
Brambilla
Themenstarter

Liebe Kollegen und Kolleginnen
Heute stelle ich euch die Minase Divido vor. Diese Uhr ist für mich in vielerlei Hinsicht eine besondere Uhr. In meiner Box liegen ein paar Ticker und zwei, drei von ihnen sind mit Sicherheit interessant. Dennoch ist es die Minase, welche mich immer wieder von neuem packt. Und ja, sie taugt als Alltagsuhr, ist genug sportlich, immer lässig und passt auch zu formaler Kleidung, sogar zu weissen Socken. Aber um die Vielseitigkeit dieser Uhr geht es mir gar nicht, es ist etwas anderes, was die Minase Divido bei mir jedesmal auslöst, wenn ich sie aus der Box nehme.
Obschon es heute eigentlich alles auf dem Uhrenmarkt gibt, von traditioneller Uhrmacherkunst bis abgefahrene Moderne, und einem nichts mehr wirklich überrascht, so schafft es die Divido bei mir immer wieder, eine nachhaltige Sensation des „Neuen“ oder „Anderen“ zu erzeugen. In einer Zeit, wo den Herstellern die Ideen ausgegangen zu sein scheinen, wo man sich gegenseitig kopiert und die Archive bis in den letzten Winkel durchforstet und Modelle neu aufgegossen werden, ist die Minase wie ein kleiner Fels in der Brandung. Ok, ich übertreibe vielleicht; und wahrscheinlich ist die Kritik an den Uhrenherstellern, sei seien einfallslos und es mangle ihnen an Kreativität, auch übertrieben. Aber ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die Minase Divido für mich die Uhr ist, welche mich von allen meinen Tickern am meisten überrascht hat, im positiven Sinne, und - was noch erstaunlicher ist - es immer wieder von Neuem tut.

Nach diesen Lobgesängen frage ich mich, wie stelle ich eine solche Uhr vor?
Eine immer wieder gerne gewählte Methode besteht darin, dass man seinen Weg zur Uhr von Anfang an beschreibt. Das ist sehr beliebt und der Einstieg würde sich im konkreten Fall in etwa wie folgt lesen:
„Eigentlich wollte ich vor sechs Jahren nur meinen Kollegen kurz besuchen, der ein Uhrengeschäft in der Stadt Bern führt. Dann zeigte er mir eine interessante japanische Uhr einer Marke, die ich nicht kannte. Ein paar Wochen später lud er mich dann zu einem Minase-Event in Biel ein, mitsamt Sushi, Sake und dem Befummeln von vielen schönen Uhren dieser einzigartigen Marke“.
Eine andere Möglichkeit für eine Vorstellung ist das Erzählen einer umrahmenden Geschichte, die direkt oder nur indirekt mit der vorzustellenden Uhr zu tun hat. Uhr und Geschichte gehen nicht unbedingt einher, aber sie befeuern und entschleunigen sich gegenseitig. So etwas gefällt mir persönlich immer sehr gut, und hier im uf gibt es Meister dieses Fachs. Beispielsweise @Mapa mit seiner historisch interessanten Panerai-Trilogie oder @music-power mit der fesselnden Vorstellung einer wunderhübschen englischen Taschenuhr. Möchte man um die Minase Divido herum eine solche Geschichte aufziehen, dann würde ich jetzt vielleicht über japanisches Industrie-Design nach dem zweiten Weltkrieg schreiben, vielleicht über einen alten japanischen Meister der Kalligraphie, unbedarft über Buddhismus und Shintoismus faseln oder allgemein über die japanische Fähigkeit der Assimilierung und Verschmelzung gegensätzlicher Einflüsse.
Ich mache nichts dergleichen und beginne statt dessen mit einem Bild einer Autobahnraststätte. Hier ist er also, der Fressbalken über der Autostrada: Pavesi Autogrill bei Novara, aufgenommen im Jahr 1967.

