aus Schaden Segen.
Nun hat sie eine kräftige, neue Aufzugsfeder und läuft zufriedenstellend. Ihre Gangwerte reichen natürlich nicht an Chronometerwerte heran, aber das müssen sie auch nicht. Die alte Dame hat bei mir ein Zuhause gefunden, von dem ich hoffe, dass es ihr gefällt.
(Fortsetzung folgt)
Sir Francis war im Weltkrieg Jagdflieger gewesen und er hatte sich den Ritterschlag mit 7 1/2 Luftsiegen und einer schweren Verwundung redlich verdient. Die Peerage war ihm zugefallen, als sein Bruder im vergangenen Jahr kinderlos verstarb, und weil er, wie es die Tradition verlangte, als Zweitgeborener "etwas Anständiges erlernt hatte", bekleidete er das Amt eines Kronanwaltes am Old Bailey, dem altehrwürdigen Londoner Schwurgericht, nur einen Steinwurf weit von seiner Stadtwohnung im Somerset House entfernt.
Am Wochenende pflegte er nach Hause zu fahren, wenn es seine Zeit erlaubte. Er nahm stets den Expresszug der Great Western nach Salisbury, der um 5 Uhr 46 die Paddington Station verließ und gegen 9 Uhr in Salisbury ankam, wo ein Wagen auf ihn wartete, um ihn nach Wandsworth Hall zu bringen. Seine gesellschaftliche Stellung erforderte, dass er den üblichen Vergnügungen des Adels nachging - Bälle, Konzerte, Gartenparties und, natürlich, der Jagd - aber am wohlsten fühlte er sich, wenn er Samstag Nachmittag in seine "Tiger Moth" kletterte und mit ihr in das sanfte Blau eines südenglischen Sommertages stieg.
Genau für dieses Hobby hatte er eine Uhr gesucht, die robust, sportlich und genau sein sollte, und genau wegen einer solchen Uhr hatte er Smith & Smith aufgesucht. Mit dem jüngeren Smith verband ihn eine Freundschaft, die bis in die Tage des Weltkrieges zurück reichte, und er war überzeugt, dass die Schweizer Uhren, die Smith & Smith verkauften, allen Erzeugnissen englischer Uhrmacher weit voraus waren. Als ihm sein Freund bei einem Glas Brandy und einer guten Zigarre von der neuen Chronographenlinie der Firma Pierce erzählte, hörte er darum besonders interessiert zu.
"Wissen Sie, Sir Francis", hatte der jüngere Smith erklärt, "Chronographen sind an sich ja nichts besonderes mehr, seit die Breitling-Patente frei sind. Die Schwierigkeit besteht darin, sie zu genauem Gang zu erziehen, vor allem dann, wenn man sie auch als Stoppuhren benutzt." Er zog an seiner Zigarre und blies den Rauch in die Luft. "Es liegt ja auf der Hand, dass jedes Rädchen mehr auch mehr Widerstand bedeutet, und für den Antrieb des Sekundenzeigers und des Minutenzählers braucht es viele Rädchen." Er nahm ein Schaubild von seinem Schreibtisch und zeigte es Sir Francis. "Sehen Sie hier -" er wies auf das Räderwerk, welches auf dem Schaubild zu sehen war "- nicht weniger als fünf Zahnräder übertragen die Bewegung des Uhrwerkes auf das Messwerk."

Er ließ die Worte verklingen und wartete ihre Wirkung ab.
"Und nun -" Er nahm ein weiteres Bild von seinem Schreibtisch "- und nun sehen Sie hier:"

"Wie viele Zahnräder sehen Sie?"
"Hm - kein einziges." Sir Francis war verblüfft.
"Genau. Kein Zahnrad - kein zusätzlicher Widerstand." Wieder wartete er die Wirkung seiner Worte ab.
"Und das bedeutet?"
"Das bedeutet, dass dieses Werk viel genauer justiert werden kann als ein herkömmliches Chronographenwerk. Chronometergenau, um präzise zu sein. Und es bedeutet, dass das Werk so genau bleibt, auch wenn man damit Zeitmessungen anstellt."
Sir Francis war beeindruckt.
"Dabei ist die Uhr klein genug, um auch unter eng sitzenden Manschetten getragen werden zu können, und groß genug, um gut abgelesen werden zu können. Sehen Sie hier."
Er nahm eine Holzschatulle von seinem Schreibtisch und öffnete sie, bevor er sie Sir Francis reichte.


