
navitimer11
Themenstarter
Taschenuhren kann man in den seltensten Fällen am Handgelenk tragen. Möglicherweise ist das der Grund, warum sich die Zahl der Besitzer und Sammler diesbezüglich in überschaubaren Grenzen hält. Zu Unrecht, wie ich nun auch selbst erstmals erfahren durfte.
Nachdem mir eine Bression aus dem Jahre 1878 zum Kauf angeboten wurde, war dies für mich der Anlass, mich erstmals etwas genauer mit der Materie auseinanderzusetzen. Flohmärkte, Internet-Verkaufsplattformen und Auktionshäuser bieten gerade auch im Antiquitätenbereich eine große Auswahl….. und keine gleicht der anderen. Die Preise reichen von wenigen Euros bis zu vierstelligen Summen.
Was mir offeriert wurde war und ist für mich als „Nichtexperte“ nur sehr schwierig zu taxieren. Nachdem ich hier im Forum zumindest ein paar wertvolle, erste Anhaltspunkte zum Thema erhalten habe, empfand ich einen Betrag deutlich unterhalb der 100,- €-Grenze als angemessen. Erfreulicherweise konnte auch der Verkäufer, der sie selbst einmal geerbt hatte, gut damit leben.
Bei der Bression handelt es sich um eine sehr hübsch guillochierte Vertreterin ihrer Gattung, allerdings mit recht einfachem, jedoch noch funktionierendem Werk. Sehr viel mehr weiß ich allerdings nicht über diesen Pocket-Zeitmesser mit einem Durchmesser von 4,4 cm.
Ihr Zifferblatt dürfte sie relativ rar machen. Denn industriell gefertigte Taschenuhren mit einer Herstellerbeschriftung auf dem ZB wie dieser, gab es erstmals ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie wurden in größerer Stückzahl gefertigt, so dass nun auch der „kleine Mann“ sich so etwas leisten konnte. Sehr lange währte diese Ära allerdings nicht, denn schon bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdrängte bereits die Armbanduhr die Taschenuhr. Zu diesem Zeitpunkt dürften also viele Zeitgenossen „Hosenticker“ als „veralteten Plunder mit begrenztem Nutzwert“ betrachtet und entsprechend lieblos behandelt haben. So sind die meisten „Volks-Taschenuhren“ aus dieser Epoche, besonders außerhalb der „Gold- und Silberklasse“ (sofern diese die Wirren der vielen Jahrzehnte überhaupt überlebt haben) häufig in einem ziemlich ramponierten Zustand. Anhand der meist baufälligen Zifferblätter wird dies oft besonders deutlich. Und nicht selten wird in solchen Fällen gegen ein „neutrales“, ähnlich aussehendes ausgetauscht. Was der Uhr dann natürlich viel von ihrer Originaltreue nimmt. Schon deshalb, weil sich ein Herstellerschriftzug ja nicht wirklich ersetzen lässt.
Dass die Bression nach 140 Jahren trotz all dem noch authentisch und dem hohen Alter entsprechend relativ gut erhalten ist, dürfte im „Niedrigpreissegment“ als echter Glücksfall zu betrachten sein.
Besonders interessant auch die gravierte Rückseite. Sie zeigt die Konturen eines Gebäudes oder einer Stadt. Verdun? Zumindest der Zusatz im Firmennamen könnte dies vermuten lassen. Was es mit dieser Darstellung wohl genau auf sich hat ?
Ebenfalls Rätsel gibt (zumindest mir) die Punzierung auf. Im Netz konnte ich nichts darüber finden. Eine Vollsilber-Punze?
Zumindest die Rautenform war, so wie ich es verstanden habe, in der damaligen Zeit in Frankreich durchaus üblich. Da nirgends Rost oder etwas unter Abwetzungen durchschimmert, vermute ich zumindest sehr stark, dass es sich um echtes Silber handelt
Als weiteres, persönliches Highlight betrachte ich die aufwändig filigran gestalteten Zeiger, die zusammen mit den „großen Römern“ und den „kleinen Arabern“ auf dem traumhaft schönen emaillierten Zifferblatt viel „historisches Flair“ versprühen. Im „Kopfkino“ stellt man sich unweigerlich einen vollbärtigen Herrn mit Nickelbrille, Gehrock, Stock und Zylinder vor, der gerade einen Blick auf die Uhrzeit wirft. Neben Ihm eine Dame mit Tüllkleid, die einen mit Spitze bespannten Sonnenschirm über ihrer Schulter spazieren führt.

Bei der Bression handelt es sich um eine sogenannte „Schlüssel-Taschenuhr“. Unter dem Deckel der Rückseite befinden sich zwei runde Imbus-Öffnungen. Die eine zum Stellen der Zeiger, die andere zum Aufziehen. Leider existiert der Original-Schlüssel nicht mehr, so dass derzeit noch ein schnöder Neuzeit-Dreher diese Aufgabe erfüllen muss, bis ich irgendwo etwas zeitgenössisch passendes auftreiben kann. Auch ein entsprechendes Uhrenkettchen würde der Bression sicherlich gut zu Gesicht stehen.
Auf jeden Fall sind Taschenuhren wie diese die wohl preiswerteste Möglichkeit, ein echtes Stück „Uhrmachergeschichte“ zu erwerben. Auch wenn der „antiquarische“ Wert vermutlich nicht besonders hoch sein dürfte, so tickt hier doch die „Seele“ der guten alten Zeit.
Was die Bression – übrigens gleich alt wie der Eifelturm- wohl so alles im Verlauf der Jahrhundertwende, der Jahrtausendwende, zwei Weltkriegen und der Phase des Wirtschaftswunders erlebt hat ? Welche Besitzer hatte sie ? Wie hat sie ihren Weg von Frankreich nach Deutschland gefunden ? Als Kriegsbeute eines Soldaten des deutschen Kaiserreiches in der Schlacht von Verdun ? Hat die in der Uhr verewigte Signatur „ L. F. & F. PARIS 1878 MEDAILLE D'OR" irgend etwas mit der damaligen Weltausstellung zu tun ?
Fragen, die wohl nie mehr beantwortet werden können. Das einzige, was definitiv sicher ist: Die Uhr wurde schon einmal im Saarbrücker Auktionshaus A.J. Jeanrond erfolgreich versteigert, möglicherweise an den Erblasser http://www.auktionshaus-saarbruecke...ct_id=5520&virtuemart_category_id=132&lang=de
Aber gerade all das macht die Sache ja auch so spannend….. und das zum Preis einer in Masse produzierten China-Uhr.
EDIT: Wer zusätzliche sachdienliche Hinweise zum „Verdunder Uhrenrätsel“ beisteuern kann.... immer gerne
Nachdem mir eine Bression aus dem Jahre 1878 zum Kauf angeboten wurde, war dies für mich der Anlass, mich erstmals etwas genauer mit der Materie auseinanderzusetzen. Flohmärkte, Internet-Verkaufsplattformen und Auktionshäuser bieten gerade auch im Antiquitätenbereich eine große Auswahl….. und keine gleicht der anderen. Die Preise reichen von wenigen Euros bis zu vierstelligen Summen.
Was mir offeriert wurde war und ist für mich als „Nichtexperte“ nur sehr schwierig zu taxieren. Nachdem ich hier im Forum zumindest ein paar wertvolle, erste Anhaltspunkte zum Thema erhalten habe, empfand ich einen Betrag deutlich unterhalb der 100,- €-Grenze als angemessen. Erfreulicherweise konnte auch der Verkäufer, der sie selbst einmal geerbt hatte, gut damit leben.
Bei der Bression handelt es sich um eine sehr hübsch guillochierte Vertreterin ihrer Gattung, allerdings mit recht einfachem, jedoch noch funktionierendem Werk. Sehr viel mehr weiß ich allerdings nicht über diesen Pocket-Zeitmesser mit einem Durchmesser von 4,4 cm.
Ihr Zifferblatt dürfte sie relativ rar machen. Denn industriell gefertigte Taschenuhren mit einer Herstellerbeschriftung auf dem ZB wie dieser, gab es erstmals ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie wurden in größerer Stückzahl gefertigt, so dass nun auch der „kleine Mann“ sich so etwas leisten konnte. Sehr lange währte diese Ära allerdings nicht, denn schon bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdrängte bereits die Armbanduhr die Taschenuhr. Zu diesem Zeitpunkt dürften also viele Zeitgenossen „Hosenticker“ als „veralteten Plunder mit begrenztem Nutzwert“ betrachtet und entsprechend lieblos behandelt haben. So sind die meisten „Volks-Taschenuhren“ aus dieser Epoche, besonders außerhalb der „Gold- und Silberklasse“ (sofern diese die Wirren der vielen Jahrzehnte überhaupt überlebt haben) häufig in einem ziemlich ramponierten Zustand. Anhand der meist baufälligen Zifferblätter wird dies oft besonders deutlich. Und nicht selten wird in solchen Fällen gegen ein „neutrales“, ähnlich aussehendes ausgetauscht. Was der Uhr dann natürlich viel von ihrer Originaltreue nimmt. Schon deshalb, weil sich ein Herstellerschriftzug ja nicht wirklich ersetzen lässt.
Dass die Bression nach 140 Jahren trotz all dem noch authentisch und dem hohen Alter entsprechend relativ gut erhalten ist, dürfte im „Niedrigpreissegment“ als echter Glücksfall zu betrachten sein.

Besonders interessant auch die gravierte Rückseite. Sie zeigt die Konturen eines Gebäudes oder einer Stadt. Verdun? Zumindest der Zusatz im Firmennamen könnte dies vermuten lassen. Was es mit dieser Darstellung wohl genau auf sich hat ?
Ebenfalls Rätsel gibt (zumindest mir) die Punzierung auf. Im Netz konnte ich nichts darüber finden. Eine Vollsilber-Punze?

Als weiteres, persönliches Highlight betrachte ich die aufwändig filigran gestalteten Zeiger, die zusammen mit den „großen Römern“ und den „kleinen Arabern“ auf dem traumhaft schönen emaillierten Zifferblatt viel „historisches Flair“ versprühen. Im „Kopfkino“ stellt man sich unweigerlich einen vollbärtigen Herrn mit Nickelbrille, Gehrock, Stock und Zylinder vor, der gerade einen Blick auf die Uhrzeit wirft. Neben Ihm eine Dame mit Tüllkleid, die einen mit Spitze bespannten Sonnenschirm über ihrer Schulter spazieren führt.


Bei der Bression handelt es sich um eine sogenannte „Schlüssel-Taschenuhr“. Unter dem Deckel der Rückseite befinden sich zwei runde Imbus-Öffnungen. Die eine zum Stellen der Zeiger, die andere zum Aufziehen. Leider existiert der Original-Schlüssel nicht mehr, so dass derzeit noch ein schnöder Neuzeit-Dreher diese Aufgabe erfüllen muss, bis ich irgendwo etwas zeitgenössisch passendes auftreiben kann. Auch ein entsprechendes Uhrenkettchen würde der Bression sicherlich gut zu Gesicht stehen.
Auf jeden Fall sind Taschenuhren wie diese die wohl preiswerteste Möglichkeit, ein echtes Stück „Uhrmachergeschichte“ zu erwerben. Auch wenn der „antiquarische“ Wert vermutlich nicht besonders hoch sein dürfte, so tickt hier doch die „Seele“ der guten alten Zeit.

Was die Bression – übrigens gleich alt wie der Eifelturm- wohl so alles im Verlauf der Jahrhundertwende, der Jahrtausendwende, zwei Weltkriegen und der Phase des Wirtschaftswunders erlebt hat ? Welche Besitzer hatte sie ? Wie hat sie ihren Weg von Frankreich nach Deutschland gefunden ? Als Kriegsbeute eines Soldaten des deutschen Kaiserreiches in der Schlacht von Verdun ? Hat die in der Uhr verewigte Signatur „ L. F. & F. PARIS 1878 MEDAILLE D'OR" irgend etwas mit der damaligen Weltausstellung zu tun ?
Fragen, die wohl nie mehr beantwortet werden können. Das einzige, was definitiv sicher ist: Die Uhr wurde schon einmal im Saarbrücker Auktionshaus A.J. Jeanrond erfolgreich versteigert, möglicherweise an den Erblasser http://www.auktionshaus-saarbruecke...ct_id=5520&virtuemart_category_id=132&lang=de
Aber gerade all das macht die Sache ja auch so spannend….. und das zum Preis einer in Masse produzierten China-Uhr.
EDIT: Wer zusätzliche sachdienliche Hinweise zum „Verdunder Uhrenrätsel“ beisteuern kann.... immer gerne

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