Erbauer dieses - und auch anderer, ähnlicher - Autogrills war der italienische Architekt Angelo Bianchetti. Diese Gebäude waren und sind eigentliche Kunstwerke, in ihren Erscheinungen widerspiegelt sich das Experimentieren mit Formen und Strukturen. Gewagt, fortschrittlich und darauf aus, Emotionen hervorzurufen. Ich kann mir die Euphorie des Fahrers des weissen Fiat 1100 ausmalen, der seine Macchina gerade eben akkurat entlang des mit Blumenreihen versehenen Grünstreifens parkiert hat. Wie er nun den dominanten - und wie ein Megalith in der Landschaft stehenden - Pavesi Autogrill betritt, um sein Aqua Minerale und das Panini con Prosciutto zu bestellen. Die klaren Formen der Raststätte mit ihren ungewöhnlichen Perspektiven geben unserem Reisenden dabei mit Sicherheit den Eindruck, sich in einem innovativen Umfeld zu bewegen. Dynamik auch abseits der Strasse. Das jedenfalls muss die Intention des Keksherstellers Pavesi und seines Architekten gewesen sein.
Mit der Minase hat der Autogrill eigentlich nichts zu tun, aber Emotionen, Experimentierfreude und fortschrittliche Ästhetik sind Attribute, die ich dem Erscheinungsbild der Divido attestieren möchte. Die Verpackung macht’s aus.
Wer ist Minase?
Die Firma Minase ist ein Spin-Off der Firma Kyowa, welche seit Beginn der 60er Jahre hochpräzise Werkzeuge für die Maschinenindustrie und Uhrenindustrie herstellt. Im Jahr 2005 liess Kyowa unter dem Namen Minase (der Ortsname der Werkstätte in der Präfektur Akita) die ersten Uhren herstellen. Die jährliche Produktion wird je nach Quelle zwischen 500 bis 1500 Stück angegeben. Auf jeden Fall sind Minase Uhren auf dem Uhrenmarkt absolute Randerscheinungen.
Der Eindruck der Uhr, Gehäuse und Zifferblatt
Auf den ersten Blick sieht die Minase Divido aus, wie eine Stahlsportuhr im Stile der 1970er Jahre. Das 40 mm messende Gehäuse und das Stahlband bilden eine vermeintliche Einheit, eher Robustheit als Eleganz. Wie Genta-Design schaut es aber nicht aus, dafür fehlt schlicht und ergreifend eine dominante Lunette und eine umspannende Integration des Stahlbandes.

Die Oberflächen der Uhr sind teilweise poliert, teilweise gebürstet. Was auffällt sind die scharfen Übergänge bei der Gehäusearchitektur. Und man fragt sich ganz nebenbei, ob eine CNC-Maschine wirklich all diese Winkel und Absätze in der hier augenscheinlichen Präszision ausspucken kann. Kann sie wahrscheinlich nicht, denn das Gehäuse der Divido besteht in Summe aus kleinen, einzelnen Bauteilen, die erst zu einem überzeugenden Gesamten zusammengefügt werden müssen.

„Divido“ bedeutet in der Esperanto-Sprache soviel wie „geteilt“. Diesem Motto folgt denn auch die äussere Gehäusestruktur, welche einem Sandwich gleicht, dessen beide „Brotränder“ sich leicht konisch geformt in der Mitte treffen. Der obere Teil beinhaltet gleichzeitig die hochglanzpolierte Lunette, welche ein hochragendes Saphirglas umspannt. Dieses „Boxed“ Saphirglas führt die Oberseite konstruktiv, aber zwanglos weiter. Unterhalb der Lunettensektion ist das Oberteil gebürstet.

Das untere Gehäusesegment dagegen ist in der Mitte schwarz gefärbt. Dies bewirkt eine deutliche optische Trennung von den Bandanstössen. Und dies aus gutem Grund, denn diese Anstösse sind eigenständige Elemente und, wenn man so will, das eigentliche Highlight des Gehäuses. Die Hörner bestehen, das Prinzip des Gehäuses wiederholend, aus zwei Ebenen von zusammengeschraubten Elementen und wirken dabei optisch schockierend gut verarbeitet. Der obere Teil der Anstösse passt haargenau in die Vertiefungen der Lunette und scheint das Glas wie zu klammern. Spätestens jetzt muss jedem klar sein, dass ein solches Gehäuse nicht aus einem Stahlblock entstehen kann.

Die Winkel der Bandanstösse sind aus der Nähe betrachtet schlicht perfekt gemacht. Ihre Oberfläche ist in geraden Linien gebürstet, wirklich unfassbar gut gemacht. Der obere Teil der Hörner besitzt eine polierte Fase, die eine sanfte Rundung aufweist. Die zum Band hinweisende Innenseite der Anstösse wiederum ist spiegelpoliert. Alles in allem zeigt sich an diesen Details allein schon in aller Deutlichkeit das Know How und die Kompetenz von Minase in der Mikro-Metallbearbeitung und im Finish von Metalloberflächen.