(Bilder m. frdl. Gen. von Antonia Busack, Wedel/Holst.)
Der entnahm die Uhr und sah sie sich genauer an. Ihm fiel sofort auf, dass ein kleiner Sekundenzeiger genau dort seine Runden drehte, wo er ihn erwartet hatte, und dass ihm gegenüber, am oberen Rand des Zifferblattes, der Minutenzähler angeordnet war.

Wie üblich, waren drei Skalen auf dem Zifferblatt angeordnet: ganz außen lag die Telemeterskala, innerhalb davon die Minuterie und um den Mittelpunkt des Blattes ringelte sich eine Tachymeterschnecke, die mit sehr gut lesbaren Zahlen Geschwindigkeitsmessungen zwischen 20 und 500 Einheiten zuließ. Das gewölbte Uhrenglas vergrößerte die winzig kleinen Zahlen so, dass sie gut ablesbar waren.

Ebenfalls aus der Mitte des Blattes ragten die Zeigerachsen, an denen wundervoll geformte Bréguet-Zeiger für Stunden- und Minutenzeiger, und ein schlanker, ausbalancierter Sekundenzeiger befestigt waren. (Und Sir Francis verstand nun auch, warum man die Zeigerachse auch als "Zeigerbaum" bezeichnete: )

Das Blatt war, sehr geschmackvoll, in zwei Silbertönen gehalten, die je nach Lichteinfall abwechselnd heller und dunkler wirkten.

(Bild m. frdl. Gen. von Antonia Busack, Wedel/Holst.)
"Probieren Sie sie aus!" empfahl ihm der jüngere Smith, und wie geheißen drückte Sir Francis den Drücker auf der Vier-Uhr-Position. Der Zeiger begann zu laufen, und er stoppte wieder, als er den Drücker ein weiteres Mal betätigte. Ein weiterer Druck setzte den Zeiger zurück. Er ließ ihn erneut starten und sah zu, wie er sich vorwärts bewegte - einmal, zweimal, dreimal herum. Ganz unmerklich bewegte sich der Zeiger des Minutenzählers vorwärts.
"Oh", bemerkte Sir Francis. "Die Minute springt ja gar nicht?"
"Nein, das tut sie in der Tat nicht." Der jüngere Smith nippte an seinem Brandy. "Auch das ist gewollt - bei den meisten Chronographen springt der Zeiger schon kurz vor der vollen Minute, und wenn Sie genau in diesem Moment hinsehen, dann haben Sie einen Messfehler von einer ganzen Minute. Deswegen läuft die Minute an dieser Uhr kontinuierlich mit, sobald Sie eine Zeitmessung beginnen. Sie wissen immer ganz genau, wie viele Minuten Sie gemessen haben."
Das leuchtete Sir Francis ein.
"Gibt es diese Uhr auch mit einem Blatt, das auf Meilen geeicht ist?" Ihm war nicht entgangen, dass die außenliegende Skala mit "Telemètre" beschriftet war und bis 20 reichte.
"Selbstverständlich, Sir Francis. Aber die muss ich Ihnen bestellen."
Nachdem sie das Geschäft mit einem Handschlag besiegelt hatten, saßen die beiden Männer noch eine Weile beisammen, rauchten ihre Zigarren, tranken ihren Brandy und fachsimpelten über Uhren, Motoren und Autos.
"Eine weitere Besonderheit dieser Uhr ist die Art, wie das Chronographenwerk in Bewegung gesetzt wird. Es funktioniert gewissermaßen wie bei einem Automobil."
Sir Francis sah den jüngeren Smith fragend an.
"Nun, bei einem gewöhnlichen Chronographen wird das Antriebsrad für den Chronographen in das laufende Räderwerk eingeschoben. Wenn es dumm läuft, kommen zwei Zahnradspitzen aufeinander zu stehen und können so einander blockieren. Wenn Ihnen das beim Auto passiert, knirscht es ganz gehörig."
Sir Francis war Herrenfahrer und wusste, was der jüngere Smith meinte.
"Beim Automobil betätigt man deswegen die Kupplung. Die Mitnehmerscheibe trennt sich von der Motorschwungscheibe und man kann geräuschlos einen Gang einlegen. Genau so funktioniert das bei dieser Uhr."
"Sie meinen, diese Uhr hat eine Kupplungsscheibe?"
"Ganz genau. Sehen Sie hier -" Er nahm eine weitere Abbildung von seinem Tisch.

(Quelle: [2])
"Hier, auf der Zeigerachse im Zentrum der Uhr läuft das Trieb 'M' lose mit, dessen Stirnseite als eine Scheibe mit kleinen Dornen ausgeführt ist. Dieses Trieb wird vom Sekundenrad des Gehwerkes angetrieben, sehen Sie, hier: 'P'. Fest mit der Achse des Sekundenzeigers verbunden ist diese Reibscheibe aus Plastik, hier, sehen Sie - 'N'. Wenn Sie den Drücker betätigen, drückt eine Feder die Mitnehmerscheibe des Sekundenrades auf die Reibscheibe des Chronographen (er presste beide Handflächen zusammen) und der Chronograph läuft. Wenn Sie ein weiteres Mal drücken, hebt der Hebel (er löste seine Handflächen wieder voneinander) die Reibscheibe wieder ab und der Sekundenzeiger bleibt stehen."
"Genial!", gab Sir Francis zu.
"Ja, und absolut zuverlässig."
Sir Francis nickte. Genau so etwas hatte er gesucht. Als sich die beiden Männer schließlich voneinander verabschiedeten, versprach ihm der jüngere Smith die Lieferung in "einigen Wochen" - die Uhren von Pierce waren sehr begehrt, hier und auf dem Kontinent, und die Kapazitäten der Firma eher mittelständisch.
Um so mehr freute sich Sir Francis nun über das Paket, welches ihm der Bote nur drei Wochen später gebracht hatte, und er bewunderte die Uhr gebührend.








(Bild m. frdl. Gen. von Antonia Busack, Wedel/Holst.)


(Bild m. frdl. Gen. von Antonia Busack, Wedel/Holst.)
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Ein wenig zur Geschichte der Firma Pierce
Seit seiner Gründung in Biel im Jahre 1888 durch Léon Levi und seine Brüder verschrieb sich das Unternehmen der Produktion von Chronographen, die damals auf dem Markt noch keine große Rolle spielten. Als die Schweizer Uhrenindustrie im Zuge der Krise nach dem ersten Weltkrieg reorganisiert wurde, schlossen sich die meisten Rohwerkelieferanten der Ebauches S.A. an, einem Quasi-Monopol, das den Rohwerkemarkt beherrschte und kraft seiner Willkür bestimmte (unliebsame) Uhrenproduzenten von der Belieferung mit Rohwerken ausschließen konnte.
Pierce reagierte darauf mit der dem Unternehmen eigenen Sturheit, indem man ab 1923 die Fertigung eigener Rohwerke aufnahm. Man war Manufaktur geworden. Bei der Werkefertigung legte man großen Wert darauf, eigene Wege zu beschreiten, um ja keine Patente anderer Unternehmen zu verletzen. Nebenbei gelangte man dabei auch zu technisch interessanten Lösungen. Beispiele sind die 1933 patentierte Linear-Automatik (bei der sich ein Aufzugsgewicht an einer Zahnstange entlang bewegte und so die Uhr aufzog), ein in der Lautstärke verstellbarer Armbandwecker (Duofon) oder eine von außen über zwei Drücker regulierbare Uhr (Correctomatic) - und eben die vertikale Chronographenkupplung, die Sir Francis so anschaulich durch den jüngeren Smith erklärt worden war.
In der Quarzkrise wurde Pierce durch die Firma Hadra (Société Informatique Hadra) erworben. Dennoch überlebte auch Pierce die Quarzkrise nicht. In den Neunziger Jahren wurden unter dem alten Namen neue Uhren herausgebracht - nun allerdings mit ETA-Werken.
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Das Chronographen-Kaliber Pierce 130
Den wesentlichen Unterschied zu einem "klassischen" Chronographenkaliber hat ja der jüngere Mr. Smith bereits oben beschrieben: eine vertikale, federkraftbetätigte Kupplung nach dem Vorbild des Automobils verbindet und trennt Geh- und Chronographenwerk, indem die laufende Mitnehmerscheibe des Gehwerkes auf die stehende Reibscheibe des Chronographenwerkes gepresst wird. Winzige Dornen auf der Mitnehmerscheibe unterstützen diesen Vorgang, der erstaunlich gut funktioniert. (Zu den Problemen mit dieser Art Kupplung komme ich gleich.)
Das Kaliber 130 hat eine weitere Besonderheit, die sich dem unbewaffneten Auge des zufälligen Betrachters verbirgt. Obwohl es einen Minutenzähler gibt, sucht man das Minutenzählrad vergebens. Stattdessen wird der Minutenzähler des Kalibers 130 direkt vom Federhaus angetrieben, ist also in keiner Weise mit dem eigentlichen Chronographenmechanismus gekoppelt. Von der möglichst verlustfreien Verbindung zwischen der Kraftquelle der Uhr und dem Minutenzähler versprach man sich einen gleichmäßigeren Lauf des Minutenzählers und versuchte, den offensichtlichen Nachteil, der 'schleichende' Minutenzähler in Chronographen so unbeliebt machte, als Vorteil zu propagieren: wer nicht an diese Art der Anzeige gewohnt ist, verschätzt sich beim Ablesen der Minuten möglicherweise um eine ganze Minute, weil die Darstellung eben nicht so eindeutig ist wie beim 'springenden' Minutenzeiger. (Außerdem ist das Justieren der Mechanik, die die Kraft nur bei eingeschaltetem Chronographen vom Federhaus an den Minutenzähler führt, nichts für Feld-, Wald- und Wiesen-Uhrmacher.) Im Bestreben, einer möglichen Patentrechtsverletzung der Ebauches S.A. aus dem Weg zu gehen, war man also zu weit gegangen - und gestand das ein, indem man im Nachfolgekaliber 134 einen Minutenzähler-Antrieb vom Chronographen-Mechanismus aus implementierte.
Das Kaliber 130 ist zwar technisch interessant und brilliert mit verblüffenden (und gut funktionierenden) Detaillösungen. Trotzdem war es ein Fehlschlag - speziell wegen der ungewohnten 'schleichenden' Minutenzählung. Im Gegensatz dazu war dem Nachfolger (Kaliber 134) überwältigender Erfolg beschieden, ja, man kann sogar von einem geradezu "volkstümlichen" Chronographen sprechen. Die britische Armee - ohnehin größter Kunde der Firma Pierce - stattete ab 1941 ihre Stabsärzte mit Armbandchronographen der Firma Pierce aus, allerdings in wasserdichter und stoßgesicherter Ausführung. Für die hohe Qualität der letztendlich gefundenen Lösung spricht auch, dass Pierce als einer der ersten Uhrenproduzenten auch Chronographen als Chronometer zertifizieren ließ, wie diese Anzeige aus dem Jahr 1943 belegt:

(Quelle: [3])
Dem Umstand, dass speziell Chronographen mit Kaliber 134 in großer Zahl am Markt verfügbar sind, ist wohl geschuldet, dass sie trotz überzeugender technischer Details (Schaltrad, Vertikalkupplung) weit unter ihrem eigentlichen Wert gehandelt werden. (Technisch vergleichbare Valjoux-Werke rangieren gut beim doppelten Preis.) Das begründet sich möglicherweise auch damit, dass der Chronograph bei vielen dieser Uhren außer Funktion ist. Der Grund liegt darin, dass das Material, aus dem die Reibscheibe der Kupplung hergestellt wurde, nicht alterungsbeständig ist und sich mit der Zeit und unter dem Einfluß aggressiver Chemikalien (z.B. in Reinigungsmitteln wie Waschbenzin) zersetzt. Seine Brösel fallen ins Uhrwerk und bringen schließlich die Uhr als Ganzes zum Stehen. Der Uhrmacher kann natürlich das Werk reinigen - aber für die Mitnehmerscheibe gibt es kein Originalersatzteil mehr. So läuft zwar die Uhr, der Chronograph allerdings ist stillgelegt. Auch dieses Wissen um fehlende Ersatzteile lässt Pierce-Chronographen oft unter ihrem eigentlichen Wert weggehen.
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Nur wenige Uhren mit dem Kaliber 130 dürften die Zeitläufte überlebt haben, und noch weniger in einem Zustand wie das hier vorliegende Exemplar. Im Internet tauchen sie so gut wie gar nicht auf, auf der Uhrenbörse in München habe ich mal eine liegen sehen (aber in bedeutend schlechterem Zustand und der Verkäufer wollte das Werk nicht zeigen - ich vermute daher, dass es auch wieder 'nur' eine 134 war.) Ich sah sie als Angebot von Frau Busack in Wedel/Holstein, bei der ich schon ein paar Chronographen erworben hatte, las "Originalzustand", sah, dass sie sogar in einer zeitgenössischen Schatulle geliefert werden würde und hatte Glück mit meinem Gebot.
Als ich sie in Händen hielt, merkte ich schnell, dass "Originalzustand" eben genau das heißt: alles an dieser Uhr stammte aus den Dreißiger Jahren. Mit dem Band hatte ich gerechnet, mit allem anderen nicht. Sie lief nicht besonders, blieb schon nach wenigen Stunden stehen, unabhängig davon, ob der Chronograph mitlief oder nicht. Da Frau Busack (und auch ihr Vater, der als 'csb-classictime' Uhren auf e-bay verkauft) 12 Monate Garantie gibt, schickte ich die Kleine zurück. Der Uhrmacher reinigte sie, ölte sie, justierte ein wenig hier, ein wenig da, und schickte sie zurück. Sie lief nun zwar, aber beim Einschalten des Chronographen hüpfte der wie wild herum - ein Symptom für eine verschlissene Reibscheibe also. Da dieser Uhrmacher aber diese Scheiben selbst anfertigt, war guter Rat diesmal gar nicht teuer - als ich sie dieses Mal wieder bekam, lief der Chronograph einwandfrei.
Aber ganz ausgestanden war es noch nicht: mit eingeschaltetem Chronographen betrug die Gangreserve gerade mal 20 Minuten, ohne blieb die Uhr nach sechs Stunden stehen. Des Rätsels Lösung: die Aufzugsfeder. Sie entstammte einer Charge fehlerhafter Aufzugsfedern, die 1946 oder 1947 (so genau wusste das der Uhrmacher nicht mehr) an Pierce geliefert worden war. Die Eigenart dieser Federn war, dass sie recht bald erlahmten. Ich stelle mir also vor, dass sie im Zuge einer Revision der Uhr Ende der Vierziger, Anfang der Fünfziger Jahre eingebaut wurde. Weil die Uhr danach nicht anständig lief, legte man sie wohl weg - und so blieb sie erhalten. So wird bisweilen aus Schaden Segen.
Nun hat sie eine kräftige, neue Aufzugsfeder und läuft zufriedenstellend. Ihre Gangwerte reichen natürlich nicht an Chronometerwerte heran, aber das müssen sie auch nicht. Die alte Dame hat bei mir ein Zuhause gefunden, von dem ich hoffe, dass es ihr gefällt.
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(Fortsetzung folgt)
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