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Gast001
Gast
Sie kam, natürlich, aus Amerika. Im beschaulichen Oklahoma City hatte man sie erfunden, genau wie den Einkaufswagen.
'Black Mary' und Einkaufswagen, City Museum, Oklahoma City, USA (Quelle: WDR.de)
Bis zu ihrer Erfindung war das, was sie verkaufte, umsonst zu haben gewesen, und entsprechend sauer reagierten ihre Kunden (selbst, wenn sie zugeben mussten, dass das Gut, was sie verkaufte - oder genauer: verpachtete -, knapp und wertvoll war.) Die Heldin unserer kleinen Geschichte wurde geschlagen, getreten, manchmal zog man ihr Kapuzen über den Kopf, bisweilen sägte man an ihr herum und es gab sogar Fälle, da überfuhr man sie einfach. Weil aber ihre meisten Kunden zwar murrten, aber doch bezahlten, wurde sie ein Erfolgsmodell, für klamme Gemeinden ebenso wie für ihre ehrlichen Kunden, die nun endlich wieder ein Plätzchen für ihren besten Freund fanden.
In Deutschland wurde die erste 1954 in Duisburg aufgestellt, und schon kurz danach wieder umgefahren. Trotzdem bevölkerten ihre Nachkommen schon bald zu Hunderttausenden die Straßenränder, vor allem in ihrem natürlichen Habitat, den Innenstädten. Wer es versäumte, sie zu füttern, der bekam von Männern mit Schirmmützen (später auch von Frauen mit Schiffchen) unmissverständlich Bescheid gestoßen, wenn auch selten unmittelbar, von Mann zu Mann. Üblich war, eine Nachricht am besten Freund des Menschen zu befestigen, und sich darauf zu verlassen, dass der Mensch die Nachricht auch fand.
Die Rede ist, natürlich, von der Parkuhr.
Als ich noch ein kleiner Junge war, bereitete es mir fast sinnliches Vergnügen, den Groschenhalter in Muttis VW mit Münzen aus ihrem Geldbeutel aufzufüllen, und noch viel mehr Vergnügen empfand ich beim Füttern der Parkuhr: 30 Minuten kosteten einen Groschen (also zehn Pfennig), zahlbar in einer Münze. Dann drehte man am Knauf und zog so die Uhr auf. Wenn man länger brauchte, warf man noch einen zweiten Groschen ein und drehte den Knauf erneut. Nun galt es, die Uhrzeit zu bedenken, denn wenn die Parkuhr abgelaufen war, demonstrierte sie das mit einem auffälligen, von weitem sichtbaren Schild. Dann war unser Auto gewissermaßen vogelfrei - jeder Büttel der öffentlichen Ordnung durfte einem nun einen Strafzettel verpassen. Polizisten, die sich langweilten, fuhren langsam mit dem Peterwagen die Einkaufsstraßen entlang und klemmten jedem, dessen Uhr abgelaufen war, ein Knöllchen hinter den Scheibenwischer. Als ob man sie dafür erfunden hätte!
Um solchem Unbill auszuweichen, empfahl sich die Anschaffung eines geeigneten Zeitmessinstrumentes. Die große Lösung war natürlich der Chronograph. Der bot den Vorteil, dass man damit nicht nur Parkminuten zählen konnte. Junggesellen kochten damit Eier und Nudeln (eine Hausfrau hat das bekanntlich 'im Gefühl'
) ... und natürlich maßen sie auch die Minuten, die die Parkuhr bereits lief.
Nun empfanden viele Chronographen als 'zu sportlich'. Also musste ein Chronograph her, der nicht so aussah wie ein Chronograph. Die Lösung war die "MinStop". Hier ein 'Buren'-gelabeltes Exemplar aus den frühen 1960er-Jahren:
Bild: Ebay.co.uk-User 'styleintime'[/QUOTE]
Ob sie wirklich von Stowa entwickelt und dann als OEM für andere Marken gefertigt wurde, wie es dieser Artikel in der Watchlounge glauben macht, vermag ich nicht mit letzter Sicherheit zu sagen. Ziemlich wahrscheinlich ist aber, dass alle diese Uhren von einem Lieferanten kamen - zu ähnlich sind sich die Modelle von Buren, Anker, Perrier, Paul Garnier, Stowa, LIP und so weiter. Sehr viele tragen auch gar keinen Markennamen sondern lediglich die Modellbezeichnung "MinStop".
Allen gemeinsam ist, dass sie ein DuRoWe-Werk besitzen - ein 391-4, 471-4 oder 7424/7524 - letzteres sogar mit Automatik.
Ebenso ist allen gemeinsam, dass sie zu teilweise aberwitzigen Preisen feilgeboten werden - gelegentlich werden hohe dreistellige Beträge aufgerufen. Deswegen langte ich zu, als ich diese hier ...
... einem unbedarften Mitbieter für einen zweistelligen Betrag entreißen konnte
Die Bilder zeigten eine etwas verlebte Schönheit mit deutlich Patina auf dem Blatt und einer etwas abgenutzten Lünette.
Sie laufe "ein wenig schnell", hieß es in der Anzeige, "wenig Aufwand für einen geübten Uhrmacher." Dies war dann auch die unangenehme Überraschung: sie machte die Stunde in etwas mehr als vierzig Minuten. Dies ließ sich natürlich nicht regulieren, also bat ich falko um Hilfe. Falko maß die Uhr durch und kam zu dem Ergebnis, dass das Sekundenrad nicht zum Werk gehörte. Nun wurde es schwierig: Ersatzteile für das Durowe 471 sind an und für sich einfach zu bekommen. Aber das Sekundenrad im 471-4 hat eine deutlich längere Achse, denn es muss die zusätzliche Luft zum Zifferblatt überwinden, die benötigt wird, um die zifferblattseitig angebrachte Hebelei unterzubringen.
falko suchte monatelang nach dem Teil und machte mich schließlich auf eine als defekt angebotene MinStop in der Bucht aufmerksam. Wir boten, aber wir wurden überboten. Daraufhin lancierte ich eine Suchanfrage im UFo. Noch am selben Tag erhielt ich Antwort von 'brainless', der mir ein 471-3 anbot. Da das 471-3 über eine Datumsscheibe verfügt, muss auch seine Sekundenradwelle etwas länger sein. Die Frage war lediglich, ob sie lang genug war. Kameradschaftlich schickte mir 'brainless' das Werk, damit ich es vermessen konnte. Ergebnis: es sollte passen.
Nun ging alles sehr schnell: falko ölte das Werk und tauschte Sekundenrad und Unruh. Nun zeigt sie die Parkzeit wieder ganz genau.
Und das ist auch gut so, denn selbst wenn es keine Parkuhren mehr gibt, deren Unterhalt einfach zu teuer geworden ist, so ist doch der Grund für ihre Einführung immer noch der selbe: Parkraum ist immer noch knapp und demzufolge teuer. Allerdings kommt man mit zehn Pfennig nicht mehr sehr weit, jedenfalls nicht in den Zentren deutscher Großstädte. Und so gleichen die modernen Parkautomaten eher Banktresoren als Standuhren.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Euch allen ein schönes Weihnachtsfest und einen (hoffentlich strafzettelfreien) Rutsch ins neue Jahr!
Viele Grüße
Tomcat

'Black Mary' und Einkaufswagen, City Museum, Oklahoma City, USA (Quelle: WDR.de)
Bis zu ihrer Erfindung war das, was sie verkaufte, umsonst zu haben gewesen, und entsprechend sauer reagierten ihre Kunden (selbst, wenn sie zugeben mussten, dass das Gut, was sie verkaufte - oder genauer: verpachtete -, knapp und wertvoll war.) Die Heldin unserer kleinen Geschichte wurde geschlagen, getreten, manchmal zog man ihr Kapuzen über den Kopf, bisweilen sägte man an ihr herum und es gab sogar Fälle, da überfuhr man sie einfach. Weil aber ihre meisten Kunden zwar murrten, aber doch bezahlten, wurde sie ein Erfolgsmodell, für klamme Gemeinden ebenso wie für ihre ehrlichen Kunden, die nun endlich wieder ein Plätzchen für ihren besten Freund fanden.
In Deutschland wurde die erste 1954 in Duisburg aufgestellt, und schon kurz danach wieder umgefahren. Trotzdem bevölkerten ihre Nachkommen schon bald zu Hunderttausenden die Straßenränder, vor allem in ihrem natürlichen Habitat, den Innenstädten. Wer es versäumte, sie zu füttern, der bekam von Männern mit Schirmmützen (später auch von Frauen mit Schiffchen) unmissverständlich Bescheid gestoßen, wenn auch selten unmittelbar, von Mann zu Mann. Üblich war, eine Nachricht am besten Freund des Menschen zu befestigen, und sich darauf zu verlassen, dass der Mensch die Nachricht auch fand.

Die Rede ist, natürlich, von der Parkuhr.
Als ich noch ein kleiner Junge war, bereitete es mir fast sinnliches Vergnügen, den Groschenhalter in Muttis VW mit Münzen aus ihrem Geldbeutel aufzufüllen, und noch viel mehr Vergnügen empfand ich beim Füttern der Parkuhr: 30 Minuten kosteten einen Groschen (also zehn Pfennig), zahlbar in einer Münze. Dann drehte man am Knauf und zog so die Uhr auf. Wenn man länger brauchte, warf man noch einen zweiten Groschen ein und drehte den Knauf erneut. Nun galt es, die Uhrzeit zu bedenken, denn wenn die Parkuhr abgelaufen war, demonstrierte sie das mit einem auffälligen, von weitem sichtbaren Schild. Dann war unser Auto gewissermaßen vogelfrei - jeder Büttel der öffentlichen Ordnung durfte einem nun einen Strafzettel verpassen. Polizisten, die sich langweilten, fuhren langsam mit dem Peterwagen die Einkaufsstraßen entlang und klemmten jedem, dessen Uhr abgelaufen war, ein Knöllchen hinter den Scheibenwischer. Als ob man sie dafür erfunden hätte!
Um solchem Unbill auszuweichen, empfahl sich die Anschaffung eines geeigneten Zeitmessinstrumentes. Die große Lösung war natürlich der Chronograph. Der bot den Vorteil, dass man damit nicht nur Parkminuten zählen konnte. Junggesellen kochten damit Eier und Nudeln (eine Hausfrau hat das bekanntlich 'im Gefühl'

Nun empfanden viele Chronographen als 'zu sportlich'. Also musste ein Chronograph her, der nicht so aussah wie ein Chronograph. Die Lösung war die "MinStop". Hier ein 'Buren'-gelabeltes Exemplar aus den frühen 1960er-Jahren:

Bild: Ebay.co.uk-User 'styleintime'[/QUOTE]

Ob sie wirklich von Stowa entwickelt und dann als OEM für andere Marken gefertigt wurde, wie es dieser Artikel in der Watchlounge glauben macht, vermag ich nicht mit letzter Sicherheit zu sagen. Ziemlich wahrscheinlich ist aber, dass alle diese Uhren von einem Lieferanten kamen - zu ähnlich sind sich die Modelle von Buren, Anker, Perrier, Paul Garnier, Stowa, LIP und so weiter. Sehr viele tragen auch gar keinen Markennamen sondern lediglich die Modellbezeichnung "MinStop".

Allen gemeinsam ist, dass sie ein DuRoWe-Werk besitzen - ein 391-4, 471-4 oder 7424/7524 - letzteres sogar mit Automatik.
Ebenso ist allen gemeinsam, dass sie zu teilweise aberwitzigen Preisen feilgeboten werden - gelegentlich werden hohe dreistellige Beträge aufgerufen. Deswegen langte ich zu, als ich diese hier ...



... einem unbedarften Mitbieter für einen zweistelligen Betrag entreißen konnte


Sie laufe "ein wenig schnell", hieß es in der Anzeige, "wenig Aufwand für einen geübten Uhrmacher." Dies war dann auch die unangenehme Überraschung: sie machte die Stunde in etwas mehr als vierzig Minuten. Dies ließ sich natürlich nicht regulieren, also bat ich falko um Hilfe. Falko maß die Uhr durch und kam zu dem Ergebnis, dass das Sekundenrad nicht zum Werk gehörte. Nun wurde es schwierig: Ersatzteile für das Durowe 471 sind an und für sich einfach zu bekommen. Aber das Sekundenrad im 471-4 hat eine deutlich längere Achse, denn es muss die zusätzliche Luft zum Zifferblatt überwinden, die benötigt wird, um die zifferblattseitig angebrachte Hebelei unterzubringen.

falko suchte monatelang nach dem Teil und machte mich schließlich auf eine als defekt angebotene MinStop in der Bucht aufmerksam. Wir boten, aber wir wurden überboten. Daraufhin lancierte ich eine Suchanfrage im UFo. Noch am selben Tag erhielt ich Antwort von 'brainless', der mir ein 471-3 anbot. Da das 471-3 über eine Datumsscheibe verfügt, muss auch seine Sekundenradwelle etwas länger sein. Die Frage war lediglich, ob sie lang genug war. Kameradschaftlich schickte mir 'brainless' das Werk, damit ich es vermessen konnte. Ergebnis: es sollte passen.

Nun ging alles sehr schnell: falko ölte das Werk und tauschte Sekundenrad und Unruh. Nun zeigt sie die Parkzeit wieder ganz genau.
Und das ist auch gut so, denn selbst wenn es keine Parkuhren mehr gibt, deren Unterhalt einfach zu teuer geworden ist, so ist doch der Grund für ihre Einführung immer noch der selbe: Parkraum ist immer noch knapp und demzufolge teuer. Allerdings kommt man mit zehn Pfennig nicht mehr sehr weit, jedenfalls nicht in den Zentren deutscher Großstädte. Und so gleichen die modernen Parkautomaten eher Banktresoren als Standuhren.

Aber das ist eine andere Geschichte.
Euch allen ein schönes Weihnachtsfest und einen (hoffentlich strafzettelfreien) Rutsch ins neue Jahr!
Viele Grüße
Tomcat