Die Rückseite der Uhr hat ein Bodenteil mit den vier Unterseiten der Anstösse. Durch das Sichtfenster sieht man auf das Werk sowie einen schwarzen Rahmen, welcher zur Zifferblattstruktur respektive dem Innengehäuse gehört. Typisch für Minase ist diese Art "Gehäuse im Gehäuse-Konstruktion“. Zwischen dem äusseren Gehäuserand und der inneren Konstruktion sieht man einen Spalt, man hat fast den Eindruck, das Innere der Uhr schwebe im Gehäuse.

Es ist zudem nicht einfach, bei einer Minase zwischen dem äusserem Gehäuse und dem Innenleben wie Zifferblatt und Werkaufhängung zu unterscheiden. Das Äussere wie das Innere scheinen konstruktiv verbandelt. Das Zifferblatt selber ist eine komplexe Kombination aus vier Elementen, welche teilweise auch als Bestandteil der inneren Gehäusestruktur fungieren. Eine derartige Konstruktion habe ich bei einer Armbanduhr noch nie gesehen. Und es ist klar, dass ein solcher Entwurf nur dann funktionieren kann, wenn alle Bauteile höchste Präzision aufweisen.

Den äussersten Rand des Zifferblattes bildet ein Metallreif mit Aussparungen für die Minuterie und mit aufgezeichneten Sekundenstrichen. Dieses Teil umschliesst das eigentliche Werk und dient wohl gleichzeitig als Werkhaltering. In diesen Reif kommt das Zifferblatt, welches aus zwei Ebenen besteht. Darüber dann der Ring mit den Indizes. Eine 3-D Orgie, welche man von Aussen betrachtet allenfalls vermuten kann.

Das Gesamtdesign von Minase befolgt im Übrigen die Vorgaben von austauschbaren Komponenten. Minase nennt dies „MORE“ Struktur, ein Prinzip, welches sich die Firma für Armbanduhren und Uhrenbänder hat patentieren lassen. MORE bedeutet „Minase Original Rebuilding Equation“ und bedeutet nichts anderes, als dass jedes einzelne Teil des Gehäuses und des Bandes ausgetauscht werden kann, was gemäss Minase zu einer erhöhten Lebensdauer ihrer Uhren führen soll. Inspiriert, so jedenfalls der Minase Werbesprech, ist das MORE-Prinzip von der Tradition der japanischen Holz-Puzzles.
Die Krone schliesslich auf 3 Uhr ist unverschraubt, dafür sehr griffig und erinnert etwas an Fliegeruhren. Die Krone besitzt ein schwarzes Keramikinlay mit dem Minase-Logo.

Die Indizes auf dem Metallring reichen aus dem nicht sichtbaren Teil in das Zifferblatt hinein und wiederholen das kantige Design. Interessant ist, dass die vier grösseren Indizes nicht alle gleich gross sind. Der Index bei 3 Uhr beim offenen Datumsfenster ist minimal kleiner gehalten. Das eigentliche Zifferblatt wird bei der Minase in der sogenannten Urushi-Technik lackiert. Es handelt sich nicht um einen Schliff, sondern um das Auftragen eines bestimmten Japan-Lacks. Diese Technik nennt sich „Suiboku-ga“ und zitiert gemäss Minase die alte japanische Tradition der „Tinte und Wasser Malerei“. Das Ganze sieht in Nahaufnahme wie ein wilder Schliff aus, oder wie unzählige verschiedene Pinselstriche. Farblich changiert mein Zifferblatt sehr dynamisch zwischen einem leichten Violett, Hellblau und Grau.


Textmässig hält sich das Zifferblatt zurück, dafür besitzt es einen grossen Ausschnitt bei 3 Uhr für das Datum. Hier spielt das Zifferblatt mit einer Tiefenwirkung, die durch die absolute Präzision der Umsetzung erst richt augenfällig wird.

Der verwendete Zeigersatz passt gut zum Erscheinungsbild. Die Zeiger sind lang und gut proportioniert. Sowohl der Stunden- wie auch der Minutenzeiger haben polierte und gebürstete Oberflächen und besitzen einen mittig eingetragenen Streifen Leuchtmittel. Die Lume würde ich allerdings eher als mau einstufen. Ein Pavesi-Leuchtkeks ist die Minase nicht. Der Sekundenzeiger hat, wie bei Grand Seiko, eine Kappe auf und seine rotgefärbte Spitze wölbt sich der Form des Zifferblatt folgend, wie dies im Übrigen auch der Minutenzeiger tut. Wenn eben von Grand Seiko die Rede war; bezüglich ihres Finish sind die Zeiger der Minase nicht auf dem Level von Grand Seiko.

Das Werk
In meiner Minase tickt ein ETA 2824. Relativ sparsam verziert und ohne jeglicheBeschriftung auf dem Rotor. In der aktuellen Nachfolgeversion (Divido 2.0) ist übrigens ein ETA 2892 verbaut, mit einem schön skelettierten Rotor, der das Minase Logo des Bohrkopfes imitiert.

Was soll ich nun noch zum Werk sagen? Das ETA 2824-2 in meiner Uhr läuft sehr gut und genau. Schön und interessant ist es nicht. Damit ist alles gesagt, schliesslich, ich wiederhole mich, kommt es auf die Verpackung an. Zum Preis sage ich erst was am Ende der Vorstellung.
Das Armband
Im Gegensatz zum Werk ist hier volles Programm angesagt. Das Stahlband der Minase Divido ist schlicht top. Die einzelnen Glieder sind massiv und extrem passgenau verbunden. Ein jedes Bandglied besteht aus insgesamt sechs verschiedenen Teilen, ein H-förmiges Teil, ein Mittelteil, welches von unten her mit einer Schraube fixiert wird, sowie zwei Verbindungsstücke und der Gliederstift. Insgesamt eine beeindruckende Konstruktion. Das Ergebnis trägt sich super bequem und wirkt optisch einwandfrei. Gäbe es zur Faltschliesse noch eine Feinverstellung, dann wäre das hier für mich wohl das perfekte Band. Die in den Reviews zur Uhr respektive zum Stahlband vorgenommenen Vergleiche zum Band der AR Royal Oak sind keineswegs übertrieben. Das Minase-Band ist, wie das Uhrengehäuse selber, konstruktiv absolute Topklasse. Die Uhr mit Stahlband kostet übrigens ca. 1300 CHF mehr als die Kautschuk- oder Ledervariante. Das Stahlband ist aber auf jeden Fall eine absolute Kaufempfehlung; für diesen Betrag bekommt man anderswo mit Sicherheit keine gleichwertigen Stahlbänder.


Schlussgedanken
Der UVP der Minase Divido 2.0 ist am Stahlband so um die 6k. Für eine Armbanduhr mit einem ETA Standardwerk ist das absolut gesehen wahnsinnig viel. Rechnet man aber das aufwändige Gehäusedesign und die überragende Verarbeitung mit ein, dann relativiert sich der Preis sehr stark. Ich sage mal so: nehmt eine gute Schweizer Armbanduhr der 6k Klasse und legt sie neben die Minase Divido. Die Minase strahlt mindestens dieselbe solide Qualität aus, aber bezüglich Detailreichtum und Look wird sie die andere Uhr wohl übertreffen. Natürlich ist klar, dass jemand, der vor allem Wert auf ein möglichst raffiniertes Uhrwerk legt, bei einer Minase den Gegenwert nicht erkennt. Wer hingegen eine ästhetische und wirklich hochwertige „Verpackung“ der Mechanik sucht, der wird mit der Minase Divido nicht enttäuscht. Ich bin jedenfalls froh, meine Divido in der Box zu wissen. Ich habe daneben auch Uhren von Grand Seiko, die super hübsch und technisch hervorragend sind. Aber die Minase hat, wie soll ich das sagen, irgendwie mehr von diesem Sex Appeal. Es kommt halt tatsächlich aufs Äussere drauf an.

Zum Schluss die technischen Daten:
Modell: Minase Divido (1.0)
Referenz: VM04-M01SB
Gehäuse: Edelstahl poliert und gebürstet, 40.5 mm
Höhe: 12 mm
Lug-to-Lug: 50 mm
Front- und Deckglas: Saphirglas
Wasserdichtigkeit: 50 m
Werk: ETA 2824-2
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