
Portaner
Themenstarter
- Dabei seit
- 25.01.2022
- Beiträge
- 789
...oder wie sich meine Einstellung änderte
(Lesedauer cirka 6 Minuten)
Mir ist sehr wohl bewusst, dass meine folgenden Zeilen nicht jedem gefallen werden,
ja, nicht gefallen können. Ist doch das Hobby mit Armbanduhren sehr eng an die
mechanische Seele geknüpft. Vielleicht ist diese Seele sogar das elementare Argument
überhaupt und das Drumherum, wie Gehäuse, Zifferblatt und Armband nur die konsequente
und ehrwürdige Verpackung der faszinierenden Miniaturmechanik.
So oder so ähnlich dachte ich jedenfalls bis etwa Mitte 2020 uneingeschränkt. Meine
Leidenschaft für Uhren begann so richtig vor etwa 12 Jahren und ist somit noch recht jung.
Was war passiert?
Qualität kommt von Qual
Nach ersten Fehlversuchen mit Hommagen unbekannter Hersteller, die dieser Planet
so zu bieten hat, entwickelte sich meine Leidenschaft erst in der Region um 1.000 Euro
und später sogar in den höheren vierstelligen bis hin zum unteren fünfstelligen Bereich.
Leidenschaft pur, Freude auch.
Dann kamen erste Zipperlein, die so gar nicht zu dem passen wollten, was ich unter dem
Begriff Qualität oder gar Luxus verstand. Plötzlicher Nachgang von zehn Sekunden und
mehr bei einer vier Jahre jungen Uhr. Gangreserve 48 Stunden wurde zu Gangreserve von
etwas über 30 Stunden. Hängende Datumsscheibe, verklemmter Mechanismus beim
Bandschnellwechsel-System, kratzige Krone beim Aufziehen, hakelige Krone beim Festschrauben usw.
Nun gut, diese Produkte sind aufwändig und teils mit handwerklichem Aufwand produziert.
Da kann das natürlich auch mal passieren und möglicherweise bin ich auch viel zu kritisch,
zu perfektionistisch. Dennoch konnte ich es einfach nicht leugnen: ich war enttäuscht, meine
baumstammgleiche Überzeugung bekam erste Risse.
Beim Konzessionär wird alles gut
Ergo führten mich meine Wege zu den jeweiligen kundenfreundlichen Konzessionären,
die sich mit diesen kostspieligen Spielzeugen auskennen und bat um Hilfe.
"...das tut uns leid, aber wir haben dafür gar keine Werkzeuge. Das will der Hersteller nicht…die muss eingeschickt werden…""
"...den Gang regulieren können wir in der Garantie nicht. Die Uhr muss eingeschickt werden…"
"…das ist ein ganz neues Manufakturkaliber, da dürfen wir nicht drangehen. Die muss eingeschickt werden…"
"…das Ersetzen des Bandschnellwechsel-Systems wird teuer. Eventuell probieren Sie es besser mit normalen Federstegen.
Wir können die Uhr aber auch gerne einschicken…"
"…ist Ihnen die Uhr runtergefallen? Dann ist das eh nicht von der Garantie abgedeckt…"
"…zehn Sekunden Nachgang ist normal. Tragen Sie die Uhr doch erstmal und in ein paar Monaten gucken wir weiter..."
Diese komprimiert dargestellten Begebenheiten zogen sich natürlich über einen längeren Zeitraum,
geben meine Gefühlslage aber gut wieder. Denn in Summe wird die angerissene Überzeugung nun
immer mehr zum Canyon des Zweifelns.
Die Uhrenindustrie selbst ist es, die gerne den Vergleich zum Automobil herstellt, um die Notwendigkeit
von Services einer mechanischen Uhr zu begründen.
Ich stelle mir gerade vor, ich müsste mit meinem Auto zur Firmenzentrale fahren, um dort die
Leerlaufdrehzahl anpassen oder Zündkerzen wechseln zu lassen.
Ist das die Zukunft der mechanischen Uhrenindustrie?
Wie gehe ich damit um
Es gibt mehrere Wege, wie man sich hierzu positionieren kann. Stell dich nicht so piffelig an,
oder das ist nicht nur bei deinen Uhren so, dass ist also irgendwo normal…
Diese Form der Selbstsuggestion habe ich x-fach probiert, ohne Erfolg. Die Enttäuschung saß
und sitzt zu fest. Dennoch hielt ich an dem Strohhalm der U(h)r-Überzeugung fest.
Leidenschaft muss man sich leisten können
Nun kennen das ja viele. Man hat die ein oder andere Uhr in der Sammlung und die Liste
der Wünsche ist mehr oder weniger üppig.
Aus welchen Gründen auch immer werden genau die Marken, die ich in meiner Sammlung
und teils auf meiner Wunschliste habe, gefühlt quartalsmäßig teurer. Der Verdacht liegt nahe,
dass die Preiskalkulationen eng an die Hospitalisierungsrate oder an die Diäten in Berlin
gekoppelt zu sein scheinen, was weiß denn ich.
Wenn die Packung Kaffee von 5,99 Euro auf 6,49 Euro erhöht wird, ist das nicht schön.
Wenn sich eine Uhr aber binnen 18 Monaten von 4.800 Euro auf 5.600 Euro erhöht, ist das
Hobby für mich an einem kritischen Punkt angelangt.
Leidenschaft muss man sich leisten können, selbstverständlich. Dem stimme ich zu und ich
bin an dem Punkt, wo ich mir eingestehen muss, dass ich dieser Art von Hobby eine Korrektur
unterziehen muss. Meine Lebensumstände geben es nicht her, dass ich leichtfüßig darüber
hinwegschweben kann. Zumal ja die Risse und Canyons ihr übriges beisteuern.
Was genau ist denn meine Leidenschaft? Ist es wirklich die hochpreisige mechanische Seele?
Und, ist das Nichtvorhandensein dieser erlesenen Seele ein k.o. Kriterium für mich?
Die Antwort kam per Zufall
Ich gehöre zu den Ewiggestrigen, die dieses Genta-Design mögen. Ob ich es beim Stöbern
im Netz entdeckt habe oder es in irgendeinem Newsletter war, ich weiß es nicht mehr. Habe es
vergessen. In dieser Hinsicht gibt es bei mir wohl Parallelen zur politischen Elite unseres Landes.
Jedenfalls sprach mich eine Uhr an, die ich mir ansehen wollte.
Gesagt, getan, gesehen, geprüft, gekauft. Ja, ich habe mir eine Quarzuhr gekauft. Die PRX von Tissot.
Vielleicht aus Trotz, wie wenn man irgendwo abprallt und auf der gegenüberliegenden Seite landet.
Möglicherweise kennt das jemand und versteht, was ich meine.
So, nun ist dieses seelenlose Ding bei mir und ich erlebe, dass dieses Batterie betriebene Etwas so
gar nicht abstoßend ist. Es macht mir Freude und es wirkt sehr entspannend auf mich.
Fazit
Mein kleiner Weg der LEIDENschaft ist auch geprägt von meinen Schwächen, meinem Hadern mit
Ansprüchen, enttäuschten Erwartungen und von meinen finanziellen Grenzen.
Ich mag selbstverständlich nach wie vor mechanische Uhren. Nur muss es nicht mehr so hoch auf der Leiter sein.
Freude hängt nicht immer vom Preisschild ab. Das rede ich mir auch nicht schön, wie es naheliegend wäre.
Nein, das ist der ehrliche Wandel in meinem Denken. Vielleicht erwerbe ich ja auch noch mal eine hochwertige Uhr.
Kann sein, kann nicht sein.
Die Basis ist jedenfalls eine andere. Leidenschaft, die ich mir leisten kann und leisten möchte.
Ich bedanke mich, wenn du es bis hierher geschafft hast zu lesen. Eventuell erkennst du dich ein wenig wieder.
Vielleicht bist du aber auch komplett anderer Meinung. Beides ist vollkommen in Ordnung.
Es gibt in dieser Hinsicht wohl kein "Richtig" und kein "Falsch" – nur Leidenschaft.
(Lesedauer cirka 6 Minuten)
Mir ist sehr wohl bewusst, dass meine folgenden Zeilen nicht jedem gefallen werden,
ja, nicht gefallen können. Ist doch das Hobby mit Armbanduhren sehr eng an die
mechanische Seele geknüpft. Vielleicht ist diese Seele sogar das elementare Argument
überhaupt und das Drumherum, wie Gehäuse, Zifferblatt und Armband nur die konsequente
und ehrwürdige Verpackung der faszinierenden Miniaturmechanik.
So oder so ähnlich dachte ich jedenfalls bis etwa Mitte 2020 uneingeschränkt. Meine
Leidenschaft für Uhren begann so richtig vor etwa 12 Jahren und ist somit noch recht jung.
Was war passiert?
Qualität kommt von Qual
Nach ersten Fehlversuchen mit Hommagen unbekannter Hersteller, die dieser Planet
so zu bieten hat, entwickelte sich meine Leidenschaft erst in der Region um 1.000 Euro
und später sogar in den höheren vierstelligen bis hin zum unteren fünfstelligen Bereich.
Leidenschaft pur, Freude auch.
Dann kamen erste Zipperlein, die so gar nicht zu dem passen wollten, was ich unter dem
Begriff Qualität oder gar Luxus verstand. Plötzlicher Nachgang von zehn Sekunden und
mehr bei einer vier Jahre jungen Uhr. Gangreserve 48 Stunden wurde zu Gangreserve von
etwas über 30 Stunden. Hängende Datumsscheibe, verklemmter Mechanismus beim
Bandschnellwechsel-System, kratzige Krone beim Aufziehen, hakelige Krone beim Festschrauben usw.
Nun gut, diese Produkte sind aufwändig und teils mit handwerklichem Aufwand produziert.
Da kann das natürlich auch mal passieren und möglicherweise bin ich auch viel zu kritisch,
zu perfektionistisch. Dennoch konnte ich es einfach nicht leugnen: ich war enttäuscht, meine
baumstammgleiche Überzeugung bekam erste Risse.
Beim Konzessionär wird alles gut
Ergo führten mich meine Wege zu den jeweiligen kundenfreundlichen Konzessionären,
die sich mit diesen kostspieligen Spielzeugen auskennen und bat um Hilfe.
"...das tut uns leid, aber wir haben dafür gar keine Werkzeuge. Das will der Hersteller nicht…die muss eingeschickt werden…""
"...den Gang regulieren können wir in der Garantie nicht. Die Uhr muss eingeschickt werden…"
"…das ist ein ganz neues Manufakturkaliber, da dürfen wir nicht drangehen. Die muss eingeschickt werden…"
"…das Ersetzen des Bandschnellwechsel-Systems wird teuer. Eventuell probieren Sie es besser mit normalen Federstegen.
Wir können die Uhr aber auch gerne einschicken…"
"…ist Ihnen die Uhr runtergefallen? Dann ist das eh nicht von der Garantie abgedeckt…"
"…zehn Sekunden Nachgang ist normal. Tragen Sie die Uhr doch erstmal und in ein paar Monaten gucken wir weiter..."
Diese komprimiert dargestellten Begebenheiten zogen sich natürlich über einen längeren Zeitraum,
geben meine Gefühlslage aber gut wieder. Denn in Summe wird die angerissene Überzeugung nun
immer mehr zum Canyon des Zweifelns.
Die Uhrenindustrie selbst ist es, die gerne den Vergleich zum Automobil herstellt, um die Notwendigkeit
von Services einer mechanischen Uhr zu begründen.
Ich stelle mir gerade vor, ich müsste mit meinem Auto zur Firmenzentrale fahren, um dort die
Leerlaufdrehzahl anpassen oder Zündkerzen wechseln zu lassen.
Ist das die Zukunft der mechanischen Uhrenindustrie?
Wie gehe ich damit um
Es gibt mehrere Wege, wie man sich hierzu positionieren kann. Stell dich nicht so piffelig an,
oder das ist nicht nur bei deinen Uhren so, dass ist also irgendwo normal…
Diese Form der Selbstsuggestion habe ich x-fach probiert, ohne Erfolg. Die Enttäuschung saß
und sitzt zu fest. Dennoch hielt ich an dem Strohhalm der U(h)r-Überzeugung fest.
Leidenschaft muss man sich leisten können
Nun kennen das ja viele. Man hat die ein oder andere Uhr in der Sammlung und die Liste
der Wünsche ist mehr oder weniger üppig.
Aus welchen Gründen auch immer werden genau die Marken, die ich in meiner Sammlung
und teils auf meiner Wunschliste habe, gefühlt quartalsmäßig teurer. Der Verdacht liegt nahe,
dass die Preiskalkulationen eng an die Hospitalisierungsrate oder an die Diäten in Berlin
gekoppelt zu sein scheinen, was weiß denn ich.
Wenn die Packung Kaffee von 5,99 Euro auf 6,49 Euro erhöht wird, ist das nicht schön.
Wenn sich eine Uhr aber binnen 18 Monaten von 4.800 Euro auf 5.600 Euro erhöht, ist das
Hobby für mich an einem kritischen Punkt angelangt.
Leidenschaft muss man sich leisten können, selbstverständlich. Dem stimme ich zu und ich
bin an dem Punkt, wo ich mir eingestehen muss, dass ich dieser Art von Hobby eine Korrektur
unterziehen muss. Meine Lebensumstände geben es nicht her, dass ich leichtfüßig darüber
hinwegschweben kann. Zumal ja die Risse und Canyons ihr übriges beisteuern.
Was genau ist denn meine Leidenschaft? Ist es wirklich die hochpreisige mechanische Seele?
Und, ist das Nichtvorhandensein dieser erlesenen Seele ein k.o. Kriterium für mich?
Die Antwort kam per Zufall
Ich gehöre zu den Ewiggestrigen, die dieses Genta-Design mögen. Ob ich es beim Stöbern
im Netz entdeckt habe oder es in irgendeinem Newsletter war, ich weiß es nicht mehr. Habe es
vergessen. In dieser Hinsicht gibt es bei mir wohl Parallelen zur politischen Elite unseres Landes.
Jedenfalls sprach mich eine Uhr an, die ich mir ansehen wollte.
Gesagt, getan, gesehen, geprüft, gekauft. Ja, ich habe mir eine Quarzuhr gekauft. Die PRX von Tissot.
Vielleicht aus Trotz, wie wenn man irgendwo abprallt und auf der gegenüberliegenden Seite landet.
Möglicherweise kennt das jemand und versteht, was ich meine.
So, nun ist dieses seelenlose Ding bei mir und ich erlebe, dass dieses Batterie betriebene Etwas so
gar nicht abstoßend ist. Es macht mir Freude und es wirkt sehr entspannend auf mich.
Fazit
Mein kleiner Weg der LEIDENschaft ist auch geprägt von meinen Schwächen, meinem Hadern mit
Ansprüchen, enttäuschten Erwartungen und von meinen finanziellen Grenzen.
Ich mag selbstverständlich nach wie vor mechanische Uhren. Nur muss es nicht mehr so hoch auf der Leiter sein.
Freude hängt nicht immer vom Preisschild ab. Das rede ich mir auch nicht schön, wie es naheliegend wäre.
Nein, das ist der ehrliche Wandel in meinem Denken. Vielleicht erwerbe ich ja auch noch mal eine hochwertige Uhr.
Kann sein, kann nicht sein.
Die Basis ist jedenfalls eine andere. Leidenschaft, die ich mir leisten kann und leisten möchte.
Ich bedanke mich, wenn du es bis hierher geschafft hast zu lesen. Eventuell erkennst du dich ein wenig wieder.
Vielleicht bist du aber auch komplett anderer Meinung. Beides ist vollkommen in Ordnung.
Es gibt in dieser Hinsicht wohl kein "Richtig" und kein "Falsch" – nur Leidenschaft.
Zuletzt bearbeitet: