Spitfire73
Themenstarter

Einleitung
Mit Seiko und Breitling heften gleich zwei namhafte Traditionshersteller im Jahr 2017 ihren historischen Tauchlegenden Erbschleicher an die Fersen. Welche reizvollen Parallelen und Unterschiede diese Unterfangen aufweisen und zu welchen Tricks die beiden Nachgeborenen greifen, um sich des jeweils bedeutenden Erbes zu bemächtigen, will dieser Beitrag beleuchten. Ob es sich dabei um einen vorstellenden Vergleich oder eine vergleichende Vorstellung handelt, mag der Leser entscheiden. Der Autor lässt es dahingestellt.

Historie vs. Historie
Wir schreiben das Jahr 1957 und Willy Breitling steht seit 25 Jahren in leitender Verantwortung für die Geschicke der Firma. In diesem Jahr betritt der Hersteller mit dem Modell "SuperOcean" Neuland. Breitlings erste Taucheruhr mit der Referenz 1004 verfügt über ein Schalenbaugehäuse mit zifferblattseitig einmontiertem Werk unter einem speziellen Panzerglas. Maßnahmen, die eine für diese Zeit bemerkenswerte Wasserdichte von 200 Metern gewährleisten. Folgerichtig erweitert Breitling fortan seinen Werbeslogan auf: "Breitling Time. In der Luft, zu Land und zu Wasser." Das Dreizeigermodell mit einem Durchmesser von 38mm und einer auffällig konkav gestalteten Lünette wird im zivilen wie militärischen Einsatz durchaus erfolgreich sein, aber an den Nimbus einer Blancpain Fifty Fathoms oder gar Rolex Submariner nie anknüpfen können. Der Listenpreis 1960 in Deutschland beträgt übrigens 395 DM während das statistisch frei verfügbare Arbeitnehmerjahreseinkommen im gleichen Jahr 4.770 DM erreicht (Quelle: Statista). Entgegen herrschender Stammtischmeinung war die Anschaffung hochwertiger Uhren also schon damals für Normalverdiener kein billiges Vergnügen.


Acht Jahre nach Breitling und rund 9.400 km von La Chaux-de-Fonds entfernt in Tokio, entschließt sich 1965 Seiko ebenfalls, die erste eigene Taucheruhr und damit gleichzeitig auch die erste japanische Taucheruhr überhaupt auf den Markt zu bringen. Das Modell mit der Referenz "6217-8001" erlangt schnell unter der poetisch ausbaufähigen Bezeichnung "62MAS" (autoMAtic Selfdater) Bekanntheit und beweist seine bemerkenswerten Nehmerqualitäten unter denkbar widrigen Umständen als Begleiterin der 8. japanischen Antarktisexpedition (JARE8) ab dem Jahr 1966, deren Aufgabe hauptsächlich in der Durchführung geologischer Arbeiten wie dem Bergen von Bohrkernen in Victoria-Land (Beardmore- und Taylor-Gletscher) bestand. Die "62MAS" verfügt über ein Gehäuse mit 37mm Durchmesser. Zu ihren Besonderheiten gehören eine beidseitig drehbare Lünette und ein verschraubter Boden. Trotz unverschraubter Krone wird eine Wasserdichtigkeit von 150 Meter erreicht. In den kommenden Jahrzehnten werden viele Exemplare Seikos Verzicht auf eine Schraubkrone mit sichtbaren Feuchtigkeitsschäden am Zifferblatt bezahlen.

(Historische Post aus der Antarktis von JARE8)
Mehr als ein halbes Jahrhundert später bringen beide Hersteller Remineszenzen an ihre ersten Taucheruhren auf den Markt. Für Breitling ist es keine Premiere denn bereits seit 2007 bereichert mit der erfolgreichen Superocean Heritage eine Hommage an die erste SuperOcean in 42 und 46mm die Produktpalette. Die augenfälligsten Unterschiede zu dieser bestehen nun in der Verwendung von Keramik beim Material der Lünette, vorbildnähere Zeiger, der ausgewogeneren Datumsposition auf 6 Uhr auch beim 42mm Modell, einem Leuchtpunkt im Dreieck auf der Lünette und natürlich dem MT5612 Kaliber von Rolex/Tudor, das unter der Bezeichnung B20 zudem für einen Höhenzuwachs von 2mm beim Gehäuse verantwortlich zeichnet. Seiko gibt die gestalterische Neuinterpretation der "62MAS" in die Hände von Nobuhiro Kosugi, einem erfahrenen Designer des Unternehmens, der bereits einige Preise unter anderem für die Gestaltung von Grand Seiko Modellen erhielt. Kosugis finaler Entwurf erhöht den Durchmesser auf zeitgemäßere 39,9mm aber hält sich ansonsten bemerkenswert nah ans Vorbild. Zugleich betont die Neuauflage damit eindrucksvoll die zeitlos gültige Designqualität des Originals. Breitling gestattet sich dagegen trotz gesteigerter Vorbildnähe größere Freiräume und verzichtet bei der Neuauflage dankenswerterweise auf die Übernahme der bereits am Original seltsam anmutenden kreisrunden Stundenmarkierungen mit darübergelegten Keilindexen. Unterschiedlich legen beide Hersteller auch den Vertrieb der beiden Neuheiten an. Breitling fertigt die Neuauflage offensichtlich parallel zur Superocean Heritage I in offener Serie während sich Seiko auf eine limitierte Auflage von 2.000 Exemplaren beschränkt. Einigkeit herrscht dagegen hier wie dort bei der selbstbewußten Preisgestaltung. Seiko offeriert sein Retromodell für 3.800 Euro und Breitling weist 4.470 Euro in den Preislisten aus. Da bei Seiko beide Bandvarianten im Preis enthalten sind, addiert sich für einen fairen Vergleich bei der Breitling noch ein Betrag von 140 Euro für das neue Kautschukband "Aero Classic" auf zusammen insgesamt 4.610 Euro. Der ausstattungsbereinigte Listenpreisunterschied beträgt damit 810 Euro. Unter Berücksichtigung der realisierbaren deutlichen Nachlässe auf beide Uhren ließ sich der tatsächliche Preisunterschied meiner beiden Exemplare auf 507 Euro verringern. Er wird der Anknüpfungspunkt späterer Betrachtungen sein.

Kaufentscheidung vs. Kaufentscheidung
Breitlings Neuauflage begegnete mir erstmals beim gelangweilten Durchklicken der Baselneuheiten 2017 und begeisterte mich auf Anhieb. Die von mir am bisherigen Modell als nachteilig empfundene breite und kratzempfindliche Alulünette war gegen eine solche aus Keramik und endlich mit Leuchtpunkt ersetzt, das Datum des 42er Modells war symmetriefördernd auf die 6 Uhr Position gewandert, die Gestaltung der Zeiger wurde deutlich nachgeschärft und mit dem neuen von Rolex für Tudor entwickeltem, äußerst leistungsfähigen Manufakturkaliber vereinte die Uhr zudem sehr charmant Elemente von drei Herstellern, die mir allesamt äußerst sympathisch sind.
Nur wegen dem neuen Werk allein hätte ich allerdings keinen Kauf erwogen; jedoch entsprachen die optischen Verbesserungen zu einhundert Prozent dem, was ich mir für dieses Modell immer schon gewünscht hatte. Dummerweise hatte ich jedoch einige Zeit davor eine recht günstige Gelegenheit bei meinem Stammkonzi ergriffen, der mir die Superocean Heritage I 42 für unterhalb der üblichen Grauhändlerpreise offeriert hatte. Und so wartete diese bereits ungetragen und verklebt auf ihren Einsatz. So haderte ich mit mir selbst und beschloß schließlich, das Schicksal würfeln zu lassen. Sollte sich der Verkauf mit einem von mir vorab festgelegten akzeptablen Verlust realisieren lassen, würde ich die neue Version bestellen oder ansonsten eben das alte Modell entkleben und tragen. Das beauftragte Schicksal würfelte günstig und ich beendete die Trennung von der Heritage I zu meiner Überraschung sogar mit einem einstelligen Gewinn, was ich als deutlichen Wink begriff, die Neue ebenso unverzüglich wie blind zu bestellen. Eine Bauchentscheidung, die sich als richtig erweisen sollte auch wenn sich die Wartezeit länger als gedacht gestaltete. Die Kaufentscheidung zur Seiko reifte dagegen über einen längeren Zeitraum. Oberflächlich betrachtet erschien sie mir zunächst für das Gebotene zu teuer. Nach eingehender Beschäftigung und dem interessierten Verfolgen der Diskussionen hier im Forum sah ich jedoch ein, meine ursprüngliche Meinung in diametraler Weise korrigieren zu müssen. Was folgte waren Wochen der Preisrecherche und schließlich die Entscheidung zur Vorbestellung für ein Exemplar aus europäischer Auslieferung zu einem denkbar günstigen Preis. Auch diese Blindbestellung auf Bauchgefühlbasis sollte sich als richtig erweisen zumal als Sahnehäubchen die vierstellige individuelle Limitierungsnummer ausgerechnet exakt meinem Geburtsdatum entspricht. Ein gutes Omen.

Dabei ist mein Verhältnis zu Seiko sicher kein einfaches sondern umfasst seit Jahren das gesamte Spektrum möglicher Gefühlslagen von größter Begeisterung über Euphorie bis hin zu Wut und bodenloser Enttäuschung. Es übersteigt meinen Verständnishorizont bei weitem, warum das japanische Traditionsunternehmen einerseits hochwertige handwerkliche Arbeit oder einzigartige technische Innovationen wie Kinetic oder Spring Drive hervorbringt aber gleichzeitig quer durch alle Produktlinien auffällig oft an einfachsten Dingen wie der korrekten Ausrichtung von Rehaut und Zifferblatt oder dem präzisen Setzen von Zeigern scheitert. Ein ambivalenter Hersteller wie ein Unfall, bei dem man nicht wegsehen kann weil sich Genialität und Stümperei als unvereinbare Gegensätze fröhlich die Hände reichen. Als würde ein Navigator zwar bei Orkan und Sturm mit verbundenen Augen und ohne Hilfsmittel über den Atlantik lotsen können aber sich daheim auf dem Weg vom Bad in die Küche verirren. Im Grunde hatte ich Anfang dieses Jahres nach qualitativen Querelen und der folgenden Wandlung einer Turtle PADI mit dem Hersteller -wieder einmal- abgeschlossen. Den in der Folge bereits begonnenen Abverkauf meiner Seiko-Sammlung stoppte jedoch ausgerechnet und unbeabsichtigt Seiko Deutschland selbst durch eine unerwartet makellose Glanzleistung bei der Neuausrichtung der leicht schief sitzenden Lünette an meiner Grand Seiko, welche ebenfalls verkauft werden sollte, weil mir die Lust vergangen war, mit einer GS weiterhin das Mitglied einer Produktlinie zu tragen, die für meinen Geschmack zu oft instrumentalisiert wird und für einige so etwas wie ein Statussymbol geworden ist, durch das man sich in Uhrenhobbykreisen die politisch korrekte Ablehnung von Imagedenken attestieren will. Meine GS sollte also gehen und ein Käufer war bereits gefunden, der allerdings wenige Tage vor Übergabe trotz fester Zusage den Handel platzen ließ weil () der Kühlschrank kaputt ging, () das Auto repariert werden oder () aus heiterem Himmel eine Renovierungsrücklage für die Eigentumswohnung vom Konto eingezogen wurde. Beliebig gelogene Ausrede bitte ankreuzen.
Unglücklich war ich darüber nicht, denn in der Zeit zwischen Kaufzusage und angedachter Übergabe hatten sich in mir nagende Zweifel an der Richtigkeit meiner Entscheidung breit gemacht. Als dann noch Seiko Deutschland die Arbeit an meiner GS zu meiner Überraschung völlig kostenlos durchführte obwohl die Garantie bereits seit langem abgelaufen war, versöhnte mich die Freude über diese Geste des Eingeständnisses eigener Fehler mehr als erwartet. Die nunmehr perfekte GS durfte also bleiben und die von diesem positiven Erlebnis letztlich motivierte Neuanschaffung einer makellosen Marinemaster SBDX017 einige Monate später verfestigte das langsam zurückkehrende Vertrauen in den Hersteller auf den heutigen, halbwegs stabilen Stand. So raufen sich Seiko und ich also immer wieder zusammen denn die Uhren üben einen schwer zu beschreibenden Reiz auf mich aus, der sich wohl aus meiner Faszination für japanische Kultur, Mentalität und Gestaltung speist und sich selbst von der Tatsache, dass ich bei vier meiner fünf Turtles die Ausrichtung der Rehaut durch eigenhändiges Zerlegen und Remontieren der Uhren nachbessern musste, erstaunlich unbeirrt zeigt. Zum Fanboy der Marke oder Seiko-Ultra tauge ich leider trotzdem nicht.


Meine Einstellung zu Breitling kommt dagegen ohne Ambivalenzen, eigenes Nacharbeiten am Produkt und damit auch nervenschonender aus. Die plakativ zelebrierte Luftfahrtaffinität des Herstellers holt mich emotional ebenso zuverlässig ab wie das augenzwinkernde Marketing, das mit vielen Stilmitteln überaus gekonnt allerlei überholte und stereotype Männlichkeitsideale wie ein Playboy-Abo beschwört aber sich dabei durch die comicartige Überzeichnung dieser Elemente erkennbar selbst nicht allzu ernst nimmt. Diese Form überzeichneter Selbstironie ist auch elementarer Bestandteil meines persönlichen Humorportfolios.
Absolut ernst nimmt man dagegen bei Breitling das Bemühen um hohe Fertigungsqualität. Die Strategie einer vernünftigen Mischung von prestigeträchtigen Inhousekalibern im Portfolio dort, wo es auch tatsächlich Sinn macht, und ansonsten dem Festhalten an den bewährten, teils modifizierten ETA-Werken in höchster Qualitäts- und Finissierungsstufe, entspricht auch meiner eigenen Philosophie - selbst wenn diese Firmenpolitik freilich auch ein großes Stück weit den eingeschränkten Möglichkeiten eines Herstellers vergleichsweise kleiner Stückzahlen geschuldet sein dürfte. Dabei mag die mantraartige Forderung nach Manufakturwerken um ihrer selbst willen zwar ein von unreflektiert denkenden Konsumenten aufgebauschter Trend sein aber kommt spätestens bei den Folgekosten und der Abhängigkeit vom Preisdiktat des Herstellers als Monopolisten für Ersatzteile und Wartung als schmerzhaft ins Budget schlagender Boomerang zurück. Schlußendlich schätze ich auch das regelmäßig polarisierende Design von Breitling in ganz besonderer Weise, weil es sich nicht dem hierzulande vorherrschenden Dogma vom Understatement als eigentlichem Mainstream anbiedert oder gar unterwirft sondern stattdessen expressiv auf den Putz haut und allen Grund dazu hat. Zurückhaltende Konsensgestaltung ist Breitlings Sache jedenfalls nicht und das ist auch wohltuend gut so selbst wenn die hier vorgestellte Superocean Heritage II vergleichsweise zurückhaltend auftritt und der Understatementträgerfraktion keinerlei nennenswerte Kompromisse abnötigen dürfte.

Gehäuse vs Gehäuse
Das Gehäuse der Seiko präsentiert sich entsprechend dem Vorbild nüchtern, zweckmäßig und weitgehend schnörkellos was man aber keinesfalls leichtfertig mit einfach oder gar billig verwechseln sollte. Die hohe Designqualität des Entwurfs erschließt sich in seinen vielfältigen, fein akzentuierten Aspekten und Details erst nach und nach im direkten Kontakt was die Spannung und den Reiz der Uhr auch nach längerer Besitzzeit konstant hoch hält. Der Korpus überzeugt dabei mit einem geschmackvollen Wechsel polierter Flanken und satinierten Oberflächen unter einer schützenden, bereits von der Shogun oder der aktuellen MM300 bekannten Diashield-Beschichtung. Diese schützt sämtliche Oberflächen und insbesondere die in Bezug auf ihre verblüffend klare Tiefenwirkung exzellent ausgeführten Flankenpolituren in Seikos Zaratsu-Technik in einem gewissen Umfang vor Kratzern und Tragespuren. Unverwundbarkeit garantiert sie freilich nicht. Im Gegensatz zur Breitling verfügt sie über durchbohrte Hörner. Der Bandanstoß zum Gehäuse erfolgt auf der Oberseite nicht bündig sondern erzeugt eine schöne geschwungene Kante, die den sichtbaren Schnitt von poliertem Gehäuse zu satinierter Anstoßoberfläche stilvoll interpretiert.







Die Verarbeitung zielt insgesamt erkennbar auf das erwartbare Niveau der Preisklasse. Selbst über mehrere Zoomstufen hinweg äußerst sauber gefertigte und perfekt gesetzte Zeiger, eine sorgsam ausgerichtete Lünette, ein akribisch mittig justiertes Datum und die völlige Abwesenheit von Nachlässigkeiten an Zeigerspiel und Zifferblatt bestätigen die Ernsthaftigkeit der Ambitionen des Herstellers. Auch wenn auf das Deckglas noch einzugehen sein wird. Das bei allen 120 Rastungen satte und präzise Drehgefühl der gut zu greifenden Lünette überzeugt jedenfalls auf Anhieb und lässt keinen Zweifel an seiner Zugehörigkeit zur Preisklasse. Dabei kommt der im Sonnenlicht auffällig glänzende Drehring erfreulicherweise ohne jedes horizontale und vertikale Spiel aus. Ein wesentlicher Blickfang des mit 20bar bzw. 200M wasserdichten Gehäuses bleibt das stark gewölbte, entspiegelte Deckglas aus Saphir. Es verzerrt jedoch bereits bei leicht schrägem Blick auf das Zifferblatt aber unterstreicht damit auch gleichzeitig enorm das gewollte Vintage-Flair der Uhr. Hier fand sich auch der einzige Qualitätsmangel meines Exemplars: Das Deckglas war ab Werk nicht plan eingesetzt worden. Zwischen der 3-Uhr und 9-Uhr Seite betrug der Höhenunterschied volle 0,4mm:

Obwohl ich mich für einen aufmerksamen Beobachter halte, war mir der Umstand selbst erst aufgefallen nachdem ein anderer Besitzer hier im Forum über dieses Problem an seiner Uhr berichtete. Ein schief eingepresstes Glas ist in dieser (und jeder anderen Preisklasse) freilich Stümperei. Daran gibt es nichts zu beschönigen oder abzuschwächen. Darüber könnte ich nun trefflich den Stab über Seiko brechen, theatralisch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und mit dem Zeigefinger wild nach Japan gestikulieren zumal ich mit meinem Problem auch kein Einzelfall bin. Möglicherweise würde ich es mir damit aber zu einfach machen, denn wenn ich einerseits zutreffend konstatiere, dass Seiko mit der SLA017 qualitativ grundsätzlich die Eintrittskarte in diese Preisliga gelöst hat, muß ich den entdeckten Fehler auch in den Kontext zu den Mängelquoten anderer Hersteller dieser Preisklasse oder gar darüber setzen um zu einem dem Sachverhalt angemessenen Urteil zu gelangen.
Und insoweit hatte ich in der Vergangenheit Mängel bei Auslieferung zum Beispiel an einer meiner vier Breitlinge, an zwei meiner vier Omegas und nun eben an zwei meiner insgesamt vier hochpreisigen Seikos. Das ist nicht schön aber Realität und in der Gesamtschau dieser Erfahrungen mit anderen, anerkannt hochwertigen Marken empfinde ich die Sache mit dem Glas an dieser Seiko bei nüchterner Betrachtung weit weniger weltuntergangstauglich als im Affekt zumal sich die Lösung des Problems weder als kostenintensiv noch zeitraubend herausstellte. Als passionierter Pragmatiker konnte ich über das Forenmitglied Baris die Teilenummer der Glasdichtung in Erfahrung bringen. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle nochmals meinen aufrichtigen Dank aussprechen denn er hat diesen Service ausgerechnet während seines Urlaubs bewerkstelligt. Die Dichtung bestellte ich für kleines Geld in England und das erforderliche Aus- und anschließende perfekte Wiedereinpressen mit abschließendem Wasserdichtigkeitstest besorgte mein Uhrmacher kurzfristig und ohne auch nur die kleinste Spur an der Uhr zu hinterlassen.

Das Auge erfreut sich nun am ungetrübten Blick durch ein perfekt ausgerichtetes, gewölbtes Saphirglas auf ein wirklich grandios gearbeitetes Zifferblatt, das ohne jeden Zweifel den Gesamteindruck dieser Seiko dominiert. In einem je nach Lichteinfall seidenmatten bis metallisch wirkenden Grauton kombiniert es einen wunderschönen, ausdrucksstarken Sonnenschliff mit übergroßen Indexen, gefüllt mit der seikotypisch extrem stark nachleuchtender Leuchtmasse Lumibrite, die großzügig auf die überdimensionalen, aufgesetzten Indexe aufgetragen wurde. Hierbei kommt die verbesserte, seit 2015 auch an der Referenz SBDX017 verwendete Lumibriteversion zum Einsatz, die eine spürbar stärkere und laut Seiko 60% längere Leuchtwirkung aufweist und diese Versprechen auch in der Realität weitgehend einlöst.

Pefekte Zeigerlängen, ein gerahmtes Datumsfeld auf 3 Uhr und eine in weiß aufs Zifferblatt gedruckte Minuterie runden den überaus positiven Eindruck ab. Entsprechend der Vorlage fehlt auch der Neuauflage ein Kronenschutz. Auf der präzise verschraubbaren Krone selbst findet sich erhaben ausgeführt der Seiko-Schriftzug. Den ebenfalls geschraubten Boden ziert dagegen ein dezenter Hinweis auf die Seriennummer und die Auflage (xxxx/2000) sowie -in Anlehnung an das Vorbild- die Lasergravur eines Delfins. Zum Werk hin sorgen gleich zwei Bodendichtungen für Sicherheit.


Die Breitling kontert mit ebenfalls hochwertigen, orangenhauteffektfreien Polituren rundum ohne sich jedoch vom abwechslungsreicheren Gehäuse der Japanerin qualitativ entscheidend absetzen zu können. Das Gehäuse profiliert sich dennoch durch eine präzise und makellose Verarbeitung aller Komponenten. Auch hier erwarten den Träger perfekt gesetzte Zeiger, ein sauber ausgerichtetes Datum auf 6 Uhr und ein partikelfreies Zifferblatt im subtilen, effektvollen "Volcano-Schwarz" sowie der applizierten "B"-Initiale in 18 Karat (750) Gold.







Besonders beeindruckend ist die optische Eleganz der kratzunempfindlichen Keramiklünette, die ebenfalls 120 Rastungen besitzt. Der haptische Qualitätseindruck bei der Bedienung reicht jedoch nicht an den der Seiko heran. Zwar ist das Drehgefühl nicht ganz so trocken und knöchern wie zB das der Lünette einer Omega PO aber auch weit entfernt von der überaus satten Rückmeldung und Geschmeidigkeit des Drehrings der Japanerin. Wie bei dieser sind auch bei Breitling die Lünettenmarkierungen penibel und akkurat auf die Indexe des Zifferblatts ausgerichtet. Gegenüber der atemberaubenden Entspiegelungsgüte des Deckglases der Breitling muss sich die Seiko jedoch deutlich geschlagen geben was freilich ein Stück weit auch der Wölbung des Saphirglases geschuldet ist.
Dafür hat die Seiko bei der Lume deutlich die Nase vorn. An der Breitling leuchten zwar Zeiger, acht Indexpunkte und der Punkt im Lünettendreieck zwar kräftig aber in ihrer Dimensionierung und Wirkung im direkten Vergleich zur Seiko deutlich verhaltener was aber auch hier weniger dem Unvermögen des Herstellers als der gewollten Gestaltung mit vorbildnäheren, kleineren Lumedots geschuldet ist. Während der Boden der Seiko nur günstig wirkende Lasergravuren aufweist, treibt Breitling in diesem Bereich deutlich mehr sicht- und spürbaren Aufwand. In Bezug auf die Verarbeitungsgüte von Zeigern, Indexen und dem Zifferblatt erfüllen dagegen beide gleichermaßen die hohen Erwartungen an eine Uhr ihrer Preisklasse vorbildlich.

Polyurethan vs. Kautschuk
Während das Polyurethan-Band der MM300 haptisch bekanntlich an störrisches Hartplastik erinnert, gemahnt das Silikon-Wafflestrap der SLA017J dagegen an Weichgummi. Schön gestaltet und sorgfältig verarbeitet verjüngt es sich von 19mm am Anstoß auf 18mm an der Schließe. Es ist bemerkenswert angenehm zu tragen auch wenn es im Alltag ein staubanziehendes Talent offenbart. Warum der mit Seiko beschriftete Metallkeeper schwarz beschichtet wurde während die ebenso funktionale wie einfallslos gestaltete Dornschließe selbst wiederum in poliertem Stahl ausgeführt ist, bleibt Seikos Geheimnis. Den erhofften schlüssigen gestalterischen Bezug zum Gehäuse und damit einen harmonischen Designeindruck hinterlässt das bei mir leider nicht. Vielmehr erinnert die Gestaltung erschreckend an die Einheitsschließen günstiger Massenware. Das anschmiegsame Kautschukband der Breitling namens "Aero Classic" verjüngt sich dagegen von 22mm am Anstoß auf 20mm an der Schließe und beeindruckt bereits optisch durch eine raffinierte, ans Milanaiseband bzw an das Band des Vintagemodells erinnnernde Gestaltung. Qualitativ überzeugt es durch geschmeidige, seidenmatte Oberflächen, eine detailverliebte, rundum makellose und dem Band der Seiko überlegenen Vearbeitung sowie eine stilistisch wie funktional gleichermaßen überzeugende Dornschließe in hochwertigem Finish. Für das Gebotene sind 140 Euro zwar nicht günstig aber im Vergleich zu vergleichbaren Bändern der Konkurrenz keinesfalls überzogen. Seiko berechnet dem Kunden im Nachkauf für sein Wafflestrap dagegen dem Vernehmen nach knapp 200 Euro. Sollte das zutreffen, überschreitet die Preisvorstellung der Japaner damit angesichts des Gebotenen für meine Begriffe nicht nur die Grenze zum Wucher sondern überfährt sie regelrecht mit hoher Geschwindigkeit und beschleunigt dabei noch.


Zuletzt bearbeitet: