U
Uhrensammer R
Gast
Es muss irgendwann zwischen Januar 1976 und Juni 1978 gewesen sein, da könnte ich so einer Uhr schon einmal begegnet sein.

In dieser Zeit lebte und arbeitete ich „Westberlin“, das damals (für die Jüngeren unter den Lesern) noch von einer Mauer umgeben und durch eine Mauer geteilt war.
Nur wenige Straßen und Eisenbahngeleise verbanden die Stadt wie Hauptschlagadern mit dem „Westen“. Die den Weg über die Elbekanäle und die Luftverbindungen lasse ich jetzt mal weg.
Ich war durch meinen damaligen Arbeitgeber in das riesige KaDeWe versetz worden und damit begann für mich eine faszinierende Zeit in einer wunderschönen Stadt.
Jung war ich damals, gerade einmal 20 Jahre alt und natürlich sprang mich die Versuchung in mancherlei Form schon am ersten Abend an.
Da ich aus der Firmenzentrale kam und recht kurzfristig versetzt wurde, hatte man mir in der Nähe des Kaufhauses ein Hotelzimmer besorgt.
Offenbar hatte sich aber niemand die Adresse mal angesehen, denn ich landete tatsächlich in einem Puff irgendwo in der Gegend Lietzenburger/ Augsburgerstraße.
Fragt mich nicht.
Neben dem Eingangsbereich hingen Schaukästen, die die Stripteaseshow in diesem Etablissement eindrücklich verbildlichte.
Im EG saß eine waschechte Berliner Puffmutter und auf den Etagen wurden die Zimmer Stunden- bzw. Nächteweise vermietet.
Das ich wohl einige Wochen bleiben wollte, brachte die „Herbergsmutter“ noch nicht aus der Fassung, aber die Sache mit dem Frühstück schien doch ein Problem, denn normalerweise schlief das „Hauspersonal“ gerade dann ein, wenn ich weg musste.
Am ersten Morgen fand ich einen Zettel, auf dem mir mitgeteilt wurde, dass ich in der Küche alles finden würde.
Tatsächlich standen da eine Tasse mit einem Teebeutel drin, eine „Schrippe mit Hackepeter“ und eine Thermoskanne mit warmem Wasser.
Zur Ehrenrettung muss ich aber sagen, dass schon am nächsten Tag alles pikobello war und ich ein wirkliches Frühstück bekam.
Als ständiger Gast des Hauses war ich für die Damen Tabu, obwohl wir natürlich miteinander sprachen. Es stimmt schon, dass Huren oft sehr sensible Menschen sind, die auf freundliche Zuneigung sehr liebenswert reagieren.
Mir ging es gut dort, auch wenn nachts sehr häufig die Türen schlugen und Gespräche mit sehr eindeutigen Inhalten über den Flur klangen.
Manchmal traf ich eines von den Mädchen bei einer Tasse Kaffee nach einer langen Nacht in der Küche.
Da man in diesem Berufsstand nicht so prüde ist, litt ich dadurch schon unter einer gewissen „Reitzüberflutung“.
Nun ja, dafür gab es ja das KaDeWe.

Damals arbeiteten dort ca. 2.000 Menschen. 75% davon waren weiblich und 40% davon unter Dreißig. 600 meistens auch noch hübsche Berlinerinnen unter einem Dach, keine schlechten Aussichten.




Sich in Berlin zurechtzufinden viel mir nicht schwer, da ich ja schon mal für sechs Monate hier war.
Mit dem KaDeWe war das schon eine andere Sache.
Rund 45.000 m² Verkaufsfläche, plus Lager und Verwaltungstrakt, ist schon ein Wort.
Dazu kam, dass das Haus seit seiner Eröffnung im Jahr 1907 mehrfach erweitert wurde und dadurch sehr verwinkelt war.
Meine Abteilung lag im Erdgeschoss links vom Haupteingang.
Die „Herrenartikel Abteilung“ führte Hemden, Krawatten, Nachtwäsche, Hüte und Mützen und Damen- und Herrenschirme.
Da es damals noch keine Zentralkassen gab, besetzten wir täglich zwischen 8 und 10 Kassenplätze mit je 2 Verkäufer/innen.
An langen Samstagen konnten es auch mal rund dreißig Leute sein, die ich einzusetzen hatte. Dabei halfen mir ein Substitut und zwei Erstverkäuferinnen.
Ein Substitutenanwärter war ausschließlich mit der Organisation des Warentransportes aus dem externen Warenlager beauftragt.

Aber, ich will Euch nicht mit beruflichen Details langweilen, außer vielleicht mit folgendem noch.
Das KaDeWe wurde ständig von sehr prominenten Gästen besucht.
Ob Buchvorstellungen, Berlinale, Lesungen, politischen Besuchen, immer war irgendein „Fürst“ in einem speziellen VIP- Raum zu bedienen.
Ich durfte dann mit einer schönen Auswahl an Hemden und Krawatten antreten und zusammen mit einem aus der Anzugabteilung die Promis bedienen.
So lernte ich nach und nach alle Berliner regierende Bürgermeister, deren Vorgänger und Nachfolger, die Oppositionsführer, und sonstige Schamanen, aber auch Horst Buchholz, Hardy Krüger, Jürgen von Manger, Horst Tappert, Friedrich Nowottny, und wer weiß noch wen, kennen.
Etwas ganz besonderes war es, Walter Schell, damals Bundespräsident, persönlich zu bedienen.
Besonders Schlimm war es für mich immer, wenn „DDR-Schranzen“ zu bedienen waren.
Karl- Eduard von Schnitzler z.B., der mit seiner antiwestdeutschen Hetzsendung „Der schwarze Kanal“ sicher auch Euch (wenigstens noch den älteren) bekannt ist.
Dass ich in meiner Abteilung selbst einen, später recht bekannten, deutschen Schauspieler beschäftigte, wusste zu diesem Zeitpunkt nicht mal er selbst.
Dominique Horwitz war an "meiner" „Krawattenbar“ Verkäufer. Schade, dass er diesen teil seiner Vita, heute verschweigt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dominique_Horwitz
Wenden wir uns aber nun lieber dem privaten Teil der Berliner Zeit zu, er ist amüsanter.
Auf meinen Wegen in die Verwaltung musste ich stets durch die Damenmantelabteilung.
Dort war eine junge Substitutin, mit einer verblüffenden Ähnlichkeit zu der italienischen Sängerin Milva, beschäftigt.
Nun, wir kamen ins Gespräch, wir gingen miteinander aus und wir heirateten letztlich.
Meine erste Frau stammt aus Dettingen an der Erms, nahe Reutlingen, im Schwabenland.
Trotzdem war sie am Anfang eine sehr lebenslustige, die große Stadt genießende Person, mit der es viel Spaß machte um die Häuser zu ziehen.
Wir waren fast jeden Abend aus.
Meistens begann unsere Tour im „Café Royal“, einem Bistro am Wittenbergplatz nahe dem KaDeWe.
Zu unserer Clique zählte Peter, den ich deshalb erwähne, weil wir damals gute Freunde waren und ich ihm noch einige Male beruflich begegnen sollte.
Dann einige, deren Namen ich vergessen habe und ein melancholischer, junger Mann, der "unserem" Café Royal später ein musikalisches Denkmal setzen sollte.
https://www.google.de/search?q=cafe...-8&oe=utf-8&gws_rd=cr&ei=oiC7Vv7oGobaUZ3Sr8gP
Bekannter wurde Stefan Waggershausen allerdings mit seinem Lied „Hallo Engel“ Anfang der achtziger Jahre.

Stefan macht damals schon Musik, allerdings nicht das, was er dann nach „Hallo Engel“ konsequent bis heute durchgezogen hat.
Natürlich spielte er auch recht viel live damals.
Clubs gab es genug und die „Kreuzberger Nächte“ waren lang.
So kam es, dass wir sehr häufig erst am Sonntagnachmittag von unseren Ausflügen in die samstägliche Nacht nach Hause kamen.
In diese Zeit fiel auch die Sache mit meiner ersten Hochzeit.
Brigitte und ich fanden es „schick“ mal zu heiraten, obwohl wir wegen unserer Jugend bei ihren Eltern auf gehörigen Widerstand trafen.
Wie Recht sie hatten!!
Trotzdem setzten wir uns durch und veranstalteten die bekloppteste Spießerhochzeit aller Zeiten.
Wir heirateten in Dettingen mit allem pipapo.
Standesamt, Kirche, langes, weißes Kleid, Smoking, Hochzeitssuppe (mit Markklößchen), Spargelröllchen, zwei Sorten Braten, Eisbombe, Brautentführung und Schneewalzer.
Schrecklich!!
Ich lernte eine Menge neue Verwandtschaft kennen, die ich des Dialektes wegen, nicht verstand und auch nie wieder sah und wollte einfach nur weg von da.
Auch meine Schwiegereltern sah ich nur noch einmal.
Allerdings sollten sie uns, aus gegebenem Anlass, am Ende doch noch einen Besuch in Berlin abstatten.
Wie froh war ich, als ich wieder in Berlin war.
Schon kurz nach der Hochzeit begann sich Brigitte sehr zu verändern.
Das geschenkte Geld wurde nicht etwa verjuxt, wie ich es gern getan hätte, sondern in Möbel investiert, von denen ich nur kurze Zeit was hatte.
Sie wollte nicht mehr ausgehen und entwickelte sich zu einer waschechten Schwäbischen Hausfrau.
Das konnte nicht gut gehen.
Schon bald suchte ich nach Fluchtmöglichkeiten, um wieder mit Peter und Stefan auf die „Jagt“ zu gehen. „Einsame Wölfe brauchen Abenteuer und sie haben keine Angst mehr vorm Feuer“ sang Stefanie Werger.
https://www.youtube.com/watch?v=OqhTXCc3ne8
Sie traf den Kern.
Das Glück schickte mir Max.
Max aus einer alten Münchner Kaufmannsdynastie hatte gerade sein Studium an der Sorbonne in Paris abgeschlossen und sollte vor einem Kurzjob bei der Deutschen Bank Vertretung in New York, für ein paar Monate im KaDeWe volontieren.
Wir verstanden uns auf Anhieb und er passte super zu Peter und Stefan.
Nun hatte ich einen Grund.
Ich musste dem jungen Mann aus gutem Haus die Stadt zeigen.

Meine Frau blieb lieber daheim und sah fern.
Lange Zeit blieb ich ihr treu, aber nach etwa 14 Tagen begegnete ich „Ingrid Steeger“.
https://www.youtube.com/watch?v=d9fYhPYlZNQ
Nicht wirklich „Der Steeger“, aber einem Mädchen, das alle, wirklich alle Attribute und das Aussehen der Steeger hatte.
„Freizeitmädel“ hat Stefan solche Bekanntschaften genannt und tatsächlich endete meine nächtlichen Ausflüge oft in ihrem Zimmer am Savignyplatz in Charlottenburg.
Noch tolerierte meine Frau meine nächtlichen Eskapaden, aber leider spitzte sich die Sache sehr bald zu.
Es war der pure Zufall, dass ich eines Tages ein Mädchen am KuDamm dabei beobachtete, wie sie gerade das Dach eines VW- Cabrios schließen wollte.
Leider klemmte das Ding, so dass meine ritterliche Hilfe notwendig wurde. Da ich selbst damals ein Kabrio hatte, gelang mir das recht schnell.
Interessant war, dass dieses Mädchen aus Braunschweig kam. Sie verbrachte nur ein Wochenende in der großen Stadt.
War nett, dass sie es teilweise mit mir tat.
Dummerweise verabredete ich mich für das kommende Wochenende mit ihr in Braunschweig, so dass ich nun meiner Frau beibringen musste, nächste Woche allein nach BS zu fahren -um meine Eltern zu besuchen-.
An diesem Tag fiel die Entscheidung.
Zwei Sachen passierten am kommenden Wochenende:
Erstens lernte ich meinen späteren Geschäftsleiter bei P&C in BS kennen und Zweitens war meine Frau ausgezogen.
Die Verabredung in Braunschweig sollte meinen Lebensweg etwas verändern ist aber jetzt vielleicht nicht ganz so wichtig.
Das Wochenende war rund um die Uhr gelungen, das heißt, ich habe weder wirklich geschlafen, noch meine Eltern gesehen.
Trotz allem musste ich am Sonntag zurück nach Berlin.
So gegen 22.00 betrat ich die Wohnung.
Im Flur war scheinbar die Birne kaputt, es brannte kein Licht.
Auch im Wohnzimmer war es dunkel, zudem war es unglaublich still.
Im Halbdunkel erkannte ich einen Berg aus undefinierten Dingen mitten im Wohnzimmer, mit dem ich nichts anzufangen wusste.
Allein in der Küche war die Deckenlampe noch intakt, oder besser noch vorhanden, denn sie gehörte zur Wohnungseinrichtung des Vermieters.
Langsam dämmerte es mir.
Meine Frau war übers Wochenende mit allem was wir hatten ausgezogen.
Vor mir lag eine völlig entkernte Wohnung.
Der Berg im Wohnzimmer entpuppte sich als zusammengeworfener Haufen meiner Anzüge, Schuhe, Hemden usw..
Damals gehörten die Telefone Gott sei Dank noch der Post, so dass Sie das nicht auch noch mitnehmen konnte.
Ich rief Peter an und bat ihn, mir seine beiden Campingstühle vom Balkon vorbeizubringen.
Nach einer kurzen Erklärung der Situation konnten wir uns vor lachen nicht mehr halten.
Peter kam mit seinen Balkonstühlen, einer Luftmatratze, seiner Nachttischlampe, einer Decke und einer Flasche Champagner.
Mit der spärlichen Beleuchtung der Nachttischlampe verschafften wir uns einen ersten Überblick über die Situation in der Wohnung.
Bis auf die Küchenzeile, die in Berlin zur Grundausstattung fast aller Mietwohnungen gehört, war wirklich alles weg.
Die Wohnung war, bis auf den Haufen mit meiner Garderobe in der Mitte des Wohnzimmers, komplett ausgeräumt.
Wie ich später erfuhr, hat meine Frau zusammen mit ihren Eltern an dem Wochenende alle Sachen in einen Miet- LKW verladen und nach Dettingen an der Erms speditiert.
Nachdem wir uns das „nackte Elend“ angesehen hatten, tranken wir den Champagner, in Ermangelung von Gläsern, aus der Flasche und aßen ein paar kalte Wiener aus einem Glas, das ich in einem Küchenschrank gefunden hatte.
Es war ein denkwürdiges Wochenende.
Am Montag fehlte meine Frau am Arbeitsplatz.
Natürlich wurde ich dazu vom Personalleiter, mit dem ich auch hier und da durch die Stadt zog, befragt wo sie sei.

Da ich ihre Pläne nicht kannte, konnte ich darüber keinerlei Auskunft geben.
Ich schilderte also die Sache so, wie ich sie erlebt habe.
Auch er war eher belustigt darüber, obwohl er natürlich ein kleines Problem hatte, denn meine Frau musste ja ersetzt werden.
Tatsächlich kam sie nie mehr zurück nach Berlin.
Das Arbeitsverhältnis wurde aufgekündigt und sie machte sich mit einem Bistro selbständig, bis sie ihren zweiten Mann, einen Piloten der Lufthansa, heiratete, um Hausfrau und Mutter zu werden.
So endete meine erste Ehe nach nicht ganz einem Jahr.
Abgesehen davon, dass ich eine ganze Menge Ärger am Hals hatte, weil ja z.B. der Mietvertrag auf unser beider Namen lautete und auch ein paar andere rechtliche Dinge geklärt sein mussten, ging die „Party“ in Berlin nur erst richtig los.
Stefan, Max, Peter und ich feierten fast jeden Abend unsere „Unabhängigkeit“.
Wer wissen will, wie unser Leben damals ablief, dem mag ich den Film hier an Herz legen:
https://www.youtube.com/watch?v=iDI456BsBuU
Das dabei auch „häufig wechselnde Freizeitmädel“ eine Rolle spielten, will ich nicht verheimlichen.

Aber wir trieben uns auch oft als echte „Männerclique“ in den Clubs der Stadt rum.
Ob Schwulenbar, Transvestitenshow, Berliner Kneipe, Rockkeller, oder Live Konzert, wo was los war, waren wir dabei.
Sogar vor Theater und Oper machten wir nicht halt.
Als dann mit „Saturday Nigth Fever“ auch noch die Diskos wie Pilze aus dem Boden schossen, verwandelten wir uns alle in kleine John Travoltas, um die Nächte durchzutanzen.

Meine Wohnung lud ohnehin nicht zum verweilen ein.
Das Mobiliar bestand aus einer Campingliege und zwei ausrangierte Kleiderrollständer aus dem KaDeWe.
Wäsche wurde im Waschsalon gewaschen und bei Peter gebügelt.
Essen fand fast immer auswärts statt, weil es bei mir nicht gab, womit ich etwas hätte zubereiten können.
Trotzdem musste ja auch alles Geschäftliche weitergehen.
Die Zeit war in vielen Hinsichten sehr anstrengend, zumal das KaDeWe damals einen umfangreichen Erweiterungsumbau durchmachte.
Noch heute frag ich mich, wie wir dass alles geschafft haben.
Gerade Peter und Max mussten ja, wie ich auch an sechs Tagen in der Woche von 8.00 bis gut 19.00 arbeiten. Da es aber für diese Geschichte nicht wichtig ist zu wissen, wie man Hemden verkauft, lasse ich die beruflichen Themen etwas außen vor.
Trotzdem gab es einige bemerkenswerte Ereignisse, wie meine ersten Reisen nach Paris, London, Mailand und Florenz.
Ich habe alle Städte später mehr oder weniger oft auch weiterhin besucht und sie alle in mein Herz geschlossen.
Zunächst befand ich mich aber noch in Berlin, einer Stadt die auch eine Menge zu bieten hatte.
Was ich nicht wusste, war, dass ich bald auf dem Weg zurück in die „Provinz“ sein würde.
Unsere von Fun und Arbeit geleitete Truppe zerfiel nämlich in den kommenden Monaten langsam.
Max ging nach New York, Steffan arbeitete zunächst sehr ernsthaft an seiner ersten LP und wurde irgendwann beim RIAS Berlin Moderator einer Pop Sendung für junge Leute, Peter suchte eine neue berufliche Aufgabe und sollte innerhalb kurzer Zeit zur Firma Braun in Moers entschwinden.
Ich bin trotzdem nicht vereinsamt.
Stefan gab es, wenn auch eingeschränkt immer noch.
Es ist interessant, dass viele Textzeilen aus dem zweiten Album „Hallo Engel“ schon damals zu seinen „Anmachsprüchen“ bei den Mädchen gehörten.
Dann wurde Dominique Horwitz für einige Zeit mein Begleiter.
Er, der Paris geboren wurde, war einem guten Essen nie abgeneigt.
So eroberten wir die Restaurants der Stadt gemeinsam. Wir hatten viel Spaß miteinander, aber anders als mit den „Saufkumpanen“.
Er war eher feingeistig und fühlte sich im KaDeWe nicht wirklich wohl.
Eines Tages, bei einer Portion Froschschenkel, erzählte er mir, dass er kündigen werde, um Schauspieler zu werden.
Natürlich glaubte ich ihm kein Wort, aber er setzte seinen Traum tatsächlich in die Tat um.
Ich sah ihn erstmals in dem Film „Hurra wir leben noch“ als „Mick“ wieder, diesmal auf der Leinwand.
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_wilden_Fünfziger
Stefan ging bald auf Tourneereisen.
Ihn habe ich auch nur noch selten wieder gesehen. Ein letztes Mal war das anlässlich eines Konzertes in Hannover.
Mit Max und Peter verbindet mich bis heute eine innige Freundschaft.
Doch damals, nun, so „allein“ in Berlin, wollte mir die Stadt trotz ihrer Verlockungen nicht mehr recht gefallen.
Irgendwie packte mich das Fernweh.
Zunächst musste ich aber mal für meine bürgerliche Existenz tun.
Ich nahm also einen Kredit auf und beschaffte mir Möbel.
Da ich eine entzückende Verkäuferin in einem Geschäft für Rattanmöbel kannte, war ich flugs im „Kolonialstile“ eingerichtet.
Nun konnte ich auch mal wieder jemanden in meine Wohnung einladen (z.B. die Verkäuferin aus dem Rattanladen).
Leider musste ich aber die schöne Wohnung in Zehlendorf verlassen, weil das Haus nach dem Tod der Vermieterin von den Erben verkauft wurde.
Doch auch dass erwies sich als Glücksfall, weil die Erben meinen Auszug dadurch beschleunigten, dass sie die Maklerkosten trugen.
So lebte ich also nun in der Manfred- von Richthofen- Straße in Tempelhof mit meinen funkelnagelneuen Möbeln in einer behaglichen Dachwohnung.
Tempelhof war, trotz des alten Flughafens, ein eher beschaulicher Stadtteil, in dem die „normale, bürgerliche Mittelschicht“ der Stadt lebte.
Mir tat das für einige Zeit ganz gut, denn ich musste so einiges in meinem Leben klären und die Zukunft planen.
Es half mir, dass uns im KaDeWe ein „Versetzungsverbot“ für die Zeit des Umbaus auferlegt wurde.
Ich fühlte mich in dem riesigen Kaufhaus eingeschlossen und wollte, so wie Peter und die Anderen dort raus.

Ich kündigte und zog weiter, um noch ein wenig etwas von Deutschland kennen zu lernen.

Auf meiner vorerst letzten Fahrt in den Westen sang Reinhard Mey
https://www.youtube.com/watch?v=zihp2Oepl4A
Jetzt muss ich lachen.
Ich habe doch ganz vergessen, dass ich ja eine Uhr vorstellen wollte.
Diese hier.

Die habe ich sicher irgendwann mal zwischen 1976 und 1978 im KaDeWe gesehen und wenn nicht da, dann im Kaufhaus Centrum am Alexanderplatz in Ostberlin.
Der „Chronograf“ ist ein zeitgenössisches Uhrenwunderwerk der DDR dieser Zeit.
Die Kaliber der Familie 24-35 kommt ganz ohne Steine aus. „Getaktet“ wird mit einem Stiftanker im 18.000er Rhythmus.
Sehr viel mehr, als ich dazu sagen kann, ist hier nachzulesen:
https://watch-wiki.org/index.php?title=Uhrenfamilie_UMF_Ruhla_Chronograf
Ihr wisst ja, dass ich technisch nicht so beschlagen bin, daher soll das lieber Fachleuten überlassen bleiben.
Nachdem Ihr nun wisst, wie es mir damals ergangen ist, werdet Ihr verstehen, dass ich nur wenig Zeit hatte, mich um solche Nebensächlichkeiten wie Uhren zu kümmern.
Wahrscheinlich hätte ich ihn damals eh nicht gekauft, weil eine Pulsar LED- Uhr sehr viel anziehender auf mich wirkte.
Kurz vor Weihnachten im letzten Jahr war mein Chronograf im MP.
Da wollte ich nicht mehr warten, weil ich Weihnachten immer ein bisschen Wehmütig werde und an all die vergangenen Lebensjahre zurück denke.
https://www.youtube.com/watch?v=k1AYdUd9E8g
Liebe Grüße
Roland

In dieser Zeit lebte und arbeitete ich „Westberlin“, das damals (für die Jüngeren unter den Lesern) noch von einer Mauer umgeben und durch eine Mauer geteilt war.
Nur wenige Straßen und Eisenbahngeleise verbanden die Stadt wie Hauptschlagadern mit dem „Westen“. Die den Weg über die Elbekanäle und die Luftverbindungen lasse ich jetzt mal weg.
Ich war durch meinen damaligen Arbeitgeber in das riesige KaDeWe versetz worden und damit begann für mich eine faszinierende Zeit in einer wunderschönen Stadt.
Jung war ich damals, gerade einmal 20 Jahre alt und natürlich sprang mich die Versuchung in mancherlei Form schon am ersten Abend an.
Da ich aus der Firmenzentrale kam und recht kurzfristig versetzt wurde, hatte man mir in der Nähe des Kaufhauses ein Hotelzimmer besorgt.
Offenbar hatte sich aber niemand die Adresse mal angesehen, denn ich landete tatsächlich in einem Puff irgendwo in der Gegend Lietzenburger/ Augsburgerstraße.
Fragt mich nicht.
Neben dem Eingangsbereich hingen Schaukästen, die die Stripteaseshow in diesem Etablissement eindrücklich verbildlichte.
Im EG saß eine waschechte Berliner Puffmutter und auf den Etagen wurden die Zimmer Stunden- bzw. Nächteweise vermietet.
Das ich wohl einige Wochen bleiben wollte, brachte die „Herbergsmutter“ noch nicht aus der Fassung, aber die Sache mit dem Frühstück schien doch ein Problem, denn normalerweise schlief das „Hauspersonal“ gerade dann ein, wenn ich weg musste.
Am ersten Morgen fand ich einen Zettel, auf dem mir mitgeteilt wurde, dass ich in der Küche alles finden würde.
Tatsächlich standen da eine Tasse mit einem Teebeutel drin, eine „Schrippe mit Hackepeter“ und eine Thermoskanne mit warmem Wasser.
Zur Ehrenrettung muss ich aber sagen, dass schon am nächsten Tag alles pikobello war und ich ein wirkliches Frühstück bekam.
Als ständiger Gast des Hauses war ich für die Damen Tabu, obwohl wir natürlich miteinander sprachen. Es stimmt schon, dass Huren oft sehr sensible Menschen sind, die auf freundliche Zuneigung sehr liebenswert reagieren.
Mir ging es gut dort, auch wenn nachts sehr häufig die Türen schlugen und Gespräche mit sehr eindeutigen Inhalten über den Flur klangen.
Manchmal traf ich eines von den Mädchen bei einer Tasse Kaffee nach einer langen Nacht in der Küche.
Da man in diesem Berufsstand nicht so prüde ist, litt ich dadurch schon unter einer gewissen „Reitzüberflutung“.
Nun ja, dafür gab es ja das KaDeWe.

Damals arbeiteten dort ca. 2.000 Menschen. 75% davon waren weiblich und 40% davon unter Dreißig. 600 meistens auch noch hübsche Berlinerinnen unter einem Dach, keine schlechten Aussichten.




Sich in Berlin zurechtzufinden viel mir nicht schwer, da ich ja schon mal für sechs Monate hier war.
Mit dem KaDeWe war das schon eine andere Sache.
Rund 45.000 m² Verkaufsfläche, plus Lager und Verwaltungstrakt, ist schon ein Wort.
Dazu kam, dass das Haus seit seiner Eröffnung im Jahr 1907 mehrfach erweitert wurde und dadurch sehr verwinkelt war.
Meine Abteilung lag im Erdgeschoss links vom Haupteingang.
Die „Herrenartikel Abteilung“ führte Hemden, Krawatten, Nachtwäsche, Hüte und Mützen und Damen- und Herrenschirme.
Da es damals noch keine Zentralkassen gab, besetzten wir täglich zwischen 8 und 10 Kassenplätze mit je 2 Verkäufer/innen.
An langen Samstagen konnten es auch mal rund dreißig Leute sein, die ich einzusetzen hatte. Dabei halfen mir ein Substitut und zwei Erstverkäuferinnen.
Ein Substitutenanwärter war ausschließlich mit der Organisation des Warentransportes aus dem externen Warenlager beauftragt.

Aber, ich will Euch nicht mit beruflichen Details langweilen, außer vielleicht mit folgendem noch.
Das KaDeWe wurde ständig von sehr prominenten Gästen besucht.
Ob Buchvorstellungen, Berlinale, Lesungen, politischen Besuchen, immer war irgendein „Fürst“ in einem speziellen VIP- Raum zu bedienen.
Ich durfte dann mit einer schönen Auswahl an Hemden und Krawatten antreten und zusammen mit einem aus der Anzugabteilung die Promis bedienen.
So lernte ich nach und nach alle Berliner regierende Bürgermeister, deren Vorgänger und Nachfolger, die Oppositionsführer, und sonstige Schamanen, aber auch Horst Buchholz, Hardy Krüger, Jürgen von Manger, Horst Tappert, Friedrich Nowottny, und wer weiß noch wen, kennen.
Etwas ganz besonderes war es, Walter Schell, damals Bundespräsident, persönlich zu bedienen.
Besonders Schlimm war es für mich immer, wenn „DDR-Schranzen“ zu bedienen waren.
Karl- Eduard von Schnitzler z.B., der mit seiner antiwestdeutschen Hetzsendung „Der schwarze Kanal“ sicher auch Euch (wenigstens noch den älteren) bekannt ist.
Dass ich in meiner Abteilung selbst einen, später recht bekannten, deutschen Schauspieler beschäftigte, wusste zu diesem Zeitpunkt nicht mal er selbst.
Dominique Horwitz war an "meiner" „Krawattenbar“ Verkäufer. Schade, dass er diesen teil seiner Vita, heute verschweigt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dominique_Horwitz
Wenden wir uns aber nun lieber dem privaten Teil der Berliner Zeit zu, er ist amüsanter.
Auf meinen Wegen in die Verwaltung musste ich stets durch die Damenmantelabteilung.
Dort war eine junge Substitutin, mit einer verblüffenden Ähnlichkeit zu der italienischen Sängerin Milva, beschäftigt.
Nun, wir kamen ins Gespräch, wir gingen miteinander aus und wir heirateten letztlich.
Meine erste Frau stammt aus Dettingen an der Erms, nahe Reutlingen, im Schwabenland.
Trotzdem war sie am Anfang eine sehr lebenslustige, die große Stadt genießende Person, mit der es viel Spaß machte um die Häuser zu ziehen.
Wir waren fast jeden Abend aus.
Meistens begann unsere Tour im „Café Royal“, einem Bistro am Wittenbergplatz nahe dem KaDeWe.
Zu unserer Clique zählte Peter, den ich deshalb erwähne, weil wir damals gute Freunde waren und ich ihm noch einige Male beruflich begegnen sollte.
Dann einige, deren Namen ich vergessen habe und ein melancholischer, junger Mann, der "unserem" Café Royal später ein musikalisches Denkmal setzen sollte.
https://www.google.de/search?q=cafe...-8&oe=utf-8&gws_rd=cr&ei=oiC7Vv7oGobaUZ3Sr8gP
Bekannter wurde Stefan Waggershausen allerdings mit seinem Lied „Hallo Engel“ Anfang der achtziger Jahre.

Stefan macht damals schon Musik, allerdings nicht das, was er dann nach „Hallo Engel“ konsequent bis heute durchgezogen hat.
Natürlich spielte er auch recht viel live damals.
Clubs gab es genug und die „Kreuzberger Nächte“ waren lang.
So kam es, dass wir sehr häufig erst am Sonntagnachmittag von unseren Ausflügen in die samstägliche Nacht nach Hause kamen.
In diese Zeit fiel auch die Sache mit meiner ersten Hochzeit.
Brigitte und ich fanden es „schick“ mal zu heiraten, obwohl wir wegen unserer Jugend bei ihren Eltern auf gehörigen Widerstand trafen.
Wie Recht sie hatten!!
Trotzdem setzten wir uns durch und veranstalteten die bekloppteste Spießerhochzeit aller Zeiten.
Wir heirateten in Dettingen mit allem pipapo.
Standesamt, Kirche, langes, weißes Kleid, Smoking, Hochzeitssuppe (mit Markklößchen), Spargelröllchen, zwei Sorten Braten, Eisbombe, Brautentführung und Schneewalzer.
Schrecklich!!
Ich lernte eine Menge neue Verwandtschaft kennen, die ich des Dialektes wegen, nicht verstand und auch nie wieder sah und wollte einfach nur weg von da.
Auch meine Schwiegereltern sah ich nur noch einmal.
Allerdings sollten sie uns, aus gegebenem Anlass, am Ende doch noch einen Besuch in Berlin abstatten.
Wie froh war ich, als ich wieder in Berlin war.
Schon kurz nach der Hochzeit begann sich Brigitte sehr zu verändern.
Das geschenkte Geld wurde nicht etwa verjuxt, wie ich es gern getan hätte, sondern in Möbel investiert, von denen ich nur kurze Zeit was hatte.
Sie wollte nicht mehr ausgehen und entwickelte sich zu einer waschechten Schwäbischen Hausfrau.
Das konnte nicht gut gehen.
Schon bald suchte ich nach Fluchtmöglichkeiten, um wieder mit Peter und Stefan auf die „Jagt“ zu gehen. „Einsame Wölfe brauchen Abenteuer und sie haben keine Angst mehr vorm Feuer“ sang Stefanie Werger.
https://www.youtube.com/watch?v=OqhTXCc3ne8
Sie traf den Kern.
Das Glück schickte mir Max.
Max aus einer alten Münchner Kaufmannsdynastie hatte gerade sein Studium an der Sorbonne in Paris abgeschlossen und sollte vor einem Kurzjob bei der Deutschen Bank Vertretung in New York, für ein paar Monate im KaDeWe volontieren.
Wir verstanden uns auf Anhieb und er passte super zu Peter und Stefan.
Nun hatte ich einen Grund.
Ich musste dem jungen Mann aus gutem Haus die Stadt zeigen.

Meine Frau blieb lieber daheim und sah fern.
Lange Zeit blieb ich ihr treu, aber nach etwa 14 Tagen begegnete ich „Ingrid Steeger“.
https://www.youtube.com/watch?v=d9fYhPYlZNQ
Nicht wirklich „Der Steeger“, aber einem Mädchen, das alle, wirklich alle Attribute und das Aussehen der Steeger hatte.
„Freizeitmädel“ hat Stefan solche Bekanntschaften genannt und tatsächlich endete meine nächtlichen Ausflüge oft in ihrem Zimmer am Savignyplatz in Charlottenburg.
Noch tolerierte meine Frau meine nächtlichen Eskapaden, aber leider spitzte sich die Sache sehr bald zu.
Es war der pure Zufall, dass ich eines Tages ein Mädchen am KuDamm dabei beobachtete, wie sie gerade das Dach eines VW- Cabrios schließen wollte.
Leider klemmte das Ding, so dass meine ritterliche Hilfe notwendig wurde. Da ich selbst damals ein Kabrio hatte, gelang mir das recht schnell.
Interessant war, dass dieses Mädchen aus Braunschweig kam. Sie verbrachte nur ein Wochenende in der großen Stadt.
War nett, dass sie es teilweise mit mir tat.
Dummerweise verabredete ich mich für das kommende Wochenende mit ihr in Braunschweig, so dass ich nun meiner Frau beibringen musste, nächste Woche allein nach BS zu fahren -um meine Eltern zu besuchen-.
An diesem Tag fiel die Entscheidung.
Zwei Sachen passierten am kommenden Wochenende:
Erstens lernte ich meinen späteren Geschäftsleiter bei P&C in BS kennen und Zweitens war meine Frau ausgezogen.
Die Verabredung in Braunschweig sollte meinen Lebensweg etwas verändern ist aber jetzt vielleicht nicht ganz so wichtig.
Das Wochenende war rund um die Uhr gelungen, das heißt, ich habe weder wirklich geschlafen, noch meine Eltern gesehen.
Trotz allem musste ich am Sonntag zurück nach Berlin.
So gegen 22.00 betrat ich die Wohnung.
Im Flur war scheinbar die Birne kaputt, es brannte kein Licht.
Auch im Wohnzimmer war es dunkel, zudem war es unglaublich still.
Im Halbdunkel erkannte ich einen Berg aus undefinierten Dingen mitten im Wohnzimmer, mit dem ich nichts anzufangen wusste.
Allein in der Küche war die Deckenlampe noch intakt, oder besser noch vorhanden, denn sie gehörte zur Wohnungseinrichtung des Vermieters.
Langsam dämmerte es mir.
Meine Frau war übers Wochenende mit allem was wir hatten ausgezogen.
Vor mir lag eine völlig entkernte Wohnung.
Der Berg im Wohnzimmer entpuppte sich als zusammengeworfener Haufen meiner Anzüge, Schuhe, Hemden usw..
Damals gehörten die Telefone Gott sei Dank noch der Post, so dass Sie das nicht auch noch mitnehmen konnte.
Ich rief Peter an und bat ihn, mir seine beiden Campingstühle vom Balkon vorbeizubringen.
Nach einer kurzen Erklärung der Situation konnten wir uns vor lachen nicht mehr halten.
Peter kam mit seinen Balkonstühlen, einer Luftmatratze, seiner Nachttischlampe, einer Decke und einer Flasche Champagner.
Mit der spärlichen Beleuchtung der Nachttischlampe verschafften wir uns einen ersten Überblick über die Situation in der Wohnung.
Bis auf die Küchenzeile, die in Berlin zur Grundausstattung fast aller Mietwohnungen gehört, war wirklich alles weg.
Die Wohnung war, bis auf den Haufen mit meiner Garderobe in der Mitte des Wohnzimmers, komplett ausgeräumt.
Wie ich später erfuhr, hat meine Frau zusammen mit ihren Eltern an dem Wochenende alle Sachen in einen Miet- LKW verladen und nach Dettingen an der Erms speditiert.
Nachdem wir uns das „nackte Elend“ angesehen hatten, tranken wir den Champagner, in Ermangelung von Gläsern, aus der Flasche und aßen ein paar kalte Wiener aus einem Glas, das ich in einem Küchenschrank gefunden hatte.
Es war ein denkwürdiges Wochenende.
Am Montag fehlte meine Frau am Arbeitsplatz.
Natürlich wurde ich dazu vom Personalleiter, mit dem ich auch hier und da durch die Stadt zog, befragt wo sie sei.

Da ich ihre Pläne nicht kannte, konnte ich darüber keinerlei Auskunft geben.
Ich schilderte also die Sache so, wie ich sie erlebt habe.
Auch er war eher belustigt darüber, obwohl er natürlich ein kleines Problem hatte, denn meine Frau musste ja ersetzt werden.
Tatsächlich kam sie nie mehr zurück nach Berlin.
Das Arbeitsverhältnis wurde aufgekündigt und sie machte sich mit einem Bistro selbständig, bis sie ihren zweiten Mann, einen Piloten der Lufthansa, heiratete, um Hausfrau und Mutter zu werden.
So endete meine erste Ehe nach nicht ganz einem Jahr.
Abgesehen davon, dass ich eine ganze Menge Ärger am Hals hatte, weil ja z.B. der Mietvertrag auf unser beider Namen lautete und auch ein paar andere rechtliche Dinge geklärt sein mussten, ging die „Party“ in Berlin nur erst richtig los.
Stefan, Max, Peter und ich feierten fast jeden Abend unsere „Unabhängigkeit“.
Wer wissen will, wie unser Leben damals ablief, dem mag ich den Film hier an Herz legen:
https://www.youtube.com/watch?v=iDI456BsBuU
Das dabei auch „häufig wechselnde Freizeitmädel“ eine Rolle spielten, will ich nicht verheimlichen.

Aber wir trieben uns auch oft als echte „Männerclique“ in den Clubs der Stadt rum.
Ob Schwulenbar, Transvestitenshow, Berliner Kneipe, Rockkeller, oder Live Konzert, wo was los war, waren wir dabei.
Sogar vor Theater und Oper machten wir nicht halt.
Als dann mit „Saturday Nigth Fever“ auch noch die Diskos wie Pilze aus dem Boden schossen, verwandelten wir uns alle in kleine John Travoltas, um die Nächte durchzutanzen.

Meine Wohnung lud ohnehin nicht zum verweilen ein.
Das Mobiliar bestand aus einer Campingliege und zwei ausrangierte Kleiderrollständer aus dem KaDeWe.
Wäsche wurde im Waschsalon gewaschen und bei Peter gebügelt.
Essen fand fast immer auswärts statt, weil es bei mir nicht gab, womit ich etwas hätte zubereiten können.
Trotzdem musste ja auch alles Geschäftliche weitergehen.
Die Zeit war in vielen Hinsichten sehr anstrengend, zumal das KaDeWe damals einen umfangreichen Erweiterungsumbau durchmachte.
Noch heute frag ich mich, wie wir dass alles geschafft haben.
Gerade Peter und Max mussten ja, wie ich auch an sechs Tagen in der Woche von 8.00 bis gut 19.00 arbeiten. Da es aber für diese Geschichte nicht wichtig ist zu wissen, wie man Hemden verkauft, lasse ich die beruflichen Themen etwas außen vor.
Trotzdem gab es einige bemerkenswerte Ereignisse, wie meine ersten Reisen nach Paris, London, Mailand und Florenz.
Ich habe alle Städte später mehr oder weniger oft auch weiterhin besucht und sie alle in mein Herz geschlossen.
Zunächst befand ich mich aber noch in Berlin, einer Stadt die auch eine Menge zu bieten hatte.
Was ich nicht wusste, war, dass ich bald auf dem Weg zurück in die „Provinz“ sein würde.
Unsere von Fun und Arbeit geleitete Truppe zerfiel nämlich in den kommenden Monaten langsam.
Max ging nach New York, Steffan arbeitete zunächst sehr ernsthaft an seiner ersten LP und wurde irgendwann beim RIAS Berlin Moderator einer Pop Sendung für junge Leute, Peter suchte eine neue berufliche Aufgabe und sollte innerhalb kurzer Zeit zur Firma Braun in Moers entschwinden.
Ich bin trotzdem nicht vereinsamt.
Stefan gab es, wenn auch eingeschränkt immer noch.
Es ist interessant, dass viele Textzeilen aus dem zweiten Album „Hallo Engel“ schon damals zu seinen „Anmachsprüchen“ bei den Mädchen gehörten.
Dann wurde Dominique Horwitz für einige Zeit mein Begleiter.
Er, der Paris geboren wurde, war einem guten Essen nie abgeneigt.
So eroberten wir die Restaurants der Stadt gemeinsam. Wir hatten viel Spaß miteinander, aber anders als mit den „Saufkumpanen“.
Er war eher feingeistig und fühlte sich im KaDeWe nicht wirklich wohl.
Eines Tages, bei einer Portion Froschschenkel, erzählte er mir, dass er kündigen werde, um Schauspieler zu werden.
Natürlich glaubte ich ihm kein Wort, aber er setzte seinen Traum tatsächlich in die Tat um.
Ich sah ihn erstmals in dem Film „Hurra wir leben noch“ als „Mick“ wieder, diesmal auf der Leinwand.
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_wilden_Fünfziger
Stefan ging bald auf Tourneereisen.
Ihn habe ich auch nur noch selten wieder gesehen. Ein letztes Mal war das anlässlich eines Konzertes in Hannover.
Mit Max und Peter verbindet mich bis heute eine innige Freundschaft.
Doch damals, nun, so „allein“ in Berlin, wollte mir die Stadt trotz ihrer Verlockungen nicht mehr recht gefallen.
Irgendwie packte mich das Fernweh.
Zunächst musste ich aber mal für meine bürgerliche Existenz tun.
Ich nahm also einen Kredit auf und beschaffte mir Möbel.
Da ich eine entzückende Verkäuferin in einem Geschäft für Rattanmöbel kannte, war ich flugs im „Kolonialstile“ eingerichtet.
Nun konnte ich auch mal wieder jemanden in meine Wohnung einladen (z.B. die Verkäuferin aus dem Rattanladen).
Leider musste ich aber die schöne Wohnung in Zehlendorf verlassen, weil das Haus nach dem Tod der Vermieterin von den Erben verkauft wurde.
Doch auch dass erwies sich als Glücksfall, weil die Erben meinen Auszug dadurch beschleunigten, dass sie die Maklerkosten trugen.
So lebte ich also nun in der Manfred- von Richthofen- Straße in Tempelhof mit meinen funkelnagelneuen Möbeln in einer behaglichen Dachwohnung.
Tempelhof war, trotz des alten Flughafens, ein eher beschaulicher Stadtteil, in dem die „normale, bürgerliche Mittelschicht“ der Stadt lebte.
Mir tat das für einige Zeit ganz gut, denn ich musste so einiges in meinem Leben klären und die Zukunft planen.
Es half mir, dass uns im KaDeWe ein „Versetzungsverbot“ für die Zeit des Umbaus auferlegt wurde.
Ich fühlte mich in dem riesigen Kaufhaus eingeschlossen und wollte, so wie Peter und die Anderen dort raus.

Ich kündigte und zog weiter, um noch ein wenig etwas von Deutschland kennen zu lernen.

Auf meiner vorerst letzten Fahrt in den Westen sang Reinhard Mey
https://www.youtube.com/watch?v=zihp2Oepl4A
Jetzt muss ich lachen.
Ich habe doch ganz vergessen, dass ich ja eine Uhr vorstellen wollte.
Diese hier.

Die habe ich sicher irgendwann mal zwischen 1976 und 1978 im KaDeWe gesehen und wenn nicht da, dann im Kaufhaus Centrum am Alexanderplatz in Ostberlin.
Der „Chronograf“ ist ein zeitgenössisches Uhrenwunderwerk der DDR dieser Zeit.
Die Kaliber der Familie 24-35 kommt ganz ohne Steine aus. „Getaktet“ wird mit einem Stiftanker im 18.000er Rhythmus.
Sehr viel mehr, als ich dazu sagen kann, ist hier nachzulesen:
https://watch-wiki.org/index.php?title=Uhrenfamilie_UMF_Ruhla_Chronograf
Ihr wisst ja, dass ich technisch nicht so beschlagen bin, daher soll das lieber Fachleuten überlassen bleiben.
Nachdem Ihr nun wisst, wie es mir damals ergangen ist, werdet Ihr verstehen, dass ich nur wenig Zeit hatte, mich um solche Nebensächlichkeiten wie Uhren zu kümmern.
Wahrscheinlich hätte ich ihn damals eh nicht gekauft, weil eine Pulsar LED- Uhr sehr viel anziehender auf mich wirkte.
Kurz vor Weihnachten im letzten Jahr war mein Chronograf im MP.
Da wollte ich nicht mehr warten, weil ich Weihnachten immer ein bisschen Wehmütig werde und an all die vergangenen Lebensjahre zurück denke.

https://www.youtube.com/watch?v=k1AYdUd9E8g
Liebe Grüße
Roland